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Manchmal möchte ich schon mit dir...

von Bareil

Kapitel 1

Spielt während Staffel 2.
Es war ein ruhiger Morgen auf der Krankenstation. Doktor Bashir betrat sein Büro gegen sieben Uhr und schaltete den Computer ein. Die ersten Patienten waren für acht Uhr bestellt, bis dahin hatte er Zeit einen tackalijanischen Tee zu trinken und seinen Dienstplan für den Tag zu lesen. Für heute waren keine Außenmissionen geplant, was sich aber bei einem unvorhergesehenen Ereignis schnell ändern konnte. Für den frühen Abend hatte er einen Besuch in Garaks Laden vorgesehen. Der Doktor grinste bei dem Gedanken an das Treffen mit dem Schneider, irgendwie konnte er es gar nicht erwarten, ihn wiederzusehen. Ihre gemeinsamen Mittagessen waren zum Höhepunkt seiner Woche geworden.

Eine der bajoranischen Krankenschwestern , Batur Linas , betrat sein Büro und stellte lächelnd eine Tasse dampfenden, tackalijanischen Tee neben ihm auf dem Schreibtisch ab. „Der ist für Sie, mit extra viel Zucker, wie Sie es mögen, Doktor.“ Sie lächelte ihn nochmals honigsüß an.

Bashir nickte und erwiderte das Lächeln mechanisch, doch seine Gedanken kreisten nach wie vor um Garak. Früher hätte er sich keine Gelegenheit zu einem Flirt mit einer attraktiven, jungen Frau entgehen lassen, doch im Moment nahm er sie nicht einmal als solche wahr.
Garak vertrat so interessante Standpunkte zu beinah jedem Thema, über das sie sprachen. Es schien fast so, als ob es keinen Sachverhalt gäbe, über den der Schneider noch nicht intensiv nachgedacht und sich eine eloquente Meinung gebildet hätte. Er war zu tiefst beeindruckt.

Schwester Batur hatte unbemerkt das Büro wieder verlassen. Nur die Tasse stand noch neben ihm, als Beweis für ihren Besuch. Versonnen starrte er auf den Bildschirm seines Computers. In wenigen Minuten würden die ersten Patienten eintreffen. Er musste endlich seinen Kopf frei bekommen.
***
Zeitgleich betrat Garak seinen Laden auf der Promenade. Bisher war sein Leben im Exil ruhig, um nicht zu sagen langweilig und ereignislos, verlaufen. Seine Bekanntschaft mit Doktor Bashir bot eine willkommene Abwechslung zum täglichen Einerlei seines neuen Lebens als Geschäftsmann. Nur bedauerte er, dass der junge Arzt so gar kein Interesse an einer Beziehung hatte, die über Freundschaft hinausging. Er verstand ja noch nicht einmal die subtilen Hinweise, Andeutungen, Anspielungen und vielsagenden Blicke, die eine an gleichgeschlechtlichen Beziehungen interessierte Person sofort zu deuten gewusst hätte. Schweren Herzens würde er wohl akzeptieren müssen, dass der Doktor für ihn immer unerreichbar bleiben würde.
***
Doktor Bashir betrat Garaks Laden. Er wollte sich einen neuen Anzug maßschneidern lassen. Um diese Zeit des Abends war es, wie der Doktor wusste, ruhig.
Garak erwartete ihn bereits im hinteren Teil seines Ladens, wo sich ein kleines Ankleidezimmer befand.

Er lächelte den Doktor erfreut an. „Es ist schön, dass Sie sich für einen neuen Anzug entschieden haben. Ich bin mir sicher, er wird Ihnen fabelhaft stehen. Gerade heute Morgen habe ich eine neue Lieferung bajoranischer Seide erhalten, die Ihnen sicher gefallen wird. Ich sehe schon das fertige Hemd vor meinem geistigen Auge.“

Bashir hatte sich auf dieses Treffen gefreut, obwohl er Kleideranproben hasste. Seine Uniform war ohne großen Aufwand, nach genauen Vorgaben, erstellt worden und passte haargenau. Doch seit er den cardassianischen Schneider kannte, wusste er den Aufwand um echte Handarbeit zu schätzen. Es war noch dazu viel intimer, als Kleidung von der Stange zu kaufen. Auch genoss er jede Minute der Zeit mit Garak, wie er sich widerwillig eingestand.

„Ich werde Ihnen eine Probe des Stoffes holen, derweil können Sie Ihre Uniform ablegen.“

Bashir entkleidete sich bis auf seine Unterhose. Irgend ein Teufel hatte ihn geritten, ausgerechnet diesen schwarzen, hautengen Slip zu wählen. Er war gespannt auf Garaks Reaktion.

Der Schneider betrat das Ankleidezimmer mit einem Stoffballen auf dem Arm, den er um ein Haar hätte fallen lassen. Dieser Anblick war schier atemberaubend.

Bashir stand, einem griechischen Adonis gleich, auf dem Anprobepodest, nur dass dieser, im Gegensatz zum antiken Vorbild, eine enge Unterhose trug. Garak hatte Abbildungen solcher Staturen in einem Geschichtsbuch über das antike Griechenland gesehen, das ihm der Doktor geliehen hatte. Sofort stieg die Temperatur im Raum um gefühlte zehn Grad. Garaks Blick schweifte über Julians schlanken, jugendlichen Körper. Die langen, fast zierlichen Gliedmaßen erinnerten mehr an einen Tänzer, denn an einen Athleten. Dennoch, er besaß eine faszinierende Schönheit, derer er sich selbst nicht bewusst zu sein schien.

Garak hingegen hatte sie sofort bemerkt. Schade nur, dass der gute Doktor ausschließlich freundschaftliche Gefühle für ihn empfand.
Bashir fühlte seine Blicke auf sich ruhen. Er schien ihn wie ein seltenes Gemälde zu studieren. Eigenartigerweise empfand er seine Aufmerksamkeit nicht als unangenehm, ganz im Gegenteil, seine Blicke schmeichelten ihm insgeheim. Etwas an Garak faszinierte ihn, stets umgab ihn eine Aura des Verruchten, des Verbotenen, des Geheimnisses und der Gefahr. Vielleicht bildete er sich das alles auch nur ein. Oder es spiegelte seine geheimen Sehnsüchte nach genau diesen Qualitäten wieder. Rückblickend erschien es ihm albern, dass er anfangs vor ihm Angst gehabt hatte.

Der Schneider begann mit den Maßen für die Jacke, in dem er das altmodische Maßband waagerecht um seinen nackten Oberkörper legte.
„Atmen Sie ruhig ein und entspannen Sie sich, Doktor, die Jacke soll ja auch beim Bewegen noch bequem sitzen.“
Unwillkürlich hatte er die Luft angehalten, als Garak sich ihm näherte. Dessen Hand berührte unabsichtlich seine entblößte Brustwarze, als er das Maßband straff um seinen Körper zog. Beinah hätte er laut nach Luft geschnappt, als die Berührung ihn wie ein elektrischer Schlag durchfuhr und seine Haut an dieser Stelle prickeln ließ. Würde Garak ihn doch nur ein weiteres Mal dort so berühren.

Doch Garaks geschulter Beobachtungsgabe war seine Reaktion nicht entgangen. Der Doktor wirkte sichtlich nervös, nervöser als für ihn in seiner Gegenwart typisch. Wie beiläufig ließ er das Maßband an seinem Körper hinab gleiten und straffte es in der Taille. Seine Hände streiften über seinen flachen Bauch und berührten kurz den Bauchnabel. Es wäre ihm ein Vergnügen gewesen, diesen wunderbaren Körper zu streicheln.
Der Doktor spannte unwillkürlich seine Bauchmuskeln unter dessen Händen an, was den Bauch zusätzlich fester und straffer erscheinen ließ. Er wagte es kaum zu atmen. Gespannt verfolgte er jede Bewegung seiner geschickten Hände an seinem Körper.

Garak seuftzte. „Entspannen Sie sich, Doktor, wenn Sie den Bauch einziehen, was Sie, nebenbei bemerkt, überhaupt nicht nötig haben, verfälschen Sie Ihren Taillenumfang und die Hose könnte zu eng werden.“ Er konnte nicht widerstehen und strich, wie beiläufig, mit dem Finger über seine Haut hinab zum tiefsitzenden Bund seines Slips. Erneut hielt der Doktor den Atmen an, nur einige wenige Zentimeter tiefer … doch Garaks Hand stoppte just im rechten Moment.

Das Maßband sank tiefer und schlang sich nun um sein Gesäß. Garak straffte es an der Seite, las die Zahl ab und machte sich eine kurze Notiz auf seinem Padd. Als nächstes maß er den Umfang seines Oberschenkels.

„Doktor, würde es Ihnen etwas ausmachen, die Beine leicht zu spreizen, so dass ich Ihre Schrittlänge messen kann ?“

„Nein, natürlich nicht.“ Bashir stellte sich breitbeinig auf das Podest, während Garak das Maßband gefährlich nah an seinem Slip an der Innenseite seines Schenkels positionierte. Dabei musste er sich leicht nach vorn beugen, um das Maß ablesen zu können. Sein Gesicht befand sich dabei auf der Höhe von Bashirs Schritt.

Nur wenige Zentimeter und eine hauchdünne Stoffbahn trennten seinen Mund von … „Jetzt ist es aber genug!“ ermahnte sich Julian in Gedanken. Was war nur in ihn gefahren? Wie konnte er nur über so etwas nachdenken, Garak versuchte bloß, seine Maße zu nehmen, daran war überhaupt nichts Anzügliches.

Würde seine Hand nur ein winziges Bisschen abrutschen, nur wenige Millimeter, dachte Garak, so könnte er den Doktor an seiner intimsten Stelle berühren, doch verbot sich dies selbstverständlich aus Gründen des Anstands. Dennoch beschleunigte sich seine Atmung, was der Doktor hoffentlich nicht bemerkte.

Julian versuchte, ruhig ein- und auszuatmen. Er konnte Garaks warmen Atem an der Innenseite seines nackten Oberschenkels spüren, welcher ihn, einem Windhauch gleich, streifte. Täuschte er sich oder atmete der Schneider schneller als gewöhnlich? Es lag eine eigenartige Spannung in der Luft. Er verspürte das bis dato nicht gekannte Verlangen, Garak eng an sich zu ziehen, um ihn an seiner nackten Haut, ganz nah bei sich, zu fühlen.

„So, ich wäre dann fertig“, verkündete Garak. „Der Anzug dürfte in circa zwei Wochen fertig sein. Kleinere Änderungen können wir dann nachträglich vornehmen.“

Der besondere Moment war vorüber. Julian bedankte sich wie in Trance bei ihm, zog seine Uniform wieder an und verließ aufgewühlt den Laden.
Was war nur plötzlich geschehen?

***
In dieser Nacht konnte Julian nicht einschlafen. Unruhig wälzte er sich von einer Seite auf die andere. Ständig schlichen sich Gedanken an den cardassianischen Schneider in sein Bewusstsein. Wie sollte er sich ihm gegenüber verhalten? Bisher hatte er nur ein einziges Mal derartige Gefühle für einen anderen Mann empfunden, damals an der Akademie, doch kurze Zeit später lernte er seine langjährige Freundin, eine aufstrebende Prima-Ballerina kennen, in die er sich sofort unsterblich verliebte. Seine Gefühle für Männer hatte er seitdem als spätpubertäre Phase abgetan und irgendwann waren sie dann von allein verschwunden.

Doch als er Garak begegnete, waren sie schlagartig zurückgekehrt. Diese heimlichen Sehnsüchte danach, einen anderen Mann in einer mehr als freundschaftlichen Weise zu berühren und die Neugier, wie sich dies anfühlen würde. Er stellte sich vor, was geschehen wäre, wenn Garak sich nicht wie ein Gentleman verhalten hätte, seine Hände nicht so artig oberhalb seiner Gürtellinie geblieben wären … seine eigene Hand glitt unter das dünne Bettlaken.

***
Garak konnte nach dieser Begegnung mit dem jungen Doktor genauso wenig schlafen und versuchte es daher erst gar nicht, stattdessen blieb er in seinem Laden. Dort versuchte er, sich mit dem Schreiben von Rechnungen und liegengebliebener Buchhaltung abzulenken, doch stahl sich das Bild des jungen, nur leicht bekleideten Doktors immer wieder in seine Gedanken. Es kostete ihn all seine Selbstbeherrschung, die Finger von dieser verbotenen Frucht zu lassen, die sich ihm so verlockend präsentierte. Hatte er den Doktor durch seine Anwesenheit tatsächlich verunsichert?

Empfand er die Situation als peinlich oder unangenehm? Würde er einen Annäherungsversuch geschehen lassen oder ihn grob zurückweisen, gar ihre beginnende Freundschaft beenden? Doch so konnte es für Garak nicht weitergehen, entweder wies ihn der Doktor zurück, was er persönlich als sehr schmerzhaft empfinden würde oder, doch das wagte er nicht mal im Traum zu hoffen, er ließ sich tatsächlich auf etwas über Freundschaft Hinausgehendes mit ihm ein.

Nachdenklich ließ er das Maßband zwischen seinen Fingern hin und her gleiten. Unmöglich konnte er dieses sensible Thema offen mit ihm besprechen.
***
Am nächsten Tag waren beide zum Mittagessen im Replimat verabredet. Doch Bashir hatte sein neu gewonnener Mut längst wieder verlassen. Er hielt es nicht länger für eine gute Idee, mit Garak auf dieser Ebene verkehren zu wollen. Himmel, er würde sich vor ihm doch nur lächerlich machen. Nie hatte er einen Mann auch nur geküsst, ganz zu schweigen von ... mehr. So wie es jetzt war, war es wohl am besten.
Garak erwartete ihn bereits an einem der Tische und empfing ihn mit einem breiten Lächeln.
„Ah, der gute Doktor, es ist mir immer wieder ein Vergnügen, Sie zu sehen.“

Bashir setzte sich zu ihm. „Das Vergnügen ist ganz meinerseits. “ Garaks blaue Augen blitzten, als ob er etwas im Schilde führe. Julian täuschte sich nicht, denn schon produzierte er einen Datenstab aus seiner Tasche.
„Doktor, wir sprachen bei unserem letzten Treffen so angeregt über die Literatur der irdischen Antike, insbesondere über das alte Rom. Ich konnte die Parallelen zu einigen cardassianischen Werken nicht übersehen. Vielleicht möchten Sie dies einmal ganz in Ruhe lesen und mich Ihre Meinung dazu wissen lassen.“

Bashir nahm den Stab entgegen. „Sicher, worum geht es darin? Sagen? Abenteuer eines tapferen Helden? Oder Geschichte?“

Der Schneider schüttelte den Kopf. „Ich möchte Ihnen die Spannung nicht verderben.“
Aus einiger Entfernung beobachteten Dax und Kira die beiden Männer. Ihre Mittagspause war gerade zu Ende, als Bashir sich zu Garak setzte. Die Trill stieß Kira, die mit ihr am Tisch saß, an. „Mir scheint, der Doktor hat jemand Interessanteren als mich gefunden. Seit er mit Garak zu Mittag isst, existiere ich für ihn anscheinend nicht mehr.“
Kira zuckte mit den Schultern. „Ich dachte, er gehe Ihnen mit seinen Annäherungsversuchen nur auf die Nerven?“
„Schon, doch ich gebe zu, dass ich ihn vielleicht völlig falsch eingeschätzt habe.“ Interessiert beäugte sie die beiden Männer, die sich tief in die Augen sahen.
„Inwiefern ?“
Schweigend blickte sie in Richtung der beiden. Kiras Blick folgte dem ihren.
„Nein. Nicht der Doktor. Nicht der Doktor Bashir, der seine Finger während des bajoranischen Festes nicht von mir lassen konnte. Das ist gänzlich unmöglich.“

Kira schauderte bei der Erinnerung an ihre wilden Küsse mit Bashir, der so gar nicht ihrem Typ entsprach. Irgendetwas war über sie gekommen, das sie dazu brachte, den streberhaften Arzt unwiderstehlich attraktiv zu finden. Leider war auch ihr Partner, Vedek Bareil, nicht von diesem bizarren, betazoidischen Phänomen verschont worden und hatte Dax auf sehr peinliche Art nachgestellt. Zuerst war sie wütend auf ihn, doch da sie das gleiche in Bezug auf Bashir erlebt hatte, konnte sie es ihm nicht wirklich vorwerfen. Ihre Versöhnung war dafür umso leidenschaftlicher ausgefallen.

Dax zuckte mit den Achseln. „Sei es drum, wir werden es sicher irgendwann erfahren.“

Bashir bemerkte die beiden Frauen, die ihn beobachteten und tuschelten, nicht, als er hastig seinen Raktajino austrank und in Richtung Krankenstation eilte. Was für ein geheimnisvolles Buch hatte der Schneider ihm gegeben? Julian konnte das Ende seiner Schicht kaum erwarten, um sich endlich in diesen ominösen Text vertiefen zu können.

***
Am Abend machte er es sich in seinem Bett gemütlich, schaltete sein Padd ein und begann das e-book zu lesen. Dank seiner genetischen Verbesserung las er mehr als doppelt so schnell, wie ein durchschnittlicher Mensch, daher hatte er es schon nach zwei Stunde zur Hälfte gelesen.

Zunächst enttäuschte ihn der Inhalt, bei dem es sich zum größten Teil um cardassianische Militärpropaganda handelte. Ein junger Cardassianer konnte sich für seine Zukunft nichts Glorreicheres ersinnen, als den Streitkräften seines Planeten zu dienen. Natürlich verlief seine Karriere glänzend, da er ein so fähiger und vor allem staatstreuer Bürger von alt-ehrwürdiger Abstammung war.

Doch dann nahm sein mustergültiges Leben eine jähe Wendung, als er sich im Rang eines Guls zu seinem Adjutanten hingezogen fühlte. Was dann folgte, beantwortete Julians Fragen zum Thema Sexualpraktiken unter Männern mehr als ausführlich.

Mit hochrotem Kopf legte er das Padd zur Seite. Garak las also homoerotische Romane, seine Vermutung bezüglich seiner sexuellen Orientierung war demnach zutreffend. Ahnte Garak etwas von seiner insgeheimen Zuneigung oder war diese sowieso schon für jeden Bewohner Deep Space Nines offensichtlich geworden?

Julian verfluchte sich selbst dafür, dass er, trotz seiner überdurchschnittlichen Fähigkeiten, seine Gefühle vor anderen nicht besser verbergen konnte. Natürlich musste Garak etwas ahnen, er grinste ja immer wie ein Honigkuchenpferd, wenn er ihm begegnete. Auch hatte Julian seit geraumer Zeit keinerlei Verabredungen mit Frauen gehabt, obwohl sich ihm durchaus einige Gelegenheiten geboten hatten. Alles drehte sich seit einigen Monaten nur noch um den cardassianischen Schneider. Doch konnte er mit ihm all diese Dinge tun, von denen er gerade gelesen hatte oder würde ihm der Mut dazu fehlen?

Verdammt, was war der richtige Weg? Wie würden seine Mitarbeiter auf der Krankenstation und Sisko, der Chief, Major Kira und Dax auf eine Beziehung zwischen ihm und dem zwielichtigen Schneider reagieren? Ganz zu schweigen von seinen Eltern, die irgendwann Enkelkinder erwarteten? Seine Gedanken überschlugen sich.

Unaufmerksam las er den Rest des Buches. Nun verstand er Garaks eigenartige Zurückhaltung und Verschwiegenheit besser zu deuten. Der besagte Gul erlitt nach dem Bekanntwerden seiner homosexuellen Affäre einen Karriereknick, der erst mit seiner Heirat einer cardassianischen Frau und der endgültigen Trennung von seinem Liebhaber endete. Er bekannte sich öffentlich zu seinen Verfehlungen und schwor von seinen abnormen Neigungen ab. Friede, Freude, Eierkuchen.

Julian schnaubte verächtlich. Diese Buch machte ihn wütend. Zum ersten Mal fühlte er sich selbst diskriminiert. Wie konnten sich diese Leute so abfällig über zwei sich liebende Personen äußern? Seine Gefühle für Garak waren doch nichts Verwerfliches. Doch insgeheim fürchtete auch er negative Reaktionen von Seiten einiger Personen, deren Meinung über ihn ihm wichtig war.

Julian glaubte nicht, dass Garak im Exil Angst um seine Laufbahn als Schneider hatte, wohl aber um seinen Ruf als Privatperson anderen Cardassianern gegenüber. Vielleicht hatte er immer noch Feinde, die auf eine Chance, ihn endgültig zu ruinieren, warteten. Und er selbst zerbrach sich den Kopf darüber, was seine Kollegen, die bei weitem liberaler eingestellt waren, über ihn denken könnten.
Irgendwann fiel er in einen unruhigen Schlaf.

***
Als er am nächsten Morgen erwachte, fasste er den Entschluss, Garak zum Abendessen in seinem Quartier einzuladen, statt wie üblich im Replimat zu essen. In einer intimeren, privateren Atmosphäre konnte er sicher leichter mit ihm über diesen Roman und alles sich daraus möglicherweise Ergebende sprechen.

Er schaltete seinen Computerterminal ein und sendete die Nachricht an Garak, bevor er es sich wieder anders überlegen konnte. Dann nahm er eine kalte Dusche und begann seine Tag wie gewohnt.

***
Garak bereitete sich in seinem Quartier auf einen eher ruhigen, langweiligen Tag in seinem Laden vor. In Gedanken ging er seine Aufträge durch. Er musste noch ein Hose säumen, die ein Kunde dringend bis zu seiner Abreise nach Bajor Ende der Woche brauchte. Dann war da noch der Anzug für Doktor Bashir, mit dem er sich besonders viel Mühe gab. Er wollte gerade sein Quartier verlassen, als von seinem Computerterminal ein diskretes Signale ertönte.

Soeben war eine Nachricht eingetroffen. Er dreht sich auf dem Absatz herum und las sie. Interessant, Bashir lud ihn zum Abendessen ein. Er hatte schon befürchtet, sein Vorgehen sei zu forsch gewesen, doch offensichtlich hatte der Doktor endlich verstanden.

***
Auf seinem Weg zur Krankenstation konnte Bashir nicht fassen, was er soeben getan hatte. Am liebsten wäre er zurück in sein Quartier gelaufen und hätte die Nachricht wieder gelöscht, doch dafür war es nun zu spät. Garak hatte sie sicherlich bereits gelesen.
Einen schönen Schlamassel hatte er sich damit eingebrockt. Vielleicht missverstand er das Verhalten des Cardassianers ja gänzlich und alles war völlig harmlos. Was andererseits wiederum Schade wäre.
***

Dank der vielen Arbeit auf der Krankenstation, verging die Zeit bis zum geplanten Abend wie im Flug. Julian war so nervös, wie bei seinem ersten Date, als er den Tisch deckte. Er hatte sich für italienische Pasta mit gemischtem Salat und einen schweren Rotwein entschieden, zum Dessert sollte Tiramisu serviert werden. Dank des Replikators war ein Vier-Sterne-Menü keine unlösbare Herausforderung. Sollte es nun nicht doch zu einem unvorhergesehen Vorfall wie einer Invasion durch das Dominion oder einer vorzeitigen, komplizierten Geburt kommen, stand einem gelungenen Date nichts mehr im Wege.

Garak war auf die Minute pünktlich. Zu Julians Überraschung trug er einen klassischen Smoking, statt der üblichen cardassianischen Kleidung. Er verneigte sich förmlich und überreichte ihm eine gewundene, mit türkiser Flüssigkeit gefüllte Flasche. „Ich dachte mir, cardassianischer Brandy könnte unser Abendessen gelungen abrunden.“

„Danke, wie aufmerksam.“ Er lächelte. „Das Essen ist in wenigen Minuten fertig.“
„Machen Sie sich deshalb keine Umstände, ich bin nicht besonders hungrig.“
„Aber nicht doch, ich habe extra diese Rezepte in den Replikator programmiert und hoffe, dass sie so authentisch gelingen, als wären wir selbst in Italien. Ich habe auch einige italienische Opern aus der Föderationscomputerdatenbank ausgewählt.“

Er dimmte das Licht und wies den Computer an, die gewählten Dateien abzuspielen. Sofort erklang dezent ein klassisches Orchesterstück mit vielen Streichern.

„Dieses Italien muss ein sehr interessantes Land der Erde sein, wenn es einst den halben Planeten beherrscht hat.“ Garak nickte anerkennend.

Beide setzten sich an den gedeckten Tisch. Julian entzündete die Kerzen und trug die reichlich gefüllten, dampfenden Teller auf. Dann schenkte er den Rotwein aus. Garak verfolgte jede seiner Bewegungen mit großem Interesse. Der Doktor wäre selbst ein vorzüglicher Kellner, solche Anmut bei selbst so trivialen Handlungen war bemerkenswert.
Julian spürte seine Blicke auf sich Ruhen. Sofort war er verunsichert. Fehlte etwas? Sah das Essen nach seinen Maßstäben seltsam aus? Nervös sah er zu ihm herüber. Das Kerzenlicht spiegelte sich in seinen blauen Augen wieder.

Garak lächelte ihm aufmunternd zu.
„Beginnen Sie doch, bevor es kalt wird.“ Schnell nahm er eine Schluck Wein, da sich seine Kehle plötzlich so trocken anfühlte.

Wortlos aßen sie. Langsam entspannte sich Julian wieder, woran auch der Wein seinen Anteil hatte. Das Dessert schmeckte ausgezeichnet. Süß und cremig und danke des Alkohols fehlte es nicht an der nötigen Schärfe. Vielleicht war es etwas zu viel des Alkohols, denn Julian begann, sich immer beschwingter und ausgelassener zu fühlen. Garak hingegen war die Ruhe selbst.

„Tanzen Sie mit mir ?“ platzte er unvermittelt heraus. Nun schmunzelte Garak etwas verwirrt.
„Mir war nicht bekannt, dass es auf der Erde unter Männern üblich ist, miteinander zu tanzen. Aber ich tue Ihnen gern den Gefallen.“

Er stand auf und ging in die Mitte des Quartiers. Esstisch und Replikator befanden sich in der einen Ecke des kleinen Raumes, in der anderen standen Couch, Sessel und Tisch neben einer Regalwand mit integriertem Computerterminal. Versteckt zwischen den wenigen physischen Büchern und dekorativen Vasen, vermeinte er einen ziemlich ramponierten Plüschbären zu erkennen. Daneben steckte ein Racketballschläger. Julian hatte ihm einmal von seinen Plänen, ein berühmter Tennisspieler zu werden, erzählt, doch seit er an Bord der Station war, betrieb er nur noch diesen Sport.

„Suchen Sie nach etwas Bestimmtem ?“ Julian war lautlos an ihn herangetreten.
„Ich finde es faszinierend, was Sie in Ihrem Regal aufbewahren. Klassiker der irdischen Literatur und …“

Schnell umarmte er Garak und zog ihn in eine andere Richtung. So etwas Peinliches, er hatte vergessen, Kukulaka in seinen Kleiderschrank zu setzen, wie er es gewöhnlich vor Verabredungen tat. Doch seine Hand auf Garaks Hüfte stahl dem alten Bären sofort die Show. Ihre Blicke trafen sich, als sie einander in den Armen lagen.

Julian fühlte Garaks Hand an seiner Taille. Langsam wiegten sie sich im Takt der Musik.
Garaks Atem streifte seine Wange. Dann waren seine Lippen den Seinen so nah, dass sie sich sanft berührten. Julians Hände vergruben sich in Garaks tiefschwarzem Haar. Ihre Körper waren nun eng umschlungen. Julian fühlte sein körperliches Verlangen nach ihm. Garaks Atem ging nun schneller als sonst. Der Kuss wurde tiefer und leidenschaftlicher. Seine Hand wanderte an Julians Hüfte hinab, er hielt sie nicht auf. Auch dann nicht, als sie unterhalb seiner Gürtellinie ihr Ziel erreichte. Seine Berührungen waren elektrisierend. Julian seufzte.

Garak küsste ihn fordernd und ließ ihn seine Erektion spüren. Langsam knöpfte er Julians Hemd auf und bedeckte seine nackte Brust mit Küssen. Er atmete schwer unter seinen Lippen, er fürchtete, jeden Augenblick vor Erregung zu explodieren.


***
An alles, was danach folgte, hatte Julian, als er am nächsten Morgen in Garaks Armen erwachte, nur noch wage Erinnerungen. Er glaubte, noch das Echo seiner Lippen auf seiner nackten Haut zu spüren, die leidenschaftlichen Küsse zu schmecken und die wohligen Schauer der Ekstase zu fühlen. Garak hatte Dinge mit ihm getan, die er nicht für möglich gehalten hatte, besonders nicht das mit seinem Mund, dem Wein und seiner intimsten Stelle. Beim nächsten Mal würde er sich dafür angemessen revanchieren. Dank der ausführlichen Lektüre fehlte es ihm nicht an Inspiration.

Schlaftrunken blinzelte ihn Garak an. „Doktor, ich möchte Sie um einen Gefallen bitten.“
„Jederzeit. Worum geht es denn ? Soll ich …“ Er sah an dessen nacktem Körper herab, bis dahin wo die Bettdecke endete.
Garak schüttelte den Kopf. „Darauf wollte ich nicht hinaus, aber ein reizvoller Vorschlag.“ Er grinste anzüglich, dann wurde er wieder ernst. „Bei euch Menschen gibt es die Redensart 'Was in Vegas passiert, bleibt in Vegas.' So möchte ich es auch mit unserer mehr als freundschaftlichen Beziehung halten. Niemand muss davon erfahren, was sich hinter dieser Tür abgespielt hat oder in Zukunft abspielen wird. Wir sind nichts als gute Freunde, die zusammen ihre Freizeit mit anspruchsvollen Gesprächen und einem Glas Wein verbringen. Einverstanden, Doktor?“

Julian nickte. Dann runzelte er die Stirn. „Wenn man auf Cardassia nicht über solche Dinge sprechen darf, wieso enthält der Roman dann ausgerechnet derart explizite Beschreibungen des Unsagbaren ?“
„Zur Abschreckung vor solchen Handlungen. Der durchschnittliche Leser soll sich davon abgestoßen fühlen.“

„Aber, ich empfand …“

Garak nickte. „Der geneigte Leser wird darauf sicher anders reagieren. Doktor, dieses Buch ist nicht jedermann frei zugänglich und es der falschen Person auszuleihen könnte zu fatalen Missverständnissen führen. Daher habe ich auch zuerst gezögert. Auf Cardassia verleiht man dieses spezielle Buch auch nur, wenn man eindeutige Absichten zu erkennen geben will und entsprechende Kontakte sucht.“

„Davon wusste ich nichts, ich dachte … es … sei nur ein Buch.“

„Sie sind ein kluger Kopf, Doktor und haben es ganz alleine durchschaut.“

Beide küssten sich.

Ende





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