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Das Erwachen

von Iska

Kapitel 1

Angst. Das war das erste, was sie empfand, als sie die Augen aufschlug.

Todesangst.

Sie wusste, dass etwas Schreckliches passiert war.

Ein Gefühl der Beklemmung erfasste sie, das sich ihrer Brust ausbreitete und ihr den Atem nahm.

Sie würde sterben. Nein – sie war gestorben.

Sie erinnerte sich an ihren Tod. An die Angst, den Schmerz, die Traurigkeit darüber, dass jetzt alles vorbei war. Und dann war da nur noch Schwärze gewesen.

Panisch sah sie sich um. Wo war sie? War sie im Himmel? Oder in der Hölle? Glaubte sie überhaupt an diese Dinge? Sie wusste es nicht.

Sie war noch zu benommen, um klar sehen zu können, doch sie erkannte, dass der Raum hell erleuchtet war. Sie lag auf einer Liege. Wie war sie hierher gekommen?

Sie erinnerte sich an einen dunklen Raum. Es war ein besonderer Ort gewesen, das wusste sie. Ein dunkler Raum, ein greller Lichtblitz, und dann-

Sie wusste plötzlich mit Gewissheit, dass sie nicht im Himmel und auch nicht in der Hölle war. Es war etwas ganz anderes mit ihr geschehen. Nur was? Die Antwort auf diese Frage lauerte irgendwo in ihrem Unterbewusstsein, irgendwo in ihrem Innern kannte sie die Antwort. Doch sie begriff, dass sie es gar nicht wissen wollte. Dass ihr eigener Geist sie vor dieser Antwort schützte.

Weil die Antwort noch schlimmer war als Verwirrung und Ungewissheit.

Zumindest eines wusste sie – sie war eine junge Frau. - Oder nicht? Plötzlich kamen ihr auch daran Zweifel. War sie nicht doch alt? Und war sie nicht in Wirklichkeit keine Frau, sondern ein Mann? Wie konnte es nur sein, dass sie so etwas nicht wusste?

Sie betrachtete sich und sah den zierlichen Körper einer jungen Frau. Zumindest hatte sie ihre erste Ahnung in diesem Punkt nicht getrogen. Und doch – sie runzelte die Stirn. Sie hatte sich größer und kräftiger in Erinnerung. Nein, kleiner und dicker. Oder...

Panik erfasste sie, und sie begann am ganzen Körper zu zittern. Da beugte sich plötzlich ein Gesicht über sie.

Sie kannte dieses Gesicht. Der Humanoide sah sie besorgt an.

„Geht es Ihnen nicht gut? Die Operation ist ohne Komplikationen verlaufen.“

Und als sie diese Worte hörte, wusste sie plötzlich, was geschehen war und wo sie sich befand. Sie konnte es nicht mehr verdrängen. Nur wer sie war – das wusste sie noch immer nicht. Und sie würde es vielleicht nie wieder wissen, dachte sie bitter.

„Es geht mir gut“, zwang sie sich zu antworten.

Der Arzt lächelte. „Das freut mich. Sie müssen sich in den nächsten Tagen noch ein wenig schonen, aber dann können Sie ganz normal weiterarbeiten.“

Normal? Sie hätte beinahe gelacht. Was wusste denn dieser Arzt, der ihre Heimatwelt und ihre Spezies kaum kannte, darüber, was von nun an „normal“ für sie sein würde? Alles würde anders sein als bisher.

„Ich habe bereits Ihre Heimatwelt darüber informiert, dass alles problemlos verlaufen ist“, fügte der Arzt hinzu. „Man lässt Ihnen noch einmal ausrichten, dass man für Ihr Einverständnis sehr dankbar ist. Schließlich“, er lächelte, „war dieser Eingriff alles andere als geplant. Die Kommission hat den größten Respekt vor Ihrer Entscheidung.“

Sie hätte ihn am liebsten angeschrien. Was hatte ich denn für eine Wahl, wollte sie schreien. Sie wusste doch, was von ihr erwartet wurde. Wie enttäuscht man auf ihrem Heimatplaneten gewesen wäre, wenn sie sich anders entschieden hätte. Und man hätte es sie deutlich spüren lassen. Außerdem respektierte sie die Traditionen und Bräuche ihrer Heimat und hätte es nicht über sich gebracht, diese zu missachten.

Was jedoch noch schwerer wog als alles andere – sie war Mitglied der Sternenflotte. Und sie wusste, wofür die Sternenflotte vor allem stand: Für den Respekt vor und die Wahrung von Leben, egal ob humanoid oder nicht. Diesem Grundsatz fühlte sie sich verpflichtet, und deshalb hatte sie sich nicht anders entscheiden können.

Doch das alles sagte sie dem Arzt nicht. Sie lächelte nur und sagte: „Ich bin sehr müde, ich würde gern ein wenig schlafen.“

Der Arzt nickte verständnisvoll. „ Natürlich“, erwiderte er und verließ die Krankenstation.

An der Tür drehte er sich noch einmal um und sagte: „Schlafen Sie gut, Ezri Dax.“

Als sie diesen Namen hörte, traf es sie wie ein Schlag ins Gesicht.

Sie war Ezri Dax. Ezri Tigan war fort, für immer. Ihre Erinnerungen waren noch da, doch sie vermischten sich mit denen einer jungen Frau, die noch voller Leben war, als sie eines gewaltsamen Todes starb, eines alten Mannes, der ein langes, erfülltes Leben gehabt hatte, eines jüngeren, der bei einem Shuttleunfall gestorben war und seine große Liebe zurückließ und mit noch vielen anderen Erinnerungen, schönen und traurigen, wie jedes Leben sie mit sich bringt.

All das war jetzt ein Teil von ihr, und sie würde damit leben müssen. Sie hatte nie eine Vereinigung mit einem Symbionten gewollt und hatte auch nie verstanden, warum andere Trill das unbedingt wollten. Die Vorstellung, sich eine Lebensform in ihren Körper einsetzen zu lassen und plötzlich über neue Erinnerungen und Persönlichkeitsmerkmale zu verfügen, war Ezri immer unheimlich erschienen. Zwar gewann man dadurch Lebenserfahrungen in einem Maße, wie sie ein nicht vereinigter Trill nie haben würde, doch Ezri wollte keine Erfahrungen von anderen Wirten. Sie wollte ihre eigenes Leben führen, sich weiterentwickeln und dadurch an Weisheit und Reife gewinnen.

Doch sie hatte keine Wahl gehabt. Sie war die einzige Trill an Bord des Schiffes gewesen, als sich der Zustand des Symbionten verschlechtert hatte. Wie passend, dachte Ezri, dass dieses Schiff den Namen Destiny trug. Denn Ezri Dax zu sein war nun ihr Schicksal, das sie annehmen musste, auch wenn sie noch nicht wusste, wie.

Als der Arzt gegangen war, ließ sie ihren Tränen freien Lauf. Sie weinte um die Frau, die viel zu früh gestorben und um den Mann, der tödlich verunglückt war und um alles, was sie im Laufe von neun Leben verloren hatte.

Und sie weinte um Ezri Tigan, die auf eine Art auch gestorben war.

„Lebt wohl“, flüsterte sie.
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