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Wie du bist

von VGer

Wie du bist

Unendliche Weiten, wir schreiben das Jahr 2412 ...
Ein helles Lachen blubberte von ihren Lippen; es war das Lachen des Mädchens, das sie einst gewesen war, und viel zu lange schon versiegt.

"Klingonen und Ktarianer sind inkompatibel."

"Aus neurostrukturellen, soll heißen charakterlichen, Gründen ... die hier nicht weiter relevant sind."

"Nicht nur ..."

"Ich bitte dich, Biologie wird aber sowas von überbewertet."

Und da war es wieder, dieses Lachen.

Alles Klingonische verschwand aus der Physiognomie des Wesens, das ihr gegenüber stand; die Kraft und die Virilität schien sich zu konzentrieren. Zögerlich streckte sie den Arm aus, ließ die Rückseite ihrer Hand am knorpeligen Relief der Antenne herabgleiten bis die transparenten Locken unter ihren Fingern zu flüstern begannen. Sie zuckte zurück.

"Zu blau," sagte sie. 'Zu viele Erinnerungen' musste sie nicht hinzufügen.

Der Andorianer verschwand, ein unbestimmtes Gefühl der Traurigkeit blieb zurück. Die Gestalt wandelte sich wieder, wurde breiter und bunter, das andorianische Blau wurde durch erdige Töne ersetzt. Fleckige, knorpelige Finger zwirbelten sich keck durch die drahtigen Locken des schütteren Backenbarts.

"Im Ernst jetzt?"

Sie versuchte nicht in Gelächter auszubrechen und versagte kläglich, doch der nostalgisch-melancholische Beiklang in ihrer Stimme blieb.

"Ich dachte nur ... vielleicht möchtest du ja etwas Vertrauteres? Man sagt ja, dass frühkindliche Prägung bei der Partnerwahl ein unbewusstes Entscheidungskriterium ist, und ein Talaxianer war für dich eine Vaterfigur, also ..."

"Äh ... ich weiß nicht? Zu vertraut, fürchte ich, zu sehr Vaterfigur."

Sie schüttelte ungläubig den Kopf, das Wesen sah wirklich aus wie Neelix in jüngeren Jahren, und so sehr sie den Talaxianer auch liebte war das nicht das, was sie in einem Partner suchte.

"Na gut, dann halt nicht."

An seine Stelle trat ein Vulkanier, majestätisch und distanziert. Seine Haut glänzte in einer dunklen Schattierung von Rotbraun wie die Erde seines vermeintlichen Heimatplaneten und sein würdiger Blick trug das Wissen des Universums in sich. Wie passend, dachte sie und konnte sich ein kleines Schmunzeln nicht verkneifen, doch gleichzeitig erschrak sie. Sie wagte es nicht, die Gestalt zu berühren, es schien ihr gänzlich unangemessen ... denkbar schlechte Voraussetzungen für einen Gefährten, mit dem sie ihr Leben verbringen wollte, den sie in Kürze ihrer Familie und ihren Freunden vorzustellen gedachte.

Sie verneinte wortlos. Der Vulkanier neigte den Kopf elegant zur Seite, und als er wieder aufblickte hatten seine Gesichtszüge ihre gemeißelte Geometrie verloren, waren weicher geworden, menschlicher. Davon einmal abgesehen sah er aus wie dieselbe Person, und damit ganz anders als der Mensch, der ihr ungebetenerweise immer noch im Kopf herumspukte. Der Mensch, den sie verloren hatte, obwohl er niemals ihrer gewesen war. Einmal wieder musste sie sich dazu zwingen, nicht an ihn zu denken - nicht an seine so kleine uns doch so stabile Präsenz an ihrer Seite, nicht an das beinahe lausbübische Funkeln in seinen grauen Augen, nicht an seine rauhe Pranke auf ihrer Schulter, bevor er sich das letzte Mal von ihr abwendete. Sie musste die Luft anhalten, bevor die Erinnerung ihr den Atem abschnürte.

"Ich kann die Haarfarbe ändern, die Hautfarbe, die Kleidung, alles was du möchtest."

"Ich weiß nicht, ob ich überhaupt einen Menschen möchte."

Sie seufzte, er auch. Es machte ja eigentlich doch keinen Unterschied, und allmählich keinen Spaß mehr.

"Vielleicht möchtest du zur Feier des Tages etwas ganz Neues ausprobieren?"

Vor ihren Augen erschien eine Trill von üppiger Weiblichkeit, das filigrane Fleckenmuster schien ihr wie ein Wasserfall ins tiefe Dekoletee zu fließen während sie lasziv mit den Hüften kreiste.

"Mein Vater bekommt einen Herzinfarkt, bestimmt!"

"Wenn du eine Trill an deiner Seite hast? Oder eine Frau? Ich bitte dich - dein Vater ist doch kein Präwarpmensch!"

"Wenn diese Trillfrau aussieht wie Jadzia Dax, dann ist das etwas anderes!"

"Oh ..."

"Ja, oh."

Das Haar des Wesens verwandelte sich vor ihren Augen, wurde blonder und kürzer, der Körperbau kleiner und schmäler.

"Lass es einfach. Ich denke, ich finde humanoide Frauen generell nicht so attraktiv."

"Genausowenig wie Benziten, Tellariten, Bajoraner, Romulaner, Yridianer, Orioner, Brunali, Caitianer, Klingonen, Andorianer, Talaxianer, Vulkanier und Trill. Dir kann man auch wirklich nichts recht machen!"

Er klang genervt, und es war ansteckend.

"Es macht nun mal keinen Unterschied!"

"Für dich nicht!"

"Ist es nicht das was zählt?"

"Nicht wenn ..."

Sie hatte sich abgewandt, und nicht nur mit ihrem Körper. Plötzlich war sie wieder da, diese schreiende Kälte und diese lange Stille, die ihre feinen Gesichtszüge und ihre robuste Seele zerfurcht und vernarbt hatten. Ihr Schweigen wurde immer lauter, drehte sich immer schneller, doch als sie, aus dem Augenwinkel bloß, bemerkte, dass das Wesen sein Erscheinungsbild wieder verändert hatte, konnte sie es nicht ignorieren.

"Sieh hin," verlangte er mit einer aufmunternden Berührung.

Sie atmete tief durch, schob den Widerwillen weit von sich bevor sie sich umdrehte.

Vor ihr stand ein Ktarianer im besten Alter, groß und hager mit schieferfarbener Haut und einem imposanten Hornkamm auf dem kahlen Schädel. In seinen orangen Augen blitzte etwas Unverwechselbares auf, als er sich ihr zuwandte, und ein scheuer grüner Schatten tanzte über seine hohlen Wangen; just der Blick, den ihr Vater ihrer Mutter schenkte, wenn er überzeugt davon war, dass sie ungestört wären. So vertraut, so k'tarianisch. Ihr Mund wurde krächzend rauh, das Blut sang heiß und hastig an ihren Schläfen, ihre Hände zitterten so sehr, dass sie nicht wagte sie auszustrecken.

"Gefällt's dir?"

Er lachte, sie zitterte. Es konnte unmöglich frühkindliche Prägung sein, aber ...

"Du bist viel k'tarianischer als du aussiehst," fuhr er leise fort, und der neckende Unterton war aus seiner Stimme verschwunden, "Viel k'tarianischer als du dir selbst eingestehst. Mit einem Ktarianer an deiner Seite könntest du diese Facette deiner Persönlichkeit ausleben."

Seine Worte resonierten in ihrem Kopf, der Gedanke war zu verlockend. Sie machte einen Schritt auf das Objekt ihrer Begierde zu, sog seinen herben Duft in sich ein, und hielt dann doch inne.

"Ein andermal," presste sie heraus, "Nicht jetzt und nicht dort wo wir hinmüssen."

"Also gefällt es dir ... gut genug um dich in Verlegenheit zu bringen, gut genug um dich nicht zu benehmen wie es einer hochdekorierten Veteranin gebührt?"

Ihr kokettes Lächeln streifte ihn glühendkalt wie ein Komet, ihre Hand schlängelte sich, einem Versprechen gleich, um den langen k'tarianischen Nacken. Sie lehnte sich zurück, seufzend, verfluchte und beglückwünschte sich selbst für ihre schreckliche Vernunft.

Nicht jeder bekam die Gelegenheit, sich einen Gefährten ganz nach den eigenen Wünschen zu gestalten ... es war ihr, als sei das Holodeck lebendig und real geworden, es war überwältigend, selbst für sie, die mehr Erfahrung mit dem Transzendenten, mit dem Surrealen hatte als die meisten.

"Was gefällt dir?", fragte sie schlicht, "Was möchtest du?"

Sie spürte seinen Blick, alles durchdringend und doch so skeptisch, so zweifelnd und so scheu. Es war keine Ausrede, es war Aufrichtigkeit.

"Es macht keinen Unterschied für mich. Du fühlst dich immer gleich an, egal wie du aussiehst. Du fühlst dich so an wie immer."

Sie spürte seine Erleichterung in ihrem Lächeln, sie sah seine Freude hinter ihren Lidern tanzen, sie ließ sich in sein Bewusstsein fallen. Nichts hatte sich geändert, nur sie, doch für ihn waren die langen Jahre des Krieges und der Trennung nur ein einziger Pulsschlag des Universums gewesen.

"Sei was du sein willst."

"Das bin ich."

"Ich meine es ernst."

"Ich auch."

Er materialisierte vor ihr, blass und breitschultrig, mit einem Grübchen im Kinn und einer verwegenen Körperhaltung, mit stechend blauen Augen und einer stachelig aussehenden Kurzhaarfrisur. Ein Mensch, von der gutaussehenden Sorte, wenn auch nicht ganz so atemberaubend wie der Ktarianer von vorhin. Sie hob die Hände zur Begrüßung, strich sanft und prüfend über seine Wangen, über sein dunkles Haar, über den groben Filz seines Mantels, über die Essenz seines Bewusstseins; sie sog seinen neuen Geruch und sein altes Wesen in sich ein und war zufrieden.

"Warum?", wollte sie wissen.

"Ich war in Menschengestalt, als wir uns begegnet sind. Ich war das hier für dich, bevor du begreifen konntest wie viel mehr ich bin. Ich habe das mehr genossen als du dir vorstellen kannst, es war eine einmalige Sensation."

Sie legte den Kopf schief und musterte ihn genau, bevor sie zufrieden nickte.

"Du siehst wirklich so aus wie er von damals aussehen würde, wäre er gealtert wie ein normaler Mensch. Nur die Augen sind falsch, ganz falsch."

Er schloss die Augen, als er sie wieder öffnete waren sie warm und haseln. "Besser so?"

"Viel besser." Sie schmunzelte leise, als sie sich bei einem viel zu menschlichen Gedanken ertappte. "Sie werden sich alle täuschen lassen ... vergessen, wer du wirklich bist."

"Sollen sie. Soll mir recht sein. Soll der Alte das Theater veranstalten, wenn er es nicht lassen kann." Er zuckte mit den Schultern. "Also, können wir?"

Im letzten Augenblick bevor das Fingerschnipsen sie zum Mars transportierte, wo sich ihre ganze Familie anlässlich des 35. Jubiläums der Heimkeihr der Voyager versammelt hatte, wurde sie stutzig.

"Malgk rr'llamp!" Wie immer war der Fluch, der ihr entfuhr, in ihrer farbenfrohen Vatersprache. "Ich muss mir noch etwas anziehen! Vor lauter Körpern für dich habe ich ganz darauf vergessen! So kann ich unmöglich ... Warum sagst du denn nichts, Idiot?"

Hochrot und stotternd stolperte sie in ihre Verwirrung, stemmte die Hände in die Hüften und starrte ihn mit loderndem Blick an. Er musterte sie jetzt zum ersten Mal mit dem Blick eines menschlichen Mittvierzigers, mit Neugier und einem Anflug von Begehren, soviel war ihr klar. Seine Augen wanderten über ihren sehnigen, gestählten, versehrten Körper, über ihre ledrige ockerfarbene Haut, über ihre kleinen Brüste und ihre kantigen Hüften, die in Sternenflottenstandardunterwäsche verpackt waren, über ihre widerspenstigen und immer grauer werdenden Haare und die Sorgenfalten, die sich in ihrem Gesicht verankert hatten.

"Stimmt," sagte er ganz neutral, "Du musst dir noch etwas anziehen."

Fassungslos schüttelte sie den Kopf, doch bevor sie den Mund zum Sprechen öffnen konnte, nahm sie etwas wahr, was nur ein Filament seines Geistes sein konnte. Sie erstarrte ob der Intensität, obwohl sie um Laufe ihres Lebens gelernt hatte, im Strom des Bewusstseins zu navigieren. Seine Stimme war sanft und voller Emotion, doch die Lippen des Mannes, der vor ihr stand, bewegten sich nicht. Sie fühlte die Worte vibrieren, tief in sich, spürte ihre Bedeutung in jeder Faser ihres Körpers.

"Ich sehe nicht deinen Körper und nicht deine Kleidung, ich sehe nur dich. Du wirst es noch zu verstehen lernen, No. Irgendwann bald wirst du sehen können was ich sehe, fühlen wie ich fühle, wissen wie viel mehr da ist."

Sie konnte nicht reagieren, nicht mit Worten oder Taten, und plötzlich erforderte es weder Anstrengung noch Konzentration. Sie spürte sein zufriedenes Lächeln in sich kribbeln, in ihm, in beiden, dann sah sie an sich herunter. Sie trug ein türkisfarbenes Kleid mit goldenem Muster, das kurz über ihrem Knie endete, und praktische Sandalen aus einem weichen ledernen Material. Genau richtig für einen Sommernachmittag auf dem Mars, fand sie.

"Die Haare hab' ich dir auch gemacht. Siehst jetzt nicht mehr aus wie eine Soldatin, die keinen Kamm bedienen kann."

"Sagtest du nicht gerade, dass du nur mich siehst und nicht meine Frisur?"

"Ich sehe alles, mein Licht. Wirklich alles, wenn ich will und wenn es nötig ist. Solltest du inzwischen wissen."

Sie verpasste ihm einen spielerischen Klaps, bevor sie sich bei ihm einhakte. Ein Kontrollgriff in den Nacken und ja ... Föderationsbürger, die stilbewusster waren als sie selbst, würden vermutlich morden für einen omnipotenten Friseur. Sie schmunzelte in sich hinein und war überrascht, dass ihr stiller Gedanke nicht mit einem sarkastischen Kommentar quittiert wurde. Sie atmete tief durch; endlich bereit, einen Schritt in ihr neues, altes Leben zu tun und sich den bohrenden Fragen ihrer Eltern und ihrer Tante Kathryn und aller anderen Familienmitglieder zu stellen, in Bezug auf ihr Wohlbefinden und den Krieg und das wunderliche Wesen an ihrer Seite.

"Lass uns gehen und so tun als seien wir ein ganz normales Paar, nur ein Mensch und ein Hybrid wie alle anderen."

Anstelle einer Antwort schnipste er mit den Fingern.

Etwas Background für die Interessierten, die unseren Kopfcanon nicht kennen (ich hoffe, die Geschichte hat trotzdem Spaß gemacht!):

Naomi und Q Junior sind zusammen, seit ihre Tochter - getarnt als Kugelfisch mit einer Sportrakete - sieben Jahre nach der Rückkehr der Voyager die Enterprise gerammt hat. Irgendwann wurde es Naomi jedoch zu viel und zu verrückt und kurz bevor sie das Kommando der K7 an der Front übernimmt zieht sie einen Schlussstrich. Der Krieg (2405-2411) geht nicht spurlos an Naomi vorbei; auf der K7 hat sie außerdem eine Affäre mit ihrem XO, Phil Redbay (dem erwähnten Menschen), der später einer ihrer engsten Vertrauten wird, sehr zum Missfallen von Kerra Thelv (der erwähnten Andorianerin). Nach dem Krieg nähern sich Naomi und Q wieder an ... Naomi hat zu viel verloren um Vertrautes abweisen zu wollen, Q ist in der Zwischenzeit auch gereift und gewachsen und wild entschlossen es diesmal besser zu machen. Sein jugendlicher Übermut hat nämlich etwas Wesentliches verändert ... und so beginnt Naomi - sehr zum Missfallen des Kontinuums und sehr zur Begeisterung ihrer Tochter - allmählich immer Qer zu werden. Oder wie heißt es so schön? There is No cure for Qriosity.
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