TrekNation

Das ultimative Archiv deutscher Star Trek Fanfiction!

Dieser schreckliche, schöne Moment

von Chakotayjem

Kapitel 1

Es schüttelte ihn erneut. Nicht nur, dass das Licht, welches seine Augen durchgehend blendete, beinahe unerträglich war, es war in diesem Raum auch viel zu kalt. Und nicht nur dieser Raum, sondern die gesamte Einrichtung, nein, der gesamte Planet war viel zu kalt. Bereute er es, diesen Weg eingeschlagen zu haben? Er hatte es noch nicht eine Sekunde bereut und er hatte viel Zeit gehabt, darüber nachzudenken. Seit mehr als einer Woche hielt man ihn gefangen. Sicher, man hatte ihn nicht übermäßig schlecht behandelt. Das Essen war gut, die medizinische Versorgung einwandfrei. Er hatte frische Kleidung bekommen, man hatte ihm sogar erlaubt, einige Stunden an der frischen Luft zu verbringen. Dennoch zehrte die Lage nach und nach an seinen Nerven. Die ständigen Verhöre hatten dafür gesorgt. Und nun saß er wieder hier.
Zwar hatte er das Zeitgefühl verloren, dennoch war er sich recht sicher, dass man ihn über eine Stunde hatte warten lassen. Er kannte sich mit Verhörtechniken nicht sonderlich gut aus, aber mit Psychologie umso besser. Er wusste daher, dass die Isolation in diesem unkomfortablen Raum dem Zweck diente, ihn gefügiger zu machen. Konnte die Technik ihren Zweck erfüllen, wenn das Subjekt den Zweck kannte? Er war sich nicht sicher. Zwar würde er genauso verschlossen sein, wie er es schon bei den letzten Verhören war, aber dennoch spürte er den Effekt, den die ständigen Befragungen bei ihm erzielten. Er konnte sich nicht mehr entsinnen, welche Informationen er seinen Wächtern gegeben hatte und welche Informationen er von ihnen erhalten hatte. Es war dieser Punkt, der ihn nervös machte. Noch ein wenig länger und er musste befürchten etwas auszuplaudern, von dem er sich nicht sicher war, ob es seinem Gegenüber bereits bekannt war.
Endlich öffnete sich die Tür und ein bekanntes Gesicht trat ein. Es war ihm komplett unmöglich, anhand der Gesichtsmerkmale zu sagen, wie alt der Romulaner war, der nun vor ihm Platz nahm. Vermutlich war es auch das, was ihn an den meisten Romulanern störte. Ihre gleichgültigen Mienen versteckten nicht nur das Alter, auch Emotionsregungen und Gedanken waren daran kaum abzulesen.
Ansonsten machte Commander Ekob, der sich nicht explizit als Mitglied des Tal Shiar vorgestellt hatte, wie immer einen sehr frischen und wachen Eindruck. Sein sehr kurzes Haar war akkurat gekämmt, die Uniform glatt und frei von irgendwelchen Spuren der Nutzung. Er legte seine Ellenbogen auf dem Tisch ab, die mit Handschuh bedeckten Hände berührten sich an den Fingerspitzen.
„Dr. Pril.“
Sein Name klang seltsam aus dem Mund des Romulaners. Aber das hing womöglich mit dem Universaltranslator zusammen. Er klang aus dem Mund eines Menschen, Bajoraners oder Klingonen genauso seltsam. Da der Raum bis auf den Tisch und zwei Stühle, sowie die Deckenbeleuchtung komplett leer war, konnte man sogar einen leichten Widerhall der Worte hören. Einen Moment lang schaute ihn sein gegenüber nur an, als versuchte er eine Unsicherheit zu finden. Diesen Triumph würde ihm Pril nicht gönnen. Er starrte auf den Tisch und seine eigenen Hände.
„Sehen Sie, Dr. Pril. Es sind mittlerweile acht Tage, die Sie hier sind. Acht Tage mit je zwei Verhören über mehrere Stunden. Mir sind alle Fakten des Falls bekannt, aber dennoch will das Bild für mich keinen Sinn ergeben.“
Pril schwieg. Aber der Verhörende hätte wohl auch keinen Kommentar von ihm erwartet. Wieder spürte er den gleichen, bohrenden Blick, der jede Regung im Gesicht seines Gefangenen genauestens verfolgte. Als er erneut durch dessen Passivität enttäuscht wurde, fuhr er fort.
„Ich habe mich am gestrigen Abend mit einem Kollegen unterhalten, der Ihre Heimatwelt studiert hat und der im Allgemeinen als Experte für Ihr Volk anerkannt ist. Auch ihm habe ich alle Fakten präsentiert und wir haben die Frage erörtert, die sich mir stellt.“
Pril starrte auf noch immer seine Hände. Hände, die die Präzision eines Chirurgen besaßen, die in seinem Beruf notwendig war. Dadurch vermochte er es auch jetzt, diese Hände komplett ruhig zu halten, obwohl sein Geist in höchster Aufruhr war. Mit all seiner Geisteskraft stemmte er sich gegen die Reflexe, mit denen sein Körper verraten hätte, was in ihm vorging. Ekob beugte sich leicht vor, seine Hände legte er dabei auf die Tischplatte. Pril kam es vor, als würde sich das Gesicht des Romulaners ungebührlich nah an seinem eigenen befinden, obwohl er immer noch auf der anderen Seite des Tisches saß.
„Sagen Sie mir, Doktor Kortas Pril. Was treibt einen angesehenen, cardassianischen Mediziner, wie Sie es sind, mutterseelenallein in den romulanischen Raum einzudringen?“
Es war diese Frage, die das Unwohlsein des Kortas Pril extrem steigerte. Er hatte sie gefühlte tausend Mal gehört und darauf immer gleich reagiert: mit Schweigen oder Verleumdung. Dennoch machte es ihn wahnsinnig, diese Frage immer wieder zu hören. Erwartete der Commander, dass er sie anders beantworten würde? Hoffte er einen unbedachten Gefühlsausbruch auszulösen?
„Ich hab keine Antwort auf diese Frage, Commander Ekob.“
Seine eigene Stimme klang noch eigenartiger, als die des Romulaners vor ihm. Die Worte hörten sich an, als hätte er sie immer wieder heruntergeschluckt, verdaut, hochgewürgt und erneut ausgespuckt. Irgendwie war das wohl auch tatsächlich, was mit ihnen geschehen war. Denn es war weder die Wahrheit, noch das, was er dem Mann vor ihm mitteilen wollte. Doch er konnte nicht anders. Er durfte nicht anders!
Der Commander nickte wissend und zuckte mit den Schultern.
„Ich hatte keine andere Antwort auf diese Frage erwartet.“
Er stand auf und bewegte sich leicht im Raum auf und ab, „Beginnen wir also, zum wiederholten Mal, von ganz vorn.“
Daraufhin setzte er sich wieder, musterte den Doktor mit seinen aufmerksamen Augen, natürlich wiederum keine Reaktion darauf erwartend.
„Vor rund einem Monat packt ein cardassianischer Mediziner, ein Experte für Neurologie, Exobiologie und weitere Bereiche, ohne jemandem Bescheid zu sagen seinen Koffer und verlässt Cardassia Prime. Inkognito bewegt er sich durch den Raum Cardassias und den Raum der Föderation. Er nutzt dabei die Kleidung eines einfachen Zivilisten und gibt sich als Flüchtling aus, reist auf verschiedenen Transportern und Frachtern. Schließlich ersteht er ein ausrangiertes Shuttle der Föderation und begibt sich, unter Verwendung verschiedener Techniken zur Sensorentäuschung, in den Raum des romulanischen Sternenimperiums, mit direktem Kurs auf Romulus. Er wird von einem patrouillierenden Warbird entdeckt, aufgehalten und festgenommen.“
Wieder starrte Pril auf seine Finger. Er hatte diesen Vortrag nun ebenfalls einige Male gehört. Er war zu Beginn fasziniert von der exakten Aufzeichnung seiner Reise durch die Romulaner, jedoch verlor sich auch diese Faszination relativ schnell.
„Naja, und nun sitzen wir hier“, schloss der Agent mit einem Lächeln.
Der Cardassianer schwieg beharrlich. Er hatte nicht vor, die erneute Wiedergabe der Ereignisse auch noch mit einer Reaktion zu belohnen.
„Sehen Sie, Doktor Pril, ich habe auch über die möglichen Gründe mit meinem Kollegen gesprochen, die einen angesehenen Mediziner, wie Sie es sind, zu einer solchen Tat führen könnten. Er war da ganz meiner Meinung.“
Ekob erhob sich erneut, ging um den Tisch und stand leicht rechts hinter seinem Gefangenen, sodass dieser ihn nicht mehr sehen konnte. Der Doktor war ein kräftiger Mann mittleren Alters. Er schien recht fit zu sein, sowohl körperlich, als auch geistig. Bis auf eine anhaltende Melancholie wirkte es so, als fehle ihm nichts.
„Es wäre möglich, dass Sie als Agent des Obsidianischen Ordens im Auftrag nach Romulus unterwegs waren.“
Der romulanische Commander hob seinen Finger, als machte er gerade eine großartige Entdeckung, während er langsam wieder auf die andere Tischseite und in das Sichtfeld des Cardassianers ging.
„Aber das halte ich für unwahrscheinlich. Ganz abgesehen davon, dass der Obsidianische Orden momentan kaum über die Mittel für derartige Expansionen verfügen dürfte, gibt es andere Punkte, die dem widersprechen.“
Er nahm erneut Platz auf dem Stuhl. Auch die ständigen Positionswechsel deutete Pril als Teil der Verhörtaktiken.
„Die Techniken, mit denen Sie die Signatur Ihres Shuttles verdeckt haben, waren mehr als laienhaft. Die Art, auf die Sie sich haben festnehmen lassen, war zu einfach und wenn Sie ein Spion wären, wären Sie vermutlich jetzt bereits tot. Dazu wäre Cardassia Prime nicht so närrisch, einen Agenten zu senden, während es derart geschwächt ist. Nein, die Agenten-Theorie scheidet aus.“
Der Romulaner unterbracht seine Ausführung für einen Moment, ganz als würde er eine Antwort Prils erwarten.
„Wären Sie ein Überläufer, würden wir nicht hier sitzen. Oder Sie würden das nicht in einer derart unfreundlichen Atmosphäre tun. Das romulanische Volk empfängt mit Freude Überläufer und deren Reichtum an Informationen. Zudem hätte ein Überläufer sich als solcher zu erkennen gegeben. Wären Sie ein Flüchtling oder Exilant, hätten Sie sicher einen anderen Ort für Ihre Flucht ausgesucht, als Romulus. Und wie ein Tourist sehen Sie mir nicht aus.“
Der Agent pausierte wiederum. Der Doktor blieb weiterhin ruhig sitzen. Natürlich hatte er diese Überlegungen schon etliche Male gehört. Was bezweckte er damit? Welche neuen Erkenntnisse wollte er durch die ständige Wiederholung gewinnen?
„Bleibt noch die Möglichkeit, dass Sie an einer Geistesstörung leiden.“
Der Romulaner erhob sich erneut, stellte sich neben seinen cardassianischen Gefangenen und beugte sich hinunter, ihm direkt in das versteinerte Gesicht blickend.
„Das jedoch bezweifle ich ebenso stark. Die Berichte über Sie und das Bild, dass ich mir über Sie geschaffen habe, widerlegen diese Möglichkeit.“
Er nickte, während er sich wieder aufrichtete.
„Ja, Doktor, ich habe unsere kleinen Gespräche über die Feinheiten der Exobiologie wirklich genossen.“
Pril verzog das Gesicht. Die Möglichkeit, über etwas anderes zu sprechen, als jene Themen der Verhöre, hatte er dankend angenommen. So offen er jedoch während dieser Gespräche im Garten der Anlage war, so verschlossener war er nun im Verhörraum.
„Sehen Sie Doktor. Wenn Sie mir verraten, welche Ziele Sie mir ihrer Reise nach Romulus verfolgten, könnte ich mein Verhör beenden und Sie nach Cardassia Prime zurückkehren.“
Der Mediziner sah seinem romulanischen Gegenüber nun zum ersten Mal in diesem Verhör ins Gesicht. Es war nichts anderes zu erkennen als Trotz und Widerspenstigkeit. Nein, nach Cardassia wollte er in diesem Moment nicht zurück. Noch nicht. Ein falsches Lächeln ging über das Gesicht des Romulaners.
„Ich hatte nicht vermutet, dass Sie anders reagieren würden.“
Er setzte sich wieder auf seinen Platz am Tisch, schaute seinen Gefangenen an.
„Versuchen wir es also anders.“
Das war neu. Ohne es zu wollen, schaute Pril, der seinen Blick bereits wieder gesenkt hatte, auf und direkt in das Gesicht des Romulaners, dessen Lächeln nur noch breiter wurde.
„Doktor, ich sollte Ihnen mitteilen, dass wir Sie vor kurzem auf Cardassia Prime haben überwachen lassen. Eine als Cardassianierin getarnte Agentin hatte die Aufgabe, sich in Ihre Nähe zu begeben und zu sehen, ob Ihre neueren Forschungen im Bereich der Interspezies-Organtransplantation von Wert für das romulanische Volk sein könnten. Die Frau, die Sie als Kema Dalos kannten, war diese Agentin. Ihr geschätzter Assistent Kamak Vosol war es schließlich, der ihr auf die Schliche kam.“
Es kostete den Cardassianer viel Konzentration, um sich bei dem Bericht, den der Romulaner gerade begonnen hatte, nichts anmerken zu lassen. Und es war ein brennender Schmerz, der ihn durchfuhr, als er den Namen Kamak Vosol in diesem Zusammenhang hörte. Pril war sich nicht sicher, ob die Emotionen, die sich in ihm aufbäumten, für Ekob sichtbar waren.
„Er meldete seine Entdeckung an einen Agenten des Obsidianischen Ordens, dieser ließ unsere Agentin festnehmen und entsprechend der Vereinbarungen des Vertrages von Bajor an uns übergeben.“
Immer schwieriger wurde es, die Gefühle zu unterdrücken. Pril wusste, wer Kema Dalos war. Er hatte erfahren, dass es sich bei ihr um eine romulanische Agentin handelte und kannte ihren wahren Namen: Subcommander Talis. Er wusste ebenso, dass Talis schon lange bevor sie durch den Obsidianischen Orden gefasst wurde, nicht mehr in Kontakt mit dem Tal Shiar stand. Aber es gab etwas, dass Commander Ekob nicht wusste.
„Doktor Pril. Ich brauchte eine Weile dafür, aber ich beginne zu begreifen, dass es einen ganz anderen Grund für Ihre Reise gen Romulus gab.“
Sein Gegenüber richtete sich auf. Doktor Pril schaute ihm jetzt direkt in die Augen.
„Falls Sie glauben, dass es eine Art Verbindung zwischen Ihnen und Kema Dalos gab, muss ich Sie enttäuschen, Doktor. Alles, was in diesen sechs Monaten geschah, diente nur dem Zweck, Sie gefügig zu machen.“
Die Haltung des Romulaners veränderte sich. Pril war verwirrt. Was er dort sah, war das Unsicherheit?
„Sehen Sie, Doktor, ich schere mich nicht besonders um das Schicksal eines Cardassianers. Doch ich muss verstehen, was Sie dazu bewegte, nach Romulus zu kommen.“
Pril war sich jetzt ganz sicher. Es war Verunsicherung. Die ruhige Maske, hinter der sich sein romulanischer Gefängniswärter die ganze Zeit verbarg, schmolz förmlich dahin. Endlich begann Kortas Pril zu begreifen. Endlich verstand er, welche Logik hinter diesen dauernden Verhören stand. Es ging nicht darum, Informationen von ihm zu bekommen. Der Romulaner wollte nicht glauben, dass etwas zwischen Pril und Talis existierte, etwas Reales und nicht nur die 'Mission', die sie bekommen hatte. Er war hier um sich zu vergewissern, dass er nicht falsch lag. Ein bitteres Lächeln machte sich auf dem Gesicht des Mediziners breit, woraufhin sich bei Commander Ekob eine wutverzerrte Fratze bildete. Ohne ein weiteres Wort stand er auf und verließ den Verhörraum. Der Doktor konnte hören, wie die Verriegelung der Tür griff und der Ausgang damit versperrt war.

Kortas Pril war sich nicht sicher, wie lange er danach in dem Verhörraum gesessen hatte. Vielleicht waren es nur Minuten, möglicherweise aber auch Stunden. Als er schließlich erneut die Verriegelung der Tür klicken hörte, hatte er das Gefühl, aus einem leichten Schlaf aufgeschreckt zu sein. Hatte er tatsächlich geschlafen?
Es blieb ihm nicht lange, um sich dessen bewusst zu werden, denn es betrat, wie es schien in großer Eile, ein Romulaner den Raum. Diesen kannte Doktor Pril noch nicht. Es war keines der Gesichter der Wachen, die er in der vergangenen Woche auf seinem Weg durch die Einrichtung oder vor der Tür der Zelle gesehen hatte. Er betrachtete den Mediziner kurz, bevor er sich neben ihn stellte.
Er war sehr schlank und dürr, aber seine aufmerksamen Augen verrieten eine hohe Intelligenz. Sein kurzes Haar war nach hinten gekämmt und wie bei allen romulanischen Militärs war seine Uniform tadellos. Über seine spitze Nase hinweg blickte er den Doktor an.
„Doktor Kortas Pril. Ich werde Sie hier herausbringen. Sie müssen mir vertrauen.“
Pril blinzelte den Neuankömmling an, das Licht von der Decke machte es schwierig, ihn anzuschauen.
„Ist das eine Art Trick? Eine neue Tatik Commander Ekobs?“
Pril schnaubte ungläubig. Hatte der Commander die schleppenden Verhöre satt und versuchte neue Dinge, um ihn aus der Reserve zu locken?
„Ich habe Sie vor einem Monat kontaktiert, Doktor Pril. Auf meinen Hinweis hin, haben Sie sich auf den Weg gemacht. Wir haben nicht viel Zeit.“
Es war vermutlich sehr einfach, die Unsicherheit auf dem Gesicht des Doktors abzulesen. In seinem Kopf rotierten die Gedanken. War es möglich, dass der Tal Shiar von der Nachricht erfahren hatte, die Pril zu seiner Reise bewegt hatte? Sagte der Mann vor ihm die Wahrheit?
„Was ist mit..?“, noch bevor er seine Frage beendet hatte, antwortete der andere: „Wir werden gleich bei ihr sein. Bitte, Doktor.“
Einen weiteren Moment bedachte Pril seine Optionen, dann nickte er leicht. Schon einen Moment später befestigte der Romulaner einen kleinen Gegenstand an seiner Schulter, genau wie an seiner eigenen. Es war ein kleiner, recht flacher Gegenstand aus einem grauen Metall mit runden Seiten. Er legte eine Hand auf Prils Schulter und tippte mit der anderen auf die Vorrichtung, die er auf seiner eigenen angebracht hatte. Schon spürte er das bekannte Gefühl einer Dematerialisierung und tauchte wenige Sekundenbruchteile später an einem anderen Ort auf.
Es war recht dunkel, nur Dämmerlicht war zu sehen, aber daran gewöhnten sich seine cardassianischen Augen schnell.
„Ich bin mir nicht sicher, wie schnell man den Transport entdecken wird. Wir haben vermutlich nur ein paar Minuten, bevor die Sensoren wieder normal arbeiten und ihn entdecken. Folgen Sie mir leise.“
Der Korridor, durch den sie sich bewegten, schien leer zu sein. Pril erkannte Zellentüren links und rechts des Ganges. Ob sie alle belegt waren? Sie bogen um eine Ecke hinter der sich ein weiterer Gang nach rechts Wand und der genauso zu beiden Seiten mit Zellentüren belegt war. Es waren nur noch wenige Türen, die sie passierten, bevor sein Begleiter stehen blieb. Er stellte sich vor die Tür, tippte mit seinen Fingern so schnell über die Schaltfläche, dass Pril mit seinen Augen kaum zu folgen vermochte. Wieder war das übliche Geräusch des sich öffnenden Schließmechanismus zu hören. Der Romulaner öffnete die Türe. In der Zelle dahinter war es noch dunkler als auf dem Gang in dem sich der Doktor noch befand. Die beiden betraten die Zelle.
Pril benötigte einen Moment um zu realisieren, dass die Zelle in der sie sich nun befanden nicht leer war. In einer Ecke saß, durch das Dunkel kaum sichtbar, eine zierliche Gestalt. Sofort knieten sich sowohl Pril, als auch sein romulanischer Komplize neben sie.
„Talis“, sagten beide, wie aus einem Mund.
Es brauchte einen Moment, bevor sich die gemarterte Gestalt den beiden zuwendete. Der Doktor konnte trotz der Dunkelheit erkennen, dass Sie sich in einem schlechten Zustand befand. Die Wangen waren eingefallen, die Augen dunkel umrandet. Lange Gefangenschaft hatte ihr die Kräfte geraubt.
„Kortas.“
Die Augen der jungen Frau wanderten von dem Cardassianer zu seinem Begleiter.
„Sevuk.“
Und wieder zurück zu dem Mediziner. Ein leichtes Lächeln zeichnete sich auf ihrem Gesicht ab.
„Kortas. Mein lieber Kortas. Nun siehst du mich zum ersten Mal in meiner echten Gestalt und ich sehe aus wie der Tod selbst.“
Kortas Pril lächelte zurück. Tränen stiegen in seine Augen. Er beugte sich runter und umarmte die Frau sanft, aber dennoch voller Leidenschaft. All der Schmerz, den er seit diesem verhängnisvollen Tag in sich trug, schien wie weggewischt. All die Enttäuschung und Trauer wie ausgelöscht.
„Du siehst wundervoll aus. Genauso wundervoll, wie ich dich mir vorgestellt hatte.“
Er schaute ihr ins Gesicht und das Lächeln in ihrem Gesicht war immer noch da, bevor ein Schwindel die junge Romulanerin überkam.
„Doktor. Wir müssen sie hier herausbringen. Schnellstens“, drängte der Romulaner namens Sevuk. Pril nickte und fasste Talis an den Kniekehlen und am Rücken, so dass er sie heben konnte.
„Kannst du dich festhalten?“
Sie bestätigte es, in dem sie ihre Arme um ihn schlang, so gut ihr das in dem geschwächten Zustand möglich war. Plötzlich ertönte ein ohrenbetäubendes Geräusch. Der Alarm war ausgelöst worden. Man hatte sie entdeckt. Sevuk stand bereits an der Zellentür.
„Ich weiß nicht, ob sie den Transport oder die leere Zelle entdeckt haben. Wir können nur hoffen, dass es die Zelle war, denn wenn es der Transport war, wissen sie gleich, dass wir hier unten sind.“
Er schaute auf den Doktor zurück, der seine geliebte Talis in den Armen trug.
„Folgen Sie mir Doktor. Es sind nur einige hundert Meter. Ein zweiter Transponder befindet sich dort. Er wird das Transporter-Signal an mein Shuttle im Orbit senden.“
Das dauernde Ertönen des Alarms dröhnte in den Ohren des Cardassianers. Er folgte so schnell er konnte dem Romulaner, der vor ihm den Weg angab. Sie bogen um etliche Ecken und immer wieder befürchtete Pril, dass hinter der nächsten ein bewaffneter Trupp auf sie wartete. Aber es geschah nicht. Es schien ihm dennoch, als seien sie eine Ewigkeit unterwegs. Talis in seinen Armen war entweder bewusstlos oder nicht in der Lage die Augen offen zu halten. Soweit er das fühlen konnte, war ihr Herzschlag aber normal, ihre Lage stabil. Hoffnung keimte in dem Mediziner auf. Sollten sie tatsächlich bis zu dem Transponder gelangen? Und würden Sie es schaffen, Romulus hinter sich zu lassen? Wie sollte es danach überhaupt weitergehen?
Es waren etliche Fragen, die ihm auf dieser nicht enden wollenden Strecke durch den Kopf gingen und er hatte auf keine eine Antwort. Aber es war egal, solange er wieder mit ihr zusammen sein konnte.
Nach einigen Minuten dann drehte sich Sevuk dann kurz um.
„Wir sind gleich da, Doktor. Nur noch um diese Ecke.“
Sie bogen um die Ecke. In diesem Moment hörte Pril das Geräusch von etlichen Lampen, die angeschaltet wurden und das grelle Licht drang wie eine Explosion in seine Augen ein.
„Sevuk. Das hätte ich mir denken können.“
Es war die vertraute Stimme von Commander Ekob, die durch den Gang hallte. Als nächstes hörte Pril ein klickendes Geräusch, bevor ein Phaserstrahl ertönte. Neben ihm fiel etwas schwer zu Boden. Erst jetzt gewöhnten sich seine Augen langsam an das Licht.
Neben ihm lag Sevuk ohne Bewusstsein auf dem Boden, in seiner Hand einen Handphaser. Scheinbar hatte er versucht ihn zu ziehen, bevor er selber von einer Entladung getroffen wurde. Weiter hinten im Gang befand sich Ekob, einen Phaser in der Hand, neben ihm zwei weitere Romulaner, die ebenso bewaffnet waren.
„Doktor Pril. Ich wundere mich, Sie hier zu sehen. Hat Sevuk Sie zu dieser Narretei überredet?“
Pril atmete schwer. Der lange Sprint forderte seinen Tribut. Voller Wut starrte er die drei Romulaner vor ihm an, Talis immer noch in seinen Armen, noch unfähig und unwillig etwas zu erwidern.
„Doktor, ich war Ihnen ein guter Gastgeber. Ich habe Sie ernährt, mit guter Kleidung versorgt. Sogar Konversation wurde Ihnen zu Teil. Sie können mir glauben, dass nicht alle cardassianischen Gäste derart gut bei uns behandelt werden.“
Pril vernahm ein leises Stöhnen. Er blickte auf das Gesicht der Frau in seinen Armen, die versuchte ihre Augen zu öffnen. Scheinbar hatte sie das Bewusstsein wiedererlangt. Wenn er doch nur irgendwie den Transponder erreichen könnte. Wenn sie doch nur irgendwie fliehen könnten.
„Doktor Pril!“
Er wurde aus seinen Gedanken gerissen.
„Legen Sie Sub-Commander Talis auf dem Boden ab. Dann wird weder ihr noch Ihnen etwas geschehen.“
Pril schaute den Commander nicht an. Er blickte immer noch in das Gesicht der jungen Romulanerin, die scheinbar versuchte, sich zu orientieren. Fast glaubte er, ein leichtes Kopfschütteln zu sehen, welches auf die Worte des Commanders folgte. Der Doktor schaute auf, blickte dem romulanischen Agenten nun in die Augen.
„Ich werde nichts dergleichen Tun, Commander Ekob.“
Das Gesicht Ekobs war genauso wutverzerrt, wie es vorhin in der Zelle war, bevor er verschwand. Pril konnte sehen, wie sich das Weiße in den Knöcheln seiner freien Hand zeigte.
„Ich weiß nicht, was Sie dem Sub-Commander angetan haben, Doktor. Aber ich kann Ihnen versichern, dass es keine Gefühle gibt, die Sie beiden teilen. Die geistige Verwirrung, die Sie augenscheinlich bei ihr erzeugt haben, versuchen wir immer noch zu brechen.“
Erneut fühlte Kortas Pril, wie der Zorn in ihm aufstieg. Nichts hatte er getan, um irgendeine Art der Verwirrung bei der Frau in seinen Armen zu erzeugen. Drei Monate hatte sie als Assistentin in seinem Labor gearbeitet, bevor sich die beiden näher kamen. Aus Nähe wurde Zuneigung, aus Zuneigung eine echte Liebe. Schließlich hatte die augenscheinlich cardassianische Frau unter Tränen gestanden, wer sie wirklich war. Es brauchte nur einen Moment, bevor der Doktor entschied, dass er dies akzeptieren würde. Nichts würde die beiden trennen, hatte er damals gedacht. Zwei weitere Monate waren ihnen noch geblieben, Talis hatte den Kontakt zum Tal Shiar abgebrochen. Und dann kam Vosol und machte alles zunichte.
Durfte er Vosol überhaupt Vorwürfe machen? Vermutlich nicht. Hätte er von einer romulanischen Agentin erfahren, hätte er vermutlich ähnlich gehandelt. Außerdem war es naiv zu glauben, dass der Tal Shiar nicht irgendwann einen weiteren Agenten gesendet hätte. Aber vermutlich war es das Problem, dass so viele Spezies dieser großen Galaxis kannten: Liebe machte blind. Selbst die Liebe zwischen einer romulanischen Agentin und einem cardassianischen Mediziner.
„Keine geistige Verwirrung, Commander“, gab Pril nun zurück. Seine Stimme bebte, aber war kräftig und wurde mit jedem Wort lauter und zorniger.
„Es war Liebe. Liebe, die uns beide verband. Liebe, die mich dazu brachte, eine Agentin zu decken und es war auch Liebe, die eine Agentin dazu brachte, den Kontakt zu ihren eigenen Leuten abzubrechen.“
Pril erkannte die Zuckungen im Gesicht des Commanders. Die Hand, in der er den Phaser hielt zitterte. Der Mediziner befürchete, dass der Romulaner jeden Moment feuern würde.
„Alles Lüge!“, brüllte Ekob nun hasserfüllt, „Nie würde eine meiner Schülerinnen einen derartigen Verrat begehen. Nie würde sie ihre Pflichten vergessen. Nie würde sie sich mit dem Feind verbrüdern. Eine Romulanerin und ein Cardassianer? Das ist völlig unmöglich!“
Eine gewaltige Zornesader pulsierte an seiner Stirn, als er vor Wut beinahe schäumte. Pril konnte sie trotz der großen Entfernung erkennen. Der Mediziner spürte eine Bewegung und schaute wiederum auf Talis, die unter größter Kraftanstrengung ihren Kopf in Richtung des Commanders drehte. Sehr leise und dennoch für alle zu hören begann Sie zu sprechen.
„Es ist wahr, Ekob. Ich entschuldige mich für den Verrat, den ich begangen habe. Aber nicht für die Gefühle, die ich empfinde.“
Bevor der Commander reagieren konnte, wendete sie Ihren Kopf wieder dem Doktor zu.
„Du hättest nicht kommen sollen. Wir werden beide an diesem Ort sterben.“
Eine Träne lief über ihr Gesicht, als sie dies sagte. Pril fand es unfassbar, dass sie in ihrem schrecklichen Zustand überhaupt noch eine vergießen konnte.
„Ich bereue nichts.“, gab der Doktor nun sanft zurück.
„In meinem ganzen Leben habe ich nicht derart empfunden. Bis vor kurzem wusste ich nicht, dass mir immer etwas gefehlt hat.“
Die Stille, in der sich die beiden anschauten, dauerte nur einen kurzen Moment, kam aber beiden wie eine Ewigkeit vor. Dieser schreckliche, schöne Moment, in einem dunklen Gefängnis der Romulaner. Pril hätte ihn gegen nichts im Universum getauscht.
„Ruhe!“, Ekob brüllte wiederum laut und durchbrach die Stille damit: „Es ist alles gelogen.“
Pril schaute wieder auf zum Commander, der nun verbittert nickte.
„Ich erkenne jetzt die Wahrheit. Nicht nur Talis, sondern auch Sie sind geistig verwirrt, Doktor. Und ich weiß, dass es für eine derartige Verwirrung nur eine Lösung gibt, nämlich die Therapie. Ich bin sicher, dass Ihr Volk es verstehen wird, dass diese Vorgehensweise absolut notwendig war.“
Pril spürte Talis' Wärme. Sie gab ihm das Gefühl, dass alles, was jetzt kommen würde, kaum noch schlimm sein könnte. Sollte er ihr Schicksal teilen, so war er sich zumindest sicher, nichts unversucht gelassen zu haben.
In diesem Moment traf den Commander ein Energiestrahl. Es erschien Pril wie eine Zeitlupe. Ekob zuckte getroffen und sackte schließlich in sich zusammen. Das Feuer stammte von der Stelle am Boden, an der Sevuk lag. Er hatte das Bewusstsein zurückerlangt und seine Waffe auf den Commander gerichtet, ohne dass es jemand merkte. Bevor die beiden Wachen reagieren konnten, waren auch sie von einem Energiestrahl getroffen. Suvek war ein ausgezeichneter Schütze.
Doch schon waren zahlreiche Schritte aus der Ferne zu hören. Mehr Wächter näherten sich schnell. Suvek hatte sich, soweit es ihm möglich war, aufgerichtet und schaute Pril an.
„Doktor. Nehmen Sie Talis mit sich. Der Transponder ist am Ende dieses Ganges hinter einer Wandplatte auf der rechten Seite versteckt. Sie müssen nur auf den Taster drücken und der Transport wird in Gang gesetzt.“
Der Doktor schüttelte den Kopf. Talis in seinen Armen schient erneut das Bewusstsein verloren zu haben.
„Suvek, ich kann Sie nicht hier lassen.“
Doch Suvek war bereits dabei seine Waffe neu einzustellen.
„Sobald Sie in dem Shuttle sind, aktivieren Sie die Fluchtsequenz 'Suvek Gamma' mit der Autorisation 'Suvek Romulus Omega '. Das Schiff wird automatisch einen Kurs setzen, der Sie von hier weg bringt und deren Sensoren durch eine wechselnde Konfiguration der Tarnvorrichtung täuschen.“
Pril zögerte noch. Würde Talis ihm verzeihen, wenn er Suvek hier zurücklassen würde?
„Doktor Pril, es ist keine Zeit. Gehen Sie!“
Immer noch nicht ganz überzeugt, aber die Notwendigkeit zu handeln erkennend, nickte der Doktor.
„Ich danke Ihnen, Suvek. Ich werde das nicht vergessen.“
Suvek nickte zurück und Pril begann sich mit Talis in seinen Armen den Gang entlang zu bewegen. Hinter ihm hörte er Rufe und das Feuer von Energiewaffen. Er konnte nur hoffen, dass Suvek ihnen genug Zeit verschaffte. Er stieg über die bewusstlosen Körper des Commanders und seiner zwei Untergebenen und erreichte schließlich das Ende des Ganges. Er kniete sich hin und setzte Talis ab, so dass sie an der Wand lehnte. Die Wandplatte war schnell zu finden und ließ sich einfach lösen. Dahinter befand sich, außer den Schaltkreisen und Leitungen, die Transpondervorrichtung. Ein Blick nach rechts zeigte ihm, dass Suvek noch immer die Wachen mit seinem Sperrfeuer in Schach hielt. Doch just in diesem Moment traf ihn ein Schuss und er sackte bewusstlos zusammen. Schon traten einige Bewaffnete um die Ecke. Schnell nahm er den Transponder und legte ihn in die Hand von Talis. Ein Schuss traf die Wand neben ihnen. Ein Druck auf den Taster löste den Transportvorgang aus, einen Moment später befanden sich die beiden im inneren eines romulanischen Shuttles. Der Mediziner kannte das Innere eines solchen Schiffes schon durch den Transport nach seiner Gefangennahme durch den Tal Shiar.
„Computer. Fluchtsequenz Suvek Gamma auslösen.“
Er hatte die Wort in dem Moment gerufen, als sie in dem Schiff angekommen waren.. Ein Geräusch des Computers signalisierte, dass die Spracheingabe erkannt wurde.
„Autorisation Suvek Romulus Omega.“
Er hörte, wie das Schiff sich in Bewegung setzte und wand sich sofort der neben ihm liegenden Talis zu. Sie war immer noch bewusstlos. Nach einer kurzen Suche fand er medizinische Vorräte und begann, die romulanische Frau zu behandeln. Es brauchte noch einen kurzen Moment, dann erlangte sie das Bewusstsein wieder.
„Kortas...Wo..?“
Sie brachte diese Worte unters Schwierigkeiten hervor, aber der Doktor schüttelte rasch den Kopf.
„Sprich nicht. Du musst ruhen. Wir sind auf dem Schiff und bewegen uns von Romulus weg.“
Sie schaute sich rasch um, soweit ihr das möglich war.
„Suvek?“
Er hatte diesen Moment befürchtet und gehofft, dass er nicht so schnell kommen würde. Auf seinem Gesicht wurde die Verunsicherung sichtbar.
„Er blieb zurück, um uns die Flucht zu ermöglichen.“
Doch Talis nickte verständnisvoll.
„Suvek ist ein guter Mann. Er wusste, was er tat.“
Der Doktor spürte die Erleichterung, mit der ihn diese Worte erfüllten. Aber er erkannte, dass es Talis Schwierigkeiten bereitete zu sprechen. Pril legte eine Hand auf ihre Wange.
„Du musst dich ausruhen.“
Sie schloss die Augen. Ihr Zustand war schlecht, aber Kortas Pril war sich sicher, dass sie wieder ganz gesund werden würde. Er war sich auch sicher, dass er sie genauso liebte, wie die cardassianische Frau, als die er sie ursprünglich kennengelernt hatte. Er fühlte, dass es für ihn keinen Unterschied gab. Und so bewegte sich das Shuttle mit Warpgeschwindigkeit weg von Romulus und auf ihr gemeinsames, neues Leben zu.
Rezensionen