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Erinnerungen

von Mia

Kapitel 1

Oh ja, sie erinnerte sich gerne an die Zeiten. An die Zeiten auf dem Schiff, ihrem Schiff.

Sie waren weit weg von zu Hause, im Delta-Quadranten, 70 000 Lichtjahre von zu Hause entfernt. Ohne Kontakt zur Erde, zu ihren Lieben. Es waren harte Zeiten. Als Captain des Schiffes trug sie alle Verantwortung für die Crew, sie selbst war auch noch dafür verantwortlich, dass sie im Delta-Quadranten gelandet waren. Aber es waren auch schöne Zeiten. Im Laufe der Jahre wuchs die Crew zu einer Familie zusammen. Sternenflotte, Maquis, Borg, Talaxianer, Vulkanier, Hologramm. Sie liebten und sie stritten sich. Aber letzten Endes standen sie doch immer zusammen, wenn es darauf ankam.

Sie lächelte. Sie hatte sich geschworen jeden Tag an diese Zeiten zu erinnern, damit sie sie nie vergaß.

Nun, jetzt war sie alt, voller Falten, die das Leben ihr ins Gesicht geschrieben hatte. Ihre grauen Haare waren selbst mit viel gutem Willen nicht mehr wegzudiskutieren. Doch noch immer war sie stolz. Stolz darauf, dass ihre Freunde von der Voyager, wenn sie sich heute sahen, sie manchmal immer noch mit Captain ansprachen, in liebevoller Erinnerung an die alten Zeiten. Oder - wie Harry - mit Ma'am. "Ma'am", wie sehr hatte sie diese Anrede am Anfang gehasst. Nun ja, besser als "Sir", wie das Sternenflottenprotokoll es vorschrieb, aber Ma'am ließ sie immer denken an ein altes, strenges Kindermädchen. Das wollte sie wirklich nicht sein. Doch mit der Zeit konnte sie auch diese Anrede akzeptieren.

Oder natürlich Kathryn, wie nur wenige sie je nennen durften. Einer von ihnen war Chakotay, ihr Erster Offizier. Chakotay. Ihr Blick schweifte in die Ferne. Chakotay, ihr Erster Offizier, Berater, Freund, Vertrauter ... und irgendwann auch Liebhaber.

Sie lehnte sich in ihrem Sessel zurück, blickte ins Feuer ihres offenen Kamins und nippte an ihrem Wein. Der offenen Kamin war ein Überbleibsel aus ihrer Kindheit. Ihre Familie waren die einzigen in der Nachbarschaft, die einen offenen Kamin besaßen. Viele Nachbarn belächelten die Janeways deshalb, aber das war ihr egal. Sie liebte den Duft nach Holz, das warme Knistern des Kaminfeuers, die tanzenden Flammen, die sie immer wieder in eine Welt jenseits der Realität zu entführen vermochten. Keine Holoprojektion hatte das jemals vermocht. Nur echtes, richtiges Feuer mit richtigem Holz konnte das.

Chakotay ..., wie dumm war sie gewesen. In all den Jahren an Bord der Voyager war er immer für sie da gewesen, hatte ihr Geborgenheit geschenkt, und in seiner Nähe konnte sie manchmal vergessen, dass sie der Captain des Schiffes war mit all den Verpflichtungen, die daran hingen. Manchmal konnte sie sich einfach nur als Frau fühlen. Wenn er sie anlächelte, seine Augen dabei strahlten, als möchten sie sagen: "Kathryn, was immer du willst, ich bin immer für dich da." Natürlich hatte sie es gemerkt, sehr bald sogar schon. Er hatte sich in sie verliebt. Sie hatte lange versucht es sich nicht einzugestehen, aber er sah in ihr mehr als den Captain des Schiffes, er sah in ihr die Frau, er sah in ihr Kathryn Janeway, ein trotz aller Härte verletzliches Wesen. Und sie? Nun, sie mochte ihn, sie schätzte ihn, seine Annäherungen taten ihr gut. Aber eine Beziehung? Der Captain mit dem Commander? Undenkbar dachte sie. Lange. Zu lange. Fast.

Sie konnte sich genau an den Zeitpunkt erinnern, als sie den blauen Erdball auf dem Schirm sah. Die Erde, geliebte Heimat. Alles hatten sie getan, um wieder nach Hause zu gelangen. Kämpfe, Verluste, Hoffnung, Rückschläge. Trotzdem nie aufgegeben, einfach aus der Hoffnung heraus ein einziges Mal wieder diesen Anblick zu erleben. Die Erde.

Nach all den Jahren. Sie konnte es nicht verhindern, Tränen traten ihr in die Augen. Selbst jetzt, nach so langer Zeit, bekam sie noch glasige Augen, wenn sie an diesen Augenblick dachte. Sie hörte sich selbst mit tränenerstickter Stimme sagen: "Mr. Paris, fliegen Sie uns in den Orbit!"

Wie in Zeitlupe sah sie, wie sich umdrehte zu ihrem Ersten Offizier. Auch er war mehr als gerührt. Er sah sie an, dieser Blick, als könnte er bis zu den Tiefen ihrer Seele hinabschauen. In diesem Augenblick dachte sie nur eins: Was wird aus uns werden? So viele Jahre miteinander verbracht. Wenn wir wieder auf der Erde sind, wird jeder seine Wegen gehen, zu seiner eigenen Familie heimkehren. Sie waren dann nicht mehr Captain und Commander, nur noch Heimkehrer.
Wahrscheinlich gefeiert, von Auszeichnungen überschüttet, weil es ihnen gelungen war den Delta-Quadranten zu erforschen und schließlich doch wieder nach Hause zurückzukehren.

All die Jahre hatte sie versucht ihre Gefühle für ihn zu unterdrücken, so zu tun als würde sie seine Annäherungsversuche nicht bemerken. Den Schauer zu verbergen, wenn er sie fast wie zufällig berührte, ihre Hand nahm. Doch jetzt hatte sie kein anderes Bedürfnis mehr als zu ihm zu rennen, sich an seine Brust zu werfen, ihren Tränen freien Lauf zu lassen und ihm mit einem leidenschaftlichen Kuss zu zeigen, was sie wirklich für ihn empfand.

Aber natürlich tat sie das nicht. Solange sie noch an Bord waren, war sie immer noch der Captain und hatte gewisse Verhaltensregeln zu beachten. Und sich hemmungslos einem anderen Crewmitglied mitten auf der Brücke an den Hals zu werfen, war wohl ein von der Sternenflotte nicht wirklich akzeptiertes Verhalten.

Nun, nicht auf der Brücke. "Chakotay, bitte in meinen Bereitschaftsraum. Sofort!" Natürlich leistete er ihrem Befehl sofort Folge. Und da standen sie sich gegenüber, in ihrem Bereitschaftsraum, wie schon unzählige Male zuvor. Mit dem Unterschied, dass sie sich jetzt nicht mehr zurückhalten musste.

"Captain ...", fing er an, doch sie legte ihm ihre Finger auf die Lippen und schüttelte den Kopf. "Kein Wort, Chakotay. Das ist ein Befehl." Sie legte ihre Arme um seine Taille, schloss die Augen, beugte sich ihm entgegen und wartete auf das, was sie beide schon längst hätten machen sollen. Sie musste nicht lange warten, und als sie seine sanften Lippen auf den ihren spürte, konnte sie nicht länger die Fassung bewahren. Sturzbäche von Tränen strömten über ihr Gesicht. Befreiende Tränen.

Sie legte Holz nach, das Feuer war mittlerweile fast heruntergebrannt. Als sie das tat, merkte sie, dass ihr Gesicht tatsächlich tränenbenetzt war. Die Erinnerung an diese Szene nahm sie immer noch mit. Zurück auf der Erde, als alle "Willkommen zurück auf der Erde" - Feierlichkeiten vorbei waren, konnten sie ihre gemeinsame Zukunft planen. Natürlich heirateten sie. Es war eine schöne Ehe, zwar mit Auf und Abs, wie wohl in jeder Ehe, aber es war die schönste Zeit in ihrem Leben.

Zwei Jahre, bevor Chakotay sich aus dem aktiven Stenenflottendienst zurückziehen wollte, wurde er auf eine Mission geschickt. Eine Mission, die strengster Geheimhaltung unterlag. Nicht mal sie wusste worum es ging. Das einzige, was sie erfuhr, war, dass Chakotay bei dieser Mission sein Leben lassen musste. Heldenhaft. Tot.

Lange Zeit konnte sie seinen Tod nicht verkraften, zog sich zurück, verbrachte viele Tage im Bett, wie damals, als ihr Vater ums Leben gekommen war.

Doch heute war sie wieder glücklich. Sie hatte so viel. Ihre Erinnerungen an die gemeinsame Zeit, sein Gesicht, den Duft seiner Haut. Niemand anders roch wie er. Nicht viele Menschen haben das Glück in ihrem Leben die große Liebe zu finden. Sie hatte das Glück.

Und manchmal erging sie sich in Spekulationen darüber, was gewesen wäre, hätte sie schon viel früher seinem Werben nachgegeben und ihm und sich selbst ihre Gefühle eingestanden.

Aber das können nur Spekulationen sein.


Ende
Würde mich über Rückmeldungen freuen.
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