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Eine Frage der Ethik

von Gabi

Lösung A: Egal, was man macht, es wird das Falsche sein

Dax schüttelte den Kopf. „Ich werde mich unter Garantie nicht erpressen lassen“, erklärte sie. Sie blickte die beiden Männer abwechselnd an.

Gaheris lehnte immer noch im Durchgang zum Labor. In seinen Augen sah sie den gleichen Gewissenskonflikt widergespiegelt, den sie selbst durchstand. Die Empörung über die Unmöglichkeit dieses unmoralischen Angebots konnte nicht gänzlich darüber hinweg täuschen, um wie viel mehr als die Unannehmlichkeiten weniger Personen es eigentlich ging.

Bashirs Augen hingegen zeigten deutliche Ablehnung. Er überwandt die Distanz zwischen Transporterplattform und Konsole, um sich auch körperlich auf Dax‘ Seite zu stellen. Gerade bei ihm hätte die Trill angenommen, dass er den medizinischen Aspekten einen höheren Stellenwert einräumte. Doch offensichtlich war ihm die Unversehrtheit seiner Partnerin weitaus wichtiger.

Dax spürte eine angenehme Wärme, die sie bei dieser Erkenntnis durchströmte. Sie machte die Entscheidung zwar nicht leichter, nahm aber ein wenig des moralischen Drucks von ihren Schultern. Wenn die beiden Männer zu ihrer Entscheidung standen, fühlte sie sich nicht gänzlich alleine verantwortlich.

„Das würde ich auch nicht zulassen.“ Bashir sah sie ernst an. „Wenn wir anfangen, auf derartige Erpressungen einzugehen, untergraben wir unsere eigenen ethischen Prinzipien.“ Um noch deutlicher zu machen, was er von der ganzen Sache hielt, legte er den Arm um Dax und drückte sie an sich.

„Und jetzt?“ Gaheris wirkte trotz des kurzen Schlafs müde. Die letzten Tage hatten die Euphorie in den drei Wissenschaftlern hochgepeitscht. Dass jetzt alles wie ein Kartenhaus zusammenstürzte, machte ihnen auf einer nahezu physischen Ebene zu schaffen. Die Aussichten hatten so gut gestanden. „Wenn wir jetzt hier abbrechen, dann fangen wir wieder von vorne an.“

Dax nickte. Sie wusste, dass der Chefwissenschaftler es nicht als Vorwurf an sie dachte, sondern als einfache Feststellung der Tatsachen. Dennoch überkam sie das Gefühl, dass sie sich rechtfertigen müsste. Sie versuchte, das so gut es ging zu unterdrücken. „Bevor wir auf die Dando gestoßen sind, hat das Task Team schon gewisse Fortschritte erzielt. Wir müssen unsere Anstrengungen in andere Richtungen verstärken.“ Das war leichter gesagt als getan. Bevor sie bei den Dando auf das ideale Medikament gestoßen waren, waren die Erfolge der wissenschaftlichen Kommission eher bescheiden gewesen. Sie hatten Substanzen entwickelt, die gewisse Aspekte der Infektion einzudämmen imstande waren, doch nichts, was großflächig funktionierte und schon gar kein Mittel, das mehr als lediglich die Symptome bekämpfte.

„Und das werden wir auch“, pflichtete Bashir bei. Seine Miene war immer noch versteinert. Der enttäuschte Zorn deutlich sichtbar darin. Sein Blick wanderte nach einem Moment des allgemeinen Schweigens in Richtung des Cockpits. „Ich werde einen entsprechenden Bericht an das Oberkommando und die Mitglieder des Teams zusammenstellen. Ezri“, sein Gesicht wandte sich wieder an die zierliche Trill an seiner Seite, „sichte unsere bisherigen Testreihen und friere sämtliche Restproben ein, die wir noch hier an Bord haben. Vielleicht haben wir Erfolg, und können uns auch ohne die indigenen Ausgangsstoffe der Synthese auf rein chemischem Weg nähern.“

Dax nickte. Sie machte sich von ihm los und ging in Richtung des Labormoduls, dessen Zugang Gaheris noch versperrte.

„Peter, du nimmst bitte Kontakt mit dem Obersten Argachen auf und teilst ihm mit, dass wir den Orbit von Dandroka verlassen werden.“ Bashirs Augen funkelten kurz auf. „Ob du das höflich oder nicht machst, ist mir momentan gleichgültig.“

Gaheris bewegte sich nicht. Dax blieb vor ihm stehen, da sie keine Möglichkeit hatte, an ihm vorbei zu kommen. Der Wissenschaftler wirkte nachdenklich, als er schließlich den Blick Bashirs erwiderte.

„Julian …“ Er zögerte. Mit einem kleinen Ruck löste er sich von der balancierenden Unterstützung des Türrahmens, gab den Durchgang jedoch immer noch nicht frei. Die Miene des Terraners wirkte entschlossen mit einem Hauch von Schuldbewusstsein. „Ich kann den Transporterstrahl so modifizieren, dass er als allgemeine Statik getarnt ist, wenn nicht aktiv danach gescannt wird.“

Für den nächsten Moment sprach niemand. Bashir und Dax blickten ihn an, ihre Gesichter in unterschiedlichen Stadien der Erkenntnis.

„Du meinst, …“

„Du möchtest …“

„Das ist Einbruch …“

„… und Diebstahl! Peter, das können wir nicht machen!“ Dax starrte ihn an. „Sag, dass du nicht gerade das vorschlagen möchtest, von dem ich annehme, dass du es vorschlagen möchtest!“

Der Wissenschaftler atmete tief durch. Immerhin war es ihm zugute zu halten, dass er sich selbst nicht ganz wohl bei dieser Idee fühlte. „Tatsache ist, dass wir im besten Fall um Wochen in unseren Bemühungen um eine Bekämpfung der Seuche beim Argolis Cluster zurückgeworfen werden. Im schlimmsten Fall sterben die Leute dort, bevor wir überhaupt etwas finden. Wir haben hier die Lösung direkt vor unserer Nase und …“ Er hob die Hand, um Dax‘ davon abzuhalten, ihn zu unterbrechen.

Die Trill schloss den Mund, den sie bereits geöffnet hatte.

Gaheris fuhr fort: „… und es ist kein Diebstahl, denn wir werden die Bezahlung im Gegenzug runterbeamen. Wir waren uns mit den Argachen bereits handelseinig, bevor dieses … unglückliche Kleingedruckte auftauchte.“

Als der Mann geendet hatte, nutzte Dax ihre Chance zum Konter. „Peter, ist dir klar, was du hier vorschlägst?“

Gaheris nickte.

„Das …“

„Ich finde, Peter hat einen validen Punkt angesprochen“, unterbrach dieses Mal Bashir die Trill. Seine Miene war nachdenklich. Er schien den Vorschlag gedanklich auf Fallstricke und Hintertüren zu prüfen. „Wir tauschen lediglich das aus, was wir vereinbart hatten …“

„Man kann sich  Diebstahl auch schönreden“, murmelte Dax. Doch sie tat es sehr leise, denn ihr war bewusst, dass Gaheris‘ verzweifelt anmutender Vorschlag ein Versuch war, sowohl die fünfzigtausend Betroffenen zu retten als auch die Ehre der Trill. „Und wie soll das funktionieren? Wir können den Transporter nicht auf die Proben einlocken. „

„Nein, das können wir nicht“, gestand Gaheris. „Ich schlage daher Folgendes vor …“

* * *

Als Bashir in demjenigen Saal materialisierte, in welchem sie in den letzten Tagen die Verhandlungen mit den Dando geführt hatten, versuchte er, sich seine Nervosität nicht anmerken zu lassen. Er wünschte sich, die Rollen wären vertauscht, doch er sah ein, dass er als Teamleiter die Pflicht hatte, sich beim Obersten Argachen zu verabschieden. Wenn er Gaheris vorgeschickt hätte, wäre das wahrscheinlich als Beleidigung aufgefasst worden. Nicht, dass dies nach dem, was sie vorhatten, noch eine Rolle spielen würde. Für den Moment jedoch war es wichtig, möglichst harmlos zu wirken, um den anderen beiden die Chance zu geben, unbemerkt ihre Mission auszuführen.

Sie hatten den Transporter der Rio Grande auf Autotransport eingestellt, um ihn mittels Kommunikator aktivieren zu können. Dann hatte Bashir sich offiziell hinunter gebeamt, um Abschied zu nehmen. Dax und Gaheris hatten sich eine Minute später mit einem kaschierten Transporterstrahl in die Nähe des Labors transportieren lassen, in welchem sie in den letzten Tagen mehrfach Gast gewesen waren, um den Herstellungsprozess des Medikaments erklärt zu bekommen. Die beiden hatten einen Signalverstärker bei sich, den sie an einer Charge des Mittels anbringen wollten, um es dann an Bord beamen zu können. Der wichtige Punkt war, dass die beiden sich nicht erwischen ließen.

„Dr. Bashir, es tut mir sehr leid, dass aus unseren Verhandlungen nichts geworden ist“, eröffnete der Oberste Argach das Gespräch, nachdem der Arzt sich rematerialisiert hatte. Er kam mit ausgestreckten Händen auf Bashir zu, in der Begrüßungshaltung der Dando, welche die Offiziere in den letzten Tagen kennengelernt hatten.

Der Arzt versuchte, sich seine Enttäuschung nicht anmerken zu lassen, ebenso wenig wie seine Nervosität, was dazu führte, dass seine Erwiderung ein wenig monoton erklang: „Uns tut es ebenfalls sehr leid.“ Er erwiderte die Begrüßung, wobei er nur mit halben Gedanken bei der Sache war.

„Wenn Sie es sich anders überlegen, wir sind hier, und Sie sind uns jederzeit willkommen.“ Der Argach wies ihn zu einem kleinen Umtrunk, der auf dem Konferenztisch bereit stand. „Ich hoffe, dass die Föderation in Zukunft ein wenig dazu lernt und ihr eigenes stures Festhalten an Prinzipien zum Wohl des kulturellen Austauschs ein wenig lockert.“

Bashir verkniff sich die Erwiderung, was starres Festhalten anbelangte, und nickte lediglich. Er wollte den förmlichen Teil so rasch wie möglich hinter sich bringen, um sich ganz der Sorge um seine beiden Teamkollegen hingeben zu können.

„Wollen Ihre beiden Begleiter nicht ebenfalls noch zu einem Drink vorbeischauen?“, erkundigte sich der Gastgeber.

„Nein, nein“, winkte Bashir hastig ab – er hoffte, dass es nicht zu hastig gewesen war. „Sie müssen noch einige Formalien an Bord erledigen, damit wir aufbrechen können. Sie wissen ja, wie das mit Regularien ist.“

* * *

„Das hätte auch ins Auge gehen können“, flüsterte Dax. Sie stand dicht an Gaheris gedrängt in einem engen Raum, in welchem Geräte und Materialen für die Gebäudereinigung aufbewahrt wurden.

„Na, immerhin habe ich mich gut genug an den Lageplan erinnert, dass wir die Abstellkammer getroffen haben, und kein besetztes Labor.“ Er fummelte seine Hand zwischen ihren Körpern hindurch, um an seinen Tricorder zu kommen. „‘Tschuldigung.“

Dax ignorierte die Berührung. „Ein Labor wäre das kleinere Übel gewesen“, erwiderte sie und versuchte einen Schritt nach hinten zu tun, um etwas Platz zu schaffen. Ein langer Sauger geriet gefährlich ins Schwanken. Sie packte zu, um ihn am Umstürzen zu hindern. „Die Wände wären mir wesentlich suspekter gewesen.“

Gaheris hatte es geschafft, den Tricorder hervorzuholen und zu aktivieren. Das grünliche Licht der Anzeige erhellte die Kammer und die Gesichter der beiden Offiziere. „Die Transporter besitzen eine Kollisionsabfrage“, kommentierte er, während er die Scaneinheit langsam in einem Halbkreis schwenkte. „Wir können nicht in Wänden rematerialisieren.“

„Das sagt die Theorie“, murmelte Dax wenig überzeugt. „Ich habe keine Lust, das in der Praxis auszutesten.“

„Die Luft ist rein. Auf dem Korridor befindet sich zur Zeit niemand.“ Gaheris nickte zur Tür der Kammer.

Dax bestätigte mit einer knappen Kopfbewegung ihrerseits und legte die Hand auf den Türöffner. Mit einem Zischen, das subjektiv gesehen kaum hörbar war, den beiden Eindringlingen jedoch viel zu laut vorkam, glitt die Tür beiseite. Das helle Licht des Korridors blendete sie für einen Augenblick. Als sich ihre Augen an die Lichtverhältnisse angepasst hatten, konnten sie jedoch erkennen, dass der Gang tatsächlich verlassen vor ihnen lag. Hürde Nummer Eins wäre geschafft.

Sie schlüpften in den Korridor hinaus. Gaheris nickte mit dem Kinn in die Richtung derjenigen Laboreinheit, die ihr Ziel war. Geduckt liefen sie los, stets dicht an den Wänden entlang unterhalb der Beobachtungsfenster, die Bauchhöhe aufwärts von Zeit zu Zeit an den Seiten angebracht waren, um vom Gang aus Einblicke in die Labore zu geben. Den Blick fest auf die Tricorderanzeige geheftet, schlich Gaheris voran. In etlichen der Labore wurde noch gearbeitet, und jede Bewegung, die sich der Tür näherte, ließ die beiden Offiziere erstarren. Sie hatten im Vorfeld darüber diskutiert, ob es nicht besser wäre, die Nacht auf dieser Planetenseite abzuwarten, um sich an das Medikamentenlager heranzuschleichen, doch Bashirs Argument hatte sie schließlich überzeugt: Auf der einen Seite wäre es sehr schwierig gewesen zu erklären, warum sich die Rio Grande so lange noch im Orbit aufzuhalten hatte und auf der anderen Seite wären des nachts wahrscheinlich mehr Sicherheitsvorkehrungen in den Laboratorien aktiv als am Tage, wo so viele Personen dort ein und aus gingen.

Beim dritten Zugang, dem sie sich näherten, gestikulierte Gaheris, dass eine Bewegung im Labor in Richtung Tür erfolgte.

Dax deutete auf einen Eingang an der gegenüberliegenden Seite.

Gaheris überprüfte rasch den Tricorder und nickte schließlich. Die beiden Offiziere huschten durch die Tür, die sich in einen kleineren, mit zwei Reihen von Ultrazentrifugen ausgestatteten Raum öffnete. Die leichten Vibrationen mancher der massiven Gebilde zeigten an, dass sich derzeit Proben darin befanden.

„Verdammt!“, fluchte Gaheris leise. „Der Punkt kommt hierher.“

Dax sah sich erschrocken im Raum um. Es gab keine zweite Tür. „Wir müssen hinter die Zentrifugen!“ Sie gestikulierte zu zweien an der hinteren Wand stehenden. Da die großen Stahlummantelungen einen kreisförmigen Durchmesser besaßen, bildeten sie mit den Raumecken kleine, freie Ausschnitte  . „Ich hoffe, wir passen da rein“, bemerkte die Trill, als sie nach hinten sprintete, sich abstieß und die Zentrifugenabdeckung erkletterte.

Gaheris begriff, was sie vorhatte und tat es ihr auf der anderen Gangseite gleich. Während sich Dax elegant über die Abdeckung schwang und sich dann in die schmale Lücke hinabließ, hatte Gaheris ein wenig mehr Probleme damit, sich in das Versteck zu quetschen. „Verdammt, ist das eng!“, fluchte er leise.

Das „Shht!“ von Dax ließ ihn rechtzeitig verstummen, bevor die Zugangstür beiseite glitt und einer der Dando-Wissenschaftler eintrat. Sie versuchten nicht, über die Zentrifugen zu spähen, um nicht in Gefahr einer Entdeckung zu geraten. Sie vernahmen das satte Klonk, als einer der schweren Deckel weiter vorne geöffnet wurde, und dann das zarte Klappern der Behälter, die in den Rotor eingesetzt wurden.

Die Geräusche hielten noch eine Weile an, die wahrscheinlich völlig normal für diesen Vorgang war, den beiden Offizieren aber endlos gedehnt vorkam. Endlich verkündete das leise Zischen der Tür, dass sie sich wieder alleine im Raum befanden. Sie warteten noch einen Moment länger, dann raunte Dax: „Die Luft ist rein?“

Ein leises Lachen ertönte. „Wenn nicht, dann hätten wir jetzt schon eine Reaktion erhalten. Ich komm hier leider nicht an meinen Trikorder ran. Ich … Mist … ich glaub, ich komm hier überhaupt nicht mehr raus.“ Gaheris‘ Stimme nahm einen besorgten Ton an.

Dax richtete sich aus ihrem Versteck an der Wand auf, legte beide Hände auf die Zentrifugenabdeckung und stemmte sich dann hinauf, während sie mit dem Schwung ihrer Füße nachhalf. Es gelang ihr mühelos wieder die andere Seite zu erreichen, wo der kleine Gang zwischen den Geräten verlief. „Sieht so aus, als müsstest du abnehmen“, bemerkte sie neckisch. Sie zog sich auf der gegenüberliegenden Zentrifuge hoch, um bäuchlings Gaheris eine helfende Hand zu reichen.

„Sehr witzig“, knurrte der Wissenschaftler. „Meine Figur ist gut wie sie ist, vielen Dank!“ Er schaffte es mit Dax‘ Hilfe, die Enge zu überwinden. Mit erleichtertem Ausatmen erkletterte er ebenfalls die Zentrifuge. Jetzt endlich, da seine Arme sich wieder bewegen konnten, konnte er auch den Tricorder  verwenden. „Okay, der Korridor scheint frei zu sein.“

Beide huschten zur Tür und aktivierten den Öffnungsmechanismus. Sicherheitshalber lehnten sie sich in die Schatten an die Wand zurück und spähten erst einmal vorsichtig hinaus. Doch wie ihnen der Scanner angezeigt hatte, war der Gang leer. Gegenüber des Zentrifugenraums zog sich eine Glasfront und gab Einsicht in das dortige Labor. Zwei Wissenschaftler arbeiteten an ihren Tischen und blickten nicht auf. Geduckt überquerten Dax und Gaheris den Korridor und schlichen unterhalb der Fensterfront weiter.

Nach zwei weiteren Laborbereichen verharrte der Terraner.

Dax schloss zu ihm auf.

Gaheris deutete auf den Quergang, der ihren Korridor etwa fünf Meter weiter vorne kreuzte. „Rechter Hand liegt der Lagerbereich. Wenn wir es bis dorthin schaffen, haben wir das Schlimmste hinter uns …“

Hinter uns, erwies sich dann als das Problem. Sie vernahmen das Zischen zu spät. In der Anspannung, den vor ihnen liegenden Weg auf jeden Fall im Auge zu behalten, hatten sie übersehen, dass sich auch in ihrem Rücken noch Dando bewegen konnten. Dax und Gaheris starrten sich erschrocken an, doch so rasch fiel ihnen nicht ein, wie sie sich verstecken sollten. Vorsichtig richtete der Chefwissenschaftler sich auf, Dax folgte langsam seinem Beispiel.

„Ach, Sie sind es“, ertönte eine Stimme hinter ihnen.

Die beiden wandten sich um, der Tonfall hatte nicht alarmiert geklungen.

„Sie sind doch von der Föderationsdelegation, nicht wahr?“ Ein Dando in Schutzkittel hielt ein kleines Gestell mit Reagenzgläsern in der Hand, das er offensichtlich von einem Labor in ein anderes bringen wollte. „Ich hatte mich schon gewundert, wer hier herumläuft.“

„Äh … ja … wir … Dr. Bashir ist gerade beim Obersten Argachen, und …“ Gaheris mühte sich redlich, einen zusammenhängenden Satz hervorzubringen, doch es wollte ihm nicht gelingen.

„Wir schauen uns nur kurz um, und hoffen, Sie nicht bei Ihrer Arbeit zu stören“, sprudelte Dax hervor.

Der Dando runzelte die Stirn, als er seine Aufmerksamkeit von Gaheris auf dessen Begleiterin lenkte. Gaheris wedelte mit der Hand vor Dax Körper herum, als wolle er eine lästige Fliege verscheuchen. „Wir schauen uns nur kurz um, und hoffen, Sie nicht bei Ihrer Arbeit zu stören“, wiederholte er vorsichtig die Worte er Trill.

Der Ausdruck auf dem Gesicht ihres Gegenübers erhellte sich. „Ja, natürlich, fühlen Sie sich hier wie zuhause.“ Dann wandte er sich um und ging in die andere Richtung davon.

Die beiden Sternenflottenoffiziere blickten sich verblüfft an und hoben dann simultan die Schultern.

„Die gehen mir echt auf die Nerven mit ihrem Frauen haben nichts zu sagen Getue!“, beschwerte sich Dax leise. „Aber immerhin … Wieso sind wir auf die Idee verfallen, Verstecken spielen zu müssen?“

„Keine Ahnung“, gestand Gaheris. Er zog seine Uniform gerade und streckte den Rücken, dessen Muskeln vom gebückten Schleichen ein wenig verspannt waren. „Dann folge mir, Frau, und schweige.“

Dax öffnete den Mund, schloss ihn unverrichteter Dinge wieder und boxte ihrem Kollegen stattdessen in den Oberarm. „Lass uns das hier hinter uns bringen, bevor du auf dämliche Gedanken kommst, Peter.“

Gutgelaunt, mit dem Gefühl, dass nichts mehr schief gehen konnte, setzten die beiden den Rest ihres Weges aufrecht fort. Die zweite Tür den rechten Korridorarm entlang erwies sich als diejenige zum gekühlten Lagerraum. Sie verlangsamten ihre Schritte. Möglichst unauffällig zückte Gaheris abermals den Tricorder, um den Raum dahinter zu überprüfen. „Keiner drin.“

„Okay …“ Dax blickte sich nach links und rechts um. Auch der Gang erwies sich als momentan unbevölkert. „Lässt sich die Tür öffnen?“

Gaheris trat an den Öffnungsmechanismus heran und betätigte ihn. Das übliche Zischen erklang, dieses Mal begleitet von einem Hauch kalter Luft. „Yup.“ Er schüttelte den Kopf. „Wenn ich meine Lagerräume auf der Station so ungesichert ließe, würden sie laufend leer geräumt werden.“

„Dann können wir von Glück sagen, dass die Dando offensichtlich eine sehr offene und ehrliche Gesellschaft sind.“ Dax huschte hinter ihm in den Kühlraum.

„Zumindest bis heute“, fügte Gaheris mit einem Anflug von Reue hinzu.

Die Trill seufzte. „Jetzt krieg bloß keine Gewissensbisse. Du hast mich hierzu überredet.“

„Nein, ich …“ Der Chefwissenschaftler begann, ein Kühlelement nach dem anderen zu öffnen, um herauszufinden, worin sich das gesuchte Medikament  befand. „… wir haben nicht wirklich eine andere Wahl, auch wenn ich mir wünschte, es wäre anders gelaufen.“

Die Bemerkung, dass sie natürlich eine andere Wahl hatten, als eine fremde  Spezies zu berauben, ließ Dax ungesagt. Es ging jetzt nur darum, sich irgendwie einzureden, dass sie das Richtige taten. An die möglichen Konsequenzen wollte sie momentan nicht denken.

„Hier sind die Racks“, verkündete Gaheris leise. Er streckte die Hand nach hinten zu ihr aus. „Gib mir den Verstärker, Ezri.“

Die Trill drückte das kleine Instrument in seine geöffnete Handfläche.

Es klapperte. „Ich leg es unter die Gestelle. Nicht dass noch im letzten Moment, jemand hier reinschaut und den Verstärker bemerkt.“

Wie angebracht diese Vorsichtsmaßnahme war, wurde ihnen im nächsten Augenblick bewusst. Gaheris hatte gerade die Schublade der Kühleinheit zugeschoben, als sich die Tür zum Lagerraum öffnete. Die beiden Sternenflottenoffiziere stellten möglichst unschuldige Mienen zur Schau und bereiteten sich innerlich darauf vor, den nächsten harmlosen Dando-Wissenschaftler mit einer hanebüchenen Ausrede über ihr Hiersein zu unterrichten. Doch das Lächeln gefror auf den Gesichtern von Trill und Terraner, als sie sich mehreren Personen gegenübersahen, von denen zwei gezogene Waffen auf sie gerichtet hatten.

„Was…?“ Weiter kam Gaheris nicht im Ausdruck seiner vorgeschobenen Empörung, denn hinter den zwei Bewaffneten bemerkte er den Wissenschaftler, dem sie vorhin so arglos auf dem Korridor begegnet waren. Er verdrehte die Augen und raunte Dax aus dem Mundwinkel zu: „Naiver als wir geht’s wohl nicht mehr.“

Die Trill kaute auf der Unterlippe, während sie ihm nur einen raschen Blick schenkte. Beide Offiziere wagten es nicht, sich irgendwie anderweitig zu bewegen, um den Leuten vor ihnen keinen Grund zum Schießen zu geben. Es war ihnen unbekannt, welche Einstellungen Dando-Waffen besaßen und sie waren nicht gewillt, das hier und jetzt in einem Feldversuch herauszufinden.

„Genau, das sind sie“, erklärte der Wissenschaftler überflüssigerweise. „Ich habe mir schon gedacht, dass sie das X-15-VG stehlen wollen, nachdem sie sich in den Verhandlungen uneinsichtig gezeigt haben.“

Die Bewaffneten fuchtelten in Richtung der Sternenflottenoffiziere, dass diese sich langsam in Richtung des Ausgangs bewegen sollten, dann wiesen sie den Wissenschaftler an, die Vorräte zu überprüfen.

Während einer der Männer damit begann, Dax und Gaheris nach versteckten Taschen abzuklopfen, zog der Dando im Schutzkittel die Schublade auf, an der sich der Terraner eben noch zu schaffen gemacht hatte. Beide Offiziere achteten nicht auf die Berührungen auf ihren Körpern, sondern waren einzig darauf fixiert, nach dem verräterischen Laut zu lauschen, der das Scheitern ihrer Mission auf jeder Ebene ankündigen würde. Als dieser nicht kam, beschäftigten sie sich vor allem damit, sich ihre Erleichterung nicht anzeigen zu lassen.

Der Wissenschaftler schloss die Kühlschublade. „Es fehlt nichts“, verkündete er und schenkte den beiden Eindringlingen einen triumphierenden Blick. „Wir sind rechtzeitig gekommen.“

„Wir wollten …“, setzte Gaheris zu einer Erklärung an, doch Dax trat ihm unsanft gegen das Schienbein. Jeder Versuch, sich aus dieser Situation herauszureden, wäre sinnlos und würde im Zweifelsfall lediglich noch weiter gegen sie verwendet werden können. Es gab einfach keinen vernünftigen Grund, warum sie beide sich hier ohne Erlaubnis im Lagerraum der Reagentien aufhielten. Den empörten Blick ihres Kollegen erwiderte sie mit betontem Starren auf seine Brust. Das wichtigste war es jetzt, dass es einem von ihnen gelang, der Rio Grande den Befehl zum Transport zu geben, bevor die Dando schießen konnten. Sie sah, wie Gaheris‘ Finger in Richtung Körper zuckten, was ihr klar machte, dass er verstanden hatte.

Als die Sicherheitsleute ihnen bedeuteten, sich auf den Korridor hinaus in Bewegung zu setzen, handelte die Trill. Sicherlich hätte es zahlreiche elegantere und besser durchdachte Möglichkeiten gegeben, um die Aufmerksamkeit der Dando auf sich zu ziehen, doch sie hatte keine Zeit, sich darüber Gedanken zu machen. So griff sie auf einen uralten Trick zurück.

„Oooh!“ Die Hand der Trill hob sich zu ihrer Stirn, während sie theatralisch die Augen verdrehte und nahezu in Zeitlupe in einer halben Pirouette zu Boden glitt. Wenigsten diesen Teil hatte sie mit einer gewissen Eleganz zustande gebracht, empfand Dax, als ihr Kopf auf den harten Boden traf.

Sie sah die überraschten Gesichter ihrer Bewacher sich zu ihr hinunter beugen und hörte zeitgleich den leisen Befehl: „Rio Grande, Nottransport.“ Bevor ihre Sicht verschwamm, sah sie noch die einsetzende Erkenntnis auf den Zügen der Dando.

Dax rappelte sich auf, Gaheris war bereits von der Plattform gesprungen und stellte die Kontrollen des Transporters neu ein. „Jetzt muss alles schnell gehen, damit wir aus dem Orbit sind, bevor irgendwelche Gegenmaßnahmen eingeleitet werden können …“

* * *

Bashir fuhr erschrocken herum, als sich ihnen ein Dando im Eiltempo näherte. Das Gesicht des Boten und die Blicke, der er Bashir zuwarf, sagten dem Arzt bereits, dass etwas schief gelaufen war. Die Hand auf halbem Weg zum Kommunikator zögerte er jedoch. Er musste erst hören, was geschehen war, bevor er sich in Sicherheit brachte. Er hoffte, dass es danach überhaupt noch möglich sein würde.

„Oberster Argach!“ Der Mann kam ein wenig außer Atem vor dem Würdenträger zu stehen. Ein weiterer anklagender Blick in Richtung Bashir erfolgte, bevor er hervorsprudelte: „Die andern beiden Föderierten sind im medizinischen Zentrum aufgegriffen worden. Sie hatten sich in den Lagerräumen zu schaffen gemacht.“

Bashir stöhnte leise auf. Wie sollte er das wegdiskutieren?

Der Oberste Argach wandte sich zu ihm um. Die vorherige Freundlichkeit war aus den Zügen des Mannes gewichen. „Dr. Bashir, was soll das vorstellen?“

Der Arzt bemühte sich, sich nichts anmerken zu lassen. „Ich weiß nicht, was meine beiden Mitarbeiter sich dabei gedacht haben! Ich werde sofort mit Ihnen sprechen …“

„Sie werden hierher gebracht. Sie hatten doch nicht vor …“

„Nein, niemals!“, wiegelte Bashir sicherheitshalber ab, bevor er zu hören bekam, was sie vorgehabt hatten. Der Plan hatte annehmbar geklungen, solange man ihn nicht gerade den Betroffenen erklären musste.  „Ich …“

Das vertraute Prickeln enthob ihn jeder weiteren peinlichen Ausrede. Das nächste, was er erblickte, waren die Gesichter seiner Kollegen, in denen sich eine Mischung aus Erleichterung, Verlegenheit und Dringlichkeit zeigte.

„Der Plan war, dass ihr euch nicht erwischen lasst!“, fluchte er, als er auf Dax‘ hastiges Fuchteln hin von der Tranporterplattform trat. Die Erleichterung, die beiden heil wiederzusehen, überwog jedoch jedes andere Gefühl.

„Sehr witzig“, raunte die Trill, die gerade dabei war, mehrere Kisten in Richtung des Transporters zu ziehen. Bashir erkannte darin die vereinbarte Zahlung für die Dando und beeilte sich, ihr zu helfen.

„Ich habe das Signal!“ Gaheris leitete den nächsten Transportvorgang ein.

Zwei übereinandergestapelte Boxen mit ordentlich aufgereihten Ampullen materialisierten sich.

„Ezri, bring sie in die Kühlung“, übernahm Bashir automatisch wieder das Kommando, „Peter, hilf mir mit den Kisten.“

Die beiden Männer hievten die Bezahlung auf die Plattform, dann eilte Gaheris zur Kontrolle zurück, wählte Koordinaten, die einen freien Bereich im Lagerraum bezeichneten, und aktivierte ein letztes Mal den Transporter. „Weg hier!“

Bashir befand sich bereits auf dem Weg ins Cockpit.

Als sich das Adrenalin abgebaut hatte, fanden die drei Offiziere sich in gedrückter Stimmung  wieder. Dax war in den Copilotensitz geschlüpft, Gaheris hatte sich in einen der beiden hinteren Sitze fallen lassen. Allmählich wurde ihnen die Reichweite dessen klar, was sie getan hatten.

„Damit kommen wir nicht durch“, sagte Gaheris das, was sie alle mehr oder minder dachten.

„Wenn wir schnell genug sind, vielleicht schon“, versuchte Bashir die Stimmung ein wenig zu heben. „Die Dando müssen erst einmal feststellen, dass die Racks verschwunden sind, dann werden die Argachen sicherlich eine Zeit lang zum Diskutieren der Lage benötigen“, zählte er auf, während er alles aus dem Warp-Antrieb herausholte, was zu machen war. „Dann kommt die Beschwerde an die Föderation. Da die Dando nicht in das föderale Subraumsystem integriert sind, wird die Nachricht geschätzt einen Tag benötigen, um die nächste Basis zu erreichen, von dort noch ein paar Stunden bis zum Hauptquartier.“ Er ließ sich ihre momentane Route am Display anzeigen. „Wir benötigen noch fünfzehn Stunden zum Argolis Cluster, und werden dort sofort die Seren ausgeben. Alles, was verabreicht wurde, kann nicht zurückgefordert werden.“

Er wandte sich im Pilotensessel um, so dass er seine beiden Kollegen sehen konnte. Zwei ernste, jedoch entschlossene Gesichter nickten ihm zu.

„Wenn wir den Betroffenen helfen können, ist alles danach gleichgültig“, stellte Dax mit einer vorgespielten Zuversicht klar, die keiner der Drei verspürte.

Ende A


1000 Dank an BlueScullyZ für die moralische und fachliche Unterstützung! Ohne Dich würde ich manches Mal echt vor eine Mauer rennen.

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