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Ohne Worte

von Cinnamomo

Kapitel 1

„Schnell, bloß raus hier, bevor uns die Decke auf den Kopf fällt!“ brüllte James T. Kirk und riss auch schon am blauen Uniformshirt seines Begleiters, um ihn Richtung Ausgang zu ziehen. Die Erde unter ihren Füßen bebte und um sie herum prasselten immer mehr Steine von der Höhlenwand zu Boden. Spock und er mussten dringend verschwinden, wenn sie nicht vom herabstürzenden Geröll erschlagen werden wollten. Es war kaum noch möglich, sich auf den Beinen zu halten und doch rannten und rannten sie dem schwachen Licht der zerklüfteten Höhlenöffnung entgegen. Aus der Ferne vernahm Jim ein bedrohliches Grollen, das ihn noch ein bisschen schneller laufen ließ. Wo auch immer dieses Beben plötzlich herkam, es hatte die beiden Offiziere eiskalt bei der Erforschung des unbekannten Planeten erwischt. Wie kann das sein ...? fragte sich Jim, schon leicht außer Atem. Alles hatte ganz normal gewirkt, keine Anzeichen seismographischer Aktivität weit und breit. Doch die immer stärker werdende Erschütterung strafte ihre Tricorder-Anzeigen Lügen.

Nur noch ein paar Meter bis zum Eingang … Gleich geschafft, dachte der junge Captain noch, als ein Teil der Felsdecke mit einem lauten Knall hinter ihm zu Boden ging – genau dort, wo er seinen Wissenschaftsoffizier wähnte. Mit dem heftigen Aufschlag stoppte auch das Beben, und bis auf das Herabkullern einiger Steinchen war urplötzlich kein Laut mehr zu hören.

„Spock!“ Panisch drehte sich Jim um und fand sich augenblicklich in seinem persönlichen Alptraum wieder: Der schlanke Körper seines ersten Offiziers lag verschüttet unter einem riesigen Berg von Steinen.

Sein Herzschlag setzte aus, als ihn die Angst erfasste. Sofort tastete Jim nach seinem Kommunikator, um Hilfe zu holen. Vergeblich, denn offenbar hatte er das kleine Gerät beim Sprint durch die Höhle verloren. „Bones! Booooooones!!!“ In seiner Verzweiflung rief Jim nach seinem Schiffsarzt, obwohl er wusste, dass er unmöglich in Hörweite sein konnte. Schließlich sollte sich der Landetrupp erst in einer Stunde wieder am Fuße des Bergmassivs treffen.

Jims Hände zitterten, Schweißperlen traten auf seine Stirn. Was war nur los mit ihm? Solche Situationen hatte er doch schon hunderte Male erlebt, ohne in Panik zu geraten. Warum war er jetzt wie gelähmt? Diesmal ist es anders, schoss es ihm durch den Kopf. Diesmal ist es Spock, der in Gefahr schwebt. Er rief sich zur Ordnung. Ruhe bewahren. Durchatmen. Spock retten!

Zu Jims Erleichterung lag der Kopf des Vulkaniers frei und er atmete flach, aber eine große Platzwunde auf der Stirn zeugte von der Wucht, mit der der Wissenschaftsoffizier getroffen wurde. In der Hoffnung auf ein weiteres Lebenszeichen, schlug Jim Spock sanft auf die Wange, doch er rührte sich nicht.

„Verdammt, das kannst du mir nicht antun!“, entfuhr es Kirk. Er warf er sich auf die Knie, um endlich mit dem Graben zu beginnen. Wie ferngesteuert schleuderte der Captain Stein für Stein zur Seite, merkte dabei nicht einmal, wie die scharfen Kanten seine Hände aufrissen und er selbst im Staub versank. Er gönnte sich keine Pause, sondern arbeitete sich immer weiter vor, bis er die geschundene Gestalt vor sich freigelegt hatte. Die zerrissene Uniform ließ einen Blick auf Spocks zerschrammten Brustkorb zu, der zum Jims Erschrecken an vielen Stellen bereits dunkelgrün anlief. Ob er ihn bewegen dufte? Normalerweise hätte er darauf verzichtet, aber in der Höhle auszuharren und auf ein weiteres Beben zu warten, erschien ihm noch gefährlicher.
Der Captain fegte die letzten Felsbrocken vom Oberkörper seines ersten Offiziers, hob ihn so vorsichtig wie möglich an und zog ihn ein paar Meter aus dem einsturzgefährdeten Höhleneingang heraus, um ihn in Sicherheit zu bringen.

Schwer atmend ließ er sich zusammen mit dem Vulkanier zu Boden sinken und legte dann behutsam dessen Kopf auf seinen Oberschenkeln ab. Wie tot lag der Wissenschaftler da, die Augen geschlossen, das sonst so akkurat gekämmte Haar völlig durcheinander. Jims Hand wanderte an Spocks rechtem Rippenbogen entlang. Zu seiner Erleichterung schlug das Herz noch, wenn auch sehr schwach. Natürlich war er kein Arzt, aber er ahnte, dass es ziemlich schlecht um seinen Freund stand.

„Bitte, bleib bei mir! Wag’ es ja nicht, zu sterben!“ murmelte Jim und kam sich schrecklich hilflos vor. Er versuchte, Spock so bequem wie möglich zu betten, ohne seinen Zustand weiter zu verschlechtern.

Warum waren sie bloß allein in diese verdammte Höhle gegangen, anstatt auf die anderen zu warten? Das ist Unsinn, schalt er sich selbst. Selbst wenn er Dr. McCoy, Lieutenant Edwards und Fähnrich Branson nicht in die andere Richtung geschickt hätte, um weitere Daten über den unbekannten Planeten zu sammeln, wäre das Unglück passiert. Vielleicht wäre Bones sogar ebenfalls verschüttet worden und er müsste jetzt auch um ihn bangen.

Wo blieben die anderen nur? Inzwischen mussten sie doch gemerkt haben, dass er nicht auf etwaige Kontaktversuche antwortete, da beide Kommunikatoren unter den Felsmassen begraben waren. Wo war Bones nur, wenn man ihn brauchte?

Wie paralysiert starrte der Captain auf das blasse Gesicht in seinem Schoß. Trotz der bedrohlichen Lage kam Jim nicht umhin zu bemerken, wie anziehend sein Commander doch war – paradoxerweise verlieh ihm die Bewusstlosigkeit eine nahezu ätherische Schönheit. Die eingefallenen Wangen betonten die hohen Jochbeine, die glatte Haut wirkte nahezu transparent und zum ersten Mal nahm Jim Spocks lange, schwarze Wimpern wahr, die seine scharfen Züge plötzlich viel weicher erschienen ließen. Vom arroganten Ausdruck, den er üblicherweise gern zur Schau trug, war nichts mehr übrig. Spock wirkte so … friedlich.

Krieg dich wieder ein! Das ist wohl der denkbar schlechteste Zeitpunkt, um deinen ersten Offizier attraktiv zu finden, fuhr es ihm durch den Kopf. Spock lag hier in seinem Schoß, schwer verletzt und ohne Bewusstsein, er brauchte Hilfe.

Um überhaupt irgendetwas zu machen, strich Jim mit einer zärtlichen Bewegung die verbliebenen Ponyfransen aus der Stirn des Vulkaniers und legte damit die Platzwunde frei, die der Steinschlag dort verursacht hatte. Blut sickerte aus dem tiefen Riss. Jim seufzte, griff zum Saum seines Uniformshirts und begann behutsam, die grüne Flüssigkeit abzutupfen, bevor sie Spocks Augenbrauen erreichte. Dabei zwang er sich noch einmal, so ruhig wie möglich zu bleiben. Auch wenn er in vielen Situationen die Coolness in Person verkörperte, brachte ihn die lebensbedrohliche Lage seines ersten Offiziers an den Rand des Wahnsinns. Vermutlich genügte schon diese Kopfverletzung, um Spock umzubringen, dabei ließ auch der restliche Körper auf Quetschungen und innere Blutungen schließen, die unbehandelt ganz sicher tödlich waren.

Der Captain schloss die Augen, als er versuchte, die dunkle Ahnung zu verdrängen. Er beugte sich ein Stück hinunter und flüsterte mit all seiner verbliebenen Zuversicht:

„Spock … Spock, du weißt, dass ich dich brauche. Halt durch, Bones kann nicht weit sein.“

Dabei strich er sachte über den dunklen Schopf, der noch immer regungslos auf seinen Beinen lag. Ob er damit sich oder den Vulkanier beruhigen wollte, wusste er selbst nicht genau. Wieder und wieder ließ er seine Hand über das schwarze Haar gleiten, bis sich der Kopf plötzlich leicht hob.

„Captain.“

Überrascht blickte Jim auf und sah direkt in Spocks dunkelbraune Augen, die ihn klar fixierten. Seine Hand stoppte mitten in der Bewegung und ruhte vor Schreck noch für den Bruchteil einer Sekunde auf Spocks Haupt, bevor er sie blitzschnell fallen ließ.

„Captain“, wiederholte der Vulkanier und versuchte, seinen Kopf noch ein weiteres Stück zu heben. Schon das Zusehen schmerzte Jim. Mit einem leisen Stöhnen gab Spock schließlich auf und ließ sich wieder zurücksinken.

„Beweg dich nicht, bleib einfach liegen. Dr. McCoy und die anderen müssen gleich hier sein.“

„Was ist passiert?“, brachte Spock mit brüchiger Stimme hervor.

„Du erinnerst dich nicht? Wir waren in der Höhle, um weitere Messdaten zu sammeln, als es ein Erdbeben gab. Wir sind raus gerannt, bis die Höhlendecke runter kam …“ Mit der freien Hand deutete Jim auf den verschütteten Höhleneingang rechts von ihnen, in dem sich die kaputten Steine stapelten. Doch Spock war zu schwach, der Bewegung mit seinem Kopf zu folgen.

„Ich musste dich unter diversen Felsbrocken hervorziehen.“ Er schluckte trocken, bevor er den nächsten Satz über die Lippen brachte. „Für einen kurzen Moment dachte ich schon …“

Betroffen hielt der Captain inne. Erst jetzt wurde ihm so richtig klar, wie sehr sich die Angst in der letzten halben Stunde in sein Herz gefressen hatte. Ein Leben ohne Spock – ohne seine Stimme der Vernunft, die ihn immer wieder auf den Boden der Tatsachen zurückbrachte? Die unverschämte Augenbraue, die oft mehr sagte als tausend Worte? Ohne seine stoische Ruhe? Oh, Spock .... ich habe keine Ahnung, wie ich jemals wieder ohne dich klarkommen soll, dachte Jim bedrückt. Allein der Gedanke, seinen Freund und ersten Offizier zu verlieren, trieb ihm die Tränen in die Augen. Schnell wandte er den Blick ab, damit Spock nicht sah, welcher Gefühlssturm plötzlich in ihm tobte.

„Ich habe nicht vor, Sie zu verlassen, Captain.“ Spocks Mundwinkel wanderten kaum merklich nach oben, was wahrscheinlich so etwas wie ein aufmunterndes Lächeln darstellen sollte. Jim erwiderte die Geste.

„Das ist gut, Spock. Ich brauche dich nämlich noch.“ Mehr, als du glaubst …, fügte er stumm hinzu. Der Vulkanier sah ihn forschend an, bevor er mühsam die Hand hob.

Ohne zu zögern griff Jim danach und verschränkte seine Finger mit denen seines ersten Offiziers. Für einen kurzen Moment setzte das Herz des jungen Kommandanten aus. Zum einen weil Spocks Haut so ungewöhnlich kühl war – kein gutes Zeichen, wie er wusste – und zum anderen, weil … ja, warum eigentlich?

Trotzdem empfand es als ebenso beruhigend wie aufregend, die feingliedrige Hand zu halten. Sein Herzschlag begann, plötzlich zu rasen und er betete innerlich, dass sein Freund zu schwach war, es zu registrieren. Spock hatte die Augen wieder geschlossen, seine Atmung ging flach, aber regelmäßig. Gerade als Jim annahm, der Vulkanier sei erneut bewusstlos geworden, schlug er die Augen wieder auf und sah ihn direkt an.

Für ein paar Sekunden herrschte Stille zwischen den beiden Männern, bis Spock das Wort ergriff. „Captain – Jim – für mich wird es nie einen guten Zeitpunkt geben, über Gefühle zu sprechen. Aber ich spüre, was meine aktuelle Konstitution in dir auslöst. Falls ich diese Außenmission nicht überleben sollte, möchte ich noch sagen, dass …“

Spock fuhr sich mit der Zunge über die aufgesprungene Unterlippe. Jim registrierte mit klopfendem Herzen, dass die Wangen des Vulkaniers tief grün schimmerten. Und auch er spürte, wie ihm vor Aufregung das Blut ins Gesicht schoss. Was hatte Spock ihm so Wichtiges mitzuteilen? Und warum war er deshalb so aufgeregt?

„Ich …“ setzte Spock noch einmal an, doch weiter kam er nicht, da sich jemand unüberhörbar ihrem Lagerplatz näherte. Jim hob den Kopf. Im Laufschritt stürmten McCoy und die beiden Sicherheitskräfte auf sie zu.

„Captain! Spock! Ich dachte schon, ihr wärt in einem gottverdammten Erdloch verschwunden! Nach dem Beben konnte euch keiner orten, wir haben den halben Planeten zu Fuß abgesucht.“

Jim schwankte zwischen Ärger und Erleichterung, als er den Schiffsarzt sah. Nur zu gern hätte er die Worte seines ersten Offiziers gehört – doch natürlich hatte Spocks Rettung Vorrang. Mit leichtem Bedauern ließ er Spocks Hand sinken und löste die Verbindung langsam. Dabei ignorierte er Bones fragenden Blick, der zwischen ihm und Spock hin und her glitt. Jim wusste, dass die feinen Antennen des Doktors die Intimität des Moments erfasst hatten und setzte schon zu einer Verteidigung an. Doch ohne das Geschehen zu kommentieren, widmete McCoy seine Aufmerksamkeit dem schwerverletzten Patienten. Der hatte seine Augen wieder geschlossen und lag gottergeben in Jims Schoß, gerade so, als ob es die letzten paar Sekunden nie gegeben hätte. Jim ahnte, dass er nicht erneut das Bewusstsein verloren hatte, sondern einfach erleichtert war, der Situation entkommen zu sein.

McCoy kniete sich neben die beiden, den Scanner des Tricorders bereits gezückt. Vorwurfsvoll starrte er abwechselnd das Gerät in seinen Händen und Mann im gelben Shirt an.

„In was für einen erbärmlichen Zustand hast Du das Spitzohr gebracht, Jim?!“ Stirnrunzelnd betrachtete Bones die Messwerte auf dem kleinen Display. „Da stimmt ja nichts mehr!“

„Die Höhle ist eingestürzt und hat ihn unter einem Haufen Steine begraben, Doktor. Ich dachte schon, ihr schafft es nicht mehr rechtzeitig zu uns.“, schnappte Kirk zurück, ließ es aber dabei bewenden, da er begriff, dass Bones rauer Ton ein Ausdruck der Sorge um den Vulkanier war.

„Gerade war er auch noch ansprechbar“, sagte Jim eine Spur versöhnlicher.

McCoy, der mit einem Hypospray hantierte, warf er seinem Kommandanten erneut einen fragenden Blick zu und seufzte dann. „Da sind multiple Verletzungen, innen wie außen. Aber ich denke, er wird es schaffen. Vorausgesetzt, wir bringen ihn sofort auf die Krankenstation.“

Schon hatte der Doktor den Kommunikator aufgeklappt und bellte: „McCoy an Enterprise! Scotty, fünf zum Hochbeamen! Und geben Sie Schwester Chapel Bescheid, wir haben hier einen vulkanischen Notfall.“

„Aye, Doktor!“, tönte es von Chefingenieur zurück.

Sekunden später spürte Jim das vertraute Prickeln des Beamvorgangs auf seiner Haut. Während er sich langsam in seine Atome auflöste, wurde ihm schlagartig klar, auf welche Worte er von Spock gehofft hatte – und dass er sie vermutlich nie hören würde.

Doch damit konnte er leben, solange es dem Mann an seiner Seite nur wieder gut ging.
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