TrekNation

Das ultimative Archiv deutscher Star Trek Fanfiction!

Vain 2

von Mia

Kapitel 1

*Wenn diese Maschine ein bisschen Leben braucht, dann lass' es mich wissen.* Diese Worte hallten in ihrem Kopf wider wie ein unauslöschbares Mantra. Er hatte es zu ihr gesagt, damals, als sie diesem fast tödlichen Angriff der fremden Spezies ausgesetzt waren. Damals ... Kathryn überlegte. Es war nicht einmal drei Wochen her, und doch kam es ihr vor wie eine Ewigkeit. Nun, Maschinen hatten kein Zeitgefühl, nicht wahr? Maschinen funktionierten nur und mussten ab und an repariert werden. Und genau dies war es, was sie im Moment brauchte - eine Reparatur. Eine Überprüfung all ihrer Systeme, eine Bestätigung, dass sie noch arbeitete, ein Scan ihrer rudimentären Lebenszeichen, die noch irgendwo in ihr verborgen sein mussten.

Und so machte sich die Maschine namens Captain Kathryn Janeway auf zum Quartier ihres Ersten Offiziers, in der Hoffnung dort eine Wartung zu erhalten - und vielleicht auch ein bisschen ihrer metallischen Haut abstreifen zu können.

Die letzten Wochen waren hart für sie gewesen. Hatte der feindliche Angriff ihr klargemacht, in welcher Lage sie sich befanden, so war sie in der darauf folgenden Zeit einzig und allein damit beschäftigt gewesen, die schlimmsten Schäden zu verhindern. Und dies betraf nicht nur die primären Systeme der Voyager. Sie war lange genug Captain, um selbst in schwierigen Situationen den Blick fürs Wesentliche zu behalten, doch hatten all die Kämpfe sie auch geschwächt und mürbe gemacht. Aber hier im Deltaquadranten gab es keinen Raum für Schwäche. Nicht einmal Raum zum Aufatmen. Die Verantwortung lastete schwer auf ihren Schultern, und so hatte sie einen Panzer um sich gebaut, der die wahre, die verletzliche Kathryn verbergen sollte. Anfangs hatte dies funktioniert, doch mit der Zeit fing dieser Panzer an sie in die Knie zu zwingen. Jetzt schwebte sie nur noch Zentimeter über dem Boden, und wenn nicht bald etwas geschah, würde diese kalte Hülle sie unter sich begraben.

Kathryn betrat die Räume ihres Ersten Offiziers, der sich bereits daran gemacht hatte, schlafen zu gehen. Fast wäre sie umgekehrt, doch etwas in Chakotays Blick ließ sie bleiben. Vielleicht der Funke von Verständnis, den sie dort fand. Schweigend setzte sie sich auf die Couch und sah zu, wie der Commander in stiller Übereinkunft mit ihr zwei Tassen Kaffee orderte.

Lange hatte sie gezögert ihn aufzusuchen, doch sie kam zu der Entscheidung, dass es die richtige Wahl war. Sicherlich, sie hätte auch zu Tuvok gehen können, doch dessen kühle, emotionslose Art war hilfreich, wenn sie selbst emotional überreagierte, in diesem Fall jedoch hätte es nur Salz in die Wunde gestreut. Auch Neelix wäre ihr beigestanden, doch hätte dieser lebenslustige, quirlige Moraloffizier niemals restlos verstanden, wie es in ihr aussah. Und in ihrem Zustand half auch keine extra zubereitete printianische Suppe, um sie zu kurieren.

Der Einzige, der ihre Lage verstehen konnte, war der Mann, der ihr jetzt abwartend gegenüber saß.
"Chakotay, lebe ich noch?", fragte sie, und diese Frage war keinesfalls humorvoll gemeint.

Chakotay sah sie einen Moment überlegend an. "Jeden Tag weniger", antwortete er wahrheitsgemäß.

Kathryn schlug sich die Hand vor den Mund. Ja, er hatte recht - jeden Tag weniger. Es war also offensichtlich, sie hatte es nicht mehr verbergen können. Mit großen, erschrockenen Augen sah sie ihn an.

"Ich will nicht sterben", sagte sie mit erstickter Stimme.

"Du sagtest, du wärest bereits vor langer Zeit gestorben", antwortete Chakotay, sie an ihr letztes Gespräch im Bereitschaftsraum erinnernd.

Nachdenklich sah Kathryn auf den Boden. Ja, damals hatte sie das Gefühl gehabt zu sterben. Nach einer unendlich langen, und doch viel zu kurzen Zeit in Freiheit, entbunden von ihren Pflichten.

Gerade, als sie sich damit abgefunden hatte sich ein neues Leben aufzubauen, holte das reale Leben sie wieder ein. Es war eine Ironie des Schicksals. Eine grausame Ironie.

"Ich werde nie wieder so sein wie damals", antwortete sie.

Chakotays Blick verdunkelte sich. Dieser Tatsache war er sich bewusst, und er hatte lange gebraucht, um sich damit abzufinden, dass die Zeit auf New Earth ein für alle Mal vorbei war. Doch es tat immer noch ein bisschen weh, wenn er daran dachte.

Damals war sie so lebhaft gewesen, keine Anspannung trübte ihre Lebensfreude, doch die Zeit ging viel zu schnell vorüber. Und es wurde nie wieder so, wie es damals war.

"Wir werden beide nie wieder so sein", sagte er, obwohl es nicht ganz der Wahrheit entsprach.

Einige Narben hatte er davon getragen, doch wenn sie ihm die Chance gab, so würde er sie nutzen. Ohne zu zögern. Viel hatte er bereits erreicht, doch es gab einen Wunsch, für den er einiges geopfert hätte. Er wollte der Mann an ihrer Seite sein. Und das nicht nur auf der Brücke der Voyager.

"Aber gib mir die Chance, dich wieder ein bisschen Unbeschwertheit und Lebenslust schmecken zu lassen", fuhr er fort.

Bedauernd wandte sich Kathryn ab. Nur zu gut wusste sie, wovon er sprach. Doch es war nicht möglich. Und es ging nicht länger um Protokolle und Vorschriften - dahinter hatte sie sich lange genug versteckt - es ging um sie. Schon lange hatte sie keine Freude mehr empfunden, noch nicht einmal Furcht. Wie sollte sie da etwas anderes empfinden können? Wie sollte sie da jemand anderem etwas von ihr geben können?

Eine kleine Träne stahl sich aus ihrem Augenwinkel, und sie wischte sie achtlos fort. Sie konnte noch nicht einmal mehr richtig weinen. Nicht einmal das.

Sie sah ihn nur an und schüttelte stumm den Kopf. "Nein, Chakotay."

"Weshalb bist du dann hier?", fragte er verwundert und etwas verletzt.

Kathryn überlegte. Eine gute Frage, weshalb war sie hier? Ja, sie war hier, um genau das zu bekommen, was Chakotay ihr anbot, und doch wusste sie, dass es nicht möglich war. Nicht möglich, weil sie zur Maschine geworden war. Weil sie Angst hatte, dass er ihren metallischen Panzer spüren würde, wenn er sie berührte. Und dennoch, sie verlangte danach, dass sie befreit wurde.

"Ich weiß nicht, ob du stark genug bist", sagte sie also.

"Stark muss ich nicht sein, Kathryn."

In ihrem Blick mischten sich Verwunderung, Zweifel und der unendliche Wunsch, ein bisschen Leben eingehaucht zu bekommen.

"Ich würde dich verletzen", versuchte sie ihn weiterhin zu überzeugen.

"Das hast du bereits." Chakotay sah keinen Sinn mehr darin seine Gefühle zu verbergen.

"Dann bist du auch eine Maschine?", fragte sie atemlos.

"Vielleicht", war seine Antwort.

Chakotay bedeutete ihr zu schweigen, nahm ihr Gesicht fest in seine Hände und drehte es zu sich. Es war ein verzweifelter, trockener Kuss zweier Menschen, die sich schon einmal verloren hatten.

Kathryn blickte auf. "Ja, wir sind Maschinen", stellte sie fest, und es war gut zu spüren, dass sich zumindest etwas Bedauern in ihr breit machte.

"Lass uns menschlich werden", sagte Chakotay, und als er sie diesmal küsste, war es sehr viel leidenschaftlicher. Er legte seinen ganzen Schmerz, seine Verletzungen und Wünsche hinein, und auch wenn er weitere Narben davon tragen würde, es war ihm egal.

Wie in weiter Ferne hörte man ein metallisches Geräusch, als ob sich ein Riss in einem Panzer auftat.


Ende
Rezensionen