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Wiederbegegnung

von Gunni Dreher

Kapitel 1

Zur Einordnung: Die Geschichte spielt kurz nach "Vari und Numa".
Wiederbegegnung

Der Romulaner beobachtete kritisch, wie die Luftschleusentür, einem gigantischen Zahnrad gleich, zur Seite rollte und den dahinterliegenden Gang freigab. "Originelles Prinzip." urteilte er trocken, wich ein wenig zur Seite und gab so einer großen geschmeidigen Gestalt Gelegenheit, mit dem Jubelruf "Laufen!" an ihm vorbeizustürmen. "Sicherheit am Arbeitsplatz ist nicht so unbedingt die Sache deiner Leute, wie?"
Der breitschultrige Halbcardassianer preßte sich kurz an die Wand, weil der komplette Rest des Trupps es eilig hatte, seiner Anführerin zu folgen. Er wartete, bis der Durchgang frei war, dann verließ er die Luftschleuse und bückte sich, um die Lagerung des Tors in genauen Augenschein nehmen zu können. "Hast du das Prachtstück eben gehört, Talan?" meinte er zu seinem Freund, während er anerkennend den Zustand der Anlage begutachtete. "Säuselt wie ein laues Windchen im Frühling. Wer hier auch immer für die Wartung zuständig ist, er versteht sein Handwerk, das muß ich sagen."
Die Brauen des Romulaners kletterten ein Stück nach oben. "Ein Frühlingswindchen? Diese grollende Knochenmühle? Schon als sich das Ungetüm in Bewegung setzte, ging mir ein Bild durch den Kopf, wie..."
Rilkar winkte ab und lachte. "Ah, nicht doch, da hättest du mal das Exemplar erleben sollen, mit dem ich während meines Raumpraktikums zu tun hatte. Du mußt wissen, daß wir damals etwa drei Lichtjahre entfernt noch eine zweite, baugleiche Station hatten; keine Ahnung, ob Empok Nor noch existiert. Jedenfalls kamen mir fast die Tränen, als ich mitten in einem Trupp aus angehenden Ingenieuren an Bord kam und zuschaute, wie sich das arme Ding nur ruckweise und unter nervenzerfetzendem Kreischen vor uns aufquälte. Ein paar Kumpels und ich waren schon dabei, die Werkzeuge auszupacken, als sich unvermittelt Gul Drashak vor uns aufbaute und uns anbrüllte. Es gäbe wichtigere Arbeit für uns, außerdem sei das Tor eine verdammte Fehlkonstruktion, an der sich seine besten Leute vergeblich abgemüht hätten.
Also haben wir uns erst einmal um die Replikatoren im Offizierskasino gekümmert und anschließend die Ambientenkontrollen auf Vordermann gebracht, um dann kurz vorm Abendessen abzuhauen und unserem Patienten eine kleine Kur zu verpassen. Die Idioten vom Militär hatten bei zwei Lagern die Schutzummantelung nicht entfernt, das Ergebnis kannst du dir vielleicht vorstellen. Unnötig zu sagen, daß wir eine ziemlich kurze Nachtruhe hatten, aber bereits Drashaks Gesicht am nächsten Morgen war die Mühe wert gewesen. Er hat mir übrigens während der ganzen Zeit kein einziges Mal Ärger wegen meiner gemischten Herkunft gemacht; ob nun wegen der gelungenen Reparatur oder weil ihm mein Vater vielleicht eine kleine Warnung geschickt hat, keine Ahnung."
Er beendete seine Betrachtung und richtete sich wieder auf, dabei stellte er fest, daß sich Talan bereits zur Gabelung des kurzen Ganges begeben hatte und mit einer gewissen Unruhe auf die sich schnell entfernenden Stimmen der Rhazaghaner lauschte. Der Ingenieur gesellte sich zu ihm, horchte ebenfalls und lachte dann ein wenig. "Ach du kennst sie doch." meinte er mit einem Schulterzucken. "Aryshtin ist gerade frisch wiederhergestellt, da ist es nur verständlich, daß sie und ihre Leute die Gelegenheit für etwas Bewegung nutzen und die lange Tour nehmen. Laß ihnen ruhig den Spaß, sie werden schon wieder auftauchen; du weißt ja, daß sich Rhazaghaner nicht verirren."
"Mag sein." brummte Talan und wandte sich etwas widerwillig ab, um mit seinem Freund dem Gang zu folgen, den eine Wandbeschriftung als den Weg "Zum Promenadendeck" auswies. "Und du weißt, daß wir zwei Clanführer haben, die momentan gewissermaßen außer Dienst sind, was bedeutet, daß ich die Verantwortung für alle trage. Vielleicht war es doch ein Fehler gewesen, nach der langen Rettungsmission einen Zwischenstop einzulegen; ein Risiko bedeutet es auf alle Fälle."
"Schon!" gab sein Freund zu. "Aber es wäre ein Jammer gewesen, die Gelegenheit nicht zu nutzen. Die letzte Zeit war für alle ganz hübsch anstrengend gewesen, vor allem für die Nerven. Ein Vierteljahr getarnt über einem feindlichen Planeten, da haben wir uns etwas Ablenkung verdient, würde ich sagen. Außerdem soll es hier eine recht ordentliche Bar geben, deren Besitzer wohl in der Lage ist, so ziemlich alles zu besorgen. Schwer erhältliche Güter, wenn du verstehst. Habe ich dich nicht letztens sagen hören, dein Disruptor könne mal eine neue Energiezelle vertragen? Du hast ihn seit Jahren nicht mehr benutzt, da würde ich lieber rechtzeitig für Ersatz sorgen, nur für den Fall, daß das Dominion doch noch einmal seinen Versuch wiederholen möchte, auf Rhazaghan zu Besuch reinzuschneien."
"Ja, ich weiß!" erwiderte Talan unbehaglich. "Unser Magazin ist mittlerweile recht mager bestückt. Na schön, machen wir eben das beste daraus und versuchen ein paar Einkäufe zu tätigen. Ich muß ja wohl nicht betonen, daß das so diskret wie möglich zu geschehen hat."
"Versteht sich!" Der Ingenieur klopfte ihm aufmunternd auf die Schulter. "Und zwei, drei Gläschen werden ja wohl auch noch drin sein. Außerdem wollte ich mich hier gerne etwas umsehen; es besteht nämlich die Möglichkeit, daß... - He, sieh dir das an!" unterbrach er sich gleich darauf mit ehrlicher Begeisterung, weil sich der Gang vor ihnen zum Promenadendeck öffnete. Er trat auf die belebte Einkaufszeile hinaus und blickte sich, sich einmal um sich selbst drehend, um. "Alle Achtung, die haben aus dieser düsteren Sklavenfestung ein echtes Schmuckstück gemacht." befand er staunend. "Süßigkeiten, Andenken, Kleidung... Alles hell, sauber und freundlich. Schau mal, da drüben gibt es einen andorianischen Imbiß, zu schade, daß Soto nicht dabei ist. Da vorne links scheint es zu einem Replimat zu gehen, drüben ein Hinweisschild zur Kankenstation..."
Der Romulaner, dessen Gesicht sich merklich aufgehellt hatte, schloß sich ihm an. "Und ungewöhnlich gemischtes Publikum." stellte er zufrieden fest. "Bajoraner natürlich, Elaysianer, Dosi, Valerianer, ein Lurianer..."
Er unterbrach sich, weil ihnen eine auffallende Erscheinung mit den Abzeichen eines Lieutenant Commanders entgegen kam, was ihn prompt veranlaßte, einen zweiten, wesentlich genaueren Blick zu riskieren. Talan sah aparte Flecken, die sich über Schläfen und Halsseiten bis unter die Kleidung zogen, worauf sein gutes Gedächtnis sogleich den Namen ihrer Spezies sowie einige interessante Informationen dazu lieferte. Begleitet wurde die Frau von einem riesigen, geradezu absurd gepflegten Klingonen in Sternenflottenuniform, was den Romulaner nicht davon abhielt, ihr demonstrativ mit den Augen zu folgen und bewundernd die Brauen zu heben.
Einen Wimpernschlag später wurde sein Blick auch schon erwidert; die Frau wandte den Kopf, betrachtete ihn im Vorbeigehen ebenso rasch wie gründlich und begann ihrerseits anerkennend zu grinsen. Talans schwarze Augen blitzten; lächelnd hielt er an, um ihr nachzusehen und bekam zu seinem Vergnügen noch mit, wie der Klingone in fassungslos-wütender Empörung zu ihm zurückstarrte. Dann bogen beide in einen Seitengang ein und gerieten außer Sicht.
Nun entsann sich der Romulaner wieder seines Freundes und glaubte sich daran zu erinnern, daß der eben das Wort an ihn gerichtet hatte. "Entschuldige, du sagtest gerade..." begann er und wandte sich um, doch an der bewußten Stelle kamen ihm nur zwei ältere bajoranische Händler entgegen, die sich so höflich wie möglich links und rechts an ihm vorbeischoben. Rilkar war verschwunden.

Nur ungefähr fünfzig oder sechzig Schritte entfernt saß Elim Garak, seines Zeichens Schneider, Gärtner, cardassianischer Meisterspion und Mann von Welt, in seinem hübschen kleinen Laden und arbeitete.
Es hatte eine Weile gedauert, bis er sich mit diesem Lebensstil arrangiert hatte, zumal abenteuerliche, berauschende und auch ruhmreiche Jahre hinter ihm lagen. Nach seiner Verbannung von seiner Heimatwelt hatte er Mühe gehabt, seine Bitterkeit und Verzweiflung unter der Oberfläche zu halten, hatte die Arbeit, mit der er seinen Unterhalt auf der Station bestritt, verachtet. Nun aber haderte er nicht mehr mit seinem Schicksal. Dies hier war ein bescheidenes, ruhiges und vor allem gutes Dasein, das ihm völlig ungewohnte und überraschende Perspektiven eröffnet hatte; Perspektiven, die ihn hatten begreifen lassen, was es mit wahrem Leben eigentlich auf sich hatte.
Verläßlichkeit. Freundschaft. Fürsorge.
Tiefe und wahrhaftige Zuneigung.
"Die Sieben ist blöd!" befand eine sehr junge, sehr verdrossene Stimme von nebenan.
"Nun, mag sein!" stimmte Garak freundlich zu, ohne seine Arbeit an dem Gewand der im vierundzwanzigsten Monat schwangeren kyrimäischen Botschafterin zu unterbrechen. "Aber genau so unentbehrlich wie alle übrigen Zahlen auch. Stell dir vor, auf Cardassia gilt der sichere Umgang mit dem kleinen Einmaleins als erster Meilenstein auf dem Weg zum vollwertigen Staatsbürger. Ich kann mich noch gut daran erinnern, wie mein Vater mich des Morgens erst am Eßtisch Platz nehmen ließ, wenn ich ihm sämtliche Reihen fehlerfrei aufgesagt hatte."
"Das ist noch blöder!" urteilte das Stimmchen ungnädig.
Der Cardassianer seufzte leise und heftete den Blick fest auf den schimmernden Stoff in seinen Händen. "Es fällt mir schwer, dir zu widersprechen, junge Dame!" murmelte er.
"Kommt dreiundfünfzig raus?" piepste es forschend.
"Ehrlich gesagt..."
"Vierundfünfzig?"
"...würde ich es vorziehen, wenn..."
"Fünfundfünfzig?"
Garak richtete die Augen ergeben zur Decke. Dann nickte er.
"Also gut, wie wäre es hiermit:" schlug er vor. "Du rechnest die Aufgabe ganz still für dich, und wenn du wirklich sicher bist, daß du sie richtig hast, kommst du mit dem Ergebnis zu mir. Und wenn es korrekt ist, gebe ich dir einen Riegel von der delavianischen Schokolade, die Onkel Julian mir geschenkt hat, einverstanden?"
"Ookeee!" erwiderte die Person nebenan, offenbar zufrieden mit dem Verhandlungsergebnis. Der Cardassianer hatte gerade wieder den Textilreplikator angesetzt, um seine Arbeit fortzuführen, als ihn eine andere, wesentlich tiefere Stimme aus den Gedanken riß:
"Entschuldigen Sie, fertigen Sie auch Sportkleidung?"
Der Schneider blickte mit einem Ruck auf; dann erhob er sich wie in Zeitlupe, während die Fassungslosigkeit in seinen Zügen verblüffter Freude wich. Zwei Schritte vom Eingang entfernt stand der Halbcardassianer und grinste.
"Du meine Güte, Rilkar..." brachte Garak heraus; gleich darauf kamen beide Männer rasch aufeinander zu und packten sich gegenseitig herzlich an den Oberarmen.
"Garak, Sie wunderbarer alter Gauner!" begrüßte ihn Rilkar mit einem Strahlen. "Verdammt, ich bin riesig froh, Sie hier vorzufinden. Seit unser Kontakt abriß, habe ich mich immer wieder gefragt, ob es Ihnen wohl gelungen ist, hier weiter durchzuhalten."
"Wie Sie sehen, lieber Freund, wie Sie sehen, und zwar besser als Sie glauben." antwortete der Cardassianer mit leuchtenden Augen. "Und es freut mich ungemein, Sie gesund und vor allem am Leben zu sehen. Von einigen meiner verbliebenen Informanten hieß es, Sie und Ihre Leute hätten die Werkhalle mit Ihren ersten Triebwerken in die Luft gesprengt und seien dann mit dem Prototyp geflohen. Es wurde aber auch behauptet, Ihr Schiff sei von Jem'Hadar-Jägern abgeschossen worden. Zugegeben, ich war geneigt, das letztere für Propagandagerede zu halten, aber..."
Der Ingenieur lächelte etwas schief. "Oh ja, versucht haben sie's, aber die erste Salve ging ins Wasser, wie man zu Zeiten der Seefahrt gesagt hätte. Dann waren wir auch schon an ihnen vorbei, und alles weitere hat das Triebwerk erledigt. Zum Glück, kann man nur sagen, für einen Kampf waren wir nicht gerüstet gewesen." Er verstummte und ließ seine Augen staunend über die Ergebnisse von Garaks Schneiderfertigkeiten gleiten. "Übrigens nicht schlecht, das hier, das kann sich sehen lassen." bemerkte er anerkennend. "Habe ich Sie da eben wirklich richtig verstanden, Sie kommen hier mittlerweile zurecht? Aber ich glaube mich zu erinnern..."
"Ja, ich weiß, worauf Sie anspielen." Über Garaks Gesicht ging ein etwas reumütiges Schmunzeln. "Meine kindischen Beschwerden seinerzeit: Zu grelle Beleuchtung, die niedrige Temperatur, feindselige Gesichter... Das war damals." Er ließ seinerseits einen zufriedenen Blick über seine Werke wandern und zuckte die Achseln. "Mittlerweile hat sich vieles verändert. Die Station. Die Leute um mich herum. Ich selbst. Und vor allem... meine private Situation. Ich bin jemandem begegnet. Einer Person, die meinem Leben endlich einen Sinn gibt. Sie stehen einem glücklichen Mann gegenüber, mein Freund."
Die Augen des Ingenieurs weiteten sich. "Soll das heißen..." setzte er an. "Sie sind... Sie haben tatsächlich..." Dann lachte er. "Also gehört Ihr einsames Späherleben endlich der Vergangenheit an? Sie sind seßhaft geworden? Donnerwetter Garak, Sie glauben nicht, wie mich das freut! Raus damit, sagen Sie schon: Wer ist sie, wie heißt sie?"
In den Augen des Cardassianers blitzte es in diebischem Vergnügen auf. "Oh, mit ihrem Namen kann ich leider nicht dienen, mit seinem schon. Er dürfte ungefähr in diesen Augenblicken seine Arbeit beenden und wird dann hier vorbeikommen, um mich abzuholen. Wenn Sie die Zeit erübrigen können, so lange zu warten, bin ich gerne bereit, Sie einander vorzustellen."
Einen Moment herrschte verblüffte Stille, dann brach erst der Ingenieur, anschließend der Schneider in Gelächter aus. Bei Rilkar, der sich gut sein Gesicht bei der Eröffnung vorstellen konnte, dauerte es etwas, bis er sich beruhigt hatte. "Ach Garak," japste er, während er sich mit dem Handrücken das Wasser aus den Augen wischte, "und schon wieder haben Sie es geschafft, mich zu überraschen; ich hatte Sie all die Jahre tatsächlich falsch eingeschätzt. Ein Mann also, verzeihen Sie! Raus damit; dahinter steckt doch garantiert eine interessante Geschichte, oder irre ich mich?"
"In der Tat, mein Bester, Sie irren sich nicht. Offen gestanden gibt es da eine sehr liebe Freundin, eine Terranerin mit einem entzückenden kleinen Jungen, die uns zusammengebracht hat. Es liegt schon eine Weile zurück, da..." Garak unterbrach sich, als sein Blick an Rilkar vorbeiglitt; seine Miene verhärtete sich.
"Verzeihen Sie, aber wie Sie sehen, bin ich zur Zeit mit diesem Kunden hier beschäftigt und danach ist geschlossen." erklärte er mit fein dosierter Schärfe in der Stimme. "Wenn Sie vielleicht so liebenswürdig wären, ein anderes Mal wiederzukommen..."
Rilkar drehte sich um und sah Talan im Eingang stehen. Er wirkte nicht verärgert, aber es war ihm anzumerken, daß er neugierig auf eine Erklärung war.
"Schon gut, Garak, alles in Ordnung, er ist ein alter Freund, wir gehören zusammen." erklärte der Ingenieur und lächelte. "Talan, dieser Mann hier ist..."
"...ein noch älterer Freund von dir." ergänzte der Romulaner und kam näher. Er sah das harmlose Lächeln des Schneiders, beobachtete aber, wie es in dessen Augen sonderbar aufblitzte, und er begriff, daß dieser Mann es faustdick hinter den Ohren hatte. "Dafür kein Freund der cardassianischen Regierung, sonst säße er nicht auf dieser Station. Er mag keine Romulaner, aber das will nichts heißen, diese Eigenschaft teilt er mit achtundneunzig Prozent der Bewohner dieses Quadranten. Kennengelernt habt ihr euch jedenfalls nicht über sein Handwerk, völlig ausgeschlossen bei einem Mann, der einen frisch gereinigten Overall mit einem neuen Hydroschlüssel in der Tasche für Abendgarderobe hält."
"He, Moment mal..."
"Er ist gewohnt, seine Umgebung im Auge zu behalten," fuhr Talan unbeeindruckt fort, "und das läßt auf jemanden schließen, der in seinem Leben noch ein bißchen was anderes getan hat als sich den Kopf darüber zu zerbrechen, auf welche Weise man korpulente Kundschaft am besten schlank erscheinen läßt. Ganz davon abgesehen, daß sich für einen cardassianischen Schneider garantiert bessere Weidegründe finden ließen als eine Raumstation vor der Haustür der Bajoraner." Er legte den Kopf etwas schräg und fixierte den Cardassianer ruhig. "Bei der Schlacht im Omarion-Nebel wurden sämtliche Teile des Obsidianischen Ordens ausgelöscht, so heißt es jedenfalls. Ich schätze, falls nicht, sollten die Überlebenden wohl besser vermeiden, dem Dominion über den Weg zu laufen."
"Ich glaube, an dieser Stelle beenden wir mal die Spekulationen." schaltete sich Rilkar eilig ein. "Garak?"
Der Cardassianer trat vor; er hatte den Kopf leicht gesenkt, die Augen funkelten, und sein Lächeln war im Begriff, die Grenze zum Grinsen zu überschreiten. "Ein Romulaner mit Köpfchen, Sie sehen mich überrascht." bemerkte er mit anerkennendem Nicken. "Selbstbewußt, aber nicht hochfahrend, eine Wohltat bei den vielen dünkelhaften Angehörigen seiner Spezies, denen man begegnet. Seine Kleidung spricht für seinen Geschmack und er trägt sie mit Haltung und Eleganz; ich würde sagen, er stammt aus einer guten Familie. Er hat übrigens recht, mein Lieber," erklärte er mit einem kurzen, bedauernden Blick über die Schulter, "Ihre Garderobe kommt noch immer einem Desaster gleich, wir müssen nachher unbedingt sehen, ob wir etwas für Sie tun können."
"Äh..."
"Ein guter Stall," begann Garak aufzuzählen, "mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit Ehrgeiz und Schneid, dazu Grips... Das romulanische Oberkommando müßte mit vollständiger Blindheit geschlagen sein - was ich nicht gänzlich ausschließen will - wenn er niemandem aufgefallen wäre. Außerdem riecht er geradezu nach Offizier. Subkommandant mindestens; Kommandant, wenn er sich niemanden weiter oben zum Feind gemacht hat. Er ist gut in Form; Sie übrigens auch, mein lieber Rilkar, das ist mir gleich bei unserem Wiedersehen aufgefallen. Kann es vielleicht sein, daß die Ursache mir hier in Gestalt Ihres romulanischen Freundes gegenüber steht? Tatsächlich fällt es mir aus irgendeinem Grunde ausgesprochen leicht, ihn mir mit Fechtstock in den Händen vorzustellen."
Talan kniff ein Auge zu und warf Rilkar einen amüsierten Blick zu. "Spekulationen, ach ja!" spottete er gutmütig. "Du hast sehr interessante Freunde, das muß ich sagen."
"Ein Urteil, dem ich mich anschließen möchte." Unversehens trat ein warmer Ausdruck in die Augen des Cardassianers und richtete sich zum Bleiben ein.
"Ihre Einschätzung ist korrekt:" gab er zu. "Ihr Volk gehört, um es einmal so auszudrücken, nicht unbedingt zu meinen Lieblingsspezies. Jedoch hat sich in den letzten Jahren in meinem Leben so viel Überraschendes ereignet, daß ich alle Gründe habe, auch alte, liebgewordene Ressentiments zu hinterfragen. Ich gebe einiges auf das Urteil meiner Freunde, und darum seien Sie mir willkommen. Ich glaube, Ihr Name lautet Talan, wenn ich das eben richtig mitbekommen habe."
Die Antwort des Romulaners bestand in einer knappen militärischen Verbeugung. "Kommandant des einhundertzweiundsechzigsten Regimentes." bestätigte er. "Ich gratuliere Ihnen zu Ihrer feinen Nase, Garak!"
Der Cardassianer schmunzelte. "Geschult und geschärft in abwechslungsreichen Zeiten." nahm er das Kompliment an, um unversehens ins Stocken zu geraten. Dann leuchtete es in seinen Augen auf eine Weise auf, daß Talan wußte, der Blick galt nicht mehr ihm. Er wandte sich um.
Im Eingang stand ein schlanker, noch relativ junger Terraner und grinste derart vergnügt und unbeschwert, daß der Romulaner sofort einer Sache sicher war: Auf exakt diese Weise hatte der Mann bereits zu Schulzeiten gelächelt. Tatsächlich empfand er es als erstaunlich schwer, sich nicht auf der Stelle davon anstecken zu lassen.
"Hoppla, noch so viel zu tun?" kommentierte der Neuankömmling die Situation und warf einen neugierigen Blick in die Runde. "Bin ich zu früh?"
"Nicht im entferntesten." lautete Garaks zufriedene Antwort. "Man könnte sagen, du kommst genau im richtigen Moment. - Meine Herren," wandte er sich an seine beiden Besucher, "ich möchte Ihnen die bei weitem wichtigste Person in meinem Leben vorstellen: Doktor Julian Bashir!"
Rilkar trat neben den Cardassianer und klappte endlich den Mund wieder zu. "Garak, Ihr Partner..." zischelte er leise, ..."Ihr Partner ist Mediziner der Sternenflotte?"
"Mein Partner ist der beste Mediziner der Sternenflotte." bestätigte Garak aufgeräumt, während Bashir bereits im Begriff war, sich mit Talan bekannt zu machen. "Freut mich, Sie kennenzulernen." lächelte er, während er ihm nach terranischer Art die Hand schüttelte. "Sie sind Romulaner, nicht wahr? Sie kennen Garak von früher?"
"Ich nicht, er schon." gab Talan mit einer Kopfneigung zu Rilkar zur Antwort. "Offen gestanden bin ich ebenfalls noch gespannt auf die Geschichte, ich bin erst kurz vor Ihnen hier eingetroffen. -. Wie wäre es denn damit?" rief er seinem Freund und Trainingspartner zu.
"Wie wir uns begegnet sind." Rilkar kratzte sich den Kopf und wechselte einen Blick mit Garak. "Tja... Das ist nun schon einige Jahre her, während meines Militärdienstes auf Bajor, um genau zu sein. Ich war einfacher Soldat in einem kleinen Städtchen, allerdings hatten wir nicht viel zu tun, weil Gul Karmalk vor meiner Ankunft auf fürchterlichste Weise dort aufgeräumt hatte, so daß die Leutchen dort kaum zu atmen wagten. Bei meinem Halbbruder Raskh, der in Tempasa stationiert war, sah die Sache freilich anders aus. Der Widerstand gelangte dort gerade zu seiner ersten wirklichen Blüte, und es passierte immer öfter, daß Patrouillenmitglieder nur noch in Einzelteilen zur Kaserne zurücktransportiert werden konnten. Da Raskh Offizier war, erhielt ich hin und wieder die Erlaubnis, ihn zu besuchen, und wenn wir uns sahen, ließ er sich jedesmal bis zu den Ohren vollaufen. Dabei pflegte er dann zu späterer Stunde Dinge von sich zu geben, die mich ziemlich unruhig die Umgebung beobachten ließen, weil nämlich unsere Vorgesetzten ein sehr unschönes und endgültiges Wort dafür gehabt hätten.
Eines späten Abends - mein Bruder war nach einem Anschlag gerade frisch genesen - reichte sein Alkoholpegel zwar bereits zum Singen und Fluchen, aber er war noch nüchtern genug, um bei Bewußtsein und zudem noch auf den Beinen zu bleiben. Leider teilte er meine Meinung nicht, daß es keine gute Idee war, sein frisch gedichtetes Liedchen seinen Kameraden vorzutragen, und so bestand er darauf, sich auf den kürzesten Weg zur Kaserne zu machen. In der Hoffnung, er würde unterwegs umkippen, brach ich mit ihm auf, und während wir durch die nächtlichen Straßen wanderten beziehungsweise schwankten, fragte ich mich ziemlich verzweifelt, wen Raskhs durchgeistigter Gesang wohl als erstes anlocken würde: Eine unserer Wachabteilungen oder einen Trupp des Shakaar-Widerstandes. In meinem Kopf begann gerade ein ganz und gar unbrüderlicher Einfall Gestalt anzunehmen, als wie aus dem Nichts ein Schatten auftauchte und Raskh mit einem blitzschnellen Hieb ins Reich der Träume schickte.
"Verzeihen Sie bitte," sagte die Gestalt und schüttelte ein wenig ihre Hand, "aber wir wollen doch nicht, daß die Patrouille zwei Straßen weiter den zweifellos köstlichen Gassenhauer Ihres Bruders mitbekommt, oder? Es sind eine Menge unschuldiger junger Rekruten dabei, von den beiden Offizieren ganz zu schweigen."
"Oh, und diese Gestalt war..."
"...ich." bestätigte Garak. "Wobei mir einfällt: Sie haben nicht zufällig irgendwo den wundervollen Text aufgeschrieben, mein Freund? Wenn ich mich recht entsinne, tauchte auch Gul Dukats Name in einer der Strophen auf..."
Rilkar holte tief Luft und stieß sie kräftig wieder aus. "Nein, und ich habe mich auch bemüht, ihn so schnell wie möglich zu vergessen. Eine Zeitlang hatte ich bei jedem Morgenappell das Gefühl, Glin Arkash könne die Verse in meinen Augen lesen."
"Hm..." machte der Romulaner und grinste ein wenig. "Und das war das Ereignis, das..."
"Naja, nicht ganz. Es war ungefähr ein Vierteljahr später, ich hatte mir gerade die Stiefel von den Füßen gezogen und wie üblich unter meine Pritsche gestoßen, als mir zweierlei auffiel: Anders als sonst verschwanden die Biester nicht vollständig darunter. Außerdem protestierten sie, was mir ebenfalls neu war, mit einem Ächzen."
"Es ist nicht gerade angenehm, mit viel Schwung einen Absatz gegen die Nase zu bekommen." rechtfertigte sich Garak, der sich in der Erinnerung daran an das bewußte Körperteil faßte. "Sie haben einen außerordentlich kräftigen Tritt am Leibe, mein Freund."
"Man muß dazu sagen, daß unsere Einheit in einem ehemaligen Kloster untergebracht war und ich wie alle einfachen Soldaten in einer der Zellen nächtigte." erklärte Rilkar. "Hätte ich den Raum wie sonst mit fünf Kameraden teilen müssen, wäre die Angelegenheit wohl um einiges problematischer geworden. So gelang es Garak aber ohne große Komplikationen, sich sechs Tage lang unter meiner Pritsche zu verbergen, wobei er dankbar für den Holzfußboden war. Auf Stein hätte er sich höchstwahrscheinlich eine saftige Erkältung zugezogen, und in dem Fall..."
"Aber wie und warum...?" wandte sich Bashir staunend an seinen Partner.
"Sagen wir einfach, daß ich für einige Tage von der Bildfläche verschwinden mußte." antwortete der mit einem milden Schmunzeln. "Zugegeben, der Schlafkomfort ließ etwas zu wünschen übrig, aber in Anbetracht der Tatsache, daß Rilkar mich mit reichhaltigen Mahlzeiten versorgte, konnte ich mich eigentlich nicht beschweren."
"Und nach Ablauf der sechs Tage..." vermutete Talan.
"...war er weg." bestätigte der Ingenieur. "Später sind wir uns immer wieder über den Weg gelaufen, wobei wir uns gegenseitig den einen oder anderen Gefallen erweisen konnten. Zum Beispiel konnte ich als einfacher Zivilist besser in bestimmten Vierteln Erkundigungen einziehen, in denen Garaks Gesicht bereits bekannt war. Er hingegen verfügte über Beziehungen, über die er mir seltene Legierungen für den Bau meines Triebwerks beschaffen konnte. Der allerletzte Kontakt erfolgte etwa ein Vierteljahr, nachdem Garak Cardassia hatte verlassen müssen, dann riß er ganz ab."
"So war das also!" Bashir rieb sich nachdenklich das Kinn, und sein Lächeln ließ ahnen, daß sich sein Partner später einiges an Fragen würde gefallen lassen müssen. Sein Blick hob sich. "Und Sie beide? Sie sind Freunde, richtig? Recht ungewöhnlich, könnte man meinen. Wie kam es denn dazu?"
"Äh... ja. Offen gestanden..." Rilkar sah hilfesuchend zu Talan hinüber, doch der lächelte nur etwas bösartig. "Nur zu!"
"Naja, denn... Um es ganz kurz zu machen... Als mein Triebwerk kurz vor der Fertigstellung stand, drohte mir die Konkurrenz unter der Hand an, mich wegen Industrieverrats zu diskreditieren, das hätte mir lebenslängliche Zwangarbeit in den Minen eingebracht. Man hatte gehofft, ich würde dem Druck nachgeben, meine Arbeit zurücklassen und untertauchen, dann wäre man billig an mein Konzept gelangt. Stattdessen, äh, beging ich eine ziemliche Dummheit und machte mich aus dem Staub. - Die Sache war noch um einiges komplizierter." räumte er ein und gestikulierte etwas hilflos. "Jedenfalls geriet ich durch einen Computerfehler in die Neutrale Zone, wurde von romulanischen Jägern abgeschossen und kurz darauf gefangengenommen. Dabei traf es sich, daß der Militärkommandant des Lagers gerade ziemlich verzweifelt versuchte, sich auf die Kämpfe auf Romulus vorzubereiten - eigentlich ein Ding der Unmöglichkeit, da man sein Regiment praktisch ans Ende der Welt versetzt hatte."
Garak begann begreifend zu grinsen, und Bashirs Gesicht hellte sich auf. "Ah, die berühmten romulanischen Kämpfe, davon habe ich schon gehört. Das sind gewissermaßen die Olympischen Spiele für romulanische Kampfsportarten, nicht wahr?"
"Und an dieser Stelle kamen Sie ins Spiel." schloß Garak und nickte Talan zu. "Stockfechten, natürlich - Sie brauchten einen fähigen Trainingspartner, und tatsächlich fiel einer vom Himmel. Sie waren zu beglückwünschen, das muß ich sagen."
"Du meinst also, er ist gut?" erkundigte sich Bashir mit einem neugierigen Blick auf den Ingenieur.
Garak hob die Brauenbögen. "Der beste!"
"Nun, wie sich zeigte, sind unsere Talente ziemlich ausgeglichen verteilt." gab Rilkar zu. "Talan ist vielleicht eine Idee schneller als ich. Was seine Kraft hingegen angeht, muß ich sagen..."
"Paß auf, was du hier behauptest!" warnte ihn der Romulaner. "Du weißt, du kriegst es in der nächsten Trainingseinheit zurück."
"Jedenfalls, um zum Abschluß zu kommen... Talan flog nach Romulus, setzte sich gegen sämtliche Konkurrenten durch, fegte zum Abschluß seinen Hauptwidersacher aus dem Gefecht und kehrte als Sieger zurück. Einige Zeit später, äh, setzte er sich dafür ein, daß ich und noch ein paar andere Gefangene die Freiheit wiedererlangten, mit Erfolg, wie man sieht."
"Bravo!" lobte der Cardassianer und applaudierte, während Talan neben den Ingenieur trat. "Feigling!" raunte er.
„Es wäre sicherlich interessant, irgendwann einmal die vollständige Version der Geschichte zu hören.“ befand Garak. „So das möglich ist. Ehrlich gesagt könnte ich mir vorstellen…“
„Hallo Onkel Julian!“ meldete sich das nicht im geringsten überraschte Stimmchen von vorhin gleich neben ihm. „Onkel Garak, ich hab die Aufgabe gaaanz oft gerechnet und bekomm immer sechsundfünfzig raus. Krieg ich die Schokolade?“
„N’Abend Molly!“ grüßte Bashir zurück. „Hört sich für mich fast nach Siebenereinmaleins an. - Was für Schokolade?“ fragte er mit einem überraschten Blick zu seinem Partner.
Der Ingenieur hatte die Augen aufgerissen. „Du meine Güte!“ brachte er heraus. „Das… ist eine kleine Terranerin, nicht wahr? Ist das etwa…“
Garak stutzte kurz, dann begriff er und begann vergnügt zu schmunzeln. „Mitnichten, mein Freund! Diese gescheite kleine Dame ist Molly, die Tochter der O’Briens, liebe Freunde von uns, die sich gerade mit ihrem kleinen Sohn auf Bajor aufhalten. Zugegeben, es wäre in der Tat wundervoll und eine große Ehre, sie Tochter nennen zu dürfen."
Talan wiegte nachdenklich den Kopf. "Und wenn Sie sie ihnen abkaufen würden? Man müßte verhandeln und vielleicht einen Langzeitkredit aufnehmen. Aber ein so reizendes und kluges Kind wäre zweifellos eine finanzielle Kraftanstrengung wert."
Molly starrte mit aufgerissenen Augen zu dem Romulaner hoch, der mit einem vergnügten Grinsen antwortete. Als er zudem verschwörerisch ein Auge zukniff, begriff sie jedoch, daß es dem Fremden in keiner Weise Ernst mit seinem Vorschlag gewesen war.
"Hi!" machte sie belustigt, "Sie sind aber ein komischer Romulaner!", womit sie Garak in der Vermutung bestätigte, daß sie nicht nur gerechnet, sondern auch kräftig die Ohren gespitzt hatte. Rilkar hingegen warf Talan einen spöttischen Seitenblick zu.
"Der komischste, mit Abstand!" versicherte er Molly ernsthaft nickend.
"Es ist schon recht spät; ich weiß nicht, wie es Ihnen geht, aber mir knurrt der Magen." bemerkte Bashir. "Was halten Sie davon, wenn wir alle zusammen..."
Er verstummte überrascht, weil irgendwo draußen ein Schrei erklungen war - wild, zornig und triumphierend zugleich. Es herrschte eine kurze Stille, während derer sich Talan und der Ingenieur einen alarmierten Blick zuwarfen.
"Das... das war ein Jagdruf." stellte Rilkar nervös fest. "Aryshtin, oder?"
Der Romulaner kam nicht mehr dazu, zu antworten, weil gleich mehrere Dinge rasch hintereinander passierten. Der Widerschein von Blitzen wurde in den Laden geworfen, dann wurde es laut auf dem Promenadendeck. Erschreckte Stimmen schallten herein, die gleich darauf von einem beängstigenden Dröhnen überlagert wurden, das sich jedoch rasch entfernte. Bevor sich aber jemand fassen konnte, stand ein vierbeiniges goldbraunes Ungetüm im Eingang. "Kommandant, gut, daß ich Sie gefunden habe!" rief es in den Laden. "Die Jagdführerin hat einen Gründer gewittert und wird ihn gleich stellen. Kommen Sie schnell, wenn Sie es miterleben wollen!"
Dann wirbelte es herum und ließ die Erwachsenen in schockiertem Schweigen zurück. Nur das kleine Mädchen starrte dem Etwas in fasziniertem Staunen hinterher. "War das ein Hund?" wollte es wissen. "Können Hunde reden? Die ganz, ganz großen?"
"Ein Gründer, der hat uns noch gefehlt!" platzte der Romulaner, sich aus seiner Starre lösend, heraus. "Machen Sie sich keine Sorgen," wandte er sich hastig an Garak und Bashir, "mit dem werden wir fertig. Bleiben Sie beide am besten mit dem Kind hier drinnen, bis die Sache vorbei ist."
Dann wollte er losstürmen, aber die Stimme des Cardassianers ließ ihn prompt wieder abbremsen: "Ach du meine Güte, ich fürchte, ihre... Leute sind auf die Spur unseres guten Constable Odo gestoßen..."
"WAS?!!" Talan drehte sich um und sah ihn fassungslos an. "Wie meinen Sie das? Wollen Sie damit sagen, daß sich ein Gründer legal auf der Station aufhält?"
"Kein Gründer, er ist auf Bajor aufgewachsen und lehnt das Dominion ab." versuchte Bashir eilig zu erklären. "Er füllt hier die Position des Sicherheitschefs aus, und das macht er wirklich exzellent. Wir kennen ihn privat, er ist ein durch und durch guter und integrer Mann."
"Na wundervoll!" ächzte Rilkar. "Schnell Talan, wir müssen hin und ihn retten, bevor..."
"Aber es ist doch so gut wie unmöglich, einen Formwandler..." begann Bashir verwirrt.
"Von wegen!"
Garak wirbelte zu dem Kind herum. "Molly," erklärte er hastig, "die Schokolade ist in der obersten Schublade der Accessoirekommode. Du bleibst hier hübsch im Laden, bis wir zurückkommen, versprochen?"
"Ookeee..."
Im nächsten Augenblick waren die Erwachsenen aus dem Laden gerannt. Molly sah sich um, erwählte dann einen nahen Stuhl als Kletterhilfe und schob ihn unter nervtötenden Schleifgeräuschen zu dem bewußten Möbelstück. Ein Blick in die oberste Schublade zeigte ihr, daß die Angabe stimmte: Die Schokolade befand sich ganz vorn neben einer Schachtel mit andorianischen Sandknöpfen. Ohne Zögern klaubte sie die Süßigkeit heraus, setzte sich auf die Deckplatte der Kommode, öffnete die teuer aussehende Verpackung und schnupperte am Inhalt. Nach der ersten Kostprobe beschloß sie, die Sache mit dem Riegel überhört zu haben und begann vergnügt mit den Beinen zu baumeln. Sie wußte, daß Onkel Garak nicht kleinlich sein würde, wenn sie brav war und den Laden nicht verließ.
Im übrigen waren ihr Gerenne und Geschrei auf der Promenade nichts Neues. Gewöhnlich kam dann irgendein Erwachsener angestürmt, zerrte die anwesenden Kinder vom Ort des Geschehens weg und sperrte sie in einen Raum, den er "in Sicherheit" nannte. Und in längst nicht allen davon gab es Schokolade.

Es war für die vier nicht sonderlich schwierig, den richtigen Weg zu finden - man rannte einfach dorthin, wo alle anderen herkamen. Das gesamte stationstypische Gemisch kam ihnen entgegengestürmt, panische Rufe ausstoßend und mit schreckengeweiteten Augen. Bashir erkannte den Barbesitzer Quark, die Ellbogen in hastigem Wechsel in die Luft stoßend, die Beine wirbelnd wie in dem angestrengten Versuch, unter dem zierlichen Ferengikörper wegzulaufen. "Tiiieeeee..." hörte der Mediziner ihn beim Näherkommen schreien, um dann - handelte es sich wirklich um einen Dopplereffekt? - sich direkt, nach dem sie einander passiert hatten, mit einem wesentlich tieferen Ton zu entfernen: "....reeeeeeeee!!!" Dann keuchte auch Bashir fassungslos auf.
"Du lieber Himmel, ein Glück, daß Molly dachte..." platzte er heraus. "Und das riesige Gelbe dort, ist das etwa... - Nein... das ist... kein... Pferd..."
Mitten im Zentrum des Aufruhrs befand sich der Formwandler - Talan hätte die sonderbare Physiognomie überall wiedererkannt - umringt von seinen Deputies, die ihre Waffen im Anschlag hatten und sichtlich nervös versuchten, die Rhazaghaner auf Abstand zu halten. Bis auf Aryshtin waren alle Angreifer in die kampfstarke Zahnluum gewechselt, welche die kleine Molly für einen kolossalen Hund gehalten hatte. Der junge Brispin war gerade dabei, auf den Stellvertreter des Constables einzuschreien, er möge verdammt noch mal zur Seite gehen und sich in Sicherheit bringen, während sich seine übrigen fünf Kameraden darauf konzentrierten, die Blockade geschlossen zu halten. Nur die Jagdführerin umkreiste langsam, den mächtigen ockerfarbenen Hals gesenkt, die Festung aus Sicherheitsleuten. Daß der Formwandler die Hände gehoben hatte und sanft und beschwichtigend auf sie einsprach, kümmerte sie nicht im mindesten, aber sie ließ ihn kein einziges Mal aus den Augen.
Garak, Bashir und Rilkar bremsten ab, doch der Romulaner, der wußte, daß die Rhazaghani nur Augenblicke vor dem Angriff stand und dem Formwandler die Berührung mit ihren Wechselblitzen nicht gut bekommen würde, warf sich ohne Zögern zwischen die Fronten. "Nein, nicht!" rief er aus und riß vor der vor ihm aufragenden Jägerin die Arme in die Höhe. "Er ist kein Gründer, er hat sich von ihnen losgesagt! Hörst du, Aryshtin, der Mann ist nicht gefährlich, er gehört zur Station!"
Die Rhazaghani blinzelte wie eine Erwachende und sah auf ihn hinunter. "Zur Station?" wiederholte sie verwirrt, den Körper weiterhin angespannt. "Aber das ist ein Formwandler, wie soll ein..." Sie schüttelte sich, dann hob sie den großen eleganten Kopf und blickte wieder zu dem abwartenden Constable hinüber. "Losgesagt?"
"Ja Aryshtin, ich schätze, er hält vom Dominion ebenso wenig wie wir. Wie ich gerade erfahren habe, ist er hier der Sicherheitschef."
Sie zögerte einen Moment, dann kündigte eine subtile Änderung in ihrer Atmung den Wechselblitz an, und Talan schloß die Augen. Als er sie wieder öffnete, war die Rhazaghani aus der Steppenluum in ihre humanoide Grundform zurückgekehrt, den Blick immer noch unverwandt auf den Constable gerichtet.
Fast atemlos beobachtete der Romulaner die Kontaktaufnahme der beiden Geschöpfe. Tatsächlich war nun deutlich erkennbar, daß es sich bei dem Formwandler um einen ungewöhnlichen Vertreter seiner Spezies handelte: Mit lippenlosem, geschlossenem Mund, doch überraschend sanft und freundlich lächelte er zu der großen Rhazaghani auf, in den tiefliegenden Augen eine Mischung aus Freude und Staunen, die geradezu etwas Kindliches hatte. Auch Aryshtin stand da und staunte; dann wurden ihre Züge weicher, und wie versuchsweise erschien ein erstes Lächeln auf ihren Lippen.
"Darf ich vielleicht erfahren, was das alles zu bedeuten hat?" durchschnitt unvermittelt eine tiefe, ungehaltene Stimme die Stille. "Wer ist für diesen Auftritt hier verantwortlich?"
Talan drehte sich um. Nur wenige Schritte entfernt stand ein kräftiger dunkelhäutiger Terraner, bekleidet mit der Uniform eines Captains der Sternenflotte, die Fäuste verärgert in die Seiten gestemmt. Flankiert wurde er links von einer jungen Bajoranerin mit dem Gesicht eines gereizten Khoumars, während sich auf seiner rechten Seite, die Waffe im Anschlag, der geschniegelte Klingone von vorhin befand. Sein Blick war fest auf Talan gerichtet, und seiner Miene nach zu schließen hatte man ihm gerade eröffnet, daß er ab sofort zweimal im Jahr Geburtstag feiern durfte.
"Äh, Captain Sisko, es ist alles in Ordnung, es handelt sich nur um einen unbedeutenden Zwischenfall." schaltete sich der Formwandler hastig ein. "Diese ausgesprochen interessanten Leute haben lediglich..."
"Verzeihen Sie, Mr. Odo, aber ich beurteile die Situation etwas anders." wischte sein Vorgesetzter den Erklärungsversuch beiseite. "Und ich warte immer noch auf Auskunft, wer für die Gruppe spricht. Also raus damit: Wer ist hier der kommandierende Offizier oder wie auch immer Sie es nennen."
Der Begriff "kommandierender Offizier" legte in Talan einen Schalter um. Hinter sich hörte er Aryshtin Luft holen, doch noch bevor sie etwas äußern konnte, beantwortete er die Frage. "Das bin ich!"
Der Mann namens Sisko runzelte die Stirn. "Sie?!" kommentierte er Talans Bekenntnis mit einer Mischung aus Überraschung und Mißtrauen. "Sie sagen, Sie führen diesen... Trupp an? Moment mal, Sie sind doch Romulaner oder irre ich mich?"
"Nein." erwiderte Talan ergeben. "Sie irren sich nicht. Ich bin Romulaner, das haben Sie ganz richtig erkannt."
"Soll ich ihn und seine Leute festnehmen, Sir?" fragte der Klingone, vor Eifer fast zitternd.
Sisko rieb sich überlegend das Kinn. "Nicht so schnell!" bremste er. "Vor allem hätte ich gern eine Stellungnahme, und zwar," - er zeigte mit dem Daumen über die Schulter - "oben im Besprechungsraum." Sein Blick glitt über die wartenden Rhazaghaner, die sich zum Teil noch in der Zahnluum befanden, ihn mit großen Augen beobachteten und von denen jeder für sich eine Menge Platz in Anspruch nahm. "Fürs Erste würde mir genügen, wenn nur Sie mitkämen, vorausgesetzt," seine Stimme nahm einen warnenden Tonfall an, - "Sie verbürgen sich dafür, daß sich Ihre Leute friedfertig verhalten. - Und wer sind Sie?" wandte er sich an Rilkar, der soeben neben Talan getreten war.
"Sein Chefingenieur." antwortete der Halbcardassianer munter. "Und ich würde ihn gerne begleiten, vorausgesetzt, Sie haben nichts dagegen."
"Chefingenieur." konstatierte Sisko trocken. "Also gut, von mir... - Und was haben Sie mit diesen Leuten zu tun, Mr. Garak?" fragte er verblüfft den Cardassianer, der die Zweiergruppe gerade um eine Person erweiterte.
"Bitte Captain," erwiderte der Schneider mit einer leichten, gewandten Verbeugung, "da ich die Vorgeschichte dieses kleinen Mißverständnisses kenne, würde ich gern einen Beitrag zu dessen Aufklärung leisten. Mr. Rilkar ist ein alter Freund von mir." fügte er hinzu.
"Ein alter Freund." wiederholte Sisko tonlos, langsam nickend. "Mr. Garak, ich bin mir natürlich bewußt, daß es in Ihrem Leben im Laufe des letzten Jahres zu großen und erfreulichen Veränderungen gekommen ist, trotzdem oder vielmehr gerade darum wäre mir wohler, wenn Sie diesen Mann als neuen Freund bezeichnet hätten. - Nicht doch, Sie auch noch, Doktor?" fragte er schwach, als Bashir das Trio in ein Quartett verwandelte.
"Ja Captain!" entgegnete der Mediziner mit jungenhaftem Grinsen. "Ich würde mich ebenfalls gerne an der Beilegung der Sache beteiligen. Jedenfalls wenn Sie gestatten, Sir!"
"Na schön." gab sich Sisko geschlagen und warf noch einen letzten mißtrauischen Blick zu den Rhazaghanern hinüber. "Constable, Sie haben ein Auge auf die übrigen!" Er atmete tief durch. "Dann kommen Sie mal alle mit..."

"Also," begann der Captain einen Moment später, nachdem alle Platz genommen hatten, "um mal etwas Überblick über die Angelegenheit zu bekommen, hätte ich vor allem gern gewußt, wer Sie sind und wie Sie hergekommen sind. Wie Sie sicher wissen, verstieße ein getarnter romulanischer Warbird im Bereich der Station gegen sämtliche..."
"Kommandant Talan vom einhundertzweiundsechzigsten Regiment." antwortete der Romulaner, der nur wenige Dinge nervtötender fand als langes terranisches Palaver. Darüber hinaus war er nicht sonderlich begeistert, wie ein linkischer Idiot der amüsiert schmunzelnden Trill von vorhin gegenüberzusitzen. "Unser Schiff ist die Arrhinia D'jah."
Siskos Brauen kletterten in die Höhe. "Dieser große Vogel, der gerade über der Station steht?" fragte er verblüfft. "Moment, dann handelt es sich also bei den Leuten da auf der Promenade um Söldner, oder..."
"Keine Söldner!" unterbrach Talan ihn gereizt. "Sie stammen von Rhazaghan. Mein Regiment wurde dort stationiert, um bei der Verteidigung des Planeten Unterstützung zu leisten. Wir befinden uns zur Zeit auf dem Rückflug von einem Einsatz."
Der Captain wechselte einen ratlosen Blick mit der Trill, die ihm nach einer flinken Eingabe ihr PADD hinüberschob. Der Terraner las ein paar Augenblicke stumm, dann hob er die Augen wieder und strich sich nachdenklich über den Bart.
"Allmählich habe ich den Eindruck, dem falschen Ansprechpartner gegenüberzusitzen." befand er. "Wenn ich das richtig verstanden habe, müßte es bei Ihnen drüben einen Clanführer geben, der..."
"Zwei." entgegnete Talan knapp. "Der eine hat vom Schiffsarzt wegen chronischer Überanstrengung eine durch Medikamente unterstützte Schlafkur verschrieben bekommen und ist wahrscheinlich nicht einmal durch schweres Geschützfeuer wach zu bekommen."
"Ah so, und der andere..."
"...dürfte munter sein. Sie müssen lediglich die Kabine seiner Gefährtin aufsuchen und den beiden erklären, Sie möchten bitte die Zeugung ihres ersten Kindes auf den Hochsommer im nächsten Jahr verschieben. Versuchen Sie es ruhig, ich bin wirklich neugierig auf die Reaktion."
Es blieb einen Moment still, wenn man einmal von dem leisen Kichern der Trill absah. Sisko lehnte sich langsam in seinem Sessel zurück. "Oh," kommentierte er schließlich mit langsamem Nicken, "ja, wenn das so ist..."
"Sie werden sich also mit mir begnügen müssen." schloß der Romulaner.
"Verzeihen Sie bitte, wenn ich mich an dieser Stelle einmische, Captain:" meldete sich Garak zu Wort. "Kommandant Talans Leute hatten geglaubt, die Station sei durch einen Gründer bedroht und meinten dementsprechend handeln zu müssen, was ich für einen durchaus mutigen und noblen Einsatz halte. Wenn man dann noch in Betracht zieht, daß bei dem kleinen Vorfall keine Person zu Schaden gekommen ist..."
"'Kleiner Vorfall'?!" grollte Sisko. "Wir können nur von Glück sagen, daß niemand von den Rhazaghanern niedergetrampelt worden ist. Allein wenn ich an den Größenunterschied denke..."
"Da kann ich Sie beruhigen, diese Gefahr bestand in keinem Moment." ließ sich der Ingenieur hören. "Aryshtin und ihre Leute sind Vollprofis und wissen auf Leute, die sich in keiner Luum befinden, Rücksicht zu nehmen. Jäger halten sich zwar mit Vorliebe in ihrer Lieblingsgestalt auf, aber in einer rhazaghanischen Wohnstätte werden Sie schon aus Platzgründen meistens der humanoiden Grundform begegnen."
"Jäger." sagte der Captain verdrossen. "Damit Sie mich recht verstehen, meiner Ansicht nach ist eine Raumstation wohl kaum der geeignete Ort, um..."
"Wie man's nimmt!" widersprach Talan. "Ist Ihnen Starview Red ein Begriff?"
Auf Siskos Stirn erschien eine steile Falte. "Selbstverständlich! Eine Raumstation, die verschiedene im Jotan-Sektor ansässige Bergbaukolonien unterstützt hat. Im Krieg erhielt sie zunehmend strategische Bedeutung, geriet jedoch letztes Jahr in Verdacht, von einem Gründer infiltriert worden zu sein. Die Gegenmaßnahmen erfolgten leider zu spät; die Station war bereits sabotiert worden und wurde bei einem Angriff zerstört. Glücklicherweise gab es nur wenige Verluste; das Dominion war darauf aus gewesen, möglichst viele Gefangene zu machen, um sie gegen den Diolarn-Sektor auszutauschen. Da die Föderation ohnehin nicht in der Lage gewesen wäre, ihn noch lange zu halten..."
"Das Stichwort ist 'Gegenmaßnahmen'." wurde er von Talan unterbrochen. "Den Gegenmaßnahmen sind sie gerade eben da unten begegnet."
Sisko starrte ihn an. "Sie meinen, diese Leute waren..."
"...ein Jagdtrupp, auf Bitten Ihrer Generalität zusammengestellt, um den Gründer auf Starview Red ausfindig und unschädlich zu machen." nickte der Romulaner. "Wie Sie ganz richtig sagten, hatte der Saboteur die Station jedoch schon wieder verlassen. Die Rhazaghaner, die Sie eben gesehen haben, sind mitten in den Angriff des Dominion geraten. Aber leider wurden sie nicht wie die übrigen Gefangenen ausgetauscht."
"Sie wurden nicht..."
"Nein, und fragen Sie nicht, wie schwer es war, sie wiederzubekommen. Daß wir uns gerade auf dem Rückweg von der Mission befinden, liefert Ihnen vielleicht eine Vorstellung. Im übrigen ist es mir ein Rätsel, warum Sie nicht gleich beim Betreten der Station darauf hinweisen, daß ein Formwandler auf DS9 lebt und daß er harmlos ist. Ist Ihnen bei all dem Kommen und Gehen, das auf so einer Station herrscht, nie der Gedanke gekommen, entsprechende Schilder aufzustellen?"
Das Gesicht des Captains verdunkelte sich. "WAS?! Hören Sie mal zu, das ist..."
"...eigentlich eine ganz ausgezeichnete Idee." meldete sich Bashirs nachdenkliche Stimme vom anderen Ende des Tisches.
"Wie bitte, was reden Sie da Doktor?" japste Sisko pikiert. "Finden Sie tatsächlich, man sollte..."
Bashir lehnte sich vor. "Ganz ehrlich, Captain, meiner Ansicht nach lohnt es sich wirklich, den Gedanken aufzugreifen. Es ist einfach eine Tatsache, daß die Herren des Dominion auf etlichen Planeten wahre Katastrophen verursacht haben. Die Bewohner dieser Welten haben schwere Traumata davongetragen, und eine unvorbereitete Begegnung mit Odo könnte panische Reaktionen hervorrufen. Insbesondere für die Rhazaghaner da unten muß es einem Schock gleichgekommen sein, hier in vermeintlich sicherer Umgebung auf die Witterung eines Formwandlers zu stoßen. Wie dem auch sei, ich hatte vorhin ein wenig Gelegenheit, Kommandant Talan kennenzulernen. Von daher glaube ich, daß wir uns wegen unserer Gedankenlosigkeit keine Sorgen zu machen brauchen; er wird sicherlich nicht darauf bestehen, irgendwelche offiziellen Vorwürfe zu erheben, nicht wahr, Kommandant?"
Talan sah verblüfft zu Bashir hinüber. Er bemerkte ein vergnügtes Aufblitzen in den Augen des Doktors und nun schaltete er.
"Naja," sagte er langsam, "niemand soll von mir behaupten, ich sei kein verständnisvoller Mann..."
"Wundervoll!" freute sich Bashir. "Ich würde sagen, da sind wir gerade noch einmal davongekommen, nicht wahr, Captain?"
Sisko schwieg einen langen Moment, dann streckte er langsam und drohend den Arm aus und zeigte zur Tür. "Raus!!!" knurrte er.
"War nett, Sie kennenzulernen." erklärte Rilkar, der als Letzter den Raum verließ und dem Captain im Vorbeigehen jovial die Hand schüttelte. "Wir werden Ihre Einrichtung auf alle Fälle weiterempfehlen." Dann fuhren zischend die Türhälften zusammen.
Draußen atmete Talan tief durch. "Vielen Dank für Ihre Hilfe, Julian, das war..."
"Pst, einen Moment!" unterbrach ihn Bashir leise und lauschte einen Augenblick. Dann begann er zu grinsen und winkte seinen Kameraden, zu gehen.
Drinnen im Besprechungsraum erklang das schallende Gelächter von Lieutenant Commander Jadzia Dax.

Einiges später, etwa um die Zeit, zu der auf Planeten die Sonne unterging und kleine Kinder ins Bett gebracht wurden, balancierte der Inhaber des Quark´s ein vollbeladenes Tablett zu einem Tisch mit bunt gemischter Gesellschaft.
"Bitte sehr, Kommandant!" erklärte er und stellte ein Glas mit blauem Inhalt vor dem Angesprochenen ab. "Pas Bedarii, das beste, das Sie als Replikatorqualität geboten bekommen, fast noch besser als das Original. Für den Herrn Ingenieur einen Kanar und einen weiteren für Mr. Garak. Dann haben wir hier das Stout für den Chief, für den Doktor einen Samarian Sunset, hier den Frühlingswein für den Major, einen Pflaumensaft für..."
Talan hielt sein Glas gegen das Licht und nahm dann bedächtig einen kleinen Schluck. Er hatte bereits Erfahrungen mit romulanischem Ale aus Föderationsreplikatoren gemacht, die ihn hatten vorsichtig werden lassen.
"Und?" fragte Rilkar gespannt, während sein Freund nachdenklich zur Decke blickte, anschließend nickte und zu einem zweiten, beherzteren Zug ansetzte.
"Nicht übel, auch wenn es mit deinem Ale-Programm nicht ganz mithalten kann. Trotzdem, ordentlicher Laden! Von wem hast du es gewußt, von Nirrit?"
"Exakt! Sie war schon einmal hier, damals, kurz vor duweißtschon, und sie dachte sich, daß er uns gefallen könnte. Für sie und ihre empfindliche Nase hingegen ist das Quark´s nicht so ganz das richtige. Du weißt ja, daß Rhazaghaner keinen Alkohol mögen."
Die Unterhaltungen am Tisch verstummten; Rilkar und Talan wurden aufmerksam und folgten den Blicken der anderen, um Aryshtin und den Formwandler diskutierend die Treppe herunterkommen zu sehen, die zu den Holo-Suiten führte. Offenbar handelte es sich um ein interessantes Gespräch: Aryshtin gestikulierte und lachte, während Odo ihr aufmerksam zuhörte. Zwischendurch schien er eine Sache genauer wissen zu wollen, worauf beide auf den Stufen Halt machten und ihr Thema noch lebhafter erörterten.
Der Ferengi drückte sein mittlerweile leeres Tablett andächtig vor die Brust und verschlang die Rhazaghani mit den Augen. "Was schätzen Sie, was haben die beiden da oben wohl gemacht?" fragte er gedämpft. Dann besann er sich, warf einen hastigen Blick auf Major Kira und hüstelte. "Selbstverständlich nichts Unanständiges, versteht sich." betonte er etwas lauter. Dann sehr leise, mit einem verträumten Blick nach oben: "Ich meine, was sollte man auf einer sonnenbeschienenen Waldwiese auch Unanständiges anstellen..." Gleich darauf war er wieder hinter seiner Theke verschwunden.
"Und Molly hatte wirklich keine Angst vor dem Rhazaghaner?" fragte ein stolzer Vater etwas weiter rechts zum mittlerweile vierten Mal.
"Sie zuckte nicht mit der Wimper." bestätigte Garak mit unerschöpflicher Geduld. "Sie wollte lediglich wissen, ob Hunde reden können, nicht wahr, Julian?"
"Jedenfalls die ganz großen." präzisierte sein Partner. "Die Zeit auf der Station hat ihr auf keinen Fall geschadet, ihr zieht da eine ganz unerschrockene junge Dame groß, Miles!"
"Meine Güte, und ich dachte zuerst, sie erzählt wieder eine von ihren Phantasiegeschichten..."
"...und dabei war jedes Wort wahr. Kauf ihr nie einen Hund, Miles, jedenfalls kein großes Exemplar. Sie könnte möglicherweise etwas enttäuscht sein."
"Hey Kommandant Talan!" rief Jadzia Dax lächelnd herüber, was den Romulaner den Kopf wenden ließ. "Ein hübsches Schiff haben Sie da oben. War sicher eine ganz ordentliche Umstellung nach Ihren Warbirds, oder?"
"Ziemlich!" gab er zu und lächelte zurück. "Es hat schon einiges an Flexibilität erfordert, aber sie ist es wert. Die Arrhinia D'jah ist wirklich ein Schiff, mit dem man sich in die Schlacht wagen kann."
Sie lachte. "Freilich scheint ein etwas rustikaler Tonfall auf Ihrer Brücke zu herrschen. Fähnrich DeCurtis hatte es vorhin mit Smalltalk versucht, doch da kam er der Lady auf der anderen Seite schön an."
"Seltsam, eigentlich sind Rhazaghaner sehr freundlich." erwiderte Talan und verkniff sich den Nachsatz '...aber manche ihrer Schiffe nicht'. Er hob sein Glas, um Lieutenant Commander Worf zuzuprosten, der mit etwas finsterer Miene neben der Trill saß. Die Nasenlöcher des Klingonen blähten sich, aber immerhin, nach kurzer Verzögerung griff auch er nach seinem Glas und nickte düster.
Nach einer Weile vermischten sich die Grüppchen oder lösten sich auf. Am Ende saßen nur noch fünf Personen am Tisch: Talan unterhielt sich mit Garak und Bashir über das Leben auf Schiffen und Raumstationen, während sich Rilkar und Chief O'Brien von irgendwoher ein PADD besorgt hatten und gemeinschaftlich die Klappenform von Impulsreaktorkammern revolutionierten. Schließlich meldete sich Talans Schiffskommunikator.
"Es wurde ein Verband cardassianischer Schiffe im Anflug auf den Markoa-Sektor gemeldet." wurde eine resolute Frauenstimme hörbar. "Wie sieht es aus, fliegen wir heim oder prügeln wir uns?"
"Du hast recht, es wird Zeit!" gab Talan knapp zurück und erhob sich. "Julian, Garak, es tut mir sehr leid, aber..."
"Jegliche Entschuldigung ist hier überflüssig." erwiderte der Cardassianer verständnisvoll. "Sehen Sie vor allem zu, daß Sie heil wieder zurück nach Rhazaghan kommen. Wenn Sie gestatten, werden Julian und ich Sie zur Luftschleuse begleiten."
Sie zahlten und verließen das Quark´s, um draußen prompt dem Jüngsten aus Aryshtins Trupp zu begegnen. Brispin befand sich in der Steppenluum und trabte mit drei jauchzenden Bajoranerkindern die Promenade hinauf und hinunter, während die Mutter der kleinen Schar hartnäckig Schritt hielt und empört zum Bettgang aufforderte. Erst auf Talans Zuruf hin blieb der Rhazaghaner stehen und ließ zu, daß die Bajoranerin ihre protestierenden Sprößlinge von seinem Rücken herunterpflückte.
Aryshtin bog um die Ecke, ebenfalls in der Steppenluum, und rief ihre Leute zusammen. Gleich darauf waren die fünf Humanoiden von einer Gruppe hochbeiniger Geschöpfe umringt.
"Äh, und du bist wirklich ganz sicher, Julian..." raunte der Chief nervös, der sich von den großen Körpern regelrecht eingemauert vorkam, doch der Doktor lächelte. "Aber ja, Miles, mach dir keine Sorgen, Rhazaghaner sind ausgesprochen friedlich." beruhigte er seinen Freund. "Tatsächlich ist es nur eine Sache des Äußeren."
"So - ich meine, rein vom Äußeren - erinnern sie mich ja ein bißchen an Pferde." murmelte der Ire. "Aber wirklich nur ein kleines bißchen."
Jenseits der Luftschleuse war bereits der Schwirrer zu erkennen, der die Gruppe zurück zur Arrhinia D'jah bringen sollte. Talan, verwundert, daß Aryshtin ihre Leute noch immer nicht anwies, in die Grundform zu gehen, ließ seinen Blick über den Rhazaghanertrupp wandern und stutzte gleich darauf. "Moment," sagte er befremdet, "da stimmt doch etwas nicht! ...fünf, sechs, sieben, acht! - Wir haben einen Rhazaghaner zuviel!"
Aryshtin wechselte mit einem kräftigen Blitz und schüttete sich, nun in ihrer humanoiden Gestalt angekommen, fast aus vor Lachen. Vier, fünf, sechs Mal blitzte es ringsum auf, um sechs hochgewachsene Rhazaghaner zurückzulassen. Die achte Steppenluum jedoch zerfloß und zog sich wieder zusammen - zum stolz lächelnden Constable Odo.
"Famos!" applaudierte Aryshtin entzückt. "Ihr Bewegungsmuster wirkte vollkommen natürlich, Odo. Kommen Sie uns auf Rhazaghan besuchen, dann kann ich Ihnen zeigen, wie man richtig Geschwindigkeit aufnimmt!"

Und dann hieß es Abschied nehmen. Nach zahlreichen guten Wünschen, Schulterklopfen und Umarmungen winkte Julian "Gute Reise!" und Garak rief "Ich freue mich auf die nächste Wiederbegegnung!" durch den sich rasch schließenden Schleusenspalt. Kurz darauf klinkte der Schwirrer aus und machte sich auf den Weg zur Arrhinia D'jah.
"Wiederbegegnung." griff Talan das Wort nach einem Moment des Schweigens auf. "Er hat recht, wir werden unbedingt dafür sorgen müssen."
"Sind prächtig, die beiden, nicht wahr?" sagte Rilkar und strahlte. "Ich hätte nie gedacht, Garak einmal so glücklich vorzufinden. Vielleicht, wenn der verdammte Krieg irgendwann vorbei ist..."
"Vielleicht." räumte der Romulaner ein. "Besser aber schon vorher."
"Wäre besser, ja, natürlich!" stimmte Rilkar versonnen zu. "Weißt du, es freut mich wirklich kolossal, daß du die zwei ebenfalls ins Herz geschlossen hast."
"Da kannst du sicher sein." nickte Talan. "Es stimmt, sind prachtvoll, die beiden. Und dann gibt es noch einen weiteren Grund, weshalb wir unbedingt noch einmal hierher kommen müssen."
Er wies anklagend an Rilkars Arbeitsoverall hinunter.
"Wir haben vergessen, dir bei Garak etwas Vernünftiges zum Anziehen zu besorgen."






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