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A Fateful Day

von J_Cfan

A Fateful Day

Für einen Menschen, der mir viel bedeutet hat,
und völlig unerwartet aus dem Leben gerissen wurde:

Danke für alles, was du mir gegeben hast!



A Fateful Day


Ich stehe vor dem Panoramafenster meines Quartiers und sehe hinaus in die Weiten des Alls. Wie in jeder Nacht seit jenem Tag. Seit jenem schicksalhaften Tag, der unser aller Leben an Bord verändert hat.
Warum? Diese Frage bohrt sich jeden Tag und jede Nacht in meine Gedanken. Ich kann mich während meines Dienstes kaum konzentrieren. Und an Schlaf ist nachts nicht zu denken. Immer wenn ich meine Augen schließe, kehren diese entsetzlichen Bilder zurück. Und ich muss alles wieder und immer wieder erleben. Es ist wie eine Feedback-Schleife in meinem Kopf.
Warum? Warum musste das geschehen? Warum nur?! Es ist so … sinnlos! So verdammt sinnlos! Und dann noch zu diesem Zeitpunkt! Wo endlich alles gut zu werden schien! Wir hatten noch ein ganzes Leben vor uns! Wir hatten ein Ziel! Ein gemeinsames Ziel! Und wir hatten … uns! Ich schlucke hart und kämpfe verzweifelt gegen die Tränen an, die mir in die Augen schießen. Aber ich verliere den Kampf. Wie in jeder Nacht seit diesem Tag. Seit jenem schicksalhaften Tag, der mir den Boden unter den Füßen weggerissen hat. Seitdem fühle ich mich wie eine leblose Hülle.

Warum? Warum gerade jetzt? Es sind dank eines durchflogenen Wurmlochs nur noch zwei Jahre bis in den Alpha-Quadranten! Zwei mickrige Jahre und wir hätten unser gemeinsames Ziel erreicht! Wir hätten unsere Crew nach Hause gebracht! Und jetzt?! Jetzt hast du mich allein gelassen! Warum?! Warum jetzt?! Und dann auch noch … so! Du hast die Hirogen überlebt! Und Spezies 8472! Du hast die Devore in die Flucht geschlagen! Verdammt, du hast sogar die BORG besiegt!
Ich presse meinen Lippen fest zusammen, um ein Schluchzen zu unterdrücken. Unaufhaltsam rinnen brennend heiße Tränen über meine Wangen. Wie in jeder Nacht seit jenem Tag. Seit jenem schicksalhaften Tag, der für mich ein lebendiger Albtraum geworden ist. Meine Lider werden schwer. Aber ich kämpfe dagegen an. Weil ich Angst habe. Angst davor, meine Augen zu schließen. Angst vor den Bildern, die sich mir dann zeigen werden. Angst vor den Emotionen, die die Bilder hervorbringen werden. Und vor allem Angst vor deinem letzten Anblick, der sich unwiderruflich in meine Netzhaut eingebrannt hat.

Warum? Meine Lider senken sich - und schon sind sie da. Die Bilder. Die Erinnerungen. Dein Anblick. Ich kann nichts dagegen tun. Gleich einem Tsunami überfluten die schmerzhaft-quälenden Ereignisse von Premus meine Gedanken...


Wir erreichten im uns bis dato unbekannten Premus-Sektor einen gleichnamigen Klasse M Planeten. Er war bewohnt, aber die humanoiden Bewohner waren freundlich und hatten uns erlaubt, ihre Stadt zu besuchen. Die Premianer waren technisch nicht ganz so fortschrittlich wie wir. Aber sie waren zivilisiert und friedliebend. Und sie besaßen Dilithium-Minen. Nur deshalb hattest du beschlossen, auf diesem Planeten zu landen. Du wolltest unseren Dilithium-Vorrat auffüllen. Zum letzten Mal während unserer Odyssee, deren Ende nahte.
Wir waren beide erfreut, als die Premianer dem Abbau des Dilithiums zustimmten. Und im Zuge dessen luden sie unsere gesamte Crew in ihre Stadt ein. Du stimmtest zu und hast zur Freude der Crew Landurlaub verordnet. Ebenfalls der Letzte während unserer fast achtjährigen Reise.
Nach zwei Tagen waren wir beide mit unserem Kurzurlaub an der Reihe. Wir bildeten ein Außenteam zusammen mit Harry, Seven und Tal Celes. Als Unterkunft standen mehrere kleine Behausungen zur Verfügung. Während Harry, Seven und Tal zwei davon mitten in der Stadt wählten, bevorzugtest du eine Unterkunft am Standrand. Ich konnte nicht anders und tat es dir gleich. Ich bezog die Behausung direkt neben deiner. Es war einfach, aber gemütlich. Es gab einen Wohn- und Schlafraum, eine kleine Küche, ein Bad und einen kleinen Keller, in dem Lebensmittel lagerten. Nach einer kurzen Besichtigung verließ ich meine Unterkunft und ging zu dir. Ohne mich aufzudrängen beschlossen wir, den Tag gemeinsam zu verbringen.Wir besichtigten die Stadt, spazierten durch die nähere Umgebung und machten ein Picknick an einem kleinen See unweit der Stadt. Als es dämmerte, zogen wir uns in deine Unterkunft zurück. Dort machten wir es uns auf dem Sofa gemütlich. Bei einem guten Glas Rotwein. Bis weit nach Mitternacht saßen wir zusammen und schwelgten in gemeinsamen Erinnerungen.
So wie wir es unzählige Male zuvor auf der Voyager getan hatten. Und irgendwann fielen uns die Augen zu...
Als ich am nächsten Morgen erwachte, lag ich rücklings auf dem Sofa. Und lagst neben mir. In meinem rechten Arm. Dein gleichmäßiger Atem verriet mir, dass du noch im Reich der Träume weiltest. Ein Schmunzeln umspielte deine Lippen und dein rot-braunes Haar leuchtete magisch in den ersten Sonnenstrahlen, die durch das Fenster drangen. Ich konnte meinen Blick kaum von dir lösen. Du erwachtest und strahltest mich an. Ich konnte die unterdrückte Liebe in deinem Blick sehen. Ich lächelte dich an und widerstand dem Drang, dich einfach zu küssen und dir zu sagen, wie sehr ich dich liebe.
»Frühstück bei mir?«, fragtest du sanft und ich nickte. Dann erhob ich mich und ging in meine Unterkunft, um mich frisch zu machen...


Ich öffne meine Augen, weil die Flut der Erinnerung mir fast den Atem raubt. Wäre ich nur bei dir geblieben! Mein Herz schlägt wild in meiner Brust und mein Blut rauscht in meinen Ohren. Dieser Tag auf Premus hätte schöner nicht beginnen können. Ich war bis dato der glücklichste Mann der Galaxie. Weil ich wusste, dass unsere lange Reise durch den Delta-Quadranten bald ihr Ende finden würde. Ich konnte es kaum erwarten. Weil ich immer und immer wieder an unser gemeinsames Versprechen dachte: Wenn wir es tatsächlich zurück zur Erde schaffen, dann wollten wir es miteinander versuchen! Du und ich. Als Paar. Es sollte für uns der Anfang eines neuen Lebens werden. Eines gemeinsamen Lebens. Aber dann... Dann kam alles ganz anders.

Ich schlucke schwer und atme tief durch, weil ich das Gefühl habe zu ersticken. Mein Herz zieht sich zusammen und meine Knie beginnen zu zittern. Ich greife mit meiner rechten Hand an die Lehne meines Schreibtischsessels, um nicht vollends den Halt zu verlieren. Mein Blick heftet sich starr in die Schwärze des Alls – und das Bilderkino vor meinem geistigen Auge nimmt seinen Lauf. Wie ein Horrorfilm spulen sich unsere letzten gemeinsamen Minuten vor meinem geistigen Auge ab. Unaufhaltsam. Unbarmherzig. Unzensiert.


Ich verließ gut gelaunt meine Unterkunft. Ich hielt eine Schale mit einer Art Gebäck in der Hand und klopfte an deine Tür. Du öffnetest mir mit einem strahlenden Lächeln und einem herzlichen »Guten Morgen, mein Lieber!«. Dein Blick streifte die Schale in meinen Händen und dein Lächeln wurde noch strahlender. »Setz' dich! Ich bin gleich bei dir. Ich hole mir nur noch einen Schluck Wasser.« Du drehtest dich um und gingst in die Küche. Ich sah dir lächelnd hinterher und betrat den Wohnraum. Der Tisch war bereits gedeckt. Zwei Teller. Zwei Tassen. Eine Schale mit Früchten. Eine große Kaffeekanne von der Voyager. Ich schmunzelte und stellte meine Schale mit dem Gebäck dazu. Dann nahm ich die Kaffeekanne und füllte unsere Tassen. Durch das geöffnete Fenster hörte ich das Zwitschern von Vögeln. Ich setzte mich auf das Sofa, lauschte ihrem Gesang und wartete auf dich. Sekunden vergingen. Ohne dass ich ein Geräusch aus der Küche vernahm. Nach zwei, drei Minuten wurde mir die Zeit zu lang. Aus einem Impuls heraus erhob ich mich, um nach dir zu sehen. Ich ging in die Küche – aber sie war leer. Im Augenwinkel gewahr ich eine mit Wasser gefüllte Karaffe, die auf einem kleinen Tisch stand. Ein mulmiges Gefühl beschlich mich. Ich rief nach dir, erhielt jedoch keine Antwort. Ich drehte meinen Kopf und erblickte die geöffnete Tür, die nach unten in den Keller führte. Ich ging auf die Tür zu, schaute die Treppe hinunter – und sah dich auf dem Kellerboden liegen. Direkt unterhalb der steilen Treppe. Seitlich zusammengerollt. Wie ein kleines Baby im schützenden Mutterleib. Deine Augen waren geschlossen und aus deiner Nase sickerte Blut. Kein Schmerzenslaut kam über deine Lippen. Zu hören war nur dein gurgelnd-rasselnder Atem, der im dumpfen Kellergewölbe widerhallte...


Ein stechender Schmerz fährt durch meine Brust und reißt mich ins Hier und Jetzt zurück.

»Warum?!«, schreie ich mit tränenerstickter Stimme, wohl wissend, dass mich hier niemand hören kann. »Warum nur?!«
Meine Beine versagen ihren Dienst. Ich sacke vor dem Panoramafenster auf meine Knie, während sich unentwegt Klagelaute der Trauer und Wut aus meiner Kehle lösen. Tränen strömen aus meinen Augen und verschleiern meinen Blick. Alles um mich herum verschwindet und ich sehe nur noch dich! Wie du blutend und mit gurgelndem Atem auf dem kalten Steinboden liegst. Dieser grauenvolle Anblick hat alle anderen Anblicke von dir regelrecht aus meinen Gedanken gelöscht. Wann immer ich die Augen schließe, wann immer ich an dich denke – ich sehe nur noch dieses Bild von dir! Mein Magen krampft sich zusammen und löst einen Brechreiz aus. Wie immer, wenn ich dieses Bild vor meinen Augen sehe. KATHRYN!
Trotz der Kraftlosigkeit in meinen Beinen rappel ich mich auf und schaffe es gerade so ins Bad. Ich beuge mich über die Toilette und übergebe mich. Die blanke Säure ätzt meine Speiseröhre hoch, denn ich habe seit Wochen nicht viel gegessen. Weil ich keinen Hunger verspüre. Keinen Hunger. Keinen Durst. Keine Müdigkeit. Alles was ich verspüre sind Trauer, Wut und Verzweiflung. Und Sehnsucht. Sehnsucht nach dir, meine Liebste!

Als der Brechreiz nachlässt, sinke ich keuchend neben der Toilette zu Boden. Warum, Kathryn?! Wie konntest du mir das nur antun?! Sieh' doch, was aus mir geworden ist! War es das wert?! Das wir acht Jahre lang unsere Gefühle füreinander unterdrückt haben! Das wir unsere gemeinsame Zeit hier an Bord nicht miteinander genossen haben?! Das wir beide innerlich gelitten haben?! Nur, damit ich zurück bleibe und mir den Rest meines Lebens Vorwürfe mache?! Vorwürfe, dass ich an jenem Morgen nicht einfach mit dir liegen geblieben bin! Dass ich dich nicht sofort mit an den Frühstückstisch mitgenommen habe! Dass ich dir nie ins Gesicht gesagt habe, dass ich dich liebe!
Meine Augen füllen sich erneut mit Tränen. Warum? Warum habe ich dir nie gesagt wie sehr ich dich liebe? Nicht einmal in den letzten Minuten deines Lebens habe ich diese Worte über meine Lippen gebracht! Und das ist es, was ich am meisten bereue. Was mich am meisten fertig macht. Was mich für den Rest meines Daseins verfolgen wird. Daran ändert auch die Tatsache nichts, dass ich gar keine Gelegenheit hatte, dir spätestens in diesem Moment zu sagen, dass ich dich liebe. Und dass ich dir für alles, was du für mich getan hast, unendlich dankbar bin. Es ging einfach alles zu schnell! Viel zu schnell! Und ich stand unter Schock. Ich konnte nicht denken. Ich habe einfach nur funktioniert. Alles weitere, was sich nach deinem Treppensturz abgespielt hat, habe ich nur noch vage und bruchstückhaft in Erinnerung...


Ich betätigte sofort meinen Kommunikator und rief das MHN der Voyager zu Hilfe. An beamen war nicht zu denken, weil es in der Atmosphäre dieses Planeten zu starke Interferenzen gab. Noch während ich ihm erklärte, was passiert war, versuchte ich so schnell wie möglich zu dir zu eilen. Aber das war aufgrund meiner Statur und der sehr engen Kellertreppe nicht so einfach. Als ich endlich bei dir unten war, fühlte ich deinen Puls. Er war schwach. Und du warst ohne Bewusstsein. Und aus deiner Nase sickerte weiterhin Blut. In diesem Augenblick schoss es mir erstmals durch den Kopf, dass du nicht überleben wirst. Aber ich drängte diesen Gedanken mit aller Macht beiseite. Ich wollte es nicht wahrhaben und setzte all meine Hoffnungen in die moderne Medizin. Und in die Hilfe unseres Doktors. Seine Stimme war es auch, die mich in diesem Moment aus meiner Schockstarre riss. Er saß bereits im Delta-Flyer und war zusammen mit Tom auf dem Weg zu uns. Er gab mir von unterwegs aus Anweisungen, die ich ohne nachzudenken sofort befolgte. Wie eine programmierte Maschine. Ich sollte Platz für ihn schaffen! Damit er schnell an dich herankommt. Ich sollte mich vor deine Unterkunft stellen! Damit er schneller sieht, wo er hin muss. Ich rannte hin und her. War gezwungen, dich allein zu lassen! Allein meine Gedanken waren bei dir. Und sie flehten dich an, durchzuhalten! Irgendwann – ich wusste nicht, wie viel Zeit vergangen war – kam der Doktor. Zusammen mit Tom und Ayala, die eine Bahre trugen. Ich wies dem MHN den Weg in den Keller. Er eilte zusammen mit Tom hinunter und beide begann sofort dich medizinisch zu versorgen. Ich wollte fragen, wie es um dich steht und ob du es schaffst – aber ein Blick in Toms Gesicht schnürte mir regelrecht die Kehle zu. Dann musste ich wieder helfen. Ich musste mehr Platz schaffen im Keller. Für Ayala und die Bahre. Ich musste die Außentür des Kellers öffnen, damit sie dich von dort aus nach draußen bringen konnten. Ich musste so vieles tun, obwohl ich wusste, dass ich eigentlich bei dir sein sollte. Aber ich konnte nicht. Als Tom und Ayala dich endlich auf der Bahre aus dem Keller trugen, musste ich zahlreiche Bewohner der Stadt zurückdrängen, die sich voller Neugier um uns scharrten. Im Augenwinkel sah ich, wie sich dein Arm bewegte und an deinen Hals fasste. Der Doktor sprach mit dir und für den Moment machte sich Erleichterung in mir breit, weil du ganz offensichtlich wieder bei Bewusstsein warst. So schnell sie konnten brachten Tom, Ayala und das MHN dich in den Delta-Flyer. Das Letzte was ich sah war die Staubwolke, die der Flyer beim Aufsteigen hinterließ...

Bei dieser Erinnerung krampft sich mein Magen erneut zusammen. Aber diesmal halte ich dem Brechreiz stand. Ich schließe für einen Moment meine Augen und schlucke schwer. Meine Finger wandern von ganz allein zu meiner linken Brusttasche und fischen ein kleines Medaillon heraus. Ich öffne meine Augen, blicke auf das Porträt von dir und streiche mit dem Daumen über dein Gesicht.
Warum?! Warum musste das geschehen?! Warum konnte dieser ganze Unfall trotz unserer fortschrittlichen Medizin nicht glimpflich für dich ausgehen?! Es war doch nur ein Sturz! Ein Treppensturz! Auf einem der wahrscheinlich ungefährlichsten Planeten des Delta-Quadranten! Und doch hat eben jener ungefährliche Planet dein Schicksal besiegelt. Wir konnten nichts mehr für dich tun. Eine Stunde lang hat unser Doktor um dein Leben gekämpft. Hat alles getan, was in seiner Macht stand. Aber es war vergeblich. Knapp anderthalb Stunden nach deinem Unfall bist du auf der Krankenstation gestorben. Der Sturz hatte bei dir eine massive Hirnblutung verursacht. So schwerwiegend, dass dein Gehirn bereits bei deiner Ankunft auf der Voyager, irreparabel geschädigt war. Selbst wenn der Doktor es doch noch geschafft hätte, dich zu reanimieren... Du wärst für den Rest deines Lebens ein schwerer Pflegefall gewesen. Immer auf die Hilfe anderer angewiesen. Und genau das wolltest du nicht! Dafür warst du eine viel zu stolze Persönlichkeit. Lieber wolltest du sterben. Genau das hast du auch unwiderruflich in deiner Krankenakte festgelegt. Für den Fall, der Fälle. Für den Fall, der auf Premus eingetroffen ist.
Meine Finger umschließen das Medaillon und ich lege meinen Kopf in den Nacken. Ich starre blicklos an die Decke und höre deine Stimme in meinem Kopf. Und deine letzten Worte, die du zu mir gesprochen hast:

»Ich hole mir nur noch einen Schluck Wasser!«


Warum, Kathryn?! Warum musstest du runter in diesen verdammten Keller?! Das Wasser stand doch bereits in der Küche! Du hättest nur die Karaffe greifen und zu mir kommen müssen! Was ist passiert?! Was wolltest du im Keller? Warum habe ich dich nicht fallen gehört? Warum hast du nicht aufgeschrien? Bist du einfach so gefallen? Oder gestolpert? Oder ist dir schwindelig geworden? Warst du bei Bewusstsein, als du unten aufgeschlagen bist? Hast du nach mir gerufen, weil du meine Hilfe brauchtest? Habe ich dich nicht gehört? Hast du wenigstens gespürt, dass ich in deiner Nähe war? Oder hast du gelitten, weil ich nicht bei dir war? Weil ich nicht deine Hand gehalten habe? Weil ich dir nicht gesagt habe, dass ich dich unendlich liebe?

Ich schließe meine Augen und warte auf deine Antworten auf all diese Fragen. Aber du bleibst stumm. Redest nicht mit mir. Wie typisch für dich! Du hast mir nie Antworten auf meine Fragen gegeben, wenn sie dir zu persönlich wurden. Brauchtest du auch nicht! Ein Blick in deine klaren, blauen Augen hat mir gereicht und ich wusste, was du denkst! Aber jetzt? Jetzt bist du fort! Hast deine klaren, blauen Augen geschlossen! Hast mich verlassen! Für immer! Wie soll ich jemals Antworten auf meine offenen Fragen erhalten!? Und wie soll ich ohne diese Antworten jemals zur Ruhe kommen!? WIE!?
Ich atme tief durch, ehe ich meinen Kopf senke und wieder auf das Medaillon blicke. Wie ich dich vermisse, Kathryn. Wir hatten nicht einmal die Chance, uns voneinander zu verabschieden. Es ging alles so schnell. Und genauso schnell vergehen auch die Tage und Wochen seit diesem schicksalhaften Tag. So schwer es uns allen auch fällt... Unser Leben muss weiter gehen. Mein Leben muss weiter gehen! Ob ich will oder nicht. Ich habe nämlich eine Aufgabe zu erledigen. Eine Aufgabe die wichtig ist. Wichtiger als ich und wichtiger als meine Trauer um dich. Ich muss ein Versprechen einlösen. Dein Versprechen, Kathryn. Dein Versprechen, diese Crew und dieses Schiff nach Hause zu bringen! Und ich werde sie nach Hause bringen. Das verspreche ich dir, meine Liebste!
Ein leichtes Lächeln huscht über mein Gesicht. Ich führe das Medaillon an meine Lippen und hauche einen Kuss auf das Bildnis. Und ich werde dich nach Hause bringen, Kathryn. Ja, genau dich! Ob DU willst oder nicht. Dieses Mal hat die Crew über DEIN Wohl entschieden. Du bist noch immer bei uns. Und das nicht nur in unseren Herzen und in unseren Gedanken. Niemand an Bord hat es übers Herz gebracht, dich in den Weiten des Delta-Quadranten zurückzulassen. Einsam und allein. Umgeben von der kalten Hülle eines Photonentorpedos... Nein, dass wollte niemand! Wir haben gemeinsam beschlossen, dass du hier bleibst. Hier bei uns. Bei deiner zweiten Familie. Und dein Versprechen an uns ist zu unserem Versprechen an dich geworden. WIR werden DICH zurück bringen. Zurück zur Erde. Zurück in deine Heimat. Nach Bloomington. Zu deiner Mom und deiner Schwester. Dort wirst du zur letzten Ruhe gebettet. Unter deinem Lieblingsbaum. Umgeben von Wäldern und Feldern. Dort wirst du deinen Frieden finden.
Eine letzte Träne rollt mir über die Wange, ehe meine Augen trocken werden. Meine Tränenflüssigkeit ist vergossen. Zumindest für heute. Ich atme tief durch und rappel mich auf. Ich streiche ein letztes Mal liebevoll über dein Bildnis und stecke das Medaillon zurück in meine Brusttasche. Da wo es hingehört und wo es immer bleiben wird. Nahe an meinem Herzen. Du, liebste Kathryn, wirst jedoch immer IN meinem Herzen bleiben. Bis an mein Lebensende. Weil ich dich liebe. Weil ich dich immer lieben werde. Obgleich ich im Moment oft wütend auf dich bin. Und dich in meinen Gedanken anschreie und verfluche. Aber das tue nur, weil du mich verlassen hast. Auf diese unfassbare Art und Weise. Und weil es zu viele offenen Fragen gibt, auf die ich nie eine Antwort erhalten werden. Und vor allem weil ich den Gedanken nicht ertragen kann, dass ich dich während deiner letzten Atemzüge allein gelassen habe. Bitte verzeih mir! Irgendwann. So wie ich mir und dir verzeihen werde. Irgendwann. Wenn ich dazu bereit bin.
Ich straffe meine Schultern und sehe in den Spiegel. Den Mann, den ich erblicke, erkenne ich kaum wieder. Sein Haar ist glanzlos. Seine Haut ist fahl. Seine Augen trüb. Einzig das Tattoo auf seiner Stirn erinnert an die Zeiten, als er noch ein starker, lebendiger Krieger war. Jetzt ist er nur noch ein Schatten seiner selbst. Weil ihm das Liebste genommen wurde.
»Ich hole mir nur noch einen Schluck Wasser!«, hallen deine letzten Worte erneut durch meinen Kopf und mir entfährt ein verbitterter Laut. Ist das nicht Ironie? Ironie des Schicksals? Dass DAS ausgerechnet DEINE letzten Worte waren? Wo doch deine Kaffeesucht in allen vier Quadranten vergeblich ihresgleichen sucht? Wie viel würde ich dafür geben, jetzt mit dir zusammen eine Tasse Kaffee zu trinken. Und ich glaube, unser Doktor würde sie uns sogar servieren! Mit einem breiten Lächeln auf seinem Gesicht! Ja, er würde es tun... Denn obwohl er ein Hologramm ist und keine Gefühle zeigen kann, spürte ich trotzdem, dass selbst ER dich vermisst. Jeder hier an Bord vermisst dich. Und ich vermisse dich am meisten.

Ich werfe einen letzten Blick in den Spiegel und verlasse dann das Bad. Es wird Zeit. Zeit für mich zu gehen. Ich muss auf die Brücke, Kathryn. Auf deine Brücke. Weil ich jetzt deinen Job mache. Ich werde auf deine Brücke gehen und mich dort in deinen Sessel setzten. Ich werde meine Schultern straffen und Tom befehlen, Kurs zu setzen. Deinen Kurs. Den Kurs, den du seit fast acht Jahren unermüdlich verfolgt hast. Den Kurs nach Hause. Ich werde es schaffen, Kathryn! Ich werde deinen Kurs ebenso unermüdlich weiterverfolgen. Für diese Crew. Für dieses Schiff. Für dich!
Ich greife nach meiner Uniformjacke, ziehe sie an und verlasse mein Quartier. Wir sehen uns heute Nacht, Kathryn! So wie jede Nacht seit jenem Tag. Seit jenem schicksalhaften Tag, der dich dein Leben und mich meine Lebendigkeit gekostet hat.

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