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Wenn wir uns wiedersehen

von Gabi

Kapitel 1

Wenn wir uns wiedersehen

 

(Dahkur)

 

 

 

 

 

„Persönliche Aufzeichnung, Dr. Phlox. Aus der friedlich angedachten Mission, neue Welten und neue Zivilisationen kennenzulernen, ist bereits seit einiger Zeit eine weitaus konfliktreichere Entdeckungsreise geworden, als wir uns das alle vorgestellt hatten. Mein Aufgabenbereich, den ich in der Erforschung fremdartiger Erreger und neuartiger Physiologien gesehen hatte, beinhaltet nun immer öfters den allzu realen Kampf um das Leben eines Crewmitglieds. Bisher sind mir diese Situationen nicht so nahe gegangen wie meinen emotionalen menschlichen Kollegen. Es ist eher ein Stich in meiner Berufsehre als eine tiefere Trauer, die mich in denjenigen Fällen befällt, in denen ich nichts mehr gegen den Tod auszurichten vermag. Der Verlust eines Lebens ist immer tragisch, doch leider gehört er in unserem täglichen Leben so sehr dazu wie das Atmen und die Nahrungsaufnahme. Ich denke, dass Subcommander T’Pol mich in dieser Ansicht unterstützen würde. Captain Archer hingegen nimmt jeden Todesfall immer noch als persönliches Versagen auf, dabei hätte er in den meisten Fällen überhaupt nichts dagegen unternehmen können. Wahrscheinlich ist das bei den Menschen die Voraussetzung für einen guten Kommandanten. Mein Fall wäre es nicht. Und doch gibt es Augenblicke, in denen ich die menschliche Irrationalität auf erschreckend schmerzliche Weise nachvollziehen kann. Bei aller Objektivität liegen mir manche Crewmitglieder offensichtlich näher am Herzen als andere ...“

 

            Phlox schaltete sein Aufzeichnungsgerät aus. Er verharrte noch einen Moment auf dem Laborstuhl in seinem kleinen Vorbereitungsraum, dann erhob er sich, straffte sich mit einem äußerlichen Zurechtziehen seines Jacketts und einem innerlichen Seufzer und trat in den Behandlungsbereich hinaus.

 

            Das Licht war gedämpft, es war Bordnacht. Bis auf ein Bett war die Krankenstation leer. Früher am Tag hatte hier gelinde Hektik geherrscht, als fünf Mitglieder eines Außenteams mit mittleren bis schweren Verletzungen eingeliefert worden waren. Eine geologisch interessante Felsformation hatte sich als das planetare Pendant einer Tretmine entpuppt, was zuvor von den Scannern nicht hatte festgestellt werden können. Die meisten hatte er mit Verbänden und Ermahnungen in den letzten Stunden wieder in ihre Quartiere entlassen können. Fast das gesamte Forschungsteam hatte Glück im Unglück gehabt, fast!

 

            Phlox trat an das Bett heran. Noch während er sein sorgenfreies Lächeln aufsetzte, spürte er, dass es falsch wirkte, und er wusste, dass sie das ebenfalls wusste.

 

            Obwohl er nahezu lautlos auftrat, spürte sie seine Nähe und wandte den Kopf. Denobulaner besaßen in diesem Zustand ein erhöhtes Wahrnehmungsvermögen für ihre Umwelt, vielleicht war das bei anderen Spezies auch der Fall? Er wusste es nicht.

 

            Sie lächelte ihn an. Im Gegensatz zu seiner Mimik wirkte die ihre echt. Ihr Gesicht war unnatürlich bleich und zum ersten Mal, seit sie sich kannten, machte sich in Phlox der Eindruck breit, dass sie schön war. Ausgerechnet jetzt!

 

            Sie wusste, was los war, und überraschenderweise war sie weitaus bereiter es anzunehmen als er es war.

 

            „Setzen Sie sich zu mir.“ Ihre Worte waren in ihrem Flüstern bindender als ein Befehl.

 

            Phlox tat wie ihm geheißen. Sorgsam darauf achtend, ihr keine Unannehmlichkeiten zu bereiten, ließ er sich auf dem Bettrand nieder. Die Frage nach ihrem Wohlbefinden, die ein Mensch wahrscheinlich in dieser Situation gestellt hätte, kam nicht über seine Lippen. In Anbetracht ihres Zustands war sie mehr als überflüssig.

 

            „Kann ich etwas für Sie tun, Crewman Cutler?“, erkundigte er sich stattdessen, überrascht darüber, wie schwankend seine eigene Stimme klang.

 

            „Sie könnten mich Elizabeth nennen, wenigstens am Ende.“ Ihre Lider schlossen sich, verkrampften sich ein wenig.

 

            Die dahinterliegenden Emotionen waren ihm klar, er wusste jedoch nicht, ob er sie ansprechen oder höflich ignorieren sollte. Schließlich entschloss er sich zu derjenigen Erwiderung, die er als am menschlichsten einschätzte. „Lassen Sie es einfach zu. Sie müssen nicht stark sein.“

 

            „Ich will aber stark sein“, murmelte sie, das Gesicht immer noch leicht abgewandt. „Ich will, dass es heißt Elizabeth Cutler hat keine Angst gehabt.“

 

            Phlox spürte nun selbst ein leichtes Brennen im unteren Augenlid. Die Umweltkontrollen mussten dringend neu justiert werden. „Oh, das wird es auf jeden Fall heißen. Das verspreche ich Ihnen, Crew… Elizabeth.“

 

            Ein schwaches Lächeln lief über ihre Züge. Sie drehte den Kopf zurück und öffnete die  Augen. Der neugierige Glanz darin, den Phlox so sehr mit der jungen Entomologin in Verbindung brachte, war nur noch ein stumpfes Glimmen. „Erzählen Sie mir …“ Sie schloss abermals die Augen, öffnete sie jedoch  kurz darauf wieder, „Erzählen Sie mir davon, an was Denobulaner glauben.“

 

            Diese Frage traf ihn unvorbereitet. Er wusste genau, auf was sie hinaus wollte, er hatte genügend philosophische und Religionssysteme anderer Spezies studiert, um eine allgemeine Tendenz auszumachen: Ein gutes Leben führte zur Aufnahme zu den verehrten Kriegern, Heiligen, Weisen oder was immer das jeweilige System anpries. Ein schlechtes Leben zum symbolischen Gegenstück. Dabei waren die Auffassungen von einem guten Leben so verschieden wie die Wünsche an einen perfekten Ort im Nachleben.

 

            „Wir …“ Phlox zögerte. Normalerweise selbstsicher in seinem Umgang mit anderen Spezies kamen ihm nun Bedenken über die mögliche Taktlosigkeit einer ehrlichen Antwort. Es gab Momente, in denen die Wahrheit nicht hilfreich war. Er erhielt den Eindruck, dass dies hier einer davon war.

 

            „Wir Denobulaner sind uns nicht sicher“, schwächte er daher die Tatsache ab, dass sein Volk sich über so etwas wie ein Leben nach dem Tode überhaupt keine Gedanken machte. Religion existierte nicht auf Denobula. Das Leben war das, was zählte. Wenn es zu Ende war, war es zu Ende. Doch dass diese Einstellung in der jetzigen Situation keinerlei Trost spendete, war ihm durchaus klar. Er beschloss, den Ball rasch wieder abzugeben.

 

            „Was sagen denn die Menschen, wie es weitergeht?“

 

            Cutler lächelte schwach. Ihre Hand stieß federleicht gegen seine auf dem Bett liegende. Er vermutete, dass die junge Frau nicht einmal bewusst merkte, dass sie das tat. Er griff nach ihren Fingern und hielt sie fest. Die für Menschen ungewöhnlich niedrige Temperatur brannte nahezu auf seiner denobulanischen Haut – nicht aufgrund der Kälte, sondern aufgrund dessen, was sie implizierte.

 

            Cutlers Lächeln vertiefte sich und teilte ihm mit, dass er richtig reagiert hatte.

 

            „Wir Menschen sind uns auch nicht sicher“, wisperte sie. „So viele Möglichkeiten, so viele Träume … es ist noch keiner zurückgekehrt um zu berichten.“

 

            Phlox nickte. „Was glauben Sie?“ Denn das war im Augenblick das Einzige, das zählte. Das Einzige, worauf es ankam. Er drückte ihre Hand ein wenig fester. Er konnte nicht ausmachen, ob sie es überhaupt bemerkte.

 

            „Weiß nicht“, hörte er ihre leise Stimme. Sie hatte das Lächeln eingestellt. Es schien ihr zu anstrengend zu sein. Doch er glaubte, einen zufriedenen Zug um ihre Lippen erkennen zu können. Vielleicht redete er es sich auch lediglich ein, da der Wunsch danach, dass seine Gegenwart hilfreich für sie sei, in einem irrationalen Maß anstieg.

 

            Sie sah ihn erneut an, ihre Augen kehrten aus den Gefilden zurück, zu denen nur noch sie selbst Zugang hatte. Phlox musste sich ein wenig vorbeugen, um ihre Worte deutlich zu verstehen.

 

            „Ich mag die Vorstellung einer Blumenwiese im ewigen Sonnentag.“ Sie schwieg für einen Moment, sammelte ihre Kräfte für einen weiteren Satz. „.. auf der ich einfach nur rennen kann.“

 

            Phlox hielt ihren Blick mit seinem fest. „Dann wird sie dort sein, diese Wiese“, vermochte er mit einer Bestimmtheit zu sagen, von der er selbst verwundert war, wo er sie hernahm. Die Vorstellung, dass das Nachleben lediglich aus einer blühenden Wiese bestand, hielt für ihn keine Begeisterung bereit, allerhöchstens dezente Langeweile. Doch um Cutlers Willen war für diesen einen kostbaren Moment dieser Sonnentag das Zentrum seines Universums.

 

            „Es wäre schön …“, flüsterte sie. Der Druck ihrer Hand in der seinen nahm zu. Für Phlox ein untrügliches Zeichen, dass es bald soweit war.

 

            „Pflücken Sie einen Straus, den ich bewundern kann, wenn ich dann ebenfalls dort bin …“ Er spürte, dass seine Stimme zu stocken drohte und zwang seine Atmung in einen gleichmäßigen Rhythmus, der Beruhigung signalisieren sollte.

 

            „… werde warten …“

 

            Auch seine Stimme war nun sehr leise geworden. „Ich freue mich auf den Tag, wenn wir uns wiedersehen.“

 

            Der Druck auf seine Hand wurde schwächer und erschlaffte dann vollends. Für einen Moment blieb Phlox einfach sitzen und wollte den Blick nicht von den bleichen Fingern auf dem Laken abwenden. Die Anstrengung sich zu erheben erschien ihm kurzzeitig nicht machbar. Es dauerte ein paar Sekunden, bis er sich ins Gedächtnis rief, dass er kein Angehöriger, sondern der Arzt war, der Pflichten hatte. Mit tiefem Bedauern stemmte er sich vom Krankenbett hoch, legte der jungen Frau die Hand über die Augen und trug die kalten Fakten dieses zerbrechlichen Moments in das medizinische Logbuch ein. Dann nahm er sein privates  Aufzeichnungsgerät wieder zur Hand, setzte sich auf seinen Stuhl und beobachtete die Gestalt, die so friedlich da lag, als ob sie lediglich schlafen würde.

 

            „Persönliche Aufzeichnung, Fortsetzung. Crewman Cutler … Elizabeth … hat den Unfall nicht überlebt. Ich habe gerne mit ihr zusammengearbeitet und verspüre Bedauern …“ Er stoppte die Aufzeichnung. Wem wollte er etwas vormachen? „…Ich fühle einen fürchterlichen Verlust, den ich bei einem anderen Crewmitglied so nicht empfunden hätte. Meine Vornahme, mit der gebührenden Objektivität meiner Arbeit nachzugehen, erkläre ich hiermit für gescheitert. Die Menschen pflegen immer zu sagen, dass das Leben nicht fair ist. Ein gänzlich haltloser Spruch, und doch empfinde ich im Augenblick ganz genau so. Elizabeth, wo immer du jetzt auch bist, ich hoffe, dass du deine Blumenwiese findest.

 

            Aufzeichnung, Ende.“

 

           

 

 

 

 

 

 

 

 

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