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von Jimaine

Kapitel 1

"Aaaaaaaaagh!" kreischte Julian Bashir und hechtete ebenso schnell wieder aus der Dusche hinaus wie er hineingesprungen war. Wo er doch eh schon gnadenlos spät dran war. Verschlafen. Nach dieser Nacht aber nicht weiter verwunderlich, musste er mit einem schiefen Grinsen eingestehen und rappelte sich vom Boden auf, der jetzt mit zahlreichen Wasserlachen aller Größen übersät war. Das Aufwischen würde noch bis nach Ende seiner Schicht warten müssen. Verflucht, warum musste der Tag schon so anfangen? Fröstelnd griff er nach dem Handtuch und fing an sich abzutrocknen. Die Abkühlung kam etwa 12 Stunden zu spät. Zumindest war er jetzt definitiv wach. Er würde gleich mal O'Brien auf diese kleine Fehlfunktion hinweisen.

In Uniform und so ordentlich wie möglich hastete er fünf Minuten später über den Gang in Richtung Lift.


*************



In T-Shirt und mit hochgekrempelten Ärmeln, die Reißverschlüsse am Kragen soweit aufgezogen, wie es der Anstand gerade noch zuließ, saßen Captain Sisko und seine Offiziere in der "Grube" beisammen, und es war ihnen anzusehen, dass sie gerne noch mehr ablegen würden. Die Unterhaltung war gedämpft, die Stimmen ausgelaugt von der enormen tropisch-feuchten Hitze, die auf der OPS herrschte.

So stand auf Siskos rasiertem Schädel der Schweiß in dicken Perlen und Kiras gewöhnlich duftige asymmetrische Fönfrisur klebte in unschönen Strähnen an ihrer linken Gesichtshälfte. Die Temperatur musste um die 35°C betragen, wenn nicht sogar 40, mutmaßte Bashir, als er endlich im Kommandozentrum ankam. "Entschuldigen Sie bitte die Verspätung, Sir, aber der Lift ist mehrfach steckengeblieben. Ich weiß nicht, was heute los ist, die ganze Station ist nahezu lahmgelegt", meinte er mit einem Seitenblick auf Miles O'Brien, bei dem die tieflachsfarbene Tönung seines schweißbedeckten Gesichtes nur teilweise von der Hitze herrührte. "Jedenfalls ist es hier mollig warm. Wärmer als ich es von meiner Dusche vorhin behaupten konnte", betonte er.

Allein Odo, der Gestaltwandler, gab sich völlig unbeeindruckt von den extremen Umweltbedingungen, schließlich hatte er keine erwähnenswerte Körpertemperatur und musste diese durch Schwitzen aufrechterhalten. "Seit Mitternacht haben sich die Vorfälle gehäuft, Captain", berichtete er kühl. "Zumeist sind sie technischer Natur. Ausgefallene Computer, Türen, die sich nicht öffnen, versagende Lichtquellen und dergleichen."

Auf der anderen Seite des ovalen Tisches mit der interaktiven taktischen Display-Oberfläche wurde diese Bemerkung des Sicherheitschefs von Major Kira Nerys mit einem heftigen Nicken angenommen. Die Bajoranerin sah ungesund blass aus und war nicht nur ungehalten, nein, sie war *sauer* und funkelte den Chefingenieur mit einer leidenschaftlichen Wut an, die von einem ganz grundlegenden aber unerfüllten Bedürfnis geschürt wurde: Hunger! "Miles", sagte sie mit gefährlich sanfter Stimme, "nur damit du Bescheid weißt über den Ernst der Lage ... darf ich dich bitten, dein Augenmerk in *diese* Richtung zu lenken? Sag' mir, was du siehst!"

Das Fach des Replikators, auf den Kira zeigte, sowie der Boden davor war übersät mit Äpfeln. Goldenen Äpfeln. Nicht weniger als drei Dutzend.

"Ich sehe ... goldene Äpfel", endete der Ingenieur lahm.

Kira korrigierte: "Massiv goldene Äpfel!"

"Sie sehen doch ganz hübsch aus", versuchte der Ire seine Vorgesetzte zu besänftigen und suchte dabei mit den Augen Hilfe bei Bashir. "Findest du nicht auch, Julian?"

"Nun", begann der Arzt und fingerte an seinem Kragen herum (es war wirklich verdammt warm hier, also zog er den Verschluss des Rollis etwas auf), während sein Blick zwischen Replikator, Kira und O'Brien hin und her wanderte und er sich um eine diplomatische Antwort bemühte, "wenn sie wenigstens aus goldgepresstem Latinum wären, bliebe immer noch *Quarks* -- doch der hat zweifellos genau dasselbe ... technische ... Problem ..."

"... und ich würde eher verhungern, als Essen von diesem hinterlistigen Beutelschneider von einem Troll anzunehmen!", schwor Kira inbrünstig. "Ich mag ja vielleicht versuchen, nach dem Baby ein paar Pfunde zu verlieren, aber Frühstück muss sein! Doch aus meinem Raktajino wird auch nach dem 30. Versuch nur ein Goldapfel! - Ähm, Julian", raunte sie ihm zu und versicherte sich durch mehrere dezente Ellbogenstöße seiner Aufmerksamkeit, was von den anderen unbemerkt blieb, da sie sofort in eine Diskussion über den Wert eines guten Frühstücks verfallen waren. Es war eigentlich ein Monolog von O'Brien, denn Odo konnte nicht wirklich mitreden und Sisko war zu sehr auf Koffeinentzug und zu müde, um sich aktiv an der Unterhaltung zu beteiligen. "Julian", flüsterte sie eindringlich, "ähm, das mit dem offenen Kragen ist eine schlechte Idee!"

Er blickte sie eher verständnislos an. "Huh?"

‚Offenbar ist sein verbessertes Gehirn hitzeempfindlich! Typisch! Je komplizierter ein Gerät, desto leichter ist es kaputtzukriegen!‘ Lauteres Sprechen kam nicht in Frage. Daher verlegte sie sich auf Zeichensprache, formte mit Daumen und Zeigefinger einen Kreis und deutete auf ihren Hals kurz oberhalb des Schlüsselbeins, wobei sie sich um einen entsetzt-warnenden Gesichtsausdruck bemühte als gelte es, ein Mädcheninternat vor einem Triebtäter zu warnen, indem sie den Mädchen das worst-case-scenario schilderte.

Und bei Bashir fiel der Groschen. Beziehungsweise der Barren Latinum, man hörte ihn förmlich. Mit doppelter Lichtgeschwindigkeit flogen seine Hände zum Hals und zogen den Reißverschluss seines Rollis bis zum Anschlag zu. Gleichzeitig wanderte eine dezente Röte bis unter seine Haarwurzeln und er atmete tief durch. Das war ja gerade noch mal gutgegangen, Kira sei Dank, und keiner seiner Kollegen hatte etwas mitbekommen. Er warf der Bajoranerin ein schwaches Dankeslächeln zu, ähnlich dem weichen Gefühl, das er plötzlich in den Knien hatte.

Im Gegenzug schenkte sie ihm einen ‚Du schuldest mir was!‘-Blick, bevor sie sich an O'Brien wandte und mit ihrem lauten Befehl alle unterbrach, die wild und ohne Punkt und Komma auf einen immer mehr seitlich von seinem Hocker rutschenden (und geistig fast abwesenden) Benjamin Sisko einredeten, nicht nur Offiziere, sondern auch das ganze übrige anwesende Personal. "Erstes Ziel: Behebung der unmittelbaren Symptome, Chief, das ist Ihr Gebiet. Ich wünsche Berichte alle zwei Stunden. Kümmern Sie sich zuerst um die kritischen Systeme, Umweltkontrollen, Lebenserhaltung, interne und externe Kommunikation. Sensoren. Schließlich wollen wir nicht, dass die Jem'Hadar plötzlich ohne Vorwarnung in unserem Vorgarten ein Barbecue starten, oder? Hm ... halt, nehmen Sie sich als erstes die Replikatoren vor! Sonst kommen wir erst gar nicht zu Ziel Nr. 2."

Hier schaltete sich Sisko ein: "Und jenes wäre das Ihre, Major. Ihres und Odos. Stellen Sie gründliche Nachforschungen an, ob vielleicht Sabotage dahintersteckt. Ich will Antworten! Ich will wissen wieso, weshalb und warum! Warum ich heute aufgewacht bin und nichts mehr so funktioniert, wie es soll!" ‚Dabei wollte ich heute früh Feierabend machen und in der Holosuite Baseball spielen gehen!‘ "Noch Fragen, Constable?"

Odo verneinte. "Es wäre allerdings gut, wenn Dr. Bashir jedem Sicherheitsteam ein oder zwei medizinische Helfer zuteilen könnte. Die Mehrheit der zivilen Stationsbevölkerung, sofern sie noch an Bord ist, ist an Unruhen und Zwischenfälle gewöhnt, aber wir dürfen Ausbrüche von Panik nicht ausschließen. Es könnte bereits Verletzte gegeben haben ..."

"Dem stimme ich zu", ließ sich Bashir vernehmen. "Ich werde sogleich meine Leute informieren." Bis er in der Krankenstation angekommen war, würde sich seine normale Gesichtsfarbe auch hoffentlich wieder hergestellt haben.

Sisko zögerte nicht lange. "Nun gut, Gentlemen. Major. An die Arbeit."

Noch im Gehen, O'Brien und Odo direkt hinter sich, hörte Bashir wie der Captain seinen Ersten Offizier fragte: "Haben Sie eine Ahnung, wo Dax stecken könnte? Zu dumm, dass das Kommunikationssystem ausgefallen ist ..."


*************


Die Frage war leicht beantwortet. Commander Jadzia Dax, wie jeden Freitagmorgen vor dem Frühstück, war mit einigen Kolleginnen aus verschiedenen Abteilungen in der größten verfügbaren Holosuite, um sich dort noch vor Schichtbeginn etwas sportlich zu betätigen. Sie stand in der Mitte einer Reihe von neun Frauen und war, obwohl ihr der Schweiß überall herunterrann, zutiefst zufrieden mit ihren Leistungen und denen der Gruppe. Der speziell beschichtete Boden vibrierte unter ihren Füßen und sie grinste trotz der Anstrengung. "Tempo um die Hälfte erhöhen, Ladies, Finish!", rief sie, laut genug um über das donnernde Staccato von achtzehn Füßen hinweg gehört zu werden. "Eins, zwei, treble hop, drei, vier, treble hop, fünf jump sechs jump sieben, acht, treble hop STOP!" Auf das Signal, zeitgleich mit der letzten Note der Musik, stand die Formation wie eine Eins. ‚Oder sollte sie‘, registrierte die Trill wehmütig. ‚Das hier ist eher ein windschiefes S ...‘ Dabei übten sie jetzt schon wie lange an dieser Nummer, vier Monate? Und die Fortschritte waren marginal. Vielleicht war sie zu nachsichtig. Vielleicht sollte sie die Ratschläge in Michael Flatleys Biographie *Me, the Lord of the Dance* beherzigen: Sei ein Perfektionist und unbarmherziger Sklaventreiber! Aber, "Schluss für heute!", verkündete sie.

Rechts von ihr wischte sich Oberschwester Jabara Cel den Schweiß aus den Augen und von der geriffelten Nase und stellte fest. "Das war doch schon ziemlich gut, finden Sie nicht? Jedenfalls besser als vor drei Jahren, als wir mit dem Tanzen anfingen ..."

‚Die Maßstäbe für unsere Kritik decken sich nicht ganz, Schwester.‘ "Ja, doch, wir waren ganz gut", rang sie sich ab und griff nach ihrem Handtuch, was auf einer Bank an der Wand lag und --

-- das Handtuch hing über einem Ast. In einem Wald. Bis auf ein paar Quadratmeter Bodenplatten, die noch in ihrem natürlichen Zustand waren, bestand der Untergrund aus Erde, Wurzeln und Laub, ab und an unterbrochen durch eine Farngruppierung. Eine frische Brise wehte.

‚Uh-oh ...‘ "Computer, ursprüngliche Programmparameter wiederherstellen!"

"Befehl kann nicht ausgeführt werden", kam die mechanisch-teilnahmslose Antwort.

Das optimistische Lächeln gefror auf Jadzias Gesicht. ‚War ja klar!‘ "Computer, Ausgang!"

"Befehl kann nicht ausgeführt werden."

‚Strike two.‘ "Computer, Programm beenden!"

"Befehl kann nicht ausgeführt werden."

Dort, wo soeben noch der Ausgang gewesen war, scharten sich nun die sieben Frauen, die zusammen mit Dax und Jabara diesen Kurs bestritten, vor einer gigantischen knorrigen Eiche und blickten sich verstört im lichtgrünen Laubwald um, der sie unverhofft umgeben hatte.

Vögel zwitscherten. Ganz offensichtlich war es Frühling, wie die Wissenschaftsoffizierin am Zustand der Vegetation - primär Eichen und Buchen - erkannte.

"Commander Dax", rief Lieutenant Judd vom Sicherheitsdienst aus der Mitte der Gruppe heraus. "Wo sind wir? Was ist passiert?"

‚Wüsste ich auch zu gerne. Es kann jedenfalls nicht mit Q zu tun haben, sonst wär' dieses Stück Boden auch verändert.‘ "Wir sind immer noch in der Holosuite", folgerte sie laut, damit es alle hören konnten. "Aus irgendeinem Grund muss das Programm gewechselt haben ... ein Computerfehler. Und der Stimmkontrollprozessor ist auch defekt."

"Unsere Kommunikatoren auch!", meldete Judd säuerlich; sie hatte gerade versucht, die OPS zu kontaktieren, doch erfolglos.

"Ladies, wir müssen vermutlich warten, bis jemand kommt und sich unserer erbarmt", sprach die Trill den Urteilsspruch. "Und das kann dauern."

*Pflopp*

Mit einem entsetzten Aufkreischen sprang Jabara zurück, fast auf Dax' Füße, was durchaus verständlich war, denn immerhin war direkt neben ihr ein Mann vom Himmel gefallen. Genauer gesagt aus der mächtigen Krone der Eiche. Formschön und mit Stilnote 10 war er auf seinen Füßen gelandet und musterte die vor Schrecken stummen Frauen eingehend.

Schließlich lächelte er, ein Lächeln, das Eisberge schmelzen könnte und verbeugte sich vor der Trill, die fieberhaft versuchte, das Programm zu identifizieren. "Fürchtet euch nicht, Mylady, Ihr und Eure Begleiterinnen habt nichts zu befürchten." Er richtete sich wieder auf und strich sich das schulterlange dunkle Haar zurück, eine Hand auf dem Knauf seines schmucken Schwertes ruhend, und drehte sich um, um einen heiseren Eulenruf abzugeben.

Prompt fiel ein weiteres halbes Dutzend ähnlich gekleideter Männer, mit Pfeil und Bogen bewaffnet, aus der Eichenkrone wie Fallobst. Der dunkelhaarige Fremde wandte sich erneut Dax zu, die sich in ihrem Leotard mit dem kurzen Röckchen und der Strumpfhose wahnsinnig dämlich vorkam, und stellte sich vor. "Verzeiht unser Auftreten, Mylady, aber wir waren uns zuerst nicht sicher, ob wir Euch vertrauen könnten. Ich bin Robin of Locksley."

‚Natürlich!‘ "Robin Hood", nickte sie. "Ja, ich habe von Euch gehört. Mein Name ist ... Jadzia. Wir sind Tänzerinnen auf dem Weg nach London. An unserem Wagen brach eine Radachse und wir mussten zu Fuß weitergehen."

Robin hob eine Augenbraue und wechselte einen Blick mit seinen Mannen, bevor er interessiert fragte: "Tänzerinnen?"

"Jawohl!" Dax stand kerzengerade und reckte stolz das Kinn vor, die Arme vor der Brust verschränkt. "Irischer Stepptanz, 38 taps pro Sekunde, so schnell wie Michael Flatley seinerzeit", übertrieb sie maßlos, um Eindruck zu schinden. Konnte ja nicht schaden, sich mit diesen Leuten gut zu stellen; wer konnte sagen, wann man sie hier rausholen würde? "Geben wir den Herren eine Kostprobe, Ladies!" ‚Vielleicht laden sie uns eventuell zum Essen ein. Ich bin am Verhungern ...‘


*************

Stunden später...

Gegen 1800 kamen die Offiziere wieder in der OPS zusammen. Auch Dax. Die Temperatur war diesmal schon bedeutend erträglicher, stellten sie alle mit Erleichterung fest; sie hatten alle mehr als genug zu tun gehabt, geackert wie die Möbelpacker von *Universe-Haul*. Den letzten Notfall hatten Bashir und O'Brien, beide am Ende ihrer Kraft, gemeinsam versorgt: ein Zivilist auf der Durchreise hatte seinen Kaffee in den Toaster verschüttet, und da der überschwemmte Toaster unter Spannung stand, als er versuchte, den Schaden zu beheben, war das Ergebnis etwas schmerzhaft gewesen. -- Mit vereinten Kräften hatten sie den Mann vom Toaster getrennt, wonach der Ingenieur sich um die technischen Aspekte der Reparatur kümmerte und der Arzt um die körperlichen. Mittlerweile, unzählige Mann-Arbeitsstunden später, waren die wichtigsten Systeme wieder am Laufen. Bis auf die Replikatoren. Und eine essentielle Frage blieb nach wie vor ungeklärt: WARUM?

Nach ihrer Befreiung aus der Holosuite hatte sich Dax sofort daran gemacht, der Sache auf den Grund zu gehen und die Eingeweide des Stationscomputers von innen nach außen zu kehren. Wenn es wenigstens auf Cardassia eine Service-Hotline des technischen Kundendienstes gäbe! Ihre Finger taten schon so weh wie ihre Füße von Tanzen und ihr Magen vor Hunger - sie hatte noch keine Gelegenheit gehabt, ihre metallbeschlagenen Tanzschuhe gegen normales Schuhwerk auszutauschen, und Robin und seine lustigen Mannen waren zwar begeistert gewesen von ihrer Darbietung wie auch von ihrer Gesellschaft, aber etwas Essbares war ihnen nicht angeboten worden, weshalb die Laune der sonst immer sehr ausgeglichenen und gelassenen Trill nun asymptotisch gegen Null ging. Außerdem konnte sie es allmählich kaum noch ertragen, dass eine ebenfalls Hunger leidende Kira Nerys hinter ihrem Rücken auf und ab tigerte wie ein eingesperrter Panther. Mit einem Magen, der entsprechend knurrte. Stattdessen saßen sie hier nur auf einem Berg Goldäpfel wie Herkules nach seinem Ernteraubzug in den Garten der Hesperiden.

Mit ihrem Haar, so stellte sie bei einem fatalistischen Seitenblick in die reflektierende Oberfläche der Nebenkonsole fest, sah sie allerdings eher aus wie Medusa.

Jetzt kam das letzte Dutzend Unterverzeichnisse. Datenreihen huschten über den Bildschirm und sie unterdrückte einen Seufzer. Wenn hierbei auch nichts rauskam ... wenn die Lösung nicht hier zu finden war ...

Odo und seine Leute hatten keinerlei Anzeichen für Sabotage gefunden hatten, suchten aber trotzdem noch weiter; Dax hatte keine großen Hoffnungen, dass diese Anstrengungen von Erfolg gekrönt sein würden. Nein, die Antwort musste hier im Computer sein. Doch was, wenn nicht?

*Biep*, stoppte mit einem Mal der Datenstrom und zog ihr Augenmerk speziell auf eine Sektion orange hinterlegten Textes in der Bildschirmmitte. Im vergrößerten Standbild wurde nach Einschalten des Übersetzungsprogramms einiges klar. Das war doch wohl nicht zu fassen! "Benjamin!"

Der Captain war gerade mit Kira in die Planung vertieft, wie man am geschicktesten den logistischen Alptraum lösen könne, der sich durch die ganzen Verspätungen in Ankunft und Abreise von Schiffen sowie nicht erfolgte Frachtbewegungen, verursacht durch das Systemversagen, ergeben hatte. Dax‘ Stimme schreckte ihn auf.

"Benjamin!"

"Ich höre, alter Mann."

Dax hielt den PADD hoch, noch bevor der Download komplett war und präsentierte ihn anklagend wie einen stark verdorbenen Fisch. "Die Erklärung ist hier, Benjamin! Sie ist so einfach, dass wir sicher niemals darauf gekommen wären ... und unsere cardassianischen Vormieter haben es ja auch betont vermieden, uns über diese Möglichkeit zu informieren. Hm", unterbrach sie sich nachdenklich, "da es allerdings ein Gesetz des Universums ist, dass es so kommen musste, wäre eine Warnung eigentlich unnötig gewesen, denn es ist ja immer so, dass es gerade dann passiert, wenn --"

"DAX!" blaffte Kira gereizt. "WAS IST LOS?"

"Nun", erklärte die Trill in die Totenstille hinein, "mit dem heutigen Kalendertag ist die Garantie auf sämtliches original zur Station gehöriges Gerät abgelaufen!"


*************



"Wir sind dir ja so dankbar, Julian, dass du deine eiserne Reserve mit uns teilst!"

"Ja", bestätigte Dax und zog Kira durch die Tür in Bashirs Quartier, wo noch die Unordnung regierte. Julian, normalerweise ein sehr ordentlicher Mann, musste es heute Morgen wirklich eilig gehabt haben. Ihr war es momentan jedoch egal, wie der Platz, an dem sie Nahrung bekam, aussah, solange sie nur Nahrung *bekam*. Sie könnte jetzt selbst eine gegrillte Schuhsohle appetitlich finden! Hoffentlich würde das Problem mit den Replikatoren schnellstens behoben werden, bevor Haustiere geopfert wurden oder auf DS9 der Kannibalismus ausbrach.

Die Unordnung fiel auch Bashir auf. "Verzeiht das Chaos", entschuldigte er, "aber der Tag fing schon miserabel an ... Macht es euch bequem. Ich hol' schnell das gute Zeug ..." Er verschwand im Nebenzimmer und bekam somit nicht mit, wie Dax mit der Zielsicherheit eines Bluthundes aus dem Wirrwarr herumliegender Kleidungsstücke, kleinerer Kissen und eines Tennisschlägers ein Hemd hervorzog, das vom Schnitt, Stil und vor allem von der Größe her unmöglich Julians sein konnte, und es Kira mit vielsagendem Blick hinhielt. Diese inspizierte das corpus delicti nur kurz, nickte zustimmend und ließ es dann wieder auf den Kleiderberg fallen. "Der heutige Tag mag miserabel begonnen haben", meinte sie zu ihrer Freundin, "doch dafür scheint der gestrige umso besser geendet zu haben!"

Wenig später kam Bashir mit einer kleinen tragbaren Kühleinheit zurück und bewies bemerkenswerte Selbstbeherrschung, diese nicht beim Anblick der beiden Frauen, die sich da in stillem Einvernehmen lang auf seinem Bett lümmelten, fallenzulassen. Seine Gesichtszüge entgleisten im nichtsdestotrotz. "Uh ... ich sehe, ihr seid meiner Aufforderung gefolgt ..."

"Was hast du da für uns, Julian?"

Der Arzt lächelte geheimnisvoll. ‚Ablenkung, Ablenkung ...‘ "Meine Geheimwaffe. Das beste Mittel, um die berüchtigten late-night-cravings zu stillen ..."

Kira tippte sich nachdenklich mit dem Zeigefinger an die Nasenriffel und stellte eine ganz andere Frage, "Ahm, woher hast du eigentlich diese Kühleinheit?"

Die Frage musste ja kommen! Bashir zuckte mit den Achseln, betont schuldbewusst. "Tja, ich weiß, sie frisst eine Menge Energie, aber der Inhalt erfordert gewisse Opfer und übertretene Regeln."

"Muss ja wertvoll sein." Im Moment hätte es die Bajoranerin wenig interessiert, wenn er zugegeben hätte, jemanden dafür umgebracht zu haben. Hauptsache, jener Inhalt war essbar!

"Wertvoll, ja, durchaus", bestätigte Julian. "Für den Kenner." Und er öffnete die Tür.

Frostiger Nebel waberte heraus, verwehrte den Blick ins Innere. Staunendes Schweigen.

Oh. Ah.

"Was ist das?", hauchte Kira.

Zum Klang von imaginären Trommelwirbeln zog Julian etwas aus den dichten Schwaden hervor, hielt es hoch wie den heiligen Gral. "Ladies ... echter betazoidischer Dano'Ne Joghurt!"

Ah. Oh.

Andächtig sagte Dax, kurz davor, bei Anblick dieses Nahrungsmittels zu sabbern wie ein Pawlowscher Hund mit Flecken: "Ich hatte bislang nur davon gehört ... soll der Beste sein, der zu haben ist. Und angeblich hat er interessante medizinische Eigenschaften. Sehr gesund." ‚Nebenbei auch ein Aphrodisiakum erster Güte‘, setzte sie gedanklich hinzu. "Ich frage besser nicht, woher du ihn beziehst, oder?"

"Nein, besser nicht. Es stehen mehrere Sorten zur Auswahl. Ich habe Erdbeer, Himbeer, Birne, Bircher Müsli, Schoko-Orange ..."

"Julian, unser Retter!" Kira griff ohne Zögern nach einem Erdbeerjoghurt.

"Julian, was würden wir ohne dich tun?" Dax wählte Kiwi.

Julian selbst nahm Ananas-Vanille. Während sie so in gefräßiger Stille vor sich hinlöffelten, in der Gewissheit, den Hungertod abgewendet zu haben, streichelte Dax mit einer Hand andächtig die anschmiegsame schwarze Seidenbettwäsche. "Das gefällt mir, Julian. Nicht ganz Starfleet-Standard, nicht wahr? Genau wie der Joghurt ..." ‚Apropos Joghurt ...‘ Ihre Hand kam urplötzlich an einer bestimmten Stelle zur Ruhe. Prüfend kratzte sie mit dem Fingernagel daran, wechselte einen Blick mit Kira, die jeder Bewegung ihres Fingers wie hypnotisiert gefolgt war. Hemmungsloses Kichern stieg in ihr auf und sie kämpfte um ihre Kontrolle; Kira öffentlich auch.

Nur Julian war so mit seinem Joghurt beschäftigt, dass er erst reagierte, als Dax ihn ansprach und demonstrativ auf die größere verfärbte Stelle auf dem Laken zeigte. "Late-night cravings gut und schön, Julian, aber ich wäre an deiner Stelle vorsichtiger, wenn ich meinen Joghurt im Bett esse ... Wäre schade um die schöne Bettwäsche." Vorsichtig roch sie an ihrem Finger. "Welche Sorte, Banane?"

"AhmMultivitaminglaubeichmiristderBecherausderHandgefallenkeineZeitneuzubeziehen", entwich es Julian; er war jetzt komplett von der Rolle.

Hach! Dax fand es immer wieder faszinierend, welche interessanten Rottöne sich dem Doktor entlocken ließen. Im Moment erinnerte er sie an nichts so sehr wie an ein Reh im Scheinwerferlicht kurz vor dem Zusammenstoß ... oder wie an die Leiche im Bus aus dem gleichlautenden delavianischen Sprichwort. Seine Gesichtsfarbe schwankte zwischen schockiert-blutleerem Weiß und atemlosem Dunkelviolett. Oder war das Sprichwort doch orionisch gewesen? Sie konnte sich nicht mehr erinnern. Am besten sie bat ihren delavianischen Bekannten im Föderationsforschungskomittee für Quantenphysik noch einmal, ihr die linguistischen Wurzeln darzulegen. War ja schon etwas bizarr, der Spruch.

"Nerys", wandte sie sich an Kira, die gerade ebenfalls mit ihrem Joghurt fertig war und den leeren Becher beiseite stellte, "wir haben in fünf Minuten die Besprechung mit Sisko, schon vergessen?"

"Klar." Kira verstand sofort und sprang auf. "Mach's gut, Julian, und nochmals danke", versuchte sie ihren Teil zur Entschärfung des peinlichen Schweigens beizusteuern und schob Dax zur Tür. "Ahm, danke."

"Danke, Julian, du hast zwei Leben gerettet", flüsterte Dax und hauchte ihm einen Kuss auf die Wange, wobei sie ungehört von Kira hinzusetzte, "Pass' in Zukunft mit dem Joghurt auf, ja?"

Julian konnte nur tonlos nicken; er schätzte seine Gesichtstemperatur auf gefühlte 100°C.

"Versprochen, Julian?"

Erneutes Nicken.

"Ruh' dich aus. Wir sehen uns morgen." Damit waren die beiden Frauen verschwunden und zurück blieb ein Arzt, der mit geschlossenen Augen erschöpft an der Wand lehnte und betete, dass dieser Tag ohne weitere Katastrophen bald zu Ende ging.

Die Tür öffnete sich.

"Julian?"

"Hm?", war alles, was er hervorbrachte.

"Hattest du gerade Besuch von Dax und Kira?"

"Hu-humm."

"Tut mir leid, dass ich mich heute Morgen so davongeschlichen habe; gestern war so viel liegengeblieben ... und letztendlich habe ich doch nichts geschafft, sondern nur diverses technisches Gerät repariert, bis ich einfach keine Lust mehr hatte ... aber deinem Aussehen nach zu urteilen erzähle ich dir damit nichts Neues."

Julian schüttelte den Kopf.

"Schlechter Tag?"

"Ganz schlechter Tag. Kann nur besser werden." Julian seufzte einen Weltschmerzseufzer und ließ den Kopf gegen die ihm angebotene Schulter sinken. "Ahm, noch was ... ich fürchte, Dax und Kira haben mir die Ausrede mit dem verschütteten Joghurt nicht wirklich abgekauft, Elim ..."


ENDE
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