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Miteinander

von CAMIR

Miteinander

„Tee, Earl Grey, heiß!“

Ein leises Piepen des Replikators gab das Signal, dass das Gerät den Befehl verstanden hatte und kurze Zeit darauf erschien des Gewünschte.

Jean-Luc Picard griff sich die Tasse, blies kurz in die dampfende Flüssigkeit, um die Temperatur ein wenig zu reduzieren und begab sich damit wieder an seinen Schreibtisch. Dort stapelten sich PADDs um PADDs und die Arbeit wurde nicht weniger. An das Chronometer wollte er gar nicht erst denken, die Zeit war schon viel weiter fortgeschritten, als er eigentlich geplant hatte. Aber die Arbeit machte sich nicht von selbst und die schlechten Nachrichten gingen nicht weg, nur weil er sie erst später zur Kenntnis nahm. Er hatte schon viel zu viele Nächte über diesen Berichten verloren und dennoch konnte er nicht aufhören.

Erschöpft ließ er sich in seinen Stuhl fallen, blies ein weiteres Mal in seinen Tee und nahm dann einen kleinen Schluck. Selbst der Tee war nicht mehr dasselbe, wobei er nicht wusste, ob es die Schuld des Replikators oder der Gesamtumstände war. Letzten Endes spielte es aber auch keine besonders große Rolle. Etwas Besseres würde er in absehbarer Zeit nicht bekommen, also war es besser, sich damit abzufinden. Er war am Leben und erfreute sich bester Gesundheit, schon alleine das war Anlass genug für Dankbarkeit. Genügend anderen ging es bei weitem nicht so, wie er auch den heutigen Berichten wieder entnehmen konnte. Er griff sich das oberste PADD und begann zu lesen: Opferliste Sternzeit 51173.8 bis 51193.5. Da standen sie wieder, die Gefallenen der letzten Woche. All die zerstörten Schiffe, all die trauernden Angehörigen, all die unnötigen Toten, gepresst in eine kalte, nüchterne Liste von Namen. Er wollte sie lesen, jeden einzelnen von ihnen und immer wieder war er schockiert oder überrascht, jemanden auf der Liste zu finden, den er gekannt hatte und den er nun niemals wiedersehen würde. Mit jedem Tag wurden es mehr, ohne, dass er das Gefühl hatte, dass ihre Tode einen Nutzen gehabt hätten. Der Krieg mit dem Dominion ging nun schon ein knappes Jahr, aber es schien ihm nicht, als hätte die Föderation in dieser Zeit signifikante Fortschritte gemacht. Das Kräftemessen mit einem Gegner, der genauso stark, wenn nicht sogar noch stärker war, war vor allem für sie selbst zermürbend und kräftezehrend. Der Gegner konnte seine Truppen einfach beliebig herstellen ohne dass irgendjemand eine emotionale Bindung zu ihnen gehabt hätte. Wie auch immer dieses Gemetzel ausging, der Verlierer stand schon heute fest: zahllose Zivilisten und Kriegswaisen im gesamten Föderationsterritorium. Er seufzte und legte das erste PADD zur Seite. Glücklicherweise hatte auf dieser Liste kein bekannter Name gestanden, aber das bedeutete gar nichts. Das konnte sich augenblicklich ändern.

Picard nahm einen weiteren Schluck Tee, rieb sich über die Stirn und griff dann zum nächsten PADD. Er wollte gerade mit der unerfreulichen Lektüre beginnen, als der Türpieper ertönte. Wer wollte ihn um diese Zeit noch aufsuchen?

„Herein!“ Seine Stimme klang erschöpft.

Die Tür öffnete sich und er fand sich seinem Leitenden Medizinischen Offizier und zugleich Partnerin gegenüber, die ihn besorgt ansah.

„Wird es nicht langsam Zeit, schlafen zu gehen, Jean-Luc?“

„Dasselbe könnte ich dich fragen, Beverly.“

„Ich habe Nachtschicht. Wir müssen noch einige medizinische Vorräte synthetisieren, bevor wir auf Kelvos VIII ankommen. Aber leider geht es nicht so voran, wie ich das gerne hätte.“

„Das ist ja heutzutage nichts Neues. Aber ich bin froh, dass diese Mission uns wenigstens ein wenig aus der Schusslinie heraushält.“

Er warf das PADD, das er bis eben in der Hand gehalten hatte mit einer resignierten Geste auf den Schreibtisch. „Auch wenn es natürlich strategisch wichtigere Aufgaben gibt, als einen Frachter zu eskortieren.“

„Wir bringen Zivilisten Vorräte, das ist besser, als für den Tod von Individuen verantwortlich zu sein. Auch wenn es unsere Feinde sind.“

Er nickte nachdenklich. Sie war eben Ärztin durch und durch und manchmal konnte sie ihm damit helfen, die Perspektive wieder geradezurücken.

„Seit dieser unsägliche Krieg angefangen hat, ist nichts mehr so, wie es sein soll. Wir bringen Tod statt Leben, wir erforschen nicht mehr und wenn wir es tun, dann nur, um bessere Waffen zu entwickeln. Wir haben wieder mit all dem angefangen, was wir zu überwinden geglaubt hatten,“ fuhr sie fort und ihre Worte waren klar und schneidend.

„Ja,“ erwiderte er schließlich, weil er sonst nichts darauf wusste. Sie hatte Recht. Sie schwiegen beide eine Weile, bis er die Stille schließlich unterbrach:

„Was führt dich aber zu mir?“

Sie zuckte mit den Achseln.

„Ich habe mir gedacht, dass du noch hier sein wirst und brütest und der Computer gab mir die Bestätigung. Deanna ist zwar für die geistige Gesundheit der Crew verantwortlich, aber ich für die körperliche. Und daher ist meine offizielle Pflicht, dich darauf hinzuweisen, dass du dir mehr Ruhe gönnen sollst.“

Er setzte ein schiefes Grinsen auf.

„Daran hat sich nichts geändert. Wie lange sagst du mir das schon?“

„Viel zu lange. Aber ich meine es ernst. Ich weiß, wie sehr dich diese Opferlisten beschäftigen. Wem von uns geht es nicht so? Wir alle sind in Mitleidenschaft gezogen. Du bringst die Toten nicht zurück. Es sind die Lebenden, die deine Sorge sein sollten. Ich weiß, das vergisst man manchmal leicht. Und versteh mich nicht falsch, du bist immer noch ein sehr guter Captain für uns alle. Aber ich möchte, dass das so bleibt.“

Er stand auf und ging ein paar Schritte auf sie zu.

„Danke,“ sagte er schließlich.

Sie lächelte.

„Nichts zu danken. Manchmal braucht man einfach jemandem, der einen wieder geraderückt. Dieser Jemand bin ich gerne für dich. Gerade jetzt sollten wir alle zusammenhalten und aufeinander achtgeben.“

Er nickte bedächtig.

„Das sollten wir. Und ich gebe mein Bestes, dass dieses Schiff nicht als Trophäe irgendeines Jem’Hadar endet.“

„Das will ich meinen.“ Sie trat einen Schritt auf ihn zu, umarmte ihn und gab ihm einen flüchtigen Kuss.

„Miteinander wird uns das auch gelingen.“

„Das wird es. Davon bin ich überzeugt, Beverly.“

 

THE END

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