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A Decade of Storm: Kapitel 8 - Die Schlacht von Caleb IV

von Markus Brunner

Kapitel 2

„Wann haben Sie zuletzt etwas von Captain Kor gehört?“, fragte Direktor Klaang und schenkte seinem Gast ein Glas Blutwein ein.
„Vor ungefähr einem Monat“, antwortete Korrd besorgt. „Der Angriff müsste also schon unmittelbar bevorstehen, aber ich glaube nicht, dass er vorher noch Gelegenheit finden wird, eine private Botschaft abzuschicken.“
„Sie machen sich Sorgen um Kor“, stellte Klaang fest und nahm sich vor, einen entsprechenden Eintrag in Korrds Geheimdienstakte vorzunehmen. Das fand nicht aus Gehässigkeit statt, ganz im Gegenteil: Klaang konnte den Brigadier gut leiden. Aber Klaang war durch und durch Geheimdienstler und sog wissenswerte Informationen wie ein Schwamm auf. Und laufend aktuell gehaltene Geheimdienstakten waren das Fundament seiner Arbeit.
„Ich weiß nicht, ob ich es so ausdrücken würde. Kor hat seit seiner beispiellosen Beförderung zum Captain große Fortschritte gemacht und sich einiges von mir abgeschaut. Ich bin zuversichtlich, dass sein Angriff auf Caleb IV von Erfolg gekrönt sein wird. Obwohl ich mir auch einen Misserfolg wünschen würde, damit Guroth nicht an diese Batterie herankommt. Aber der Kanzler hat Blut geleckt.“
„Deshalb habe ich Sie zu mir eingeladen“, offenbarte Klaang schließlich. Es kam sehr selten vor, dass er Gäste in sein Landhaus einlud. Dass ihm jemand wie Brigadier Korrd in seinem gemütlichen Salon gegenüber saß, hatte gute Gründe. „Sie haben zwar eine entscheidende Rolle bei Guroth‘ Machtergreifung gespielt, aber Sie gelten trotzdem nicht gerade als Freund des Kanzlers.“
„Das stimmt. Ich mochte Guroth schon vorher nicht wirklich, aber als Kanzler ist er für mich eine Enttäuschung. Er hat sich ein Ziel gesetzt, das das Imperium auf einen gefährlichen Weg führen könnte.“
„Haben Sie ihm versucht, die Mission auf Caleb IV auszureden?“
„Mehr als eindringlich“, versicherte Korrd. „Aber er stellt sich stur. Inzwischen reagiert er nicht einmal mehr auf meine Anrufe. Ich bin ihm zu lästig geworden.“
„Das bin ich auch“, sagte Klaang und erhob sein Glas, um mit Korrd anzustoßen. „Auf die Lästigen!“
Die Gläser erklangen hell, als sie aneinander gestoßen wurden. Sowohl Korrd als auch Klaang leerten sie in einem Zug.
„Ich möchte Ihnen einen Vorschlag unterbreiten, Korrd. Ich als Direktor des Geheimdienstes und Sie als Brigadier, angesehener Krieger und Stratege, haben die Möglichkeiten, das Imperium wieder in die richtigen Bahnen zu lenken. Ich schlage eine Zusammenarbeit vor.“
Korrd schnaubte abfällig. „Welche Möglichkeiten? Wir beide waren schon mal mächtiger. Ich bin ein einfacher Brigadier, wie es Hunderte in der Imperialen Flotte gibt. Und Sie, Direktor … Nehmen Sie es mir nicht übel, aber der Zentralgeheimdienst macht den Eindruck, obsolet geworden zu sein. Die Flotte übernimmt immer mehr Aufgaben, die einst dem Geheimdienst oblagen. Ich weiß das, denn mit meinen eigenen Ermittlungen zwecks Aufklärung der Orioner-Angriffe vor zwei Jahren hat alles angefangen.“
„Das mag stimmen“, gab Klaang zähneknirschend zu. Tatsächlich war es so, dass er dieses Treffen mit Korrd nur deshalb so lange hinausgezögert hatte, weil der Brigadier damals anstelle von Klaangs Agenten so gute Arbeit geleistet hatte. „Aber ich habe immer noch gute Kontakte zu den Adelshäusern. Und Sie, Korrd, haben gute Kontakte zu Militärangehörigen. Ich habe eine einfache Bitte an Sie: Pflegen Sie diese Kontakte und vergessen Sie Guroth für eine Weile. Ich werde dasselbe tun und zu gegebener Zeit, treffen wir uns wieder.“
Der Gesichtsausdruck des Brigadiers war leer. Er schien nicht ganz zu verstehen, worauf Klaang hinauswollte, aber das – so lautete die einfache Wahrheit – war zu erwarten gewesen. Korrd war eben ein Soldat und kein Agent.
„Es kann zumindest nicht schaden“, sagte Korrd schließlich, der sich von diesem Treffen offensichtlich mehr erwartet hatte.
„Die Zeit ist unser Verbündeter“, erklärte Klaang. „Geben Sie Guroth Zeit und er wird unweigerlich scheitern. Und wenn es soweit ist, setzt sich das große Bild zusammen.“
Klaang füllte die Gläser abermals. Während er das tat, beobachtete er Korrds Gesicht ganz genau. Für einen Geheimdienstagenten war es unerlässlich, in Gesichtern lesen zu können. Und in Korrds besorgtem Gesicht las Klaang eine Frage ab: Wie würde Captain Kor in dieses Bild passen? Dem rechtmäßigen Kanzler loyal zur Seite stehend? Oder der Weisheit seines Mentors folgend?
Klaang war genauso gespannt auf die Antwort wie Korrd.

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Am Vorabend der Schlacht lag Kor die ganze Nacht wach in seinem Bett und ging im Geiste nochmals den Ablauf durch. Seit ihrer Abreise von Kronos hatte er den Angriffsplan nicht wesentlich adaptiert, obwohl er mehr als genügend Zeit gehabt hätte. Und selbst jetzt, wo der Aufklärer detaillierte Informationen über ihr Ziel zurückgebracht hatte, erschien sein vorgefasster Plan perfekt.
Genauso perfekt wie der Plan, Sarathong V zu erobern.
Wenn es in der Historie der Imperialen Flotte eine Ermahnung gab, dass Pläne nicht immer so abliefen wie vorgesehen, dann hieß sie „Sarathong V“.
Kor wand sich auf dem fellbedeckten Bett zur Seite. Im Zwielicht erkannte er Manjas nackten Rücken, der ihm zugewandt war. Die unbegründete Eifersucht, die seine Gefährtin Lori O’Shannon entgegenbrachte, belastete ihre Beziehung. Aber nicht so sehr, als dass sie ihm das gemeinsame Bett verweigerte.
Er lauschte ihrem Atemrhythmus und stellte fest, dass sie ebenfalls wach war.
„Manja?“
„Was gibt es?“, fragte sie zurück, drehte sich aber nicht zu ihm hin. Am Klang ihrer Stimme erkannte Kor, dass sie ausgeruht war.
„Du kannst heute Nacht genauso wenig schlafen wie ich“, stellte Kor fest. „Was denkst du?“
„Über die kommende Schlacht? Oder über diese Verräterin, die du bei jeder Gelegenheit verhätschelst, als wäre sie deine Geliebte?“
Jedes Wort von Manja kam einem Schlag gleich. Sie verletzte ihn mit ihren Vorwürfen. Und er wusste nicht, wie er am besten reagieren sollte. Was konnte er anderes machen, als immer wieder die gleichen Rechtfertigungen vorzubringen. Er war es leid. „Du kennst meine Gründe, Manja. Muss ich sie wirklich wiederholen?“
„Sie verdient Bestrafung!“, knurrte Manja. „Und keine Sonderbehandlung!“
„Sie erhält keine Sonderbehandlung!“, stellte Kor klar. „Sie erhält nur dieselbe Chance wie jedes Mitglied meiner Besatzung. Solange sie an Bord ist, wird sie nicht besser oder schlechter behandelt als jeder andere unter meinem Kommando.“
„Gut zu wissen“, sagte Manja trotzig. „Falls du es vergessen hast: Ich stehe auch unter deinem Kommando. Und wenn du jeden gleich behandeln willst, dann sollte das auch für mich gelten. Es wird dich also nicht stören, wenn ich mich dir künftig verweigere.“
Das war zu viel! Kor hielt es nicht mehr im Bett aus und stand auf. Er fand seine Hose zusammen mit dem Rest seiner Kleidung am Boden verstreut und zog sie an. Er überlegte kurz, auch noch den Rest seiner Uniform anzuziehen, ließ es aber bleiben. Er hatte nicht vor, weit zu gehen.
„Wo willst du hin?“, fragte Manja, die sich nun doch zu ihm umdrehte, als sie erkannte, dass er beabsichtigte, ihr gemeinsames Quartier zu verlassen.
„Du meinst, ich behandle O’Shannon wie meine Geliebte? Na gut, dann nehme ich sie mir einfach als Geliebte!“, rief er wutentbrannt.
Nicht weniger wütend war das Funkeln in Manjas Augen, als sie sich im Bett aufrichtete. „Das wagst du nicht! Und selbst wenn doch, wird Sie dich nicht wollen!“
„Ich wage es!“, entgegnete Kor. „Und es ist mir egal, ob sie mich will. Ich nehme sie mir einfach.“
Manja lachte lauthals auf. Bevor sie ihm weitere Beleidigungen an den Kopf werfen konnte, flüchtete er aus ihrem Quartier. Er stürmte durch die Korridore. Mannschaftsmitglieder, denen er begegnete, warfen ihm irritierte Blicke zu, als sie ihren Captain mit entblößtem Oberkörper während der Nachtschicht durch die Gänge eilen sahen. Doch keiner sagte etwas und Kor ignorierte sie auch völlig, ging grußlos an ihnen vorbei. Er war nur noch auf die rostrote Tür am Ende des Korridors konzentriert. Ein Warnlicht am Schloss zeigte ihm an, dass sie von Innen verriegelt worden war, aber für den Captain gab es keine verschlossenen Türen an Bord seines eigenen Schiffes. Er gab seinen Überbrückungscode über das Tastenfeld am Türrahmen ein und ihm wurde Zugang gewährt.
Dahinter befand sich ein regelrecht winziges Quartier, dessen einziges Möbelstück eine schmale Pritsche war. Und auf dieser Pritsche schrak Lori O’Shannon aus dem Schlaf hoch, zog die Knie schützend an ihren Körper und die Bettdecke bis zum Kinn hoch. Die Angst in ihren Augen war unübersehbar und trotz der sie fast vollständig umhüllenden Bettdecke erkannte Kor, dass ihr Körper von einem heftigen Zitteranfall gebeutelt wurde.
Kor ließ seinen lüsternen Blick über das wenige, was von Loris Körper entblößt war, schweifen. Ein Teil ihrer rechten Wade, ihr schmaler rechter Unterarm, dünne Finger, die sich in das Leintuch krallten. Wallendes rotes Haar, das ein zartes Gesicht liebkoste, dessen Schönheit nur durch die weit aufgerissenen und angsterfüllten Augen verunstaltet wurde. Und Kors Gedanken drehten sich nur darum, was er mit dieser Schönheit alles machen konnte. Was er ihr antun könnte.
All die Lust und Vorfreude verpuffte mit einem Schlag. Bei Kahless! Was mache ich hier nur? Er wollte doch nur Manja ebenso sehr verletzen, wie sie ihn verletzt hatte. Wie konnte er nur daran denken, O’Shannon in die Sache hineinzuziehen und ihr jenen Schmerz zuzuführen, den Manja erleiden sollte? Kor erkannte, wie sehr er von seiner Gefährtin manipuliert worden war. Und war kurz davor gewesen, O’Shannon die von ihr geforderte Bestrafung zuzuführen.
Beschämt senkte Kor seinen Blick. „Es tut mir leid.“ Dann machte er kehrt und verließ die Kabine wieder. Ehe er die Tür wieder verschließen konnte, rief O’Shannon ihm ein „Danke!“ hinterher. Sie hatte sein Verhalten also richtig interpretiert. Natürlich, sie war keine Närrin, sondern eine intelligente Frau, die erkannt hatte, was ihr beinahe bevorgestanden war und auf was Kor verzichtete, obwohl er es sich leicht mit Gewalt hätte nehmen können.
Geknickt kehrte Kor zu seinem Quartier zurück. Manja saß noch immer aufrecht im Bett und hauchte ihm ein leises aber nicht weniger spöttisches Lachen entgegen. Gefolgt von den Worten: „Ich wusste, dass du es nicht tun würdest. Dir fehlt einfach die nötige Härte. Das war immer schon dein größter Makel.“
Manja erhob sich, ließ die Felldecke über ihren Körper gleiten. Nichts war mehr verborgen, als sie verführerisch und selbstbewusst auf Kor zu stolzierte. Manja und O’Shannon waren ungefähr gleich groß, aber ihre Statur konnte kaum unterschiedlicher sein. Manjas Körper war alles andere als zart, sondern gestählt, kraftstrotzend und an den richtigen Stellen mit schön proportionierten Rundungen versehen. Ein Prachtweib durch und durch. „Komm‘ ins Bett, mein Gefährte. Dann vergebe ich dir und du wirst es genießen.“
Worte der Verführung, denen sich Kor früher nur allzu gerne hingegeben hatte. Worte, die ihn wieder in ihren Bann führten sollten. Vielleicht hätte es früher am Abend noch funktioniert. Aber jetzt war Kor verletzt. Ein verwundetes Tier, dessen Sinne für Bedrohungen geschärft waren. Und alle seine Sinne warnten Kor davor, Manja in die Falle zu gehen.
Er zwang sich dazu, Manjas nackten Leib nicht anzusehen, ihren so vertrauten, süßlichen Körpergeruch zu ignorieren und auf kein Wort mehr zu hören, das ihre verheißungsvollen Lippen verließ. Als ob er allein im Raum wäre, sammelte er den Rest seiner Uniform zusammen. Er sah nicht, wie Manja reagierte, aber sie griff ihn zumindest nicht körperlich an. Erst als Kor im Korridor stand und sich die Tür hinter ihm geschlossen hatte, erlaubte er sich ein erleichtertes Durchatmen. Dann ging er zur nächsten leer stehenden Kabine und verschaffte sich mit seinem Überbrückungscode Zugang. Jede Tür an Bord stand ihm offen. Mit Ausnahme jener Türen, durch die er nicht gehen wollte. Und seit heute Nacht gab es zwei Türen mehr an Bord der Klothos, auf die diese Umschreibung zutraf.
Kor warf seine Kleidung unordentlich in eine Ecke, legte sich auf die harte Pritsche und stellte fest, dass ihn nun doch langsam der Schlaf umarmte.
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Nach der letzten Nacht gab es für Lori keine Zweifel mehr: Ihr Wohl war konstanter Gefahr ausgesetzt. Für einen Klingonen war Kor ein vergleichsweise besonnener Mann. Dass sogar er sich beinahe an ihr vergangen hätte, war kein gutes Zeichen. Sein Wort war das einzige, das die anderen Klingonen bändigte und Lori ignorieren ließ, anstatt sie anzugreifen.
Sie ließ heute ihren üblichen Besuch bei Chardin ausfallen und doch waren ihre Gedanken beim Tagusianer. Seine Andeutung vor zwei Tagen, gab ihr zu denken. Sie würde nicht mehr so schnell in die Nähe eines Föderationsaußenpostens gelangen. Das war vielleicht ihre einzige Chance. Aber sie kannte auch den Schlachtplan gut genug, um das Risiko zu erkennen. Wäre sie an Bord des Warbirds oder einem anderen Schiff, das an Phase 2 des Angriffs beteiligt war, hätten ihre Chancen besser gestanden. Doch ihr Aufenthalt an Bord der Klothos während der Phase 1 ließ eine Flucht aussichtslos erscheinen. Sie müsste schon den bestmöglichen Zeitpunkt abwarten und sich dann heimlich zur Transporterkammer schleichen. Ob das im Bereich des Möglichen lag, hing davon ab, welcher Abteilung Lori heute zugeteilt wurde. Die Plasmakühlmitteltanks befanden sich auf demselben Deck wie die Transporterkammer, wenn auch einige Sektionen entfernt. In dieser Abteilung für Ablenkung zu sorgen, wäre relativ leicht gewesen, indem sie einfach ein Tankventil öffnete. Das würde ihr zweifellos genügend Zeit verschaffen, um die Transporterkammer zu erreichen.
Doch Lori zweifelte daran, dass sie wieder Lieutenant Talkas Wartungseinheit zugeteilt wurde. Noch nie hatte sie drei Tage hintereinander in derselben Abteilung verbracht. Und wenn heute Abend die Schlacht stattfand, waren die Kühlmitteltanks ein zu sensibler Bereich. Sie waren ein essentieller Bestandteil der Energieversorgungssysteme und die konstante Energieversorgung der Tarnvorrichtung war für den planmäßigen Ablauf des Angriffs unabdingbar.
Nein, es war viel wahrscheinlicher, dass Lori wieder mal in der Müllverwertung landete. Oder gar in einer Arrestzelle. Dann war sie zumindest leicht zu finden. Denn wenn die Batterie erst den Klingonen in die Hände gefallen war, gab es keinen Grund mehr, sie am Leben zu lassen. Und sie hatte nicht vor, noch irgendein Föderationsgeheimnis auszuplaudern, um Lebenszeit zu erkaufen.

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Manja war am heutigen Morgen nicht zum Dienst erschienen. Im Normalfall duldete Kor es nicht, wenn sich jemand einfach so krankschreiben ließ. Sofern nicht jemand eine Gliedmaße verloren hatte oder im letzten Stadium der tarellianischen Pest lag, hatte seine Besatzung gefälligst nach Dienstplan anzutreten.
Aber aufgrund der Ereignisse der vergangenen Nacht war Kors Bedürfnis gering, Manja wiederzusehen. Anderseits verstand sie ihr Handwerk und hätte eine große Hilfe sein können. Statt ihr hatte ein junger Bekk, dessen Namen Kor nicht einmal kannte, den Platz an der Sensorstation eingenommen.
Von der genau gegenüberliegenden Seite der Brücke meldete sich der Kommunikationsoffizier: „Captain Kang wünscht Sie zu sprechen.“
„Auf den Schirm“.
Als eine Verbindung zur Brücke des Warbirds hergestellt wurde, glaubte Kor beinahe, er sähe ein Spiegelbild seiner eigenen Brücke. Beide Kommandoräume sahen sich sehr ähnlich und auf einem identischen, in der Mitte des Raums aufragenden Sessel saß Kang in der aufrechten und leicht vorgebeugten Pose, die auch Kor bevorzugte.
„Wir sind abflugbereit“, meldete Kang gelassen. Auch wenn Kor mit dem anderen jungen Captain noch nicht so gut auskam, um mit ihm ein Fass Blutwein aufzumachen, musste er dessen Professionalität anerkennen. Kein Zeichen mehr von Ruhelosigkeit oder Aufgeregtheit. Als ob Kang in seinem Kopf einen Kippschalter umlegen konnte, um für den kommenden Einsatz gewappnet zu sein. Verblieb Kang in diesem Zustand, war gewiss, dass er seinen Part in Phase 2 vorbildhaft erfüllen würde.
„Gut. Wir treffen uns in sieben Stunden im Caleb-System wieder. Viel Erfolg, Kang!“
„Qapla!“ Damit beendete Kang die Übertragung. Das Bild von der Brücke des Warbirds wurde von dessen Außenansicht ersetzt. Gefolgt von sechs Birds of Prey entfernte sich der Schlachtkreuzer, um in den kommenden Stunden einen weiten Bogen zu fliegen und sich von der Rückseite des Caleb-Systems dem vierten Planeten zu nähern.
Kor hörte, wie sich hinter seinem Rücken die Tür der Brücke öffnete. Eine Frau trat neben ihn an den Kommandosessel, aber es war nicht Manja. Kor spürte Enttäuschung und ärgerte sich über dieses Gefühl. Er war es gewohnt, sich nach Manjas Anwesenheit zu sehnen, wenn sie nicht in seiner Nähe war. Jahrelang hatte sein Herz Freudensprünge vollzogen, wenn Manja einen Raum betrat. Am liebsten hätte Kor das sofort abgestellt, aber so funktionierten Gefühle eben nicht. Manja mochte kein Teil seines Herzens mehr sein, aber dieses lästige, emotionale Organ reagierte wie eh und je auf sie.
Diese widersprüchlichen Gefühle würden mit der Zeit verschwinden, redete sich Kor ein. Er musste nur die Geduld aufbringen und in der Zwischenzeit standhaft bleiben, damit er den Gefühlen nicht erlag. Das fiel ihm leichter, wenn seine Gefühlswelt anderweitig beschäftigt war.
Zum Beispiel mit einem tiefen Reuegefühl, als er erkannte, dass es sich bei der Frau, die neben seinem Kommandosessel in Stellung gegangen war, um O’Shannon handelte.
„Bekk vierter Klasse Lori O’Shannon meldet sich zum Dienst“, sagte sie ihren gewohnten Satz auf. Wie immer sah sie ihrem Captain dabei nicht ins Gesicht sondern starrte geradeaus ins Leere. Heute bekam diese Haltung eine zusätzliche Bedeutung. Er konnte es ihr nicht verdenken, dass sie ihn nicht sehen wollte.
„Ich erwarte meine Dienstzuteilung“, sagte sie schließlich, als Kor nach einer guten Minute noch immer nichts zu ihr gesagt hatte. Er zwang sich, sich wieder auf das Hier und Jetzt zu konzentrieren. An die vergangene Nacht zu denken würde es für beide nicht einfacher machen. Ja, es wurde Zeit, dass O’Shannon eine Aufgabe bekam. Er hatte zuerst angedacht, sie der Kantine zuzuteilen. Doch Kor fiel etwas besseres ein:
„Bekk O’Shannon, sind Sie befähigt, Energiemessungen von Föderationsschiffen zu deuten?“
Kor hatte noch nie eine Frage gestellt, um O’Shannons Qualifikation für eine Aufgabe zu hinterfragen. Es wunderte ihn nicht, dass die Frau mit ihrer Antwort zögerte, zweifellos vor Überraschung. Denn an ihrer Befähigung konnte es natürlich keinen Zweifel geben. Wer könnte die Funktionen an Bord eines Föderationsschiffs besser interpretieren, als eine Chefingenieurin der Sternenflotte. Wahrheitsgemäß antwortete O’Shannon: „Ja, Captain!“
„Dann übernehmen Sie heute die Sensorstation.“
Zuerst wurde es laut auf der Brücke. Aus allen Richtungen wurden Flüche ausgesprochen, Sessel knirschten, als sich die Brückenbesatzung kollektiv zu ihrem Captain umdrehte. Und dann wurde es still, als alle auf eine Erklärung warteten. Hatte sich ihr Captain nur versprochen? Oder spielten andere Überlegungen bei dieser Entscheidung eine Rolle? Mit der zweiten Vermutung lagen seine Offiziere zwar richtig, aber Kor verspürte nicht das Bedürfnis, sich mitzuteilen und fuhr seine Untergebenen harsch an: „Was gibt es da zu glotzen? Kümmert euch gefälligst um eure Arbeit!“
Disziplin war Kor immer wichtig gewesen und es erfreute ihn innerlich, dass sich seine Leute sofort wieder umdrehten und auf ihre eigenen Arbeitsstationen konzentrierten. Mit Ausnahme des jungen Bekk, der bislang die Sensorstation bemannt hatte. Er saß weiterhin nur mit offenem Mund da und beobachtete Kor.
„Was suchen Sie noch hier?“, zischte Kor ihm zu. „Räumen Sie Ihre Station für Bekk O’Shannon und verschwinden Sie dann von der Brücke. Suchen Sie sich gefälligst was anderes zu tun!“
Der Bekk sprang wie von der Tarantel gestochen auf und verließ eiligst die Brücke. Doch O’Shannon machte keine Anstalten, den freigewordenen Platz einzunehmen. Sie stand weiter nur stocksteif neben dem Kommandosessel. Sie drehte nicht einmal den Kopf, schielte lediglich aus den Augenwinkeln hinüber zur Sensorstation.
„Nur zu! Es ist Ihr Platz. Sie haben sieben Stunden Zeit, sich mit den Instrumenten vertraut zu machen. An Ihrer Stelle würde ich damit anfangen.“
„Warum ich?“, fragte sie so leise, dass nur Kor sie verstehen konnte. Und er erwiderte ebenfalls mit gesenkter Stimme: „Sehen Sie es als Wiedergutmachung an.“ Er wollte auf der Brücke, vor so vielen Mithörern, nicht noch mehr Details nennen, aber sicher verstand sie bereits, was er meinte. Sie nickte zumindest und setzte sich auf den freien Sessel.
Es erleichterte Kor, dass sie augenscheinlich keine Probleme mit der Handhabung der Konsole hatte. Zumindest ihr Können rechtfertigte diese exzentrische Personalentscheidung, die einen süßen und einen bitteren Nebengeschmack hatte. Die Rache, an Manja schmeckte sehr süß. Völlig entgegen Manjas Wunsch hatte Kor O’Shannon nun doch bevorzugt behandelt und gleichzeitig Manja eine Strafe zukommen lassen. Kor hoffte sehr, dass der Bekk, der zuvor an der Station gesessen war, jetzt zu Manja ging um sich bei ihr über diese Ungerechtigkeit zu beschweren. Kor würde nur zu gerne ihr Gesicht sehen, wenn sie von O’Shannons neuer Position erfuhr.
Der Schuss konnte aber auch nach hinten losgehen. Es wäre ein bitteres Ende für diese Mission, sollte O’Shannon in der entscheidenden Phase abermals die Seiten wechseln. Sollte dies geschehen, so befand sich die ehemalige Spionin zumindest auf der Brücke und in Reichweite von Kors Disruptor-Pistole. Das erste Anzeichen von Verrat, würde auch das letzte sein, schwor sich Kor und strich beiläufig über den Griff seiner Waffe.

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