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Die Rückkehr

von Iska

Kapitel 1

Endlich zu Hause, dachte Jadzia erfreut, als sie nach ihrer Ankunft auf Deep Space Nine die Shuttlerampe verließ. Sie sah sich um. Sie hatte fest damit gerechnet, dass Worf sie abholen würde. Von dem Klingonen war jedoch weit und bereit nichts zu sehen. Enttäuscht machte Jadzia sich allein auf den Weg zu ihrem Quartier.

Sie war wirklich froh, wieder auf Deep Space Nine zu sein, das in den letzten fünf Jahren zu ihrer Heimat geworden war. Und vor allem war sie erleichtert, dass diese frustrierende Außenmission endlich beendet war.

Jadzia hatte sich freiwillig zu der Mission gemeldet. Sie hatte viel zu selten Gelegenheit, nach Qo‘noS, dem klingonischen Heimatplaneten, zu reisen. Mit den Klingonen verband Jadzia ein ganz besonderes Verhältnis, sie fühlte sich selbst wie eine halbe Klingonin und das nicht erst seit ihrer Beziehung mit Worf. Sie kannte die klingonische Mentalität, ebenso wie die Sprache. Jadzia konnte sich bei den Klingonen Respekt verschaffen, was bei weitem nicht jedem gelang, und sie verstand und liebte ihren Humor.

All das hatte sie für diese Außenmission prädestiniert, wie auch Sisko hatte zugeben müssen. Sie wusste, dass er sich Sorgen um sie machte und sie ungern gehen ließ. Immerhin waren es schwierige Zeiten, sie befanden sich im Krieg. Doch Jadzia versicherte ihm, dass sie sich vorsehen würde, und Captain Sisko hatte schließlich genickt und gesagt:

„Na gut, alter Mann, dann pass auf dich auf. Ich hoffe, dass wir uns bald wieder sehen und du dann gute Nachrichten hast!“

Nun, wiedersehen würden sie sich jetzt zwar, aber mit den guten Nachrichten war es leider nicht weit her.


***


Die Reise nach Qo‘noS war ohne Zwischenfälle verlaufen. Jadzia hatte nach ihrer Ankunft auf dem Planeten jedoch schnell feststellen müssen, dass sie mit ihren Kenntnissen der klingonischen Sprache bei ihrem Gesprächspartner keinen Eindruck machen konnte.

Als sie ihn mit einem lauten „NuqneH“ begrüßt hatte, hatte er sie nur irritiert und etwas belustigt angesehen.

„Sie wollen ja wohl eher etwas von mir“, hatte er geantwortet. „Aber ich fürchte, dass ich Ihnen leider keine große Hilfe sein werde. Guten Tag, Lieutenant Commander Dax.“ Verlegen hatte sie den Gruß erwidert und den Klingonen verstohlen gemustert.

Er war anders als alle Klingonen, die sie bisher gesehen hatte. So weit sie es sehen konnte, trug er unter seinem Laborkittel einen schlichten dunklen Anzug, der mehr Ähnlichkeit mit einer Föderationsuniform hatte als mit der Kampfmontur, die Klingonen normalerweise trugen. Sein Haar war ungewöhnlich kurz und seine Zähne nicht geschliffen. Am meisten fiel ihr jedoch seine Art zu sprechen auf: Ruhig, bedächtig und weder unwirsch noch laut, wie sie es von den meisten Klingonen gewohnt war.

Sie wusste, dass ein Wissenschaftler auf Qo‘noS ungefähr das gleiche Ansehen genoss wie ein Pazifist auf Romulus oder ein Wohltäter auf Ferenginar. Doch ihre lange Lebenserfahrung hatte ihr gezeigt, dass gerade Ablehnung und Zurückweisung manchmal zu Höchstleistungen motivieren konnten. Gerade Personen, die nie Anerkennung erfahren hatten, hatten oft das Bedürfnis, allen zu zeigen, was in ihnen steckte. Darum war sie sich sicher gewesen, dass es sich lohnen würde, dem Hinweis nachzugehen, so unwahrscheinlich er auch anmutete.

Ein Phaser, mit dem man Wechselbälger enttarnen konnte, durch den sie sich verwandelten und ihre ursprüngliche, gallertartige Gestalt annahmen – wie sollte so etwas möglich sein? Aber Jadzias Gefühl hatte ihr gesagt, dass es der Mühe wert sein würde, mit dem Wissenschaftler zu sprechen, der behauptete, diese unglaubliche Entdeckung gemacht zu haben.

Doch zu Ihrer Enttäuschung hatte der klingonische Wissenschaftler nur den Kopf geschüttelt, als sie ihn nach seiner Erfindung fragte.

„Es tut mir sehr leid, Lieutenant“, hatte er gesagt. „Ich kann Ihnen dazu nichts sagen.“

Jadzia sah ihn voller Enttäuschung an. „Und was ist mit Ihrem Aufsatz“, fragte sie, „der mittlerweile in der ganzen Föderation bekannt ist? In dem Sie behaupten, einen Phaser entwickelt zu haben, mit dem wir endlich eine Chance gegen das Dominion hätten?“

Wieder schüttelte der Klingone den Kopf. „Ich kann wirklich nichts dazu sagen, es tut mir leid.“

Langsam wurde Jadzia wütend. Sie hatte so große Hoffnung auf diesen Wissenschaftler und seine Erfindung gesetzt. „Sie haben also einfach gelogen? Wollten Sie sich mit Ihrer angeblichen Erfindung nur wichtig machen?“

Der Klingone stieß ein tiefes Grollen aus. Jadzia merkte, dass er sich nur mühsam beherrschte, und zum ersten Mal erinnerte er sie an die Klingonen, die sie kannte.

„Ich habe nicht gelogen“, sagte er mit unterdrückter Wut in der Stimme. „Ich darf - kann einfach nicht mit Ihnen darüber reden. Ich würde ja gern, aber ich – es geht einfach nicht.“

Jadzia runzelte die Stirn. „Sie werden doch nicht etwa erpresst? Oder bedroht?“

Der Wissenschaftler zuckte zusammen. „Nein, selbstverständlich nicht, Lieutenant“, beteuerte er schnell. Er warf einen Blick auf das Bild eines etwa zehnjährigen Mädchens – offenbar ein klingonisch-vulkanisches oder klingonisch-romulanisches Kind - das auf seinem Schreibtisch stand. Sie sah die Angst in seinen Augen und wusste, dass sie mit ihrer Frage ins Schwarze getroffen hatte und aus dem Klingonen nichts mehr herausbekommen würde.

Über eine verschlüsselte Frequenz der Föderation hatte sie Kontakt zu Worf und Benjamin aufgenommen, sie über das enttäuschende Gespräch informiert und war dann nach Deep Space Nine zurückgekehrt. Die Lust, sich auf Qo‘noS umzusehen und alte Freunde zu besuchen, wie sie es vorgehabt hatte, war Jadzia vergangen.


***


„Man könnte meinen, du freust dich gar nicht, dass ich wieder zu Hause bin, Worf“, sagte Jadzia vorwurfsvoll.

Der Angesprochene grummelte etwas in sich hinein und sagte schließlich: „Doch, natürlich freue ich mich Jadzia“, und gab ihr einen flüchtigen Kuss auf die Wange.

Jadzia war immer noch enttäuscht und auch ein wenig verwundert, weil Worf sie nicht gleich bei ihrer Ankunft an der Shuttlerampe begrüßt hatte. Als sie dann in ihr Quartier kam, hatte sie eine liebevolle Begrüßung erwartet, vielleicht sogar – sie hatte es ja kaum zu hoffen gewagt, aber vielleicht war Worf ja doch einmal über seinen Schatten gesprungen? - eine Überraschungsparty. Doch Worf, der gerade klingonische Opernmusik hörte, hatte sie kaum beachtet. Er hatte ihr nur flüchtig zugenickt und gesagt: „Schön, dass du wieder da bist, Jadzia. Hast du bei deiner Außenmission etwas herausgefunden?“

Dass er sie nicht von der Shuttlerampe abgeholt hatte, hatte sie ja bereits ein wenig traurig gestimmt, aber diese kühle Begrüßung traf sie noch mehr. Und sie war sich so sicher gewesen, dass sie Fortschritte gemacht hatten, dass es ihr gelungen war, ihren grummeligen Klingonen aus der Reserve zu locken und er seine Gefühle jetzt mehr zeigte als am Anfang ihrer Beziehung. Doch vielleicht war das nur Wunschdenken gewesen. Oder lag es am Krieg, fragte sich Jadzia, der natürlich alle belastete? Würde unter diesem verfluchten Krieg jetzt auch noch ihre Beziehung zu Worf leiden?

Auf jeden Fall schien ihre Unterredung mit dem Wissenschaftler Worf am meisten zu interessieren, viel mehr, als er sich für Jadzia selbst interessierte. Zum x-ten Mal fragte er sie nach dem klingonischen Wissenschaftler, und zum x-ten Mal antwortete Jadzia ihm, was sie ihm bereits von Qo‘noS aus über die verschlüsselte Frequenz der Föderation mitgeteilt hatte: „Er hat wirklich kein Wort gesagt, Worf. Ich glaube, dass er bedroht wurde und Angst hatte. Aus dem war nichts rauszukriegen. Ich fürchte, das Dominion ist uns zuvorgekommen“

Worf grummelte erneut und sagte dann: „Wundert mich nicht, was soll man von so einem auch anderes erwarten. Ein Klingone, der sich vorm Kämpfen drückt und Wissenschaftler wird, hat keine Ehre. Kein Wunder, dass der sich vom Dominion einschüchtern lässt.“

Jadzia starrte ihn fassungslos an. Was war denn in Worf gefahren? Sicher, er übertrieb es manchmal ein wenig mit seinem Gerede über Ehre und klingonische Traditionen, aber Jadzia wusste, dass er niemand war, der Regeln und Traditionen blind befolgte, ohne sie zu hinterfragen. Er hatte das mehr als einmal bewiesen und sich gegen seinen Heimatplaneten auf die Seite der Föderation gestellt. Solche dumpfen Vorurteile, nur weil jemand kein typischer klingonischer Kämpfer war – das war nicht der Mann, den sie liebte.

Jadzia hielt es plötzlich nicht mehr in ihrem Quartier. Sie musste raus, unter Leute, weg von diesem griesgrämigen Klingonen, der ihr so fremd schien. „Ich gehe in Quarks Bar“, informierte sie Worf. „Dann kannst du in Ruhe weiter deine klingonische Oper hören.“

Sie hoffte trotz allem, dass er sie zurückhalten oder ihr anbieten würde mitzukommen, aber zu ihrer Enttäuschung nickte er nur und sagte gleichgültig: „In Ordnung, dann bis später.“


***


Jadzia fragte sich, ob sie sich das nur einbildete. Schon auf dem Weg von der Shuttlerampe zu ihrem Quartier und beim Gang über die Promenade hatte sie dieses seltsame Gefühl gehabt, und als sie Quarks Bar betrat, verstärkte es sich noch.

Irgend etwas stimmte hier nicht.

Jadzia war keine Empathin, doch durch ihre lange Lebenserfahrung und die verschiedenen Leben, die sie geführt hatte, hatte sie eine Art sechsten Sinn entwickelt und nahm vieles wahr, was anderen verborgen blieb. Und sie wurde das Gefühl nicht los, dass sich seit ihrer Rückkehr auf Deep Space Nine etwas verändert hatte, auch wenn sie es nicht genau benennen konnte.

Um sie herum herrschte geschäftiges Treiben, doch gleichzeitig, wie ihr schien, eine merkwürdig gedrückte Stimmung, und alle wirkten auf Jadzia seltsam unbeteiligt. Konnte das sein? War es der Krieg mit dem Dominion der allen so sehr aufs Gemüt schlug? Oder war es doch nur ein subjektiver Eindruck, nahm sie die Dinge anders war, weil sie längere Zeit allein im Shuttle gewesen war? Verwirrt setzt Jadzia sich an die Bar, und Quark trat an sie heran.

„Guten Abend, Jadzia“, begrüßte der Ferengi sie, „Wie war die Außenmission? Ich hoffe, Sie haben gute Nachrichten mitgebracht?“

Verärgert runzelte Jadzia die Stirn. Fing Quark jetzt etwa auch noch an, sie auszufragen?

„Das ist leider vertraulich, Quark“, antwortete sie, und der Ferengi nickte. „Ja, natürlich. Was darf ich Ihnen bringen?“

Jadzia beugte sich zu ihm hinüber. „Wie wäre es“, fragte sie verschwörerisch, „ mit dem edlen klingonischen Blutwein, den Sie für besondere Ehrengäste aufbewahren?“ Sie lächelte den Ferengi an und ließ ihren Charme spielen, der bei Quark nie seine Wirkung verfehlte. Jadzia wusste, dass Quark für sie schwärmte und ihr nichts abschlagen konnte. Umso mehr überraschte sie seine Reaktion.

„Und was springt für mich dabei raus?“, fragte er unfreundlich.

Jadzia sah ihn verwundert an. „Was meinen Sie damit?“

Quark schnaubte. „Was soll ich damit meinen? Ich meine, was für mich dabei rausspringt, wo mein Profit dabei ist? Haben Sie Latinum, gegen das Sie den Wein eintauschen möchten? Ansonsten müssen Sie sich leider mit Synthehol begnügen.“

Offenbar war Worf nicht der einzige, der heute mit dem falschen Fuß aufgestanden war, dachte Jadzia. „Was ist denn nur heute los, Quark?“, fragte sie. „Erst Worf und jetzt auch noch Sie...Ist irgend etwas in meiner Abwesenheit vorgefallen? Hat es etwas mit dem Krieg zu tun? Oder mit mir? Hab ich einen Pickel im Gesicht oder stink' ich vielleicht? Sie können es mir ruhig sagen, Quark.“

Der Ferengi sah sie missmutig an. Ohne auf ihre scherzhafte Bemerkung einzugehen, erwiderte er: „Ich weiß nicht, wovon Sie da reden, Jadzia. Nichts ist vorgefallen, und es hat auch nichts mit Ihnen zu tun. Ich bin Geschäftsmann und möchte Profit machen. Wie heißt es so schön in der 18. Erwerbsregel: 'Ein Ferengi ohne Profit ist kein Ferengi.' Also, wie sieht es aus? Synthehol - oder Blutwein gegen Latinum? Ich hab nicht ewig Zeit.“

Jadzia gab auf. „Dann geben Sie mir ein Glas Synthehol.“

Während Quark ihr einschenkte, sah sich Jadzia in seiner Bar um. Das Gefühl, dass trotz der vielen Gäste die Stimmung ungewöhnlich gedämpft war, ließ sie nicht los. Sie überlegte, ob sie Quark darauf ansprechen sollte, befürchtete aber, dass er ihr wieder über den Mund fahren würde.

Während sie noch darüber nachdachte, ob sie sich die seltsame Stimmung in der Bar vielleicht doch nur einbildete, hörte sie jemanden ihren Namen rufen: „Hallo, Jadzia!“

Sie drehte sich um. An einem Tisch ganz in der Nähe saßen Julian Bashir und Miles O‘Brien.

Julian bedeutete ihr, zu ihnen hinüberzukommen. Endlich jemand, der sich freut, mich zu sehen, dachte Jadzia. Sie ging zu Bashir und O‘Brien hinüber und setzte sich zu ihnen an den Tisch.

„Schön, dass Sie wieder da sind, Jadzia!“ Julian strahlte sie an. „Ich hoffe, Ihre Außenmission hat neue Erkenntnisse gebracht?“

Langsam schien es Jadzia wirklich seltsam, dass jeder, mit dem sie sprach, ohne große Umschweife auf ihr Treffen mit dem klingonischen Wissenschaftler zu sprechen kam.

„Hat Captain Sisko Sie denn noch nicht über meine Nachricht informiert?“, fragte sie. Jadzia war davon ausgegangen, dass Bashir und O'Brien bereits Bescheid wussten.

Dr. Bashir nickte. „Doch, natürlich. Aber ich wollte trotzdem noch einmal von Ihnen persönlich hören, ob es vielleicht doch etwas Neues über diese Erfindung gibt.“

„Nein, leider nicht, Julian, der Klingone hatte offenbar Angst und wollte nicht mit der Sprache herausrücken“, antwortet Jadzia und schüttelte bedauernd den Kopf.

„Wirklich schade. Es wäre aber auch zu schön gewesen, um wahr zu sein. Wer weiß, ob dieser Wunderphaser wirklich existiert. Ein klingonischer Wissenschaftler, das finde ich wirklich spannend“, wechselte Julian das Thema. „Wie war er denn so?“ Dann fügte er, ohne ihre Antwort abzuwarten, hinzu: „Ich bin froh, dass ich nicht als Klingone auf Qo‘noS geboren bin, wo man Wissenschaftlern so viele Steine in den Weg legt. Ich bin ja mit Leib und Seele Arzt und Wissenschaftler. Als ich damals bei der Abschlussprüfung eine präganglionische Faser mit einem postganglionischen Nerv verwechselt habe...“

Jadzia stöhnte innerlich auf. Sie hatte die Geschichte schon tausendmal gehört, das müsste er doch langsam wissen. Wie oft wollte er sie denn noch erzählen? Normalerweise amüsierten sie die Marotten ihres Freundes – schließlich hatte jeder so seine Macken, sie selbst genauso wie jeder andere – aber heute ging Jadzia alles auf die Nerven. Sie fühlte sich plötzlich auf Deep Space Nine, das sie bisher immer als ihr zu Hause betrachtet hatte, fremd und fehl am Platz. Sie verstand selbst nicht, was mit ihr los war.


Chief O'Brien wirkte ebenfalls etwas gereizt und sagte zu Dr. Bashir: „Fangen Sie doch nicht schon wieder mit dieser alten Geschichte von der Prüfung an, Julian.“

Jadzia sah den Ingenieur irritiert an. Konnte es sein, dass sein irischer Akzent während ihrer Abwesenheit stärker geworden war? Aber das war natürlich unmöglich, wahrscheinlich spielte ihre Fantasie ihr einen Streich. Heute war ein seltsamer Tag, sie musste einfach zur Ruhe kommen und sich erst einmal wieder auf Deep Space Nine einleben. Sie wollte sich gerade von ihren Freunden verabschieden und zurück in ihr Quartier gehen, da hörte sie plötzlich eine keifende Frauenstimme: „Miles O'Brien!!“

Die Stimme gehörte Miles' Ehefrau Keiko, die wutentbrannt in Quarks Bar stürmte. Sie trat an ihren Tisch, und O'Brien stöhnte gequält.

„Was sitzt du denn hier schon wieder rum?!“, keifte sie ihren Mann an, ohne Jadzia zu beachten. „Ich warte zu Hause auf dich, und deine Tochter hätte dich bestimmt auch gern noch mal gesehen, bevor sie ins Bett geht. Und von meinem selbstgemachten Sushi hast du auch fast nichts gegessen, und jetzt stopfst du dich mit diesem Replikatorfraß voll...“ Sie deutete auf das Irish Stew auf O'Briens Teller. O'Brien versuchte, sich zu verteidigen, kam aber gegen Keikos Redeschwall nicht an.

Was ist hier nur los, fragte sich Jadzia. Die Situation wurde immer seltsamer. Sie wusste, dass es in Miles' und Keikos Ehe auch mal Krisen gab, so wie in jeder Beziehung, auch bei Worf und ihr selbst. Aber Keiko als Furie, die ihren Mann öffentlich bloßstellte...Das passte einfach nicht. Jadzia beschloss, sich erst einmal in ihr Quartier zurückzuziehen. Ihr schwirrte der Kopf, das Unbehagen über die Situation auf der Raumstation wurde immer stärker. Vielleicht, hoffte sie, würde sie sich morgen, nach einer langen ruhigen Nacht, besser fühlen.


***


Eine lange ruhige Nacht war ihr leider nicht vergönnt gewesen. Als sie aus Quarks Bar zurückkam, hatte Worf ihr eröffnet, dass er lieber die Nacht allein verbringen wollte und hatte das Quartier verlassen. Jadzia war tief verletzt gewesen. Er hatte zwar gesagt, dass es nichts mit ihr zu tun habe und er einfach manchmal seine Ruhe und Zeit für sich brauche, aber sie fühlte sich zurückgewiesen. Er wollte sie nicht, er wollte ihre Nähe nicht, und das, nachdem sie mehrere Tage fort gewesen war. Und seine Abfuhr schien ihm noch nicht einmal besonders leid zu tun.

Natürlich hatte Jadzia nicht schlafen können, sie hatte sich das Hirn zermartert und sich gefragt, was bloß geschehen war. Warum waren nur alle so verändert, warum herrschte auf Deep Space Nine eine so seltsame Stimmung? Sicher, der Krieg zerrte an ihrer aller Nerven, aber das konnte nicht die ganze Erklärung sein.


***


„Was meinst du mit verändert?“, fragte Captain Sisko erstaunt.

Jadzia, die im Bereitschaftsraum ihres Freundes saß, antwortete:

„Verändert eben. Ich weiß nicht, wie ich es sagen soll, aber alle benehmen sich wie Karikaturen ihrer selbst, nicht wie echte Personen. Nicht wie die Freunde, die ich mag und schon so lange kenne.“

Sisko schien verwirrt. „Ich weiß nicht ganz, was du meinst, aber der Krieg belastet uns natürlich alle. Da reagiert man schon mal anders als sonst, alter Knabe.“

Jadzia sah ihn erstaunt an. „Wie hast du mich genannt, Benjamin?“

Sie meinte, Erschrecken in Siskos Augen zu erkennen, als habe sie ihn bei etwas ertappt, und er erwiderte schnell: „Alter Mann, natürlich. Aber der alte Mann bin wohl eher ich“, er lachte gezwungen, „wenn ich sogar den Spitznamen meines besten und ältesten Freundes vergesse. Apropos vergessen“, fügte er hinzu, „du bist dir wirklich ganz sicher, dass du mir alles über dein Treffen mit dem Wissenschaftler erzählt und nichts vergessen hast?“


***


Jadzia war mittlerweile überzeugt, dass etwas auf Deep Space Nine nicht stimmte, dass die Leute, die sie schon lange kannte und die ihre engsten Freunde und Vertrauten waren, sich plötzlich verändert hatten. Warum verhielten sich alle so seltsam? Und warum fragte sie jeder über das Gespräch mit dem klingonischen Wissenschaftler aus, obwohl alle längst darüber informiert waren?


Auch Colonel Kira Nerys, mit der sie ebenfalls gesprochen hatte, hatte ihr natürlich die unvermeidliche Frage nach dem Wissenschaftler gestellt. Dann war sie dazu übergegangen, eine Hasstirade auf die Cardassianer loszulassen, darüber, was sie Bajor und ihrer eigenen Familie angetan hatten, wie verabscheuungswürdig sie waren, wie armselig es war, dass sie jetzt auch noch auf Seiten des Dominion kämpften...Jadzia hatte ihre Freundin schon lange nicht mehr so hasserfüllt über die Cardassianer reden hören. Natürlich hatten ihre schlimmen Erfahrungen Kira geprägt, und auch Jadzia selbst empfand Wut darüber, dass die Cardassianer sich dem Dominion angeschlossen hatten. Doch Hass auf alle Cardassianer brachte sie nicht weiter, es war sinnvoller, die cardassianische Opposition bei ihrem Widerstand gegen das Dominion zu unterstützen. Die Föderation musste das Dominion besiegen, sie mussten einfach diesen Krieg gewinnen, aber das schien im Moment so gut wie unmöglich.

Jadzia kam es vor, als würde Kira genauso wie alle anderen eine Rolle spielen, etwas an ihr war falsch, unecht. Irgend etwas stimmt hier einfach nicht. Jadzia schauderte. Das Gefühl der Beklemmung, das seit ihrer Rückkehr auf Deep Space Nine von ihr Besitz ergriffen hatte, verstärkte sich immer mehr.


***


Sie musste mit Odo reden, dem einzigen ihrer Freunde, mit dem sie noch nicht gesprochen hatte. Jadzia fürchtete, dass auch er sich genauso verändert hatte wie alle anderen, doch es bestand immerhin die Möglichkeit, dass er nicht betroffen war. Vielleicht war er ja als einziger Nichthumanoide gegen diese Veränderungen immun? Und Jadzia musste endlich mit jemandem reden, der sie verstand. Sie klammerte sich verzweifelt an die Hoffnung, dass Odo als Sicherheitschef wissen würde, was geschehen war und dass die seltsamen Veränderungen ihn nicht betrafen. Sie machte sich auf den Weg in sein Büro.


***


„Sie glauben mir wirklich, Odo?“ Dankbar und erleichtert sah Jadzia den Formwandler an.

Dieser nickte. „Ja, mir ist auch schon seit einigen Tagen aufgefallen, dass irgend etwas auf Deep Space Nine nicht stimmt. Die Leute hier kommen mir so seltsam vor, als ob – wie soll ich es ausdrücken - als ob sie nicht ganz sie selbst sind.“

Aufgeregt beugte Jadzia sich in ihrem Stuhl vor. „Ganz genauso empfinde ich es auch, Odo. Ich bin ja so froh, dass Sie das genauso sehen wie ich. Aber was kann denn hier nur geschehen sein?“

Der Formwandler zuckte bedauernd mit den Schultern. „Ich habe leider keine Ahnung. Aber dass ich seit Tagen niemanden wegen Schmuggelei, Diebstahl oder einer Prügelei in Quarks Bar festnehmen musste, zeigt mir, dass hier irgend etwas nicht mit rechten Dingen zugeht.“

Jadzia nickte eifrig. „Ich sehe das genauso wie Sie. Ich hatte schon befürchtet, in einem Paralleluniversum gelandet zu sein, aber Ihre Anwesenheit zeigt mir, dass das glücklicherweise nicht der Fall ist. Aber das hat alles erst angefangen, als ich von meiner Außenmission zurückgekehrt bin-“

„Wo Sie gerade davon sprechen, Jadzia“, unterbrach Odo sie, „Sind Sie sich wirklich sicher, dass Sie von dem klingonischen Wissenschaftler nichts über seine Erfindung erfahren haben?“

Jadzia starrte ihn an. Ihr wurde eiskalt. Er war jetzt der Sechste, der sie ohne Umschweife danach fragte. Genau wie alle anderen. Konnte es etwa sein, dass er doch wie die anderen war, dass er sich auch verändert hatte, genau wie sie?

Ein Schauer durchfuhr Jadzia und sie hatte plötzlich das Gefühl, dass sie fliehen musste. Und ihre über 300 Lebensjahre hatten sie gelehrt, auf ihren Instinkt zu vertrauen.

Sie stand auf und wollte Odos Büro verlassen, doch er stellt sich ihr in den Weg. Und dann verwandelte er sich, seine Züge wurden weicher, femininer, und Jadzia starrte voller Entsetzen die Formwandlerin an, die ihr plötzlich gegenüberstand.

Diese sagte zu Jadzia: „Es tut mir leid, dass wir Sie so lange täuschen mussten. Wir mussten ganz sicher gehen, dass der Wissenschaftler Wort gehalten und Ihnen nichts gesagt hat. Aber offenbar hat er verstanden, dass es besser für ihn und seine Familie ist, wenn er mit uns zusammenarbeitet.“

„Was – haben Sie mit Odo gemacht?“, war alles, was Jadzia herausbrachte.

Die Formwandlerin wirkte plötzlich traurig. „Odo – er hat einfach zu lange unter den Solids gelebt. Er wusste nicht mehr, wohin er gehört. Wir mussten ihn beseitigen, wie alle anderen.“

Jadzia konnte es nicht fassen. „Beseitigen?? Wie alle anderen? Soll das etwa heißen, alle sind tot?“

Die Formwandlerin nickte. „Ja, das war unvermeidlich. Wenn wir den Dominion-Krieg gewinnen wollen, ist die Übernahme von Deep Space Nine der erste notwendige Schritt. Ich habe nichts gegen Sie persönlich, Dax“, fügte sie hinzu, „auch nicht gegen sonst jemanden auf dieser Station. Aber wir müssen die Solids besiegen. Sie haben uns schon einmal fast ausgerottet, und das wird uns nie wieder passieren.“

Jadzia hatte kaum mitbekommen, was die Formwandlerin gesagt hatte. Alles, was sie verstand, war, dass sie alle tot waren, Worf, Sisko, Kira, Miles, Keiko, Quark, Julian...alle. Darum waren alle ihre Freunde so seltsam gewesen. Sie waren tatsächlich nicht sie selbst. Sie waren Wechselbälger, die nur eine Rolle gespielt hatten.

Mit heiserer Stimme fragte sie: „Gibt es überhaupt jemanden auf Deep Space Nine, der kein Wechselbalg ist?“

Wieder wirkte die Formwandlerin ein wenig traurig. „Nicht mehr lange“, antwortete sie.

Jadzia wich zurück, bis in die äußerste Ecke des Raumes, da die Formwandlerin ihr die Tür versperrte. Mit weit aufgerissenen Augen sah sie, wie die Arme des Wechselbalgs immer länger wurden. Die Formwandlerin blieb mehrere Meter von Jadzia entfernt stehen, während ihre grotesk verlängerten Arme sich weiter auf die junge Trill zubewegten.

Die Hände des Wechselbalgs umfassten Jadzias Hals, und sie begann zu schreien, so laut, dass es auf der halben Station zu hören war.

Alle Formwandler, die sie hörten, hielten inne und nickten sich zufrieden zu.

Sie hatten es geschafft.

Die Übernahme von Deep Space Nine war beendet.


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