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Squalms

von Omikron

Kapitel 2

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Alle Türen standen ihr offen, ausgenommen einer. Die Minenanlage war so ausgedehnt, dass eine Stunde gar nicht ausreichte, um sie genauer auszukundschaften. Aber irgendein verborgener Drang veranlasste Rosa, nicht das riesige Gelände zu erkunden. Denn sie fühlte praktisch, dass die Sache, welche es auch immer war, die hinter dieser verschlossenen Tür lagerte, wesentlich interessanter wäre als alles andere, was es in der Bergbaukolonie zu sehne gab. Syvok bezeichnete es als ihren „Drang zum Verbotenen“, aber in dieser Hinsicht konnte er nicht mitreden, da er keine Ahnung davon hatte, etwas Verbotenes zu tun. Rosa hingegen hatte es schon immer in diese Richtung gezogen, weswegen sie inzwischen eine Meisterin darin war, sich nicht erwischen zu lassen. Als der Andorianer, der sie eben herumgeführt hatte, außer Sichtweite kam, huschte Rosa zurück zu der verschlossenen Tür. Geschickt huschten ihre Finger über die veraltete QT4Verriegelung. Dieses zu knacken war ein Kinderspiel für sie und schon einige Sekunden später schoben sich die beiden Türflügel zur Seite.
Neugierig wie ein Kind blickte sich Rosa zu allen Seiten um. Fast hatte sie erwartet oder gehofft, hier einen hochtechnisierten Raum vorzufinden und zu erkennen, dass die heruntergekommene Mine nur Fassade war, um irgendein Geheimnis zu verbergen. Ihre Hoffnung wurde aber enttäuscht. Der Raum sah genau so aus wie der Rest der Mine. In der Decke spaltete ein langer Riss das verkleidende Duranium und ein darüber liegender Eisblock bog langsam sicher die abgestützten Deckenplatten auseinander. Der Raum war scheinbar nur ein Lager für kleinere Bergbaugeräte. Aber wiederum fragte sie sich, wie man mit solch leichtem Bohrgerät nur eine einigermaßen ertragreiche Dilithiumausbeute erzielen konnte, als ihr doch noch eine Auffälligkeit ins Auge sprang. Sie schlängelte sich durch das Lager auf die andere Seite des Raums, um den seltsamen roten Schein zu untersuchen.
„Wow!“, entfuhr es Rosa als sie die Dinge erblickte, die unter dem Rotlicht lagerten. Es waren vierzehn völlig gleichmäßige Perlen von der Größe einer geballten Faust. Durchzogen wurde die Oberfläche von feinen violetten Fäden, die aufregende Muster bildeten. Diese riesigen Perlen, oder was auch immer das für Dinger waren, waren einfach wunderschön. Danach bohren sie hier!, wurde Rosa auf einmal klar. Dass die DeraconKolonie nicht zum Abbau von Dilithium taugte, war Rosa bereits klar geworden. Aber diese Schmuckstücke hier boten sicher auch ein lukratives Geschäft. Was eine dieser Perlen wohl wert ist? Nun, das werde ich herausfinden, dachte Rosa und griff ohne viel darüber nachzudenken nach einer der Perlen. Zu Forschungszwecken. Irgendetwas sagte ihr, dass sie hier einer ganz großen Sache auf der Spur war. Immerhin hatten die Andorianer sogar die Sternenflotte belogen, um ihr Geheimnis zu schützen. Um herauszufinden, was das für Perlen waren, würde sie auf der Acheron noch genügend Zeit haben. Jetzt sollte sie aber schleunigst aus dem gesperrten Bereich verschwinden.
Rosa spazierte noch ein wenig umher, um nicht zu Doktor Warren zurückkehren zu müssen. Er hatte ihr vorhin ein Angebot gemacht, mit dem sie nicht gerechnet hatte. „Eine kleine Injektion von diesem Medikament“, hatte er gesagt, „und Sie fühlen sich gleich hundeelend. Ich schreibe Sie zwei Wochen krank, in denen Sie praktisch von all Ihren
Pflichten befreit sind. Das wäre doch was nicht?“
„Und was wollen Sie als Gegenleistung?“, hatte Rosa erstaunt gefragt.
„Nur eine kleine Information. Wer ist denn nun dieser GI?“
Ein Lächeln war auf Rosas Gesicht gehuscht. „Sie wollen mir ein Medikament geben, durch das ich mich schlecht fühle. Verletzt das nicht Ihren hippokratischen Eid? Tut mir Leid, Doc. Ich lehne dankend ab.“
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Langsam drehte sich die Acheron um ihre eigene Achse, um der Charon einen möglichst günstigen Anflugvektor zu bieten. Rosa steuerte die Fähre auf das Heck des Mutterschiffs zu. Nach ungefähr anderthalb Stunden Aufenthalt in der Minenkolonie waren sie wieder abgeflogen und diesmal war der Weg durch die Atmosphärenstürme sogar noch heftiger gewesen.
„Sie sollten Geschwindigkeit rausnehmen“, riet ihr Syvok als die Acheron immer schneller näher kam.
„Ich habe wohl die Geschwindigkeitsangabe aus dem Blick verloren“, entschuldigte sich Rosa unaufrichtig. Sie machte keine Anstalten, langsamer zu werden. Dann aber landete sie die Fähre mit unglaublicher Eleganz sanft im Hangar der Acheron. „Jetzt erstmal eine heiße Dusche.“
„Moment mal“, schaltete sich Warren ein. „Ihr spaziert hier nicht so einfach hinaus. Wir müssen durch die Dekontamination, denn wir könnten uns das Rigelianische Fieber eingefangen haben.“ Mittlerweile war die Dekontamination auf Raumschiffen fast unnötig geworden, da die modernen Materietransporter über so genannte Biofilter verfügten, die schädliche Viren oder Bakterien erkannten, isolierten und nicht mit materialisierten. In manchen Fällen war die Dekontamination aber dennoch vonnöten.
Syvok erhob sich und öffnete die Heckluke, an die die Arbeiter der Shuttlecrew bereits einen Plastikschlauch gelegt hatten, damit sich die Kontamination nicht auf das restliche Schiff übertragen konnte. Es gab kaum einen bekannten ansteckenderen Virus als das Rigelianische Fieber.
„Ich komme gleich“, sagte Rosa. Syvok wusste nicht, was sie noch zu tun hatte, aber es hatte wahrscheinlich mit der Vervollständigung des Landeprotokolls zu tun. Weshalb sie dafür aber eine Wandverkleidung entfernen musste, blieb Syvok schleierhaft. Als er durch den engen Tunnel ging, musste er den Kopf einziehen, kam aber bald in der Isolationskammer an. Kurz darauf trat auch Rosa ein und die Kammer wurde hermetisch versiegelt und in ultraviolettes Licht getaucht.
„Ausziehen bitte“, sagte der Doktor und machte den Anfang. Auch Syvok legte Uniformhemd und -hose ab und setzte sich auf eine Bank, während sich Warren sich auf die andere legte als wollte er ein Sonnenbad nehmen. Keimtötender Dampf wurde eingespritzt und bald legte sich eine schmierige Schicht über Syvoks ganzen Körper. Der Nebel breitete sich aus, sodass man kaum mehr die Hand vor Augen sehen konnte.
„Wissen Sie, was ich nicht ganz verstehe?“, fragte der Doktor.
Syvok antwortete mit einem simplen „Nein.“
„Ich habe hier auf der Acheron eine voll ausgerüstete Krankenstation, deren moderne Technik es mit den meisten Kliniken der Föderation aufnehmen kann. Hier könnte ich mich um meine Patienten kümmern und außerdem würde die Beschaffung des Ryetalyns nur die halbe Zeit in Anspruch nehmen. Trotzdem bestand der kranke Andorianer partout darauf, auf dem Planeten zu bleiben. Ich konnte auf ihn einreden, was ich wollte, er weigerte sich, mit auf das Schiff zu kommen. Von wegen seine Kameraden brauchten ihn und so.“
„Andorianer können ausgesprochen stur sein.“ Das trifft zwar auf viele Völker zu, aber auf sie ganz speziell.
„Aber das grenzt ja schon an große Dummheit. Ich hoffe nur, dass wir das Mittel besorgen können, bevor es zu spät ist. Dieser Andorianer ist mir von Anfang an seltsam vorgekommen. Er wollte mir zum Beispiel auch nicht verraten, woher die Brandnarben auf seinen Handflächen stammen.“
„Vielleicht hat er sich ja am Warpkern verbrannt“, sagte Rosa, woraufhin sie und der Arzt in lautes Gelächter ausbrachen.
„In der Minenkolonie gibt es keinen Materie-Antimaterie-Reaktor.“
„War nur ein Witz“, erklärte Rosa.
„Ich verstehe nicht.“
Rosa lehnte sich zurück, während sie erzählte: „Du weißt doch noch den Notruf der
Atlanta letzte Woche, der sich als Fehlalarm herausstellte. Wir sind mit Maximalgeschwindigkeit dorthin geflogen und hatten Waffen, Schilde, Sensoren und so weiter aktiviert, was natürlich Unmengen an Energie frisst. Fontana hat also den M/AMDruck im Kern auf hundertfünfzehn Prozent erhöht, um dem Captain noch mehr Energie zur Verfügung stellen zu können. Die Isolierung des Kerns hat da aber nicht mehr mitgemacht und die Ummantelung ist glühend heiß geworden. Und du musst wissen, dass Fontana eine ganz dumme Angewohnheit hat. Er legt immer wieder im Vorbeigehen die
Hand auf den Reaktor, um die Vibrationen zu fühlen. Er glaubt, dass er dadurch den
Zustand des Schiffs feststellen kann.“
„Völlig unmöglich“, unterbrach sie Syvok.
„Sehe ich genau so, aber Fontana bildet es sich eben ein. Jedenfalls berührt er die Isolation des Reaktorgehäuses und verbrennt sich dermaßen die Hand, dass ihm der Doc die Finger einzeln auseinanderschneiden musste.“
„Übertreiben Sie mal nicht“, warf Warren ein. „So schlimm war es nun auch wieder nicht. Aber Syvok, ist Ihnen denn nicht aufgefallen, dass Fontana in der letzten Woche immer mit Verband durch die Gegend gelaufen ist?“
„Selbstverständlich habe ich es bemerkt“, konterte Syvok. „Aber wenn mich etwas nicht interessiert, ist es der schiffsinterne Klatsch.“
„Ich bin sauber“, meinte Warren nach längerem Schweigen. „Aufgrund Ihrer Physiologie dauert der Scan bei Ihnen ein wenig länger, Syvok. Und Sie, Rosa, haben sich das Virus eingefangen. Keine Sorge, das ist nichts, was eine halbe Stunde Dekontamination nicht bereinigen könnte.“
„Moment mal“, hielt ihn Rosa zurück. „Sie waren doch die ganze Zeit bei dem Kranken.
Wieso bin ich infiziert und Sie nicht?“
„Weil ich was von Hygiene verstehe“, gab der Doktor zurück. „Viel Spaß noch.“ Das Schott schloss sich hinter ihm, sodass Syvok und Rosa alleine in der Isolationskammer zurückblieben. Syvok musste sich zwingen, weiterhin starr geradeaus zu blicken. Auch wenn Rosa nun so viel nackte Haut zeigte und sie unbeobachtet in einer Dekontaminationskammer waren, wollte er trotzdem selbst den kleinsten Seitenblick vermeiden, der die so empfindliche Privatsphäre fühlender Wesen verletzen konnte.
Rosa sah das scheinbar wesentlich lockerer und schließlich blickte er sich doch zu ihr um. Es kitzelte, als sie sanft mit der Hand über seinen Rücken strich und fragte: „Haben alle Vulkanier so was?“
Sie meinte die etwas unter der Haut hervorstehenden Knochenplatten an seiner Wirbelsäule, die seltsame Auswölbungen entlang seines Rückgrats hervorrief. „Es ist ein natürliches Merkmal meiner Spezies, das vor allem den Zweck erfüllt, diese verletzliche Stelle vor äußerer Gewalteinwirkung zu schützen. Dennoch ist es bei mir eher stark ausgeprägt, während man es bei anderen Vertretern meiner Spezies unter der Haut kaum wahrnimmt.“
„Da könnte man ja fast neidisch werden“, stichelte Rosa freundschaftlich.
„Ich bin der Ansicht, meine Anatomie bietet noch wesentlich nützlichere Vorzüge, die eher einen Grund für Neid liefern würden.“ Ob er damit die Szene im Trainingsraum meint?, fragte sich Rosa. Dann aber beschloss sie, ihn nicht darauf anzusprechen. Stattdessen wechselte sie das Thema und erzählte Syvok von der Wette der Offiziere bezüglich GI.
„Der erste Offizier und der Bordarzt haben gleichermaßen versucht, Sie zu bestechen?“
„Reynold ist mit allen Wassern gewaschen“, sagte Rosa. „Aber von Warren hätte ich es nicht erwartet. Was hältst du davon, sie noch etwas länger im Dunkeln tappen zu lassen?“
„Eine metaphorische Anspielung, die meint, unsere Offizierskollegen nicht über die
Identität … GIs aufzuklären, selbst wenn sie einem bestimmte Vorzüge dafür gewährten?“
„Ganz genau“, sagte Rosa. „Sie haben es verdient, zur Unwissenheit verdammt zu werden.“
„In diesem Fall gebe ich dir völlig recht.“
„Sie dürfen auch raus, Syvok“, meldete Warrens Stimme durch den Lautsprecher.
„Sehen wir uns später in der Messe?“, fragte Rosa.
„Möglicherweise.“
Sie verdrehte die Augen und hakte nach: „Könnte man von dir auch mal ein klares Ja oder Nein bekommen?“
„Nun, angenommen es bricht in der Zwischenzeit kein interstellarer Krieg aus, das Schiff explodiert nicht und es ereignet sich kein ähnlicher Notfall, sehen wir uns mit hoher Wahrscheinlichkeit. Bis später.“
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„Danke, dass Sie den Lift angehalten haben“, sagte Olivia Griffith und schenkte Syvok ein entzückendes Lächeln. Der Vulkanier verstand nicht, weswegen sie solche Selbstverständlichkeiten ausführte und beschloss nichts darauf zu sagen. „Sind Sie auch unterwegs zur Brücke?“
„Ja.“ Seit das Außenteam gestern wieder an Bord gekommen war, war die Acheron mit hoher Warpgeschwindigkeit unterwegs zum Außenposten Iota Tracato. Die dortige Besatzung hatte angegeben, noch zwanzig Ampullen Ryetalyn auf Lager zu haben.
„Santos an Syvok“, wurde er schließlich über Intercom kontaktiert. Was die Deckchefin des Schiffes von ihm wollte, war ihm allerdings nicht klar.
„Syvok hier.“
„Könnten Sie bitte auf das Hangardeck kommen, Commander?“
„Ich bin unterwegs“, schloss er den Kanal und bat Griffith, den Captain zu unterrichten.
Dann fuhr er mit dem Turbolift auf das D-Deck, an dessen hinterem Ende sich der Haupthangar der Acheron befand. Die Shuttlerampe war über vierzig Meter lang und ähnelte einer riesigen Werkshalle mit gewölbtem Dach. Das Zentrum der Rampe bildete eine Anflugschneise samt kurzer Landebahn, die mittlerweile frei war. Die Shuttles der Acheron standen in Nischen zu beiden Seiten der Landebahn. Syvok bemerkte Lieutenant Santos bei einer der Fähren und begab sich gleich zu ihr. Das Shuttle, das sie gerade untersuchte, war die Charon, mit der sie gestern zur Oberfläche geflogen waren. Er war ein wenig erstaunt, als er bemerkte, dass auch der Chefingenieur anwesend war.
„Ah, Syvok. Kommen Sie her!“ Fontana bekleidete den selben Rang wie er selbst und war noch verhältnismäßig jung für einen leitenden Techniker auf einem Raumschiff. Außerdem war er sowohl kleiner als auch schmaler gebaut als Syvok. Sein lockiges schwarzes Haar klebte ihm auf der Stirn, da er mit einem Plasmabrenner arbeitete.
„Kann ich Ihnen helfen?“
Nun sprach ihn die Deckchefin an: „Ist Ihnen gestern beim Flug irgendwas aufgefallen?“
„Etwas bestimmtes? Nein.“
„Dann sehen Sie sich einmal das hier an!“
Syvok legte sich mit dem Rücken auf einen AG-Schlitten und rutschte mit den Beiden unter die Charon. Wieso heben sie das Shuttle nicht einfach an? Santos leuchtete den Boden der Fähre mit einer Taschenlampe aus und plötzlich bemerkte auch Syvok, was nicht stimmte. In der Außenhülle klaffe ein riesiges Loch mit gewiss drei Zentimetern Durchmesser. „Erstaunlich. Eine solche Hüllenfraktur hätte unweigerlich zur Zerstörung des Shuttles führen müssen.“
„Mann, das hätte Ihren Tod bedeuten können!“, rief Fontana.
„Ich weiß. Selbst eine Mikrofraktur kann während eines Atmosphärenflugs fatale Wirkungen auf die strukturelle Integrität haben. Logischerweise konnte dieses Loch erst entstanden sein, als wir wieder an Bord waren.“
„Als Sie losgeflogen sind, war es noch nicht da“, verteidigte sich die Deckchefin. „Ich habe die Fähre selbst überprüft.“
„Ich glaube Ihnen“, meinte Syvok. „Das erklärt aber trotz allem nicht, wie das Loch in die Fähre kam. Wir könnten es besser untersuchen, würden Sie diese Deckplatte aus dem Shuttle entfernen.
„Wird gemacht, Chef!“, sagte Fontana und griff nach seinem Werkzeugkoffer. Dann begann er an der Fähre herumzuschrauben und zu lösen, bis sich schließlich nach einiger Gewalteinwirkung die beschädigte Duraniumplatte löste. Der Ingenieur hatte aber wie es schien auch einen Hydraulikschlauch beschädigt, denn als er die Platte abnahm, spritzte den drei Offizieren literweise Maschinenflüssigkeit ins Gesicht. Sie prusteten und spuckten Schmieröl, bevor Fontana das Leck mit seinem Handschuh abdichten konnte. Plötzlich lachten die beiden Menschen los. Ihre eigenes Ungeschick amüsiert sie, schloss Syvok daraus. Zwar verstand er langsam die Grundzüge der menschlichen Wesensart, aber was es mit ihrem speziellen Humor auf sich hatte, wusste er nicht..
Stöhnend erhob sich das Trio, nachdem sie unter dem Shuttle hervorgekrochen waren. „Das lief ja wie geschmiert“, war Santos' Kommentar, woraufhin das ganze Gelächter von vorne losging. Die Platte brachten sie in die Maschinenwerkstatt des Hangars, wo sie – gehalten durch ein AG-Feld – frei im Raum schwebte. Syvok wischte sich das Schmiermittel aus den Augen und setzte eine Schutzbrille auf, bevor er mit der Untersuchung des Lecks begann.
„Es handelt sich eindeutig nicht um Waffenbeschuss“, stellte er sofort fest. „Keine
Brandspuren, keine Einschlags- oder Austrittserscheinungen und keine Verzerrung der Hülle.“
„Mechanische Beschädigung?“, vermutete Fontana.
„Ebenfalls nicht“, meinte Syvok, als er den Tricorder angesetzt hatte. „Einen Bohrer hätte das Gerät sofort erkannt. Es handelt sich auch nicht um Einwirkung durch Plasma,
Antimaterie oder Laser.“
„Und sagt der Kasten auch, um was es sich handelt?“, wollte der Ingenieur wissen.
„Erstaunlich. Ich registriere Rückstände von Protonendonation.“ „Äh, was?“, fragte Santos nach.
„Säure“, erklärte ihr Fontana. „Das Loch wurde mit Säure ins Schiff geätzt. Aber das ist doch nicht möglich. Unsere Raumschiffshüllen sind gegen alle bekannten Säuren resistent.“
„Folglich handelte es sich um eine unbekannte Säure“, schloss Syvok daraus.
„Aber wie käme denn Säure an diese Stelle?“, fragte sich Santos. „Könnte sie auf dem
Planeten … runtergetropft sein?“
„Nicht auf einem Planeten mit positiver Schwerkraft. Sie muss also bewusst an der
Außenhülle platziert worden sein.“
„Wollen Sie sagen, es war ein Anschlag?“
„Derzeit deutet alles darauf hin. Allerdings gibt es weder Beweise, noch ein Motiv. Außerdem war er – wenn es denn einer war – furchtbar inenffizient. In Maschinennähe wäre das Leck exorbitant gefährlicher gewesen.“
„Seien Sie froh, dass es so glimpflich ausgegangen ist!“, kritisierte ihn Fontana.
„Wir müssen die Sache trotzdem aufklären. Bringen Sie die Platte zur genaueren Untersuchung ins chemische Labor.“
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„Wusste gar nicht, dass es auch schwarze Vulkanier gibt“, sagte Rosa grinsend zu Syvok, dessen Gesicht über und über mit Maschinenöl beschmiert war.
„Es gibt sie durchaus“, antwortete Syvok. „Aber sie stellen eine Minderheit dar.“
„Du solltest dich mal waschen.“
„Ein weiser Rat, den ich beherzigen werde“, sagte Syvok und ging weiter. Sie hatten sich am Eingang des Haupthangars getroffen, zuvor waren ihr aber schon Santos und Fontana entgegengekommen, die beide kein bisschen besser aussahen als der Vulkanier. Auch Rosa setzte ihren Weg fort und erreichte schnell die Charon. Niemand zu sehen. Gut.
Im Heckabteil des Shuttles befand sich eine Wandverkleidung, die man leicht herausnehmen konnte, um die technischen Komponenten des Schiffes zu warten. Das hatte den Vorteil, dass sich dort ein kleiner Stauraum befand, in dem man verstecken konnte, was man wollte. Ob das nun eine Flasche Whiskey war, die heute schon fast zur Standardausrüstung von Sternenflottenshuttles gehörte, oder eine riesige Perle von einem fremden Planeten. Rosa entfernte die Abdeckung, hinter der sie tags zuvor das Schmuckstück versteckt hatte und legte sich flach auf den Boden. Dann streckte sie ihren
Arm durch die Öffnung und tastete den ganzen Hohlraum ab. Die Flasche fand sie schnell, aber die Perle ertastete sie nicht. Langsam stieg Panik in Rosa auf. Sie musste doch dort sein. Plötzlich trafen ihre Finger auf irgendetwas nasses. Maschinenflüssigkeit, wurde ihr klar, als sie ihren Arm heraus zog und ihre schwarzen Finger betrachtete. Es musste noch einen anderen Weg geben. Von außen lässt sich der Hohlraum besser einsehen!
Rosa verließ das Shuttle und schwang sich behände unter dessen Boden. Was sie dort bemerkte, schockierte sie aber erst wirklich. Irgendjemand hatte die Abdeckplatte entfernt, genau dort, wo sie den Gegenstand versteckt hatte. Rosa nahm eine Taschenlampe zur Hand und leuchtete die Sektion aus, aber nichts war zu sehen. Irgendwer hatte die Perle geklaut!
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Diebe bestehlen einander nicht!, dachte Rosa zornig. Wer auch immer das Stück an sich genommen hatte, verachtete diesen uralten Leitsatz. Das war bestimmt Isabella Santos. Sie hat an dem Shuttle rumgedoktort und hat dabei die Perle gefunden. Aber ich bin auch nicht auf den Kopf gefallen!
Rosa hatte nämlich sogleich das interne Sensorenlabor, kurz ISlab, aufgesucht. Als Schichtleiterin der wissenschaftlichen Abteilung der Acheron hatte sie den ganzen Tag lang uneingeschränkten Zugang zu allen wissenschaftlichen Einrichtungen. Glücklicherweise war diese Station so klein, dass sie allein war und niemand anders hier arbeitete. Als erstes öffnete sie die Datenbank des Bordcomputers. Um nämlich nach dem Stück scannen zu können musste sie erst einmal wissen, woraus es bestand. Und so beschrieb sie dem Bordcomputer das faustgroße, perlmuttfarbene Objekt, das von feinen rötlichen Äderchen durchzogen war.
„Suchen“, befahl sie dem Computer, der sogleich losratterte und ein Ergebnis ausspuckte. Rosa las: Bei dem beschriebenen Objekt handelt es sich mit 92prozentiger Wahrscheinlichkeit um das Ei des andorianischen Eisbohrers. Im befruchteten Zustand enthält es eine Keimzelle, Nährstoffe und eine aus Chitin bestehende Schale, die vom geschlüpften Eisbohrer ebenfalls verspeist wird. Nach dem Schlüpfen …
Rosa las nicht weiter. Das ach so wertvolle Ding war nur ein einfaches Ei gewesen. Allerdings fehlten dem Ei auf der Abbildung die feinen Äderchen, außerdem war es ein ganzes Stück kleiner. Wie es aussieht, halten die Minenarbeiter diese Viecher als Haustiere.
Enttäuschung machte sich in Rosa breit, sie wurde aber bald von Sorge verdrängt. Ich habe dieses Ding an Bord gebracht. Und auf einem Raumschiff geht nichts verloren. Wenn Santos das meldet, wenn der Eisbohrer schlüpft, komme ich in richtige Schwierigkeiten!
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