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Der Beginn der Reise

von Persephone

Kapitel 1

Logbuch des Captains, Sternzeit 48307.5
Noch immer haben wir nicht den Schock verdaut, den wir vor ein paar Tagen erlebt haben. Eine Lebensform, die sich selbst „Der Fürsorger” nennt, hat uns in den Delta-Quadranten gebracht. Was auch immer er vorgehabt hatte, wir waren für ihn nicht nützlich. Wir wissen nicht, was er mit uns gemacht hätte, denn es ist uns gelungen, zu fliehen. Jetzt sitzen wir fest, gestrandet am anderen Ende der Galaxie. Unsere oberste Priorität ist es, einen Heimweg zu finden. Wenn wir das nicht schaffen, werden wir die Erde nie wieder sehen. Die Moral der Crew ist geteilt. Die Hoffnung überwiegt noch, doch ich befürchte, es ist nur eine Frage der Zeit, bis sich das ins Gegenteil verwandelt. Wir sind bisher keiner anderen Spezies begegnet, doch auch das werde ich nicht als selbstverständlich ansehen. Erstkontakte werden wir machen, keine Frage, doch ich bezweifle, dass man uns immer positiv gegenüberstehen wird. Ich bin froh, dass ich meine Crew selber ausgewählt habe, immerhin weiß ich damit, dass ich mich auf jeden einzelnen verlassen kann. Als Forschungsschiff ist uns außerdem die Neugier in die Wiege gelegt worden. Wenn wir es also nicht persönlich zur Erde schaffen, so werden doch hoffentlich die Daten übermittelt werden, damit unsere Reise nicht für umsonst war.

Captain Ransom beendete seinen Eintrag und sah zum Fenster seines Bereitschaftsraumes hinaus. Eine Woche. Es war eine kurze Woche. Eine Woche, wie man sie sonst nur kannte, wenn man viel zu tun hatte. Oder die Arbeit Spaß machte. Das machte sie im Grunde immer. Allerdings hätte er nicht gedacht, dass diese eine Woche so schnell verfliegen würde. Geflogen waren sie. Mit Maximum-Warp. Leider war das nicht ausreichend. Ihre Reise würde viel zu lange dauern. Sie waren Forscher. Irgendwo würde es eine Hintertür geben, ein Wurmloch, vielleicht sogar eine Anomalie, die sie noch nicht kannten, die sie aber dann nach Hause bringen würde. Die Hoffnung starb bekanntlich zuletzt. Und er würde diese Hoffnung nicht aufgeben, solange er Captain war. Seine Crew vertraute ihm, sie wussten, dass er ein guter Captain war. Das war wirklich wichtig für den Erfolg ihrer Reise.
„Captain auf die Brücke”, drangen die Worte seines ersten Offizieres durch die Comm an sein Ohr.
Er stand auf, verließ seinen Bereitschaftsraum und betrat die Brücke. „Bericht”, sagte er noch während er auf dem Weg zu seinem Stuhl war.
„Ein Schiff ist unter Warp gegangen, sie rufen uns”, meldete Commander Kerr.
Auf dem Hauptbildschirm sah er das Schiff. Er brauchte keine genaueren Informationen über die Größe und die Bewaffnung des Schiffes. Mit ein wenig Verstand konnte man bereits sehr gut erkennen, dass es der Equinox bei Weitem überlegen war. Eine Konfrontation sollte er also vermeiden. Zumal das Schiff unabhängig von seiner Größe bereits sehr furchteinflößend aussah. Das Design war wenig verspielt, funktional und klar. Hier hatte man Wert darauf gelegt, so viel unnötigen Ballast wie möglich wegzulassen und sich auf das Wesentliche konzentriert. Das Schiff, was er vor sich sah, glich eher einem Panzer, als einem Raumschiff.
„Auf den Schirm”, sagte er nun mit fester Stimme, auch wenn er sich innerlich unsicher war, ob er wirklich sehen wollte, welche Spezies ein solches Schiff baute
Der Bildschirm zeigte sofort das Bild einer anderen Brücke. Auch hier spiegelte sich genau das wieder, was er bereits von außen geahnt hatte. Der Ausschnitt der Brücke, den er sehen konnte, offenbarte ihm ein durch und durch militärisches Design. Selbst die Offiziere trugen eine Art Rüstung, wie er es sonst nur von den Klingonen kannte. Und auch äußerlich ähnelte diese Spezies den Klingonen. Sie sahen gefährlich aus, als ob sie ihre Feinde mit bloßen Händen töten wollten. Ein muskulöser Körperbau schien genetisch verankert zu sein, auf ihren Köpfen wuchsen keine Haare, stattdessen so etwas wie Tentakel, die sich ständig bewegten. Es erinnerte ihn an die Medusa, die Schlangen auf ihrem Kopf trug und jeden mit ihrem Anblick zu Stein erstarren ließ. Captain Ransom war noch nicht zu Stein erstarrt. Und er sollte sich auch nicht von dieser Erscheinung beeindruckt zeigen. Bei den Klingonen zumindest war das ein Zeichen von Schwäche, er hoffte, dass solche Verhaltensweisen einem jeden Krieger innewohnten.
„Sie haben das Gebiet der Krowtona betreten”, wurde er auch sofort begrüßt. „Verlassen Sie es augenblicklich.”
„Wir wurden einander gar nicht vorgestellt”, antwortete Ransom spitz. Anderen die Stirn zeigen konnte er. „Ich bin Rudolph Ransom, Captain der Equinox. Wir kommen in friedlichen Absichten.”
„Dann verlassen Sie friedlich unser Territorium, Rudolph Ransom”, bekam er prompt die Antwort.
Ransom erhob sich und straffte seine Haltung. „Uns war nicht bewusst, dass wir Ihr Gebiet betreten haben. Wir sind auf der Durchreise und werden Ihnen keine Schwierigkeiten machen.”
„Wir übermitteln Ihnen Koordinaten unseres Gebietes. Umfliegen Sie es.”
Ransom wusste nicht, was er davon halten sollte. Auf der anderen Seite war es vielleicht auch kein so großes Gebiet, dass ein kleiner Umweg in Kauf genommen werden konnte. Auf eine oder zwei Wochen mehr oder weniger kam es nun auch nicht mehr an.
„Captain, wir haben die Koordinaten”, meldete Commander Kerr. Er klang besorgt, sodass Ransom sich zu ihm drehte.
„Commander?”
„Das Gebiet der Krowtona ist riesig. Es erstreckt sich über mehrere hundert Lichtjahre, wenn wir es umfliegen würden, würde das einen Umweg von sechs Monaten bedeuten.”
Ein paar Tage waren die eine Sache. Sechs Monate allerdings eine ganz andere. Ransom wandte sich wieder zum Bildschirm. „Es gibt sicher eine Möglichkeit, uns eine Passage durch Ihr Gebiet zu gewähren.”
„Wir verhandeln nicht. Umfliegen Sie unser Gebiet. Alles andere wird als kriegerischer Akt angesehen. Wir werden Ihr Schiff zerstören.”
Ransom gab Kerr ein Zeichen, dass dieser die Tonverbindung unterbrechen sollte. Als sein erster Offizier nickte, wandte er sich an Lieutenant Burke, seinen taktischen Offizier. „Wie ist die Bewaffnung des Schiffes?”
„Die sind bis an die Zähne mit Torpedos und Phaserbänken bewaffnet. Eine direkte Auseinandersetzung würden wir in jedem Fall verlieren”, meldete dieser. „Allerdings gibt es eine Schwachstelle. Hinter ihrer Kommandozentrale sind die Schilde schwächer. Man könnte sie also mit einem gezielten Schlag ins Genick zumindest manövrierunfähig machen, um dann zu entkommen.”
Ransom nickte und dachte nach. Was würde ihnen das bringen? Sie könnten weiterfliegen. Allerdings bezweifelte er, dass es nur eines dieser Schiffe gab. Wer derartig große Besitzansprüche hat, wird auch mit einer entsprechenden Flotte ausgestattet sein. Was bedeuten würde, dass bald ein weiteres Schiff kam. Oder mehrere, immerhin würde dieses hier berichten, was passiert war. Auch wenn die Equinox waffenmäßig keine Gefahr darstellte, so würde eine derart kriegerisch eingestellte Rasse wohl nichts dem Zufall überlassen. Es würden also weitere Auseinandersetzungen folgen.
„Wie lange sind wir im Raum der Krowtona, wenn wir mit Maximum-Warp direkt hindurchfliegen?”, fragte er nun Burke.
Dieser hatte den Weg bereits berechnet, denn die Antwort kam sofort. „Drei Wochen.”
Drei Wochen oder sechs Monate. Das war ein enormer Unterschied. Es war ein Risiko. Aber aufgrund der enormen Größe des Umweges war es das fast schon wert. Auch wenn er wusste, dass er sich und die Crew damit in große Gefahr brachte.
„Lieutenant Burke, halten Sie sich bereit, auf mein Zeichen mit den Phasern zu feuern”, gab er als Befehl.
„Commander Kerr, stellen Sie die Audioverbindung wieder her.”
Kerr nickte erneut, als Zeichen, dass man ihn auf dem anderen Schiff hören konnte.
„Wir haben darüber nachgedacht. Der Umweg ist uns zu groß. Wir können Ihr Angebot nicht annehmen. Wir hoffen noch immer auf Ihr Verständnis. Wir werden unsere Reise wie geplant fortsetzen. Ransom Ende.”
Kerr beendete die Transmission, bevor sich der Krowtona dazu äußern konnte.
„Burke, feuern Sie. Lieutenant Massola, gehen Sie danach auf Warp.”
Lieutenant Burke handelte sofort. Er feuerte. Aber nicht nur mit den Phasern, es folgten auch Torpedos. Die Einschläge verfehlten ihr Ziel nicht, offenbar waren die Schutzschilde bereits mit den Phaserschüssen zerstört worden. Direkte Treffer. Auch ein solches Militärschiff überstand das nicht. Kritische Systeme wurden getroffen, offenbar wusste Burke genau, was er da tat. Die Brückencrew konnte auf dem Hauptbildschirm sehen, wie das Schiff von Explosionen durchzogen wurde. Kettenreaktionen wurden in Gang gesetzt, schließlich kam es zum Warpkernbruch, das Schiff ging in einer großen Explosion in Flammen auf.
Ransom starrte geschockt auf den Bildschirm. Was war hier gerade passiert? Was hatte Burke getan? Was hatten sie getan?
Dann stieg die Wut in ihm hoch. Gleichzeitig aber auch die Sorge. Diese Explosion hatte sicher irgendjemand auf den Sensoren bemerkt. Wenn sie Pech hatten, würde es hier bald noch mehr Schiffe geben. Und einen solchen Erfolg - wie zweifelhaft er auch sein mochte - würden sie nicht noch einmal haben.
„Lieutenant Massola, setzen Sie einen Kurs, der uns auf dem kürzesten Weg durch das Gebiet der Krowtona führt. Warp 5.”
Er holte seinen Steuermann offenbar aus seiner Trance, er zuckte kurz zusammen, dann setzte er den Kurs und beschleunigte.
„Burke, in meinen Bereitschaftsraum. Kerr, Sie haben das Kommando.”
Die beiden Herren verließen die Brücke.
In seinem Gemeinschaftsraum angekommen, ging Ransom erst einmal zu seinem Schreibtisch, bevor er sich zu Burke drehte, atmete er kurz durch, straffte seine Haltung.
„Lieutenant. Können Sie mir erklären, was da gerade passiert ist?”, fragte er bedacht ruhig.
„Ich habe getan, was getan werden musste, Captain. Die Krowtona sehen nicht aus, als ob sie gern verhandeln oder Freunde suchen. Einen direkten Konflikt hätten wir niemals überstanden. Wenn das Schiff nur manövrierunfähig gewesen wäre, hätte es Verstärkung gerufen. Und mit mehr als einem dieser Schiffe wären wir niemals fertig geworden. Es war also absolut notwendig, dass wir verhindern, dass sie Verstärkung rufen und andere darüber informieren, dass wir ihr Gebiet durchfliegen.”
„Das liegt nicht in Ihrem Ermessen, Lieutenant”, sagte Ransom und musste sich zusammenreißen, nicht laut zu werden.
„Da haben Sie Recht, Captain. Allerdings möchte ich anmerken, dass wir hier nicht mehr im Alpha-Quadranten sind. Die Sternenflotte wird uns nicht herbeieilen, wenn wir Hilfe brauchen. Wir sind hier allein. Niemand hilft uns. Wir müssen uns selber helfen. Und die Gesetze der Föderation werden uns nicht immer helfen.”
Ransom fixierte ihn. „Sie haben großes Glück, dass ich es mir nicht leisten kann, auf Sie zu verzichten. Das wissen Sie vermutlich. Sie werden ab sofort Ihren Dienst im Maschinenraum verrichten. Auf der Brücke werden Sie nicht wieder stehen. Wegtreten.”
Burke nickte, sah dabei aber aus, als ob es ihn nicht sonderlich stören würde, was ihm gerade gesagt wurde. Ohne ein weiteres Wort zu sagen, verließ er die Brücke.

„Achterschilde auf zwanzig Prozent”, meldete Lieutenant Serak, ein vulkanischer Wissenschaftsoffizier, der den Platz von Burke auf der Brücke übernommen hatte.
„Feuern Sie auf das Führungsschiff”, befahl Ransom.
Phaserstrahlen schossen durch den Raum. Golden waren ihre eigenen, die der Krowtona waren rot, als ob sie schon allein damit sagen wollten, wie gefährlich sie waren. Dass die Krowtona waffenmäßig überlegen waren, wussten sie schon seit ihrem ersten Zusammentreffen. Das war jetzt fünf Tage her. Die Hälfte der Reise durch ihr Gebiet hatten sie geschafft, dafür hatten sie aber auch bezahlen müssen. Ransom bekam Kopfschmerzen, wenn er an die vielen Opfer dachte. Er war kein Kämpfer, er war ein Forscher. Sein Schiff war auch kein Kampfschiff, sondern ein Forschungsschiff. Er hatte kaum Erfahrungen im Kampf. Seine Crew ebenfalls nicht. Und doch hatten sie sich in den letzten zehn Tagen sehr gut geschlagen. Dafür, dass sie nur ein Forschungsschiff waren, waren sie weit gekommen. Andererseits hatten sie auch nichts zu verlieren. Die Heimat war so weit entfernt, die Wahrscheinlichkeit, dass sie es wirklich wieder nach Hause schafften war sehr gering. Wer nichts zu verlieren hatte, handelte anders. Das hatte er nun auch schon gemerkt. Die oberste Direktive hatten sie nun bereits einmal direkt gebrochen. Es störte niemanden auf dem Schiff, am wenigsten Ransom selbst. Und es erschreckte ihn, dass er so schnell von den Prinzipien der Sternenflotte abgewichen war.
„Captain, das Leitschiff ist kampfunfähig, aber die anderen formieren sich neu”, meldete Serak.
„Commander, was gibt es in der Umgebung für uns?”, fragte Ransom.
„Einen Asteroidengürtel nicht weit von hier. Die Strahlung ist sehr hoch, unsere Schilde werden uns schützen, aber die Sensoren werden gestört. Auch die der Krowtona sollten davon betroffen sein.”
„Den nehmen wir. Massola, setzen Sie einen Kurs, Warp zwei.”
„Aye, Captain.”
Ransom gestattete sich selbst, sich hinzusetzen. Er atmete kurz durch. Diese Kämpfe würden nicht immer so glimpflich ablaufen. Er wusste auch nicht, ob die Krowtona aufhören würden, sie zu jagen, sobald sie das Gebiet verlassen hatten. Und noch weniger würden sie zulassen, dass sie es überhaupt schafften.
Im Schutze des Asteroidengürtels würden sie wohl erst einmal ihre Wunden lecken können. Auch wenn es nur eine kurze Verschnaufpause war. Sie mussten durch diesen Sektor, sie mussten das Gebiet der Krowtona durchqueren. Am besten natürlich in einem Stück.
Seine Gedanken drifteten für einen Moment ab. Sie waren noch nicht lange hier. Aber das, was sie bisher im Delta-Quadranten erlebt hatten, hätten sie niemals im Alpha-Quadranten erleben dürfen. Auch wenn Ransom eigentlich Wissenschaftler war, so war es doch sehr reizvoll, keine reine Forschungsmission zu leiten. Auch wenn er sich im Moment noch immer als Forscher sah. Er befehligte ein Forschungsschiff, seine Crew war auf das Forschen abgestimmt, nicht auf das Entdecken neuer Welten. Und das merkte er immer wieder. Vor allem das Ereignis mit Burke vor ein paar Ttagen, als sie in den Raum der Krowtona geflogen waren. Burke war nun im Maschinenraum stationiert, er leistete gute Arbeit, allerdings schien er keine Einsicht zu haben, dass sein Verhalten falsch war. Ransom hatte selber oft genug über diesen Zwischenfall nachgedacht, er hatte mehr als einmal über Burkes Worte nachgedacht. Er wollte es nicht zugeben, aber tief in seinem Inneren hatte er irgendwann angefangen, Burke zu verstehen. Er verstand, warum er das getan hatte. Er verstand, was er ihm anschließend sagen wollte. Sie waren nicht im Alpha-Quadranten. Hier würde ihnen kein Schiff zu Hilfe kommen, falls sie in Gefahr schwebten. Sie mussten sich allein durchschlagen. Und ihre Chancen waren denkbar gering. Auch darüber hatte er nun oft genug nachgedacht. Von allen aktiven Schiffen der Sternenflotte im Alpha-Quadranten war die Equinox wohl mit das Schiff, welchem so etwas nicht passieren sollte. Sowohl die Crew als auch die Ausstattung des Schiffes war niemals für solch eine Reise geeignet. Und wenn er diesen Gedanken zu Ende dachte, dann kam er zum einen darauf, dass sie sich bisher sehr gut geschlagen hatten. Und zum anderen, dass mit jedem Tag, der verging, die Chancen, noch nach Hause zu kommen, immer weiter sanken.
Sie erreichten den Asteroidengürtel, gingen in eine synchrone Umlaufbahn um den Heimatstern. Sie waren erst einmal in Sicherheit. Captain Ransom spürte, wie ein Teil der Anspannung, die er eben noch verspürt hatte, von ihm abfiel. Er erhob sich wieder.
„Commander, Sie haben die Brücke, ich bin in meinem Raum.”
Er verließ die Brücke, betrat seinen Bereitschaftsraum. Vor dem Fenster sah er Asteroiden. Das würde sein neuer Ausblick sein für die nächsten Tage. Eigentlich war er bisher die vorbeiziehenden Sterne gewöhnt, wenn sie mit Warp flogen. Dieser Asteroidengürtel war tatsächlich eine Abwechslung. Noch lieber wäre ihm allerdings die Erde als Ausblick gewesen.
Der Türsummer kündigte ihm einen Gast an.
„Herein”, sagte er, während er seine Haltung straffte.
„Captain”, grüßte Lieutenant Burke ihn.
Ransom bewahrte Ruhe. Es war das erste Treffen der beiden unter vier Augen, seit dem Zwischenfall. „Lieutenant?”
„Wir haben die letzten Sensorendaten ausgewertet”, begann Burke. „Es gibt einige Daten, die für uns von großem Interesse sein könnten.”
„Ich glaube nicht, dass wir jetzt die Zeit haben, wieder zu Forschern zu werden”, wiegelte Ransom diese Meldung gleich ab.
„Das müssen wir auch nicht. Wir sollten uns nur ein paar der Sensorendaten ansehen. Es gibt einige Gravitationsverschiebungen, die nicht unmittelbar erklärbar sind.”
Er hatte sein Interesse geweckt. „Welcher Natur sind diese Verschiebungen?”
„Das wissen wir nicht genau. Allerdings können wir einige Phänomene ausschließen. Weiterhin in der Tombola sind Wurmlöcher.”
Ein Wurmloch wäre ein Geschenk. Ein Wurmloch, welches sie direkt in den Alpha-Quadranten zurückbringen würde, wäre der Hauptgewinn. Ein Wurmloch, welches sie immerhin aus dem Raum der Krowtona und ein Stück näher an die Heimat bringen würde, wäre ihm immernoch mehr als Recht.
„Wo haben Sie die Daten gesammelt?”
„Sozusagen im Vorbeiflug. Bei unserer Ankunft in dieses Sonnensystem. Es gab seltsame Werte bei einem der Objekte, welches diesen Stern umkreist. Ein Planet kann es nicht sein.”
Ransom nickte langsam. „Sie denken, ein Wurmloch könnte die Daten erklären?”
„Ein Wurmloch könnte diese Daten erklären. Andere Phänomene auch. Allerdings ist ein Wurmloch das einzige Phänomen, welches dieses System nicht zum sofortigen Kollabieren bringen würde. Wir sollten einen Blick riskieren, allerdings müssen wir dann den Asteroidengürtel verlassen.”
Da war es wieder. Das große ‚Aber’, welches er in den letzten Wochen zu oft gehört hatte. Hoffnung, gemischt mit Angst. Gemischt mit dem Instinkt, überleben zu wollen.
„Ich werde es mir überlegen, Lieutenant. Ist das alles?”
Burke nickte knapp. „Ja, Captain.”
„Gut. Wegtreten.”

Drei Tage waren sie nun in dem Asteroidengürtel. Was um sie herum vorging, wussten sie nicht. Sie waren praktisch blind. Selbst ein Blick aus den Fenstern brachte ihnen keinen Aufschluss darüber. Größere und kleinere Gesteinstrümmer, die ihren Weg kreuzten. Zu ihrem Glück war keiner davon groß genug, um das Schiff zu beschädigen. Bei allen anderen Kalibern hatten sie genügend Ausweichmanöver parat.
Ransom hatte eine Mission genehmigt. Ein Erkundungsflug mit einem Shuttle zu der Anomalie. Die Daten, die das Team mitgebracht hatte, waren wie ein Geschenk für sie. Alles deutete tatsächlich auf ein Wurmloch hin. Es war groß genug, die Equinox aufzunehmen. Es war stabil. Am wichtigsten aber war, dass es sie durch den kompletten Raum der Krowtona brachte. Mehrere Sonden hatten das bestätigt. Das größte Problem für sie war jetzt, bis zu diesem Wurmloch zu gelangen. Die Krowtona hatten ihre Wachen erhöht, sie bekamen oft ungenaue Sensordaten von fremden Schiffen. Solange sie die anderen Schiffe nicht genau orten konnten, konnte man sie auch nicht orten. Der Asteroidengürtel war das perfekte Versteckt. Aber das Wurmloch war weit von ihnen entfernt, es befand sich auf einer inneren Umlaufbahn um den Stern, bewegte sich aber etwa genau so schnell wie die Equinox. Sie mussten aus dem Feld heraus, ein kurzer Flug mit Impuls. Hoffentlich würden die Krowtona sie nicht entdecken.
„Lieutenant Massola, setzen Sie einen Kurs zu dem Wurmloch. Halber Impuls. Schauen wir erst einmal vorsichtig, wer auf der Lauer liegt”, sagte Captain Ransom.
Auf der Brücke herrschte Anspannung. Man konnte sie deutlich spüren. Fast schien es, als würden vereinzelt Crewmitglieder die Luft anhalten. Sie waren keine erfahrenen Kämpfer, sie waren Wissenschaftler.
„Captain, ich kann bisher nichts auf den Sensoren erkennen”, meldete Serak.
Ransom nickte, genehmigte sich aber nicht, ein wenig Spannung zu lösen. Das war erst der Anfang, der Weg war weit. Sie durften nicht entdeckt werden, sie konnten sich keinen Kampf leisten. Keinen Augenblick später wurden sie von einer Phasersalve getroffen. Das Schiff erzitterte, Ransom verstärkte die Spannung seiner Finger um die Armlehnen seines Stuhls.
„Direkter Treffer”, meldete Serak.
„Ausweichmanöver, verlieren Sie aber nicht das Wurmloch aus den Augen”, befahl der Captain.
Weitere Salven trafen sie, mehrere Schiffe hatten sie entdeckt, nahmen sie ins Visier. Es gab kein Zurück mehr, das Wurmloch war der einzige Ausweg aus dieser Situation. Sie mussten es erreichen, dann waren sie sicher.
Das Feuer der Waffen hörte nicht auf, unentwegt wurden sie beschossen, während sie den Koordinaten immer näher kamen. Auf dem Hauptbildschirm konnten sie das Wurmloch erkennen, ein Wirbel in der Raum-Zeit. Die Krowtona ließen nicht nach, feuerten weiterhin mit allem, was sie hatten. Leitungen rissen, Deckenverkleidungen fielen zu Boden, eine Konsole explodierte. Schreie, Explosionen, der Signalton des Roten Alarms, es vermischte sich alles zu einem Konzert des Krieges, während die Welt um sie herum auseinanderfiel.
Mit letzten Kräften erreichten sie das Wurmloch, welches die Equinox aufnahm und sich dann verschloss.

Captain Ransom erhob sich. Die Gespräche, die eben noch verhalten stattgefunden hatten, verstummten. Sie saßen im Casino, diejenigen, die nicht auf der Krankenstation waren, weil sie noch immer medizinisch versorgt werden mussten. Die Flucht aus dem Raum der Krowtona hatte sie dauerhaft geschwächt. Er hatte die Hälfte seiner Crew verloren, inklusive seinem ersten Offizier. Der Schmerz saß tief, die Trauer würde ihn ab sofort begleiten. Ein Crewmitglied zu verlieren, das war nicht leicht. Doch die halbe Crew, das senkte nicht nur die Moral, das senkte jegliche Leistung des Schiffes. Sie würden alle mit anpacken müssen, keiner konnte sich mehr ausruhen, es würde eine harte Reise werden. Immerhin hat das Wurmloch ihre Reise um zehn Jahre verkürzt. Ein kleiner Trost im Vergleich zu dem Opfer, was sie bringen mussten.
„Wir sind allein. Wir sind das einzige Schiff der Sternenflotte hier im Delta-Quadranten. Wir könnten aufgeben und unsere Reise beenden. Wir haben herbe Verluste erlitten, Kollegen, Freunde, die wir immer in Erinnerung behalten werden.” Er schwieg einen Moment, ließ seinen Blick über seine Crew wandern. Noch immer hatten sie nur die Notbeleuchtung zur Verfügung, die das Casino in ein dämmriges Licht tauchte. „Wir sind kein Raumschiff, das für die Tiefenraumforschung ausgelegt ist oder gar für Missionen, die über mehrere Jahre andauern. Wir sind ein Forschungsschiff. Und genau das sollten wir zu unserer Stärke machen. Wir müssen keine großen Krieger sein, keine erfahrenen Taktiker. Wir müssen nur das benutzen, was uns alle auszeichnet. Wenn jeder seine Stärken einbringt, können wir gemeinsam diese Reise bewältigen. Es ist weit, es werden immer wieder Gefahren auf uns lauern, aber wir werden sie mit unserem Verstand angehen und gemeinsam eine Lösung finden. Niemand wird im Stich gelassen, wir helfen uns gegenseitig. Wir sind nicht nur Forscher, wir sind eine Familie. Eine Familie hält zusammen. Als Zeichen dieses Zusammenhaltes möchte ich die Regeln der Sternenflotte lockern.” Er erhob sein Glas. „Auf du. Ich bin Rudolph.”
Ein paar erstaunte Blicke begegneten ihm, allerdings wichen sie bald der Freude und Erleichterung. Er wusste, dass sich ohnehin viele in seiner Crew bereits kannten und duzten, sie würden für die nächsten Jahre nicht nur Kollegen, sondern auch Freunde sein. Nach und nach hoben sie ebenfalls ihre Gläser an.
Ransom nahm wieder Platz. Auf dem Tisch vor ihm lagen Notrationen, das einzige, was sie im Moment zur Verfügung hatten. Sie würden sich einschränken müssen, es würde nicht leicht werden, aber sie würden es schaffen.
„Danke, Captain”, sagte Fähnrich Gilmore, die neben ihm saß. „Wir werden die Reise bewältigen.”
Ransom nickte, lächelte leicht. „Solange wir nicht vergessen, wo wir herkommen und wer wir sind, werden wir es schaffen.” Sie waren Menschen, sie waren Teil der Sternenflotte. Diese Prinzipien würden sie aufrecht halten.
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