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VIII. Jahreszeiten im Universum?

von Racussa

Vestacer

Vorta Weyoun bürstet sein Haar und lernt etwas über eine ihm unbekannte Jahreszeit auf Romulus.

Weyoun saß an einer Spiegelkommode auf einem pfirsichgelb überzogenen Hocker. Er hielt in einer Hand eine livernorische Haarbürste, in der anderen ein Datenbrett mit einem romulanischen Sprachlernprogramm. Plötzlich ertönte das Türsignal, und noch bevor Weyoun etwas sagen konnte, ging die Tür auf und gab den Blick auf zwei romulanische Wachen frei, die wie immer vor der Türe standen. In einem pfirsichgelben Anzug mit grünen Borten trat Miquel ein und verneigte sich leicht vor dem Vorta, der das Datenbrett auf die Kommode legte und aufstand.

„Wie schön, endlich wieder von Ihnen Besuch zu bekommen. Die Befragungen durch die unfreundlichen Tal’Shiarmitarbeiter dieses Hauses zu meiner Abwesenheit durch Q’s Eingreifen haben mich inzwischen ziemlich gelangweilt. Was haben Sie da mitgebracht?“, fragte Weyoun, der nun auch die Haarbürste weglegte.

Miquel grinste freundlich und stellte einen kleinen, falkeneiförmigen Kuchen mit einer pfirsichgelb-romulanergrün gestreiften Creme-Dekoration rundherum auf einem pfirsichfarbenen Teller vor Weyoun auf den Frisiertisch.

„Fröhliches Falakrialfest, Vorta!“, wünschte der Photoniker, bevor er aus Licht einen weiteren Kuchen für sich fertigte. „Und Gratulation dazu, dass Sie bei Romulanisch schon die hundertvierundvierzigste Lektion positiv absolviert haben. Sie haben inzwischen ein Viertel unseres Alphabets erlernt. Bei dieser Lerngeschwindigkeit werden Sie im Vulcanocer schon alle Buchstaben beherrschen, dann können wir weitergehen zur Bildung von einfachen Worten.“

„Ach, diese romulanischen Jahreszeiten! Falakrialfest? Oje, mit ihren Festen bin ich nicht so vertraut. Und die Belehrungen über die zwölf romulanischen Jahreszeiten sind mir auch nicht alle in Erinnerung geblieben.“, fragte Weyoun, als er den Teller aufhob und vorsichtig daran roch.

Miquel zuckte mit den Schultern, hob den kleinen Kuchen aus seinem photonischen Cremebett und schob ihn als Ganzes in den Mund. Da er ja keine feste Materie zu kauen hatte, konnte er unbeeinträchtigt weitersprechen. „Das Falakrialfest ist eines der sechs großen Feste in der Vesta-Jahreszeit. Und da das Tranische Haus den Kult der Göttin Vesta verwaltet, wird dieses Fest bei uns besonders groß gefeiert. Traditionell beginnt es mit dem Verzehr dieses…wie soll man in Ihrer Sprache sagen…Mohnpuddings. Die Cremebegleitung ist eine modische Neuerscheinung, die erst seit zweihundert Jahren praktiziert wird. Dabei wird immer Romulanergrün mit der Farbe des jeweiligen Hauses kombiniert. Ursprünglich ist nur der falkeneiförmige Mohnpudding. Probieren Sie ihn!“

Weyoun wirkte skeptisch, hob aber den kleinen Kuchen mit den Spitzen von Zeige- und Ringfinger aus der Cremeumrandung und lächelte Miquel an: „Fröhliches Falakrialfest.“ Dann schob er das süße Teil in den Mund und schloss die Augen. Als er sie wenige Augenblicke danach wieder öffnete, tanzten bunte Lichter vor seinen Augen.

„Ein Mohnpudding?“, fragte er erstaunt. „Bei den Gründern. Mir ist, als hätte ich eine Nuss-Rippelbeer-Pastete gegessen. Und plötzlich fühle ich mich, als könnte ich fliegen. Vorta sind eigentlich immun gegen Gifte. Was war da drinnen? Ist das nun ein anderer Versuch, mich zum Reden zu bringen?“

Miquel ließ enttäuscht seinen Teller verschwinden: „Vorta, Sie sollten mich inzwischen gut genug kennen. Und auch die Vorgehensweise in diesem Haus: Jeder tut nur das und all das, was seiner Aufgabe zukommt. Ich bin Philosoph und zu Ihrer Gästebetreuung abgestellt. Ich dürfte sie gar nicht befragen. Der Mohnpudding wird hergestellt, indem man zerriebene Mohnsamen mit dem flüssigen Saft unreifen Mohns vermengt, mit geriebenen Haselnüssen stabilisiert und dann im Wasserbad sanft gart. Dafür gibt es eigene Falakrialpuddingformen aus Iridium, die verhindern, dass Wasserspritzer den Teig verdünnen. Diese Speise macht Mut und beflügelt den Geist, vor allem für die Geysirspringer, zu denen ich Sie jetzt bringen möchte. Das wird ein schönes Spektakel.“

Weyoun dachte angestrengt nach, aber in seinem Kopf wimmelte es von verschiedenen Blumendüften, die er sich nicht erklären konnte. Schließlich formulierte er langsam: „Mohnsamen im Saft unreifen Mohns? Soll das heißen, sie haben mir gerade einen Opiumkuchen verabreicht?“

„Das ist, wie gesagt, am Falakrialfest so üblich. Und jetzt sollten wir langsam losgehen. Im hinteren Teil des Gartens wurde ein künstlicher Geysir mit einer Klippe repliziert, wo die jungen männlichen Hausangestellten Ihren Mut unter Beweis stellen können. Und die jungen weiblichen Hausangestellten ihre Favoriten für die abendliche Orgie küren können. Natürlich ist der Geysirpark im Tranischen Garten der schönste. In der ganzen Stadt hat unsere glänzende Senatrix Metella Trania T’Supp kleiner Geysirparks auf den Bezirksplätzen aufstellen lassen. Das ist immer auch eine gute Gelegenheit, für unsere Familie zu werben.“

„Es verwundert mich immer wieder, wie sehr Sie als Photoniker sich mit einer romulanischen Familie identifizieren können.“

„Was soll daran verwunderlich sein? Die Tranier haben mich programmiert. Wäre ich von den Calva oder den Molaca programmiert worden, würde ich Birnen oder Erdbeeren lieben und deren Familientraditionen hochleben lassen. So war das immer schon für die materiellen Lebensformen im Imperium, warum sollte es für die photonischen anders sein?“

Weyoun kämpfte immer noch mit den vor seinen Augen blinkenden Lichtern und meinte nun auch, sphärische Klänge zu hören. „Aber zersplittert es nicht faktisch das Imperium in zwölf Teile, wenn man sich eher einer Familie als dem Reich zugehörig fühlt?“

Miquel schüttelte verwirrt den Kopf: „Ich verstehe die Frage nicht: Das Reich besteht aus den zwölf Familien, die durch den König geeint werden. So sind Verschiedenheit und Einheit in perfekte Balance gebracht.“

„Abgesehen davon, dass der König seit ein paar tausend Jahren nicht mehr lebt und ein Wechsel von einer Familie zur anderen wahrscheinlich schwierig ist.“

Miquel erzeugt ein Glas Mohnlikör im Replikator und gab es Weyoun zu trinken: „Vielleicht ist Ihr Geist durch den Mohnpudding zu sehr verwirrt. Warum sollte jemand von einer Familie zur anderen wechseln wollen: Jeder wird durch seine Geburt an einem bestimmten Ort einer der zwölf Familien zugeordnet, mit ganz wenigen Ausnahmen wie etwa den Pares, dem Militär und dem Tal’Shiar gibt es niemanden, der diese Sicherheit entbehren müsste.“

„Oder diesem Zwang entkommen könnte?“, merkte Weyoun ironisch an.

Weyoun versuchte eine leichte Gleichgewichtsstörung zu kompensieren, während er die Enden des Gürtels seiner Tunika glattzog und mit einem letzten Blick in den Spiegel, der für ihn in allen Farben leuchtete, den Sitz seiner Frisur zu prüfen. Er konnte sich nicht zurückhalten und lachte laut los. Als er sich wieder erholt hatte, strich er erneut über seine Frisur und versuchte, seriös zu klingen: „Entschuldigung, Miquel, aber ich erinnerte mich gerade an ein menschliches Brauchtum, das dort zumeist in einer ‚Frühjahr‘ genannten Jahreszeit praktiziert wird: Es heißt Maibaumkraxeln. Dabei wird ein Baum von der Rinde befreit und an seiner Spitze mit Brezeln oder Würsten dekoriert. Junge Männer versuchen nun, ihren Mut und ihre Körperkraft zu beweisen, indem sie ohne Unterstützung hinaufklettern und ihrer Herzensdame eine Brezel oder eine Wurst bringen.“ Er lacht erneut auf. „Übrigens eine kaum verhohlene Anspielung auf die witzigen Geschlechtsorgane männlicher Menschen.“

Miquel runzelte die photonische Stirn. „Das scheint mir doch etwas primitiv zu sein. Der Geysirsprung zu Ehren der Falakrer hat nichts mit humanoidem Brunftbrauchtum zu tun. Er erinnert an eine wichtige Episode aus der romulanischen Geschichte: In einem Krieg lange vor unserer Zeit geriet das romulanische Heer in einen Hinterhalt der Kotakianer, die versuchten, den romulanischen Kronprinzen zu entführen. Das romulanische Heer war von zwei Seiten durch das Yamuna-Gebirge eingegrenzt, vor Ihnen stand das kotakianische Invasionsheer, hinter ihnen war nur ein undurchdringlicher Geysirgraben. Da meldete sich die Familie der Falakrer mit ihren Männern zu einer rettenden Idee: Die Männer sollten von der Klippe in die Geysirlöcher springen, sobald diese ruhig waren und dort ihre Notfall-Polsterungen aktivieren, um als lebende Stöpsel die Geysire solange zu verschließen, bis Kronprinz Maximinianus Tarquinius Stultor mit seiner Leibwache passieren könnte. Es geschah so, aber alle Falakrischen Männer starben in den Dampfwellen der Geysire. Stultors Vater, König Alexander Tarquinius Cinncinatus führte zur Erinnerung daran den Falakrischen Feiertag ein, der jedes Jahr im Vestacer – der Vesta-Jahreszeit – gefeiert wird. Dabei springen mutige junge Männer in Erinnerung an damals von Klippen in künstliche Geysire. Landet er daneben, oder kommt er zu früh oder zu spät, wird er von heißem Dampf verbrüht und ausgelacht. Trifft er aber exakt das Loch und kann die traditionelle Notpolsterung auslösen, so wird der Dampfgenerator in diesem Loch deaktiviert und der begabte Sportler wird bejubelt. Vor und nach dem Sprung gibt es Mohnpudding zu essen. Und am Abend des Tages gibt es eine traditionelle Orgie mit einer Suppe gedämpftem Gemüse, verfeinert mit Nockerln aus dem jeweiligen Familienobst, in Mohn panierten Kaninchenschenkeln, mit Mohnblüten garniertem Reis und einer großen, mit Mohnsaft übergossenen Torte in Form des Falakrischen Familienwappens.“

Weyoun, der noch immer unter den Nachwirkungen des Mohnpuddings litt und sich sicherheitshalber an dem Frisiertisch festhielt, fragte: „Also gibt es bei uns Mohnsuppe mit gedämpftem Gemüse und Pfirsichnockerln? Naja, gut das Vorta kaum etwas schmecken außer Nüssen und Rippelbeeren. So wie ich die romulanische Wappenkunde inzwischen kenne, hat dieser zuletzt erwähnte Kuchen sicher die Form eines Geysirs, oder? Wahrscheinlich mit romulanergrüner Zuckerwatte als Dampfanspielung. Und dazwischen Soldaten in Falakrischen Uniformen aus Marzipan?“

Miquel schüttelte den Kopf: „Das wäre unlogisch, denn das Geysirfeld war ja das Ende der Falakrischen Familie. Das Wappen war eine Mohnmühle und die Familienpflanze – und jetzt sollte es eigentlich einfach sein – der Mohn. Deshalb gibt es auch zum Falakrialfest Mohnspezialitäten.“

Weyoun meinte, als Miquel die Türe öffnete und ihn hinausbegleitete: „Ich bin ja schon gespannt, was es außer dem Vestacer noch für kuriose Jahreszeiten auf Romulus gibt, den im Dominion gibt es immer nur eine Jahreszeit: Die der Gründer!“

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