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Daheim?

von Olli

Kapitel 2

Pünktlich um 0530 Uhr ertönte das Wecksignal, wie jeden Tag in den letzten zwanzig Jahren, und wie jeden Tag in den letzten zwanzig Jahren schwang die Vulkanierin die Beine aus dem Bett und stand auf, nachdem sie sich eine Minute zum Wachwerden gegönnt hatte.

T'Pol folgte ihrer üblichen Morgenroutine, die ebenfalls in den letzten zwanzig Jahren dieselbe geblieben war. Nach einigen gymnastischen Übungen zum Warmwerden folgten eine Reihe von Übungen verschiedener Kampfsportarten, in schneller Reihenfolge ließ sie unterschiedliche Kombinationen von Schlägen und Tritten auf ein imaginäres Ziel niedergehen. Zum Schluss machte sie noch fünfundzwanzig Liegestütze und fünfzehn Klimmzüge an einer in den Rahmen der Badezimmertür gespannten Stange. Schließlich wollte sie sich ihre körperliche Fitness erhalten. Ihre kämpferischen Fähigkeiten und die Tatsache, dass sie aufgrund ihrer Statur oftmals unterschätzt wurde, waren ihr bei mehr als nur einer Außenmission schon zu Gute gekommen.

Schließlich ließ sie sich im Schneidersitz auf dem Boden nieder und begann eine Meditation. Sie konzentrierte sich auf die Mantras, die sie vor so vielen Jahrzehnten gelernt hatte und die sich ihr, trotz all dem, was seit dem geschehen war, unauslöschlich ins Hirn gebrannt hatten. Langsam versank sie in Trance und ihr Geist wurde ruhig, das Gefühl für Zeit ging ihr verloren.

Schließlich erwachte sie aus ihrer Meditation und langsam kehrte T'Pols Geist ins Hier und Jetzt zurück. Als sie die Augen aufschlug, war sie völlig ruhig und entspannt, fühlte sich erfrischt und gestärkt. Sie stand bedächtig auf, fuhr sich mit der Rechten durchs Haar und entschied, dass es Zeit fürs Frühstück sei.

Eine Stunde später verließ die Vulkanierin das Appartement-Gebäude. Sie war frisch geduscht, trug eine neue Sternenflotten-Uniform und ihr treues Datapad hing an seinem Riemen über die Schulter. Sie ging zur Hoverbus-Station. Ein kurzer Sprung über die Bucht würde eine Menge Zeit sparen. Während des Frühstücks hatte sie die Idee gehabt, noch einmal in das Straßencafe zu gehen. Aus irgendeinem Grund hoffte sie, dort vielleicht Julie zu treffen.

An der Station ging es schon wieder los. T'Pol hatte sich schon gefragt, wie lange es wohl heute dauern würde, bis der Erste mit dem Starren anfing. Als der Hoverbus endlich eintraf, drängte sie sich mit allen anderen Pendlern in das Gefährt. Dass sie von allen möglichen Leuten dabei angerempelt wurde, störte sie nicht weiter, sie hatte gelernt so etwas zu ignorieren und den Körperkontakt stoisch hinzunehmen. Allerdings erntete sie einige erstaunte Blicke, als sie bei passender Gelegenheit zurückschubste und sich schließlich einen Standplatz an einem der Fenster erkämpft hatte. Mit der Linken hielt sie sich an der Stange über ihrem Kopf fest, in der Rechten hielt sie ihr Pad. Der Hoverbus hob senkrecht ab und bot eine Aussicht über das Häusermeer und die verwinkelten Straßen der Altstadt, dann drehte er ab und flog auf die Bucht hinaus. Der Blick aus dem Fenster war… spektakulär. Da der Bus von Sausalito nach San Francisco flog, also von Norden nach Süden, war auf der rechten Seite das eigentliche Golden Gate, der Eingang zur Bucht von San Francisco, und die danach benannte Brücke zu sehen.

„Ein wunderschöner Anblick, nicht wahr?“

T'Pol wandte ihren Blick vom Fenster ab. Neben ihr stand ein älterer Mensch, ein Mann mit dunkler Hautfarbe und grauen Haaren. Er stützte sich auf einen Stock aber sein Blick war wach und intelligent. „In der Tat, Sir.“

„Ich schätze, auf Vulkan gibt es so etwas nicht. Ich bin leider nie da gewesen.“

„Sie waren in der Raumfahrt tätig?“, fragte T’Pol.

„Junge Frau, ob ich in der Raumfahrt tätig war? Ich hab’ mal dieselbe Uniform getragen wie Sie. Na ja, unsere Uniformen haben damals bei weitem nicht so elegant ausgesehen wie die von heute. Und nebenbei bemerkt, keiner von uns hat eine so gute Figur darin gemacht wie Sie es in Ihrer tun. Na, jedenfalls war ich auch in der Flotte, damals in der guten alten Zeit, manche würden auch sagen in der schlechten alten Zeit aber das ist wohl Ansichtssache, jedenfalls lange vor der Föderation.“

Die Vulkanierin verkniff sich jeden Kommentar zu ihrem Alter, wenn sie den Menschen richtig einschätzte, war sie höchstwahrscheinlich älter als er. „Dann haben Sie in den Anfangsjahren der Sternenflotte bestimmt einiges erlebt?“

„Ha! Ich könnte Ihnen da Geschichten erzählen! Damals haben wir unsere Schiffe mit Spucke, Draht und gutem Willen zusammengehalten. Wir haben jedes Mal drei Kreuze geschlagen, wenn wir die ersten zehn Lichtjahre hinter uns gebracht hatten, ohne dass uns der Reaktor um die Ohren geflogen ist. Wir hatten nicht solche modernen Luxusjachten, mit denen ihr jungen Leute heute durch die Galaxis gondelt. Von welchem Schiff kommen Sie?“

„Ich war bis vor zwei Jahren Erster Offizier auf der USS ROM, dann wurde ich zum Captain befördert und als Projektleiterin zu einer Entwicklungskomission abgestellt. Ich…“

„Hui, zwei Jahre als Captain und kein eigenes Schiff? Welchem Admiral sind Sie auf die Füße getreten, dass man Sie solange zappeln lässt?“

Die Vulkanierin musste unwillkürlich schmunzeln. „Soweit ich weiß Keinem, es ergab sich einfach keine Gelegenheit. Aber ich hoffe, in einem Jahr das Kommando auf der USS TOKIO zu übernehmen, bis dahin werde ich als Dozentin an der Sternenflottenakademie tätig sein.“

„Ah, dann bereiten Sie als unsere zukünftigen Magellans und Cooks auf das große Abenteuer vor?“

„Ich hoffe einen Beitrag leisten zu können, Sir.“

„Es muss Ihnen nicht leicht gefallen sein von zuhause fort zu gehen?“

„Nein, dass ist es in der Tat nicht.“ In der Stimme der Vulkanierin schwang ein Ton von Melancholie mit. Dem Menschen musste es aufgefallen sein, denn er wurde plötzlich ernst.

„Wissen Sie woher das Gate seinen Namen hat?“, fragte der Mann nach einigen Sekunden des Schweigens mit leiser Stimme.

T’Pol blinzelte. Sie hatte sich nie die Mühe gemacht, das herauszufinden. „Leider nicht, Sir.“

Der Mann lächelte. „Die jungen Leute haben keinen Sinn mehr für Geschichte. Das Golden Gate verdankt seinen Namen der Einwanderungswelle, die im 19. Jahrhundert nach den großen Goldfunden über Kalifornien hinweg geschwappt war“, erklärte er. „Tausende von Menschen hofften damals, hier ein neues besseres Leben beginnen zu können, indem sie nur die Goldnuggets von der Straße aufzusammeln brauchten. Tausende konnten damals ihre Träume verwirklichen, viel mehr aber scheiterten.“

T’Pol warf einen Blick aus dem Fenster in Richtung der berühmten Brücke und des Eingangs zur Bucht von San Francisco. Der Gedanke, dass nicht nur sie mit der Absicht eines Neubeginns hierher gekommen war, sondern das schon vor ihr andere dieselbe Hoffnung in diese Stadt gesetzt hatten, schien T’Pol irgendwie… beruhigend.

„Die Brücke selber wurde natürlich erst viel viel später gebaut“, fügte der Mann noch hinzu.

Es schaffen oder versagen, dachte sich die Vulkanierin, sie würde jedenfalls in guter Gesellschaft sein.

„Ich wünsche Ihnen jedenfalls alles Gute für Ihre Stelle an der Akademie und mit der TOKIO, falls Sie das Schiff kriegen.“

„Danke, Sir.“

Der Mensch lächelte T'Pol an und wandte dann den Blick wieder aus dem Fenster. Gerade flogen Sie über Alcatraz hinweg.

Einige Minuten später ging der Hoverbus langsam tiefer und setzte zur Landung an. An der Station verließ T’Pol den Bus. Sie schob sich von ihrem Stehplatz in Richtung der Tür, da hier nur wenige Fahrgäste ausstiegen. Als sie endlich auf dem Bussteig stand, wandte sich in Richtung des Straßencafes. Nach kurzem Fußmarsch traf sie dort ein, musst zu ihrer Enttäuschung aber feststellen, dass heute ein anderer Kellner arbeitete. Sie betrat den Innenraum und bestellte einen Tee in einem Thermobecher zum mitnehmen, dann machte sie sich langsam auf den Weg in Richtung Akademie. So früh am morgen waren weniger Menschen unterwegs als gestern Nachmittag und T'Pol wurde wesentlich weniger oft angestarrt als sonst. Sie bummelte den Bürgersteig entlang, um nicht zu früh an der Akademie anzukommen und trank dabei langsam von ihrem Tee. Endlich kam das Tor zum Akademiegelände in Sicht, vor dem zwei Kadetten aus dem Abschlussjahr Wache standen. Es gehörte zu ihrer Ausbildung den Wachdienst zu leisten. Ihre Hauptaufgabe bestand aber weniger in der Personenkontrolle, sondern vielmehr darin, den Besuchern den richtigen Weg zu weisen, Lieferanten abzufertigen und nur gelegentlich jemanden am unbefugten betreten zu hindern, wenn eine der Sicherheitsschranken Alarm schlug.

Den Becher hatte die Vulkanierin schon an der letzten Ecke ausgetrunken und in einen Mülleimer geworfen. Sie straffte die Schultern und legte eine etwas forschere Gangart vor, wie man es von einem Offizier in ihrer Position erwarten würde.

T’Pol trat in den Scannbereich und innerhalb von Sekunden wurden ihr Gesicht und ihr Körperprofil mit den Daten im Akademiecomputer verglichen. Dieser entschied, dass Captain T’Pol zutrittsberechtigt war und sie konnte den Eingangsbereich passieren, ohne dass Alarm ausgelöst wurde. „Kadett“, sie grüßte den durch seine Armbinde gekennzeichneten Wachhabenden, der im Wachgebäude vor einem Monitor saß.

„Ma’am.“ Der junge Mensch warf einen Blick auf seinen Monitor, wo bereits die entsprechenden Daten über T’Pol erschienen waren. T’Pol galt noch als Besucherin und der Computer meldete das der Wache, damit die Hilfe anbieten konnte, z.B. mit einer Wegbeschreibung. „Willkommen an der Sternflotten-Akademie, Captain T'Pol. Sie werden bereits im Büro des Admirals erwartet. Benötigen Sie eine Eskorte oder kennen Sie den Weg?“

„Danke, ich kenne mich hier aus.“ Sie war zwar schon einige Male hier gewesen, aber immer nur zu privaten Zwecken. Meist hatte sie den Admiral besucht.

„Aye, Aye Ma’am.“

T'Pol schritt durch das Tor und folgte einer breiten, asphaltierten Straße, die durch eine Parklandschaft führte. Es gab hier Bäume, Büsche und Blumenbeete, sowie gekieste Gehwege. Die Straße mündete auf einen großen Platz, direkt gegenüber befand sich das Hauptgebäude, rechts der Verwaltungstrakt. Auf der linken Seite öffnete sich der Platz zum Park hin, in dem die übrigen Gebäude der Akademie verteilt waren.

T’Pol waren auf ihrem Weg nur wenige Kadetten begegnet. Erst hier auf dem Platz fanden sich mehr. Alle Kadetten hatten sie gegrüßt, wie es die Vorschrift verlangte und T’Pol hatte jedes Mal freundlich zurück genickt.

Sie wandte sich nach rechts zum Verwaltungstrakt, durchquerte die Eingangshalle und ging die große Treppe hinauf in den ersten Stock. Das Büro des kommandierenden Admirals der Sternenflottenakademie lag im hinteren Teil des Gebäudes. Dadurch bot sich ein sehr schöner Ausblick über die Parkanlage der Akademie, auf die Bucht und die Golden Gate Bridge. T'Pol wusste, dass sie im Vorzimmer nicht von einer zivilen Chefsekretärin empfangen werden würde, sondern von einem Adjutanten, der bestenfalls Commander höchstwahrscheinlich aber nur Lieutenant war. Dazu würden zwei oder drei Kadetten des Abschlussjahrgangs kommen, die hier ihre ersten Erfahrungen mit der echten Sternenflottenbürokratie machen durften. T'Pol wusste, dass immer noch darüber gestritten wurde, ob das nun eine Auszeichnung für die Kadetten oder eine Strafe war. Das gehörte zwar nicht offiziell zur Ausbildung, aber der Kommandant der Akademie war der Ansicht, dass die Kadetten auch diesen Aspekt ihrer Karriere aus erster Hand kennen lernen sollten. Dieser Admiral hatte einen gänzlich anderen Führungsstil als Admiral Corrington.

Die Vulkanierin öffnete die Tür und trat ins Vorzimmer. Das Bild, das sich ihr bot war unbeschreiblich. Auf einer Kante des Schreibtisches hockte der Admiral, den rechten Fuß auf einen Stuhl vor sich gestellt. In der rechten Hand hielt er einen Becher mit dampfendem Kaffee, den Ellenbogen auf das Knie gestützt. Mit der Linken fuchtelte der Mensch in der Luft herum, offenbar um seiner Erzählung den nötigen Nachdruck zu verleihen. Um ihn herum standen zwei Kadetten und ein Lieutenant, die fasziniert zuhörten.

„…jedenfalls stand da also dieser riesige Klingone und… Oh! Hallo T'Pol, da sind Sie ja endlich!“ Der Admiral stellte die Tasse auf den Schreibtisch und sprang auf den Boden. Der Mann machte ein paar Schritte auf die Vulkanierin zu und fasste sie mit beiden Händen an den Schultern. Die drei anderen Menschen im Raum betrachteten das Schauspiel schweigend aber erstaunt.

„Admiral Archer. Es ist schön, Sie wieder zu sehen.“

„Warum so förmlich T'Pol? Wir kennen uns doch wirklich lang’ genug!“

„Sir, ich werde hier unter Ihrem Kommando dienen. Es scheint mir angebracht, Sie mit Ihrem Rang anzusprechen.“

„Immer schön nach Vorschrift, so kenne ich Sie.“ Archer grinste. Seit Jahren versuchte er, T'Pol dazu zu bringen, ihn mit dem Vornamen anzusprechen. Bis jetzt hatte sie allen Angeboten widerstanden. „Wir haben noch ein paar Minuten bevor ich Sie den Dozenten vorstelle, kommen Sie.“ Archer griff nach T’Pols Ellbogen und führte sie in sein Büro. „Sie müssen mir erzählen, wie es Ihnen seit unserem letzten Treffen ergangen ist. Oh, Lieutenant Rogers! Machen Sie weiter“, sagte Archer noch, bevor die Tür hinter ihm ins Schloss fiel.

„Was war denn das?“, wandte sich einer der Kadetten an den Lieutenant.

„Sie haben wohl den Geschichten des Admirals nicht die nötige Aufmerksamkeit geschenkt, Kadett. Dann wüssten Sie, dass der Admiral und Captain T'Pol alte Kameraden von der ENTERPRISE sind“, erklärte Rogers.

„Ich habe den Geschichten schon zugehört, aber ich habe mich immer gefragt, wozu all die anderen Sternenflottenangehörigen da waren, während der Admiral mit der ENTERPRISE unterwegs war.“

„Kadett!“

„Sir?“

„Da wartet Papierkram auf Sie!“ Der Lieutenant deutete auf einen besonders hohen Stapel.

„Aye, Aye, Sir!“ Der Kadett scholt sich selbst für seine große Klappe und fügte sich schweigend in sein Schicksal.

* * * * * *

In seinem Büro nötigte Archer T'Pol, auf einem Sofa Platz zu nehmen. Er setzte sich ihr gegenüber in einen Sessel. Auf dem Tisch zwischen ihnen stand eine Kanne Tee mit zwei Tassen und eine Schüssel mit Gebäck. Ohne zu fragen schenkte Archer den Tee ein. Als er die Kanne wieder abstellte, blickte er auf und grinste T'Pol wieder an. „Ich hoffe, Sie nehmen eine Tasse? Es ist original vulkanischer Tee. Ich habe ihn extra in einem Feinkostgeschäft besorgen lassen.“

T'Pol nickte und nahm die Tasse. Als sie sie zum Mund führte, stieg ihr der Duft in die Nase. Nach all den Jahren war er ihr noch immer vertraut und mittlerweile doch fremdartig. Sie hatte in den letzten Jahren nur sehr selten vulkanische Lebensmittel zu sich genommen. Erst auf der Erde hatte sie sie sich wieder regelmäßig besorgen können.

Archer beobachtete sie. Er konnte nicht bestreiten, dass das Gesicht der Vulkanierin für einen Augenblick einen… ihm fiel kein anderes Wort als ‚verträumt‘ ein… einen verträumten Gesichtsausdruck annahm. Seit er T'Pol damals das Angebot gemacht hatte, in die Sternenflotte einzutreten, hatte er sich manchmal gefragt, ob es die richtige Entscheidung gewesen war? Auf dem Weg in die Ausdehnung schien es richtig zu sein. Aber was danach kam… Hatte er T'Pol zu einem Leben in Einsamkeit verurteilt? Hätte es eine Möglichkeit gegeben, dass sich alles in eine andere Richtung entwickelt hätte? Deshalb bemühte er sich so um T'Pol. Er war derjenige gewesen, der sie in die Sternenflotte gebracht hatte und nun hatte er sie als erste vulkanische Dozentin an eine irdische Hochschule geholt. Archer hatte seinen Einfluss nie dazu missbraucht, T'Pols Karriere unrechtmäßigerweise zu fördern aber andererseits ärgerte es ihn maßlos, dass T'Pol bis jetzt immer noch kein eigenes Schiff kommandierte. Deshalb war er gestern – natürlich rein zufällig – im Sternenflotten-Hauptquartier gewesen, um zu hören, wie sich T’Pol bei der Besprechung mit seinem Freund Corrington machte. Von nun an würde er sich aber aus dem Auswahlverfahren heraushalten. Außerdem war Corrington ein bärbeißiger alter Starrkopf, der sich sowieso nicht beeinflussen lassen würde.

Archer wusste, dass die Distanz, die die Vulkanier immer noch zur Föderation einnahmen, dafür sorgte, dass sich Angehörige anderer Föderationsvölker auch T'Pol gegenüber distanziert verhielt. Hinzu kam, dass Vulkanier immer noch ein seltener Anblick auf der Erde waren. Auf anderen Föderationswelten wie Andoria oder Tellar ließen sie sich noch weniger blicken… Und deshalb wurden sie von vielen Menschen immer noch als überheblich, arrogant und besserwisserisch betrachtet. Zwischen den Vulkaniern und dem Rest der Föderation gab es immer noch viele Brücken zu schlagen.

Und gerade deshalb war Archer überrascht und auch erfreut gewesen als er erfuhr, dass sich T'Pol um das Kommando auf der TOKIO beworben hatte.

„Also T'Pol? Wie lief Ihr Treffen mit Admiral Corrington?“, fragte Archer, um nun auch zu erfahren, wie die Vulkanierin das Gespräch einschätzte.

T’Pol blickte auf und schluckte einen Bissen von dem Keks herunter, den sie sich aus der Schüssel genommen hatte. „Ich denke, dass ich Eindruck auf den Admiral gemacht habe…“

* * * * * *

Fünfzehn Minuten später verließen Archer und T'Pol das Büro und wandten sich auf dem Gang nach rechts. Am Ende des Korridors lag der Festsaal der Akademie. Dort war genug Platz, um alle Dozenten auf einmal zu versammeln und T'Pol vorzustellen.

„Wie Sie wissen, beginnt das Semester nächsten Montag offiziell, aber wir haben bereits eine große Anzahl Kadetten hier, die sich während der letzten Hälfte der Semesterferien für Fort- und Weiterbildungskurse gemeldet hatten. Die große Masse wird aber erst am Wochenende erwartet, da kommt noch jede Menge Arbeit auf uns zu. Sie können sich glücklich schätzen, das nicht mitmachen zu müssen.“ Archer grinste verschmitzt. „Ihre Versetzung kam zu spät, um Sie noch in die Planungen für den Empfang der Kadetten mit einbauen zu können.“

„Glück muss man haben, Sir.“

„Genau. Ich stelle Sie zunächst den Dozenten vor, dann zeige ich Ihnen ihr Büro und die wichtigsten Einrichtungen auf dem Gelände. Dort vorn ist bereits der große Konferenz- und Festsaal.“ Archer deutete auf eine große offene zweiflüglige Tür am Ende des Ganges. Aus dem Saal war leises Stimmengewirr zu hören. Als der Admiral mit T'Pol im Gefolge, die sich vorschriftsmäßig zwei Schritte schräg hinter ihm hielt, in den Saal trat, wandten sich alle Blicke den beiden zu. Archer schritt durch die Menge zur Stirnseite des Raumes.

T'Pol wusste, dass die Akademie zur Zeit fünfzig Dozenten hatte, die für 1003 Offiziersanwärter in vier Jahrgangsstufen zuständig waren. Die meisten Dozenten waren Sternenflottenoffiziere. Es gab aber auch zivile Professoren, die den Offizieren gleichgestellt waren. Das Verhältnis von Studenten zu Dozenten sorgte für kleine Unterrichtsgruppen von etwa zehn bis fünfundzwanzig Kadetten je Professor. Alle fünfzig schien im Moment hier versammelt zu sein und alle fragten sich bestimmt, wie die Neue wohl sein mochte. Einige steckten die Köpfe zusammen und flüsterten leise miteinander. Auf den Gesichtern derjenigen, die den bereits kursierenden Gerüchten über T'Pols Berufung an die Akademie Glauben geschenkt und es befürwortet hatten, breitete sich Genugtuung aus. Andere kramten sichtlich in ihrem Gedächtnis nach Informationen über die doch nicht ganz unbekannte Vulkanierin.

Nichts davon entging T'Pol, als sie, hinter Archer am Rednerpult stehend, die Anwesenden kurz musterte. Die am Vorabend gelesenen Informationen fielen ihr wieder ein, als sie in die von den Fotos bereits vertrauten Gesichter blickte.

„Guten Morgen meine Damen und Herren“, ergriff Archer das Wort und lenkte damit die Aufmerksamkeit aller auf sich. „Wie Sie wissen wird Captain T'Pol ab dem kommenden Montag bei uns ein Semester lang als Gastdozentin tätig sein. Captain T'Pol ist nicht nur die erste Vulkanierin, die in die Flotte eingetreten ist, sondern auch die Erste, die einen Lehrauftrag an der Akademie erhalten hat.“ Archer brauchte nicht zu erwähnen, dass T'Pol bis jetzt die einzige von Vulkan stammende Person war, die der Sternenflotte beigetreten war. „Captain, wenn Sie sich kurz vorstellen würden.“

Die Vulkanierin trat vor und ergriff das Wort. „Danke Admiral. Bevor ich vor dreizehn Jahren im Zuge des Xindi-Konflikts in die Sternenflotte eintrat, diente ich im Sicherheitsministerium und im Diplomatischen Dienst Vulkans. Außerdem war ich beim vulkanischen Wissenschaftsrat beschäftigt. Vor fünfzehn Jahren wurde ich im Range eines Sub-Commanders Erster Offizier und Wissenschaftsoffizier der ENTERPRISE unter Captain Archer.“ T'Pol deutete kurz auf den neben ihr stehenden Admiral. „Nach zwei Jahren wechselte ich als Commander in die Sternenflotte. Ich diente als Erster Offizier auf der ENTERPRISE, der CHARLES DE GAULLE und der ROM. Vor zwei Jahren wurde ich zum Captain befördert und dem Projektstab für die Entwicklung neuer Werftanlagen zugeteilt. Ich lebte und arbeitete seit dem in der Werftanlage im Erdorbit, habe nun aber eine Wohnung in Sausalito. Meine Aufgabe im Entwicklungsbüro bestand darin, unter Berücksichtung zukünftiger Schiffkonfigurationen die Werften der Föderation auf den Bau neuer, weiterentwickelter Schiffe vorzubereiten. Das kommende Semester werde ich hier an der Akademie verbringen, während ich darauf warte, das Kommando auf der USS TOKIO übernehmen zu können. Vorausgesetzt die Auswahlkommission trifft die richtige Entscheidung und ernennt mich zum Captain.“ T’Pols letzte Bemerkung schien von den Meisten durchaus als Witz verstanden worden zu sein und löste etwas Unruhe unter den Dozenten aus. Niemand hier hatte je einen Vulkanier getroffen, der so offensichtliche Witze gemacht hatte. Schließlich setzte Applaus ein und Archer führte T'Pol in den Raum, um sie ihren neuen Kollegen im Einzelnen vorzustellen.

Nachdem der Admiral der Vulkanierin etwa zwei Drittel ihrer neuen Kollegen und Kolleginnen vorgestellt hatte, und es T'Pol tatsächlich fertig brachte, den Gesichtern die korrekten Namen zuzuordnen, trafen sie auf eine Person, die keiner Vorstellung bedurfte. „Professor Sato, ich freue mich, Sie wieder zu sehen.“

Die Inhaberin des Lehrstuhls für Xeno-Linguistik blinzelte verblüfft, als sie die Worte der Vulkanierin vernahm, und lächelte überrascht. „Captain T'Pol.“

Endlich war T'Pol allen Dozenten vorgestellt und Archer führte die Vulkanierin aus dem Saal. Der Admiral räusperte sich, als sie den Verwaltungstrakt verließen und auf den Platz hinaustraten. „Sie haben garantiert Eindruck gemacht.“

„Ich denke, es ist das Beste, wenn ich meine zukünftigen Kollegen gleich mit meiner… ‚besonderen’ Art konfrontiere.“ Während sie nebeneinander hergingen warf T'Pol dem Admiral einen kurzen Blick zu. „Ich habe die Erfahrung gemacht, dass die Personen, mit denen ich zu tun habe, sich dann umso schneller daran gewöhnen.“

„Auf alle Fälle haben Sie für einigen Gesprächsstoff gesorgt.“ Archer wies nach rechts, „Hier haben wir das Hauptgebäude mit den meisten Hörsälen…“

Nach guten zweieinhalb Stunden hatte Archer T’Pol das Hauptgebäude, einige Nebengebäude mit weiteren Hörsälen, Labors und den Büros der Dozenten gezeigt, dazu die Sporthalle, den Sportplatz und einen Teil der Parkanlage. Schließlich waren sie wieder auf dem Platz vor dem Hauptgebäude angekommen und der Admiral verabschiedete sich von T'Pol. „Ich muss zurück an den Schreibtisch, der Papierkram scheint nie weniger zu werden.“

„Sir.“

„Wenn Sie noch Fragen haben, Sie wissen wo sie mich finden oder wenden Sie sich an einen ihrer Kollegen. Wir sehen uns.“

„Auf Wiedersehen, Sir.“

Damit verschwand der Admiral im Verwaltungstrakt und T'Pol wandte sich um, sie wollte zurück in ihr Büro. Es lag im ersten Stock von Block 3. Im Erdgeschoss des Gebäudes gab es einige kleinere Hörsäle, im Keller befanden sich Elektronik-Labore. T'Pol sollte ihre Vorlesung in einem der großen Hörsäle im Hauptgebäude halten, ihr Seminar aber in einem der kleinen Unterrichtsräume auf derselben Etage auf der auch ihr Büro lag. Es hatten sich bisher achtzehn Kadetten für ihr Seminar zum Xindi-Konflikt gemeldet, sie konnte noch drei oder vier aufnehmen. Vielleicht waren die jungen Leute ein wenig von der Tatsache abgeschreckt worden, dass sie eine vulkanische Professorin hatten. Wie viele Hörer in ihre Vorlesung kommen würden, wusste sie nicht, der Besuch der Vorlesungen war jedem Kadetten freigestellt. Sie hoffte nur, nicht vor einem leeren Hörsaal sprechen zu müssen.

Das Schloss ihres Büros war bereits auf ihre persönliche ID-CARD programmiert und T'Pol steckte die Karte in den Schlitz, ein grünes Lämpchen leuchtete auf und die Tür schnappte hörbar auf. Ihr Blick fiel auf das Namensschild: Es war schon gestern von einem Haustechniker dort angebracht worden, hatte ihr der Admiral während des Rundganges erklärt. Die Tür schloss sich hinter T’Pol und sie warf einen genaueren Blick auf ihr neues Reich, wozu sie beim Rundgang keine Gelegenheit gehabt hatte. Links der Schreibtisch mit einem Computerterminal und dem Drehsessel, an der Wand dahinter ein Bücherregal. Der Schreibtisch stand quer zum Fenster, davor zwei Stühle für Besucher. Auf der rechten Seite des kleinen, länglichen Raumes stand noch ein Bücherregal, dann zur Abwechslung ein Aktenschrank. Die Vulkanierin fragte sich, wozu der gut sein sollte, da Akten eigentlich nur noch elektronisch vorhanden waren. Gleich neben dem Aktenschrank, welche Überraschung, noch ein Bücherregal. Und zu guter letzt fiel ihr noch ein Papierkorb auf, der etwas verloren in einer Ecke des Raumes stand.

Sie setzte sich an ihren Schreibtisch und aktivierte den Computer; sie wollte sich zunächst einmal das Dateiverzeichnis ansehen. Sie fand allgemeine Hinweise zur Akademie, einen Lageplan, ein Adressen- und Dozentenverzeichnis, Benutzerhinweise für die elektronische Bibliothek und die ‚echte’ Bibliothek, in der es natürlich keine Bücher gab, sondern Datapads, und sie fand Speisepläne für die Messe der Kadetten und die Offiziersmesse für die nächsten zwei Wochen. Darüber hinaus fand sie allgemeine Hinweise zum Unterricht und Nutzungspläne für die verschiedenen Räume, in denen stand welcher Dozent zu welchem Zeitpunkt welchen Raum belegen würde, und schließlich eine Datei, die mit einer Unzahl der verschiedensten Anforderungsformulare für alle möglichen und sogar einige unmögliche Dinge voll gepackt war. Mit ihrer Erkundungstour zufrieden, begann die Vulkanierin einige eigene Dateien anzulegen.

T'Pol holte ihr Pad hervor, aktivierte es und begann Daten in das Terminal zu kopieren, die sie für ihre Unterrichtsveranstaltungen schon vorbereitet hatte. Sie würde die Informationen von jedem anderen Terminal auf dem Akademiegelände jederzeit abrufen können.

Als alles endlich zu ihrer Zufriedenheit eingerichtet war, schaltete sie den Computer wieder ab und verließ ihr Büro. Sie wollte noch einen kurzen Blick in den ihr zugewiesenen Unterrichtsraum IV werfen. T'Pol ging den Gang hinunter und öffnete die Tür. In den Unterrichtsräumen gab es nichts Wichtiges, weshalb sie auch nicht abgeschlossen waren. Das Zimmer lag an einer Ecke des Gebäudes und hatte an zwei Seiten Fenster. Der Raum war hell und freundlich, jeder Platz war mit einem Anschluss für ein Datapad ausgestattet und ihr eigener Platz an der Stirnseite des Raumes hatte zusätzlich noch ein Terminal. Von hier aus konnte sie auch den großen Monitor bedienen, der an der Wand hinter ihrem Platz angebracht war.

Mit der Einrichtung zufrieden, verließ sie den Raum wieder und begab sich zum Ausgang. Für heute war ihre Arbeit hier erledigt und bis zu ihrer ersten Vorlesung am Montag waren es noch vier Tage. Um noch etwas von der Atmosphäre der Akademie aufzunehmen, beschloss T'Pol, in der Offiziersmesse eine Tasse Tee zu trinken.

Die Vulkanierin schritt über einen Kiesweg durch die Parkanlage der Akademie zum Gebäude mit den Messen. Die große Kadettenmesse erstreckte sich über zwei Etagen und sah aus wie eine Werkskantine. T'Pol hatte Aufnahmen von solchen Einrichtungen in historischen Aufzeichnungen gesehen. Die Offiziersmesse im dritten Stock war eingerichtet wie ein Restaurant der guten Mittelklasse und hatte sogar Kellner, die hier aber der Tradition folgend Messestewards genannt wurden. Das Essen für die Offiziere kam aber aus derselben Küche wie das für die Kadetten, es wurde hier nur anders serviert.

Der Speiseraum war fast leer, nur zwei Menschen saßen dort. Einer von ihnen war Professor Sato und T'Pol ging auf sie zu. Es wären genug Tische frei, um alleine zu sein aber im Laufe der Jahre hatte sich T’Pol an Gesellschaft gewöhnt. Sie hatte es, wann immer es ging, vermieden, sich von anderen abzusondern, wie sie es zu Beginn ihrer Zeit auf der ENTERPRISE getan hatte. T’Pol hatte gelernt, dass sie so viel eher ein engeres Verhältnis zu Kollegen oder Kameraden aufbauen konnte. „Guten Tag, Professor Sato.“

Hoshi blickte überrascht auf. „Oh, schön Sie wieder zu sehen, T'Pol.“ Für ein paar Sekunden herrschte Schweigen, dann begriff Hoshi und deutete auf den Platz ihr gegenüber. „Möchten Sie sich zu mir setzten.“

„Ja, sehr gerne.“ Die Vulkanierin ließ sich auf dem Stuhl nieder. Die Andeutung eines Lächelns blitzte über ihr Gesicht.

Hoshi bemerkte es und war verblüfft. Sie vermied es aber, die Vulkanierin darauf anzusprechen. Es wäre ein Verstoß gegen die Gebräuche vulkanischer Höflichkeit gewesen, wenn sie auf die Gefühlsäußerung T'Pols reagiert hätte. Aber in Gedanken fragte sich Hoshi, was mit T'Pol los sein könnte. Sie erkannte, dass die Vulkanierin sich sehr verändert hatte, seit sie sich vor elf Jahren zum letzten Mal gesehen hatten. T'Pol hatte damals die ENTERPRISE verlassen, um auf die DE GAULLE zu gehen und Hoshi hatte als Lieutenant ihren Abschied genommen und war an die Universität zurückgekehrt. „So, jetzt sind Sie also Lehrerin. Wie kamen Sie zu dem Entschluss? Ich hatte immer den Eindruck, Sie würden sich da draußen wohler fühlen?“ Hoshi versuchte ihr Erstaunen mit den ersten Worten, die ihr einfielen, zu überdecken.

„In der Tat, aber als sich die Möglichkeit bot, mit der TOKIO ein eigenes Schiff zu bekommen, habe ich kurz entschlossen zugegriffen. Man hatte mir schon vor einiger Zeit eine Stelle als Gastdozentin angeboten und ich dachte mir, während des Auswahlprozesses hier auf der Erde zu sein, würde einen guten Eindruck bei der Kommission hinterlassen.“ Die Vulkanierin hatte Hoshis Unbehagen sehr wohl bemerkt. Die Fähigkeit die Körpersprache anderer Personen zu lesen, hatte sie im Laufe der Zeit weiter entwickelt.

„Verstehe.“ Hoshi musterte T'Pol für einen Augenblick. Die Vulkanierin hatte noch immer dieselbe Frisur, die sie sich während des Fluges zur Delphischen Ausdehnung zugelegt hatte. Schon damals hatte Hoshi zugeben müssen, dass T'Pol mit dieser Frisur viel besser ausgesehen hatte, als mit dieser Bubikopffrisur, die sie bei ihrer Versetzung auf die ENTERPRISE getragen hatte. Auch die Sternenflottenuniform stand T'Pol noch immer hervorragend, sie war rank und schlank wie eh und je. Der Reißverschluss des blauen Overalls war so weit aufgezogen, wie es die Vorschriften gerade noch erlaubten. Hoshi konnte daher den Kragen eines weißen T-Shirts erkennen und fand, dass die Vulkanierin damit sehr legere aussah.

„Ich hoffe jedenfalls, dass Ihnen die Arbeit an der Akademie ebenso zusagen wird, wie die Arbeit im Entwicklungsstab“, fuhr Hoshi fort.

„Die Arbeit im Stab was sehr theoretisch und trocken aber dennoch interessant. Ich denke, der Unterricht wird sehr viel abwechslungsreicher werden.“

Ein Steward trat an den Tisch heran. „Ma’am“, sprach er T'Pol an. „Kann ich Ihnen etwas bringen?“

„Einen schwarzen Tee bitte, Ceylon-Mischung.“

„Aye, Aye Ma’am. Wünschen Sie auch die Speisekarte?“

„Nein, vielen Dank. Ach, und bringen Sie mir dazu bitte echten Zucker und keinen Süßstoff.“

Hoshi war jetzt so erstaunt, dass sie es nicht länger verbergen konnte. „Ahm… sagen Sie, ist mit Ihnen auch alles in Ordnung? Ich meine… Sie verhalten sich nicht so, wie man es von Vulkaniern im Allgemeinen gewöhnt ist.“

Als sich ein echtes Lächeln auf das Gesicht der Vulkanierin stahl, stand Hoshi nicht nur am Rande der Erschütterung: Sie war vielmehr kurz davor, die Sanitäts-Station der Akademie zu verständigen. Das atypische Verhalten der Vulkanierin konnte doch nicht normal sein.

„Mit mir ist alles in Ordnung, Professor Sato. Mein Verhalten hat durchaus einen nachvollziehbaren Grund, aber das ist eine lange Geschichte und ich werde sie Ihnen vielleicht eines Tages erzählen.“

Der Steward brachte den Tee und stellte eine Tasse, eine Zuckerdose und ein Kännchen Milch vor der Vulkanierin auf den Tisch. Die gab einen Löffel Zucker in die Tasse und ignorierte die Milch. Hoshi beobachtete, wie die Vulkanierin die Tasse an die Lippen hob und vorsichtig einen kleinen Schluck von der heißen Flüssigkeit nahm.

„Nicht ganz so gut, wie meine persönliche Mischung aber fast.“ T'Pol setzte die Tasse wieder ab und blickte die Frau ihr gegenüber an.

„Ich hoffe, dass ich Ihnen nicht zu Nahe trete, aber ihr Verhalten… ist ungewöhnlich für einen Vulkanier. Sie zeigen Emotionen in der Öffentlichkeit und dann auch noch der Tee und dazu Zucker. Auf der ENTERPRISE waren Sie kaum dazu zu bewegen, einmal den Grünen Tee von der Erde zu probieren. Sie fanden dann zwar Geschmack daran, aber ich glaube nicht, dass sie damals Schwarzen Tee getrunken hätten, schon gar nicht mit etwas so Gesundheitsschädlichem wie Zucker. Ich… ich dachte nur, dass Sie vielleicht an irgendwelchen Beschwerden leiden. Ich meine… nun ja, das Pa’nar-Syndrom zum Beispiel.“ Hoshi wusste, dass ein Vulkanier normalerweise eine solche Frage nie beantworten würde aber T’Pol verhielt sich so merkwürdig…

Die Vulkanierin schmunzelte wieder. „Seit der ENTERPRISE ist viel Zeit vergangen. Wie ich bereits sagte, eine lange Geschichte. Aber ich danke Ihnen für ihre Sorge, und ich versichere Ihnen, dass ich an keinerlei Beschwerden leide. Und was das Pa’nar-Syndrom betrifft, davon wurde ich schon vor Jahren geheilt.“ T’Pol dachte kurz an das Zusammentreffen mit dem vulkanischen Schiff vor vierzehn Jahren zurück. Die Vulkanier an Bord hatten versucht, einen Mittelweg zwischen emotionaler Kontrolle und dem Ausleben ihrer Gefühle zu finden. Einer der Männer an Bord hatte sich zu sehr seinen Gefühlen geöffnet und hatte sie… Nun, das war lange vorbei.

Jetzt war es an Hoshi zu lächeln. „Das wusste ich nicht. Ich bin froh, dass Sie geheilt sind und wenn Sie sich wohl fühlen…“

„Ich fühle mich in der Tat wohl.“ Niemand außer Captain Archer hatte je die volle Wahrheit darüber erfahren wie Tolaris sie durch die erzwungene Gedankenverschmelzung missbraucht hatte, nicht einmal Dr. Phlox. Aber dass sie sich durch den Kontakt mit einem Crewmitglied des vulkanischen Schiffes mit Pa’nar infiziert hatte, das hatte sich irgendwann nicht mehr verbergen lassen.

Hoshi zog jetzt in einer ziemlich guten Imitation der vulkanischen Geste die Augenbraue hoch, wie T'Pol befand, gab zu der Bemerkung der anderen Frau aber keinen Kommentar ab.

Die Vulkanierin ergriff wieder das Wort. „Wie ist es Ihnen in der Zwischenzeit ergangen und Lieutenant Reed und Ensign Mayweather? Seit meinem Weggang von der ENTERPRISE habe ich nur noch wenig von den anderen gehört. Es gelang mir nur, mit dem Captain in engerem Kontakt zu bleiben.“

„Also, Mr. Reed ist inzwischen Commander und Erster Offizier der INTREPID. Ensign Mayweather wurde zum Lieutenant befördert, er war vor sechs Jahren Steuermann der USS WYOMING.“

„Er war?“, unterbrach T'Pol. „Was ist passiert?“ Der Vulkanierin war der Unterton, der sich in Hoshis Erklärung eingeschlichen hatte, nicht entgangen.

„Die WYOMING hatte den Auftrag, ein klingonisches Renegatenschiff abzufangen, das einige unserer Kolonien überfallen hatte. Wenigsten behaupteten die Klingonen es wäre ein abtrünniges Schiff… aber bei denen weiß man ja nie... Jedenfalls spürte die WYOMING das Schiff auf und stellte es zum Kampf. Die Brücke bekam einen Treffer ab und alle wurden getötet. Der Chefingenieur übernahm das Kommando vom Maschinenraum aus und brachte das Schiff in einem Nebel in Sicherheit. Glücklicherweise wurde das klingonische Schiff so schwer beschädigt, dass es die WYOMING nicht verfolgen konnte.“

T’Pol spürte einen Stich. Sie hatte Mayweather nicht so gut gekannt, irgendwie hatte sich auf der ENTERPRISE nie die Gelegenheit ergeben, intensiver mit ihm zusammen zu arbeiten. Aber dass niemand daran gedacht hatte, sie vom Tod ihres ehemaligen Schiffskameraden zu informieren war… enttäuschend. „Das tut mir Leid. Sie und Lieutenant Mayweather standen sich nahe?“

Hoshi schien den Tränen nahe zu sein. „Ja… ja wir standen uns nahe.“ Hoshi atmete ein paar Mal tief durch und kämpfte um ihre Selbstbeherrschung.

T'Pol blieb still und wartete ab. Nach einigen Sekunden hatte Hoshi sich wieder gefangen. „Es tut mir Leid, ich wollte keine alten Wunden aufreißen“, erklärte T’Pol leise.

„Schon gut, ich… ich dachte ich wäre darüber hinweg.“ Hoshi hatte endlich den Kloß in ihrem Hals hinuntergeschluckt und stand auf. „Ich muss zurück in mein Büro. T'Pol, es war schön, sich mit Ihnen zu unterhalten, wir sehen uns.“ Sato verließ die Messe und ließ die Vulkanierin betrübt zurück.

* * * * * *

Wieder in ihrem Appartement zog sich die Vulkanierin als erstes bequeme Sachen an. Sie fand die weit geschnittene Baumwollkleidung der Menschen einfach angenehmer zu tragen, als die üblichen vulkanischen Roben. Außerdem hatte sie sich im Laufe der Jahre vom größten Teil ihrer ursprünglichen Garderobe getrennt. Es schien ihr unlogisch, sie von einem Dienstposten zum nächsten mitzuschleppen. Sie trug fast nur noch Sternenflottenuniform und bei den wenigen Gelegenheiten, bei denen sie Zivilkleidung benötigte, fand sich immer etwas, das man sich ausleihen oder kurzfristig besorgen konnte. Die wenigen vulkanischen Stücke, die sie noch hatte, behielt sie hauptsächlich wegen des Erinnerungswertes.

Diesmal nahm sich T'Pol zur Abwechslung ein Glas Mineralwasser und setzte sich vor den Computer. Sie hätte sich schon viel früher über ihre alten Kameraden von der ENTERPRISE erkundigen müssen. Sie gab einige Suchbefehle in das Terminal ein und als die ersten Ergebnisse erschienen, zog sie das rechte Bein hoch, stellte den bloßen Fuß auf die Sitzfläche, stütze ihr Kinn auf das Knie und begann zu lesen.

Einige Stunden später streckte sich die Vulkanierin auf dem Sofa aus und fuhr sich mit der Hand über die müden Augen. Sie hatte alle verfügbaren Informationen über Reed, Mayweather, Tucker, Phlox und Sato aufgenommen, nur über den Captain hatte sie sich nicht informieren müssen. Im Laufe der Jahre hatte sie immer wieder in Kontakt mit dem Menschen gestanden und ihn auch einige Male bei passender Gelegenheit getroffen.

Reeds Aufstieg vom taktischen Offizier zum Ersten Offizier der INTREPID war bemerkenswert, vor allem deshalb, weil es einige schwarze Flecken in seinen Unterlagen gab, über bestimmte Zeiträume lagen keine Informationen vor. Das bedeutete entweder, dass es keine Aufzeichnungen darüber gab oder dass sie geheim waren. Wenn sie richtig zwischen den Zeilen gelesen hatte, war Reed bereits fest als nächster Captain der INTREPID vorgesehen. Alles in allem konnte das nur auf den Geheimdienst hinweisen.

An Mayweathers Beförderung zum Lieutenant Junior-Grade hatte T'Pol selbst noch mitgewirkt. Nur wenige Tage bevor sie die ENTERPRISE verlassen hatte, um der Erste Offizier der CHARLES DE GAULLE zu werden, hatte sie zusammen mit dem Captain die Zeremonie durchgeführt. Als sich ihm einige Jahre später die Möglichkeit bot, mit der Beförderung zum Lieutenant Senior-Grade der Erste Steuermann der WYOMING zu werden, hatte er zugegriffen und die ENTERPRISE verlassen.

Commander Tucker hatte nach seiner Beförderung zum Captain die ENTERPRISE übernommen. Später wurde er dann Commodore und hatte seinen Dienstsitz in der Wega-Kolonie. Heute hatte er einen ganzen Sektor unter seinem Kommando. Die ENTERPRISE stand nach einer zweijährigen Umbau- und Modernisierungsphase seit fünf Jahren unter dem Befehl von Captain Wong aus China.

Phlox hatte noch für einige Jahre auf der ENTERPRISE und bei der medizinischen Abteilung der Sternenflotte gedient, dann war er nach Denobula zurückgekehrt und mittlerweile zum stellvertretenden Direktor des Denobulanischen Medizinischen Rates aufgestiegen. Außerdem hatte er sich als Schriftsteller einen Namen gemacht, da er die Abenteuer der ENTERPRISE in einer erfolgreichen Romanserie verarbeitet hatte. T’Pol schmunzelte. Das passte zu dem redseligen Doktor, fand sie.

Archer war zum Commodore befördert und ins Sternenflotten-Hauptquartier versetzt worden. Hier war er für die Entwicklung neuer Schiffstypen und Warp-Reaktoren zuständig gewesen, bevor er als Admiral die Akademie übernommen hatte. Seine Hauptaufgabe hatte darin bestanden, aus der Sternenflottenakademie der Erde die Sternenflottenakademie der Föderation der Vereinten Planeten zu machen.

Nachdem sie einige Minuten lang die Glieder ausgestreckt hatte, beschloss sie, dass es Zeit für eine Mahlzeit wäre. Sie entschied sich für Plomek-Suppe mit Basilikum. Vor einigen Jahren hatte sie mit einem Koch Rezepte ausgetauscht und seine Abwandlung des klassischen vulkanischen Gerichts hatte sich zu einem Dauerbrenner entwickelt, der mittlerweile sogar einige heimliche Anhänger auf Vulkan gefunden hatte – wenn man den Gerüchten glauben konnte. T'Pol schwang die Beine von der Couch und ging in die Küche. Dort nahm sie einen Teller mit einer Portion aus dem Stasis-Behälter und wärmte ihn schnell auf. Mit dem Teller in der einen Hand und einem Glas Wasser in der anderen ging sie zurück in den Wohnbereich und ließ sich wieder auf der Couch nieder. Gleich kam eine historische Dokumentation, die sie sehen wollte.

Die nächsten drei Tage verbrachte die Vulkanierin zum größten Teil in ihrer Wohnung, sie nutzte die Zeit um auszuspannen und um sich auf ihre Rolle als Dozentin vorzubereiten. Sie war etwas nervös, da sie zwar schon Vorträge gehalten hatte, auch vor größeren Zuhörergruppen, aber noch nie eine Lehrveranstaltung. Sie war auf die Resonanz gespannt, die sie erhalten würde.
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