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A Decade of Storm: Kapitel 10 - Schicksal

von Markus Brunner

Kapitel 1


Teil 1
2232 n.Chr.
4 Tage vor dem Schritt


In George Kirks Herzen ging die Sonne auf, als er das Foto betrachtete, das auf dem Bildschirm in seinem Büro angezeigt wurde. Er konnte sich kein schöneres Motiv vorstellen: Winona, auf einer grünen Wiese sitzend. Neben ihr Sam, ihr gemeinsamer, inzwischen vierjährigen Sohn. Beide sahen glücklich aus und Kirk wollte gerne denken, dass sie so glücklich waren, weil sie ein Foto aufnahmen, das an ihren geliebten Ehemann und Vater geschickt werden sollte, um ihn aufzumuntern.
Ob dies tatsächlich der Hintergedanke gewesen war, bezweifelte Kirk jedoch. Denn weder Winona und schon gar nicht der kleine Sam – der nur das bestbehütete Leben im Universum verdient hatte – wussten von der Tristesse, zu der George Kirks Arbeit in den letzten beiden Jahren verkommen waren. Wenn er nach Hause kam, erzählte er Winona nur von den wenigen Highlights, die er zu oft mit Superlativen ausschmücken musste, um sie interessant klingen zu lassen. Doch die Wahrheit lautete, dass seine Arbeit an Faszination verloren hatte. Die Geheimnisse, die er in seiner neuen Position erfuhr, erschienen ihm inzwischen trivial. Größere Geheimnisse verloren ihre Faszination, sobald sie einmal gelüftet waren. Eine Serie von Enttäuschungen nagte an Kirks Wohlbefinden an diesem Ort, der ihm vor vier Jahren als idealer Posten erschienen war, um Familie und Beruf unter einen Hut zu bringen.
Doch nun merkte Kirk langsam, dass er nicht für einen Schreibtischjob geschaffen war. Er bewegte sich nicht vorwärts, steckte in einer Sackgasse fest. Er betrachtete das Foto, das an einem sonnigen Tag auf der Koloniewelt Tarsus IV aufgenommen worden war. Winona besuchte derzeit ihre Eltern, die sie schon lange nicht mehr gesehen hatte. Kirk hätte in diesem Moment alles darum gegeben, bei ihr zu sein.
Die Realität sah anders aus, umgab ihn in Form eines fensterlosen Büros. Und selbst der Bildschirm, der bislang nur das Foto seiner Familie gezeigt hatte, wandte sich gegen Kirk und verhinderte, dass er in das Bild eintauchen konnte. Ein gelber Balken am oberen Bildrand wurde eingeblendet und blinkte unaufhörlich. Eine dienstliche Nachricht war eingetroffen.
Kirk seufzte, löschte das Foto vom Bildschirm und rief die Nachricht auf. Er las den Text und schüttelte den Kopf darüber, warum er sich als Kommando- und höchster Offizier vor Ort jeden Tag fast ausschließlich um Materialanfragen und dazugehörige Bestellungen kümmern musste.
Warum trage ich überhaupt noch die Uniform eines Sternenflottenoffiziers? Hat die Bestellung von zwanzig Litern biomimetischem Gel oder Ersatzteilen für Sensoranlagen irgendetwas mit den Aufgaben eines Offiziers zu tun? Ich sollte lieber einen billigen Anzug tragen. Wie alle Beamte.
Er stand auf, klemmte sich das PADD, das bei seinem Dienstantritt hier seine Phaser-Pistole als ständigen Begleiter abgelöst hatte, unter den Arm und verließ das Büro auf dem Weg zum nächsten Turbolift.
Während er in der Liftkabine eine Ebene nach der anderen abwärts fuhr, um in der anfordernden Abteilung die Ersatzteilbestellung zu prüfen, dachte er wehmütig darüber nach, zu welch sinnvolleren Aufgaben er fähig war.
Die Tür der Liftkabine öffnete sich. Vor ihm erstreckte sich ein trostlos steriler Korridor. Ein Korridor wie jeder andere in dieser Anlage. Ohne Fenster. Ohne Möglichkeit einen Blick ins All, auf ferne Sterne zu werfen, wo wirklich wichtige Dinge geschahen an denen er nicht teilhaben durfte.
Ist es wirklich mein Schicksal, von diesen Dingen ferngehalten zu werden?

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Kor konnte es seiner Mannschaft nicht verdenken, dass sie kollektiv schlecht gelaunt war. Nach zwei Jahren, die man hauptsächlich damit verbracht hatte, durch die Hinterhöfe der Föderation zu schleichen, war der Schlachtkreuzer Klothos vor wenigen Stunden in das Territorium des Klingonischen Imperiums zurückgekehrt. Alle hatten sich darauf gefreut, nach Kronos zurückzukehren und Zeit mit ihren Familien und Freunden zu verbringen und sicher zu stellen, dass die Stammkneipe noch existierte, während die Klothos zweifellos ein paar Wochen im Dock liegen würde.
Doch dieser Traum war geplatzt, als am heutigen Morgen der Befehl eingetroffen war, den Anflug auf die Heimatwelt abzubrechen und einen neuen Kurs einzuschlagen.
Auf der Brücke hatte es fast einen Aufstand gegeben, als Kor seinen Offizieren den neuen Befehl mitgeteilt hatte. Obwohl er selbst alles andere als erfreut darüber gewesen war, hatte er die aufkeimende Meuterei mit einem Machtwort und einem Apell in ihre Kriegerehre beendet.
Wir Klingonen sind wirklich einfach gestrickt. Kaum nimmt man das Wort „Ehre“ in den Mund, kann man von einem klingonischen Krieger alles verlangen, was man möchte. Alles im Namen der Ehre.
Kor fand, dass diese Erkenntnis nicht gerade für sein eigenes Volk sprach. Doch wenn es ihm half, dass seine Leute ihm weiterhin loyal ergeben waren, scheute er nicht davor zurück, auf diese Strategie zurückzugreifen.
„Wir dringen in die abgelegenen Ausläufer des yridianischen Asteroidenfeldes ein“, meldete Sensoroffizierin O’Shannon. Sie war die einzige auf der Brücke, die sich während des kurzen Proteststurms zurückgehalten hatte. Allerdings war sie auch die einzige, die sich keine Rückkehr nach Kronos wünschte. Es gab dort niemanden, der auf sie wartete. Sie tat ihm leid, denn jede Person, die sie mochte, befand sich im Konflikt zwischen dem Imperium und der Föderation auf der „falschen“ Seite.
Der große Hauptbildschirm zeigte grau-braune Felsen unterschiedlichster Größe, die das yridianische Asteroidenfeld bildeten. Der Steuermann der Klothos steuerte den D5-Kreuzer geschickt zwischen den größeren Brocken hindurch, während die kleineren Bruchstücke von den Schutzschilden daran gehindert wurden, gegen die Außenhülle des Schiffs zu schlagen. Trotzdem empfand es Kor als unnötig riskant, ins Innere eines Asteroidenfeldes zu fliegen, nur um sich mit einem anderen Schiff zu treffen. Dieses Treffen konnte überall im freien Raum stattfinden und sollte es unbeobachtet bleiben, gab es mehr als genug andere blinde Flecken im Weltall, an denen Sensoren weit nutzloser waren als in einem Asteroidenfeld, das nur wenig Schutz bot.
„Ich registriere acht Schiffe direkt voraus“, sagte O’Shannon und behielt ihre Überraschung nicht für sich. Auch Kor war erstaunt. Solche Schiffsansammlungen gab es im Laurentianischen Graben – worin sich das yridianische Sonnensystem befand – nur selten, weckten sie doch schnell die Aufmerksam der Sternenflottenschiffe, die in diesem Gebiet patrouillierten.
Die Klothos umrundete den letzten größeren Felsen und die acht Schiffe kamen in Sichtweite. Genau am Treffpunkt schwebten eine komplettes Bird of Prey-Geschwader, ein kleiner Raptor und ein D6-Warbird im All.
„Das ist Kangs Schiff“, stellte O’Shannon fest. Kor lehnte sich vor und betrachtete das Schiff. Ja, es war eindeutig der Warbird von Kang. Die Hüllenplatten an den Stellen, wo die Außenhülle des Schiffes während der Schlacht bei Caleb IV durchlöchert worden war, glänzten wie neu und hoben sich vom Rest der Hülle ab.
„Wir werden gerufen“, verkündete der Kommunikationsoffizier.
„Von Kang?“
Der Offizier drückte einige Schalter, kontrollierte die Anzeige auf seinem Bildschirm. „Negativ, kein Ruf von einem der Schiffe. Ausgangspunkt ist der Asteroid, über dem die Schiffe in Position gegangen sind.“
Der Asteroid? Warum, zum Fek'lhr, sollten wir von dort gerufen werden?
Ehe Kor den Ruf annahm, wollte er sich einen genaueren Überblick verschaffen. Bisher war der Asteroid nur ein vager Umriss am unteren Rand des Hauptschirms gewesen. O’Shannon kam seinem Befehl zuvor, indem sie die Außenkameras nach unten schwenken ließ. Der Anblick des einsam auf einer ebenen Fläche stehenden Gebäudes darauf ließ Kor überrascht aus seinem Sessel hochschrecken. Er hatte noch nie etwas Derartiges gesehen, wenngleich auch die Klingonen einige Bergbauanlagen auf Asteroiden in ihrem Heimatsystem betrieben. Doch dieses Gebäude sah anders aus. Sein äußeres Erscheinungsbild ließ auf keine Funktion schließen.
„Wir werden immer noch gerufen“, erinnerte der Kommunikationsoffizier. „Nur Audioübertragung.“
„Auf die Lautsprecher!“
„Kor!“, donnerte der Hall einer tiefen Stimme durch die Brücke. Kor erkannte sofort, wem sie gehörte, wenngleich er dem Sprecher schon lange nicht mehr begegnet war.
„Kanzler Guroth! Wie kann ich Ihnen zu Diensten sein?“
„Ganz einfach: Beamen Sie hier runter und bringen Sie die Batterie mit, die Sie laut Ihrem übermittelten Bericht erfolgreich zurückgeholt haben.“
Nun dämmerte Kor, was dieses Gebäude darstellte. Es musste von den Ahnen erbaut worden und somit mindestens eine Milliarde Jahre alt sein. Bei Kahless! Hat Guroth etwa eine Möglichkeit gefunden, die Energie der Batterie zu verwenden? Und falls ja: wofür?
Er würde es noch früh genug erfahren, denn der Kanzler übermittelte nun die Beam-Koordinaten und gab weitere Anweisungen. Die letzte Anweisung war wie ein Schock für Kor:
„Achja, bevor ich es vergesse: Egal wer zu Ihrem Außenteam gehört, bringen Sie keinesfalls den Tagusianer mit!“
Chardin. Der Kanzler wollte nicht, dass der Tagusianer, der sein ganzes Leben über den Haufen geworfen hatte, die Möglichkeit erhielt, diese von den Ahnen erbaute Stätte zu betreten. Eine vorübergehende Maßnahme? Kor beschloss, den Kanzler bei Gelegenheit darauf anzusprechen.
Chardin hatte sich dem Studium der Ahnen mit Herz und Seele verschrieben. Schon allein die Batterie – ein kleines, mysteriöses Gerät, das Energie für den Betrieb eines ganzen Raumschiffs liefern konnte – hatte den Tagusianer fasziniert. Aber das Betreten dieses Bauwerks auf dem Asteroiden würde ihn sicher überwältigen.
Wie soll ich Chardin die Batterie wegnehmen und ihm verheimlichen, dass Guroth ihn nicht dort unten haben will? Gar nicht! Er verdient es, die Wahrheit zu erfahren.

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„Das ist ungeheuerlich!“, stellte Chardin klar. „Ich habe vor vier Jahren, als ich Kanzler Guroth auf die typische Strahlungssignatur, die von Ahnen-Technologie ausgeht, aufmerksam gemacht habe, eine Abmachung mit ihm getroffen. Ich sollte mit hinunter auf den Asteroiden und Zutritt erhalten.“
Kor und O’Shannon, die sich ohne den Tagusianer hinunterbeamen würden, schritten Seite an Seite durch den Korridor zur Transporterkammer. Die Frau hielt die Batterie, verdeckt von einem einfachen braunen Tuch, das die Leuchtkraft des Geräts nicht vollständig dämpfte, in ihrem Armen. Kor war sich sicher gewesen, dass Chardin O’Shannon nichts tun würde, wenn sie die Batterie ergriff. Sie hatte die Energiequelle in den letzten Monaten so gut es mit den Bordmitteln der Klothos möglich war untersucht und war von Chardin nie daran gehindert worden.
Erst nachdem O’Shannon die Batterie an sich genommen hatte, hatte Kor die Erklärung hinzugefügt, die Chardin überhaupt nicht gefiel.
Nun betraten sie die Transporterkammer.
„Ich werde mit dem Kanzler sprechen. Es ist sicher nur ein Missverständnis. Eine vorübergehende Vorsichtsmaßnahme.“
Chardin erwiderte nichts darauf, aber blieb auch vor der Plattform des Transporters stehen und machte keine Anstalten, sich ebenfalls raufzustellen. Kor war erleichtert, dass sich der Tagusianer in Geduld übte.
Kor gab den Befehl zum Beamen und der Operator an der Konsole transportierte ihn und O’Shannon zum Asteroiden. Er materialisierte in einem kleinen, runden Raum. Wohl im Inneren von einem der drei Türme an den Ecken des Gebäudes.
Der erste Anblick von Kor war der einer druckbeständigen Stahltür, die eindeutig klingonischen Ursprungs war und sicher nicht zur Urausstattung dieses Gebäudes gehörte. Erleichtert atmete Kor frische Luft ein. Guroth hatte also nicht gelogen, als er gesagt hatte, dass das Gebäude abgedichtet worden war und keine Raumanzüge benötigt wurden. Kor hatte schon befürchtete, Guroth würde ihn und O’Shannon ins Vakuum beamen lassen und dann die Batterie aus ihren kalten, toten Händen entnehmen.
„Sir!“, sagte O’Shannon aufgebracht und ergriff Kor am Oberarm und lenkte seinen Blick auf das, was hinter ihrem Rücken lag. Noch eine Stahltür, die ein exaktes Duplikat der vor ihnen liegenden Tür war. „Wir sind im Inneren einer Luftschleuse!“
O’Shannon hatte recht. Durch eine der Türen gelangte man tiefer in das Gebäude, durch die andere hinaus auf die atmosphärenlose Oberfläche des Planeten. Leider fehlten den Türen Markierungen, die Auskunft darüber gaben, welche es zu beschreiten galt.
Ein metallisches Rattern erklang von der Tür hinter ihnen, das große Kurbelrad drehte sich rasant und in einem Impuls machte Kor einen Schritt vor, um das Rad zu ergreifen und zu stoppen. Zu spät. Zischend löste sich die luftdichte Versiegelung. Instinktiv hielt Kor den Atem an. Wenn er lange genug um Vakuum überlebte, konnte die Klothos ihn vielleicht entdecken und zurück an Bord …
Kor verwarf den Gedanken, als Captain Kang sein teuflisch grinsendes Gesicht durch den Türspalt steckte. „Oh, habe ich Sie erschreckt?“, stichelte er gegen Kor, der bemüht war, eine würdevolle Haltung anzunehmen. „Sie hatten doch nicht etwa gedacht, wir würden die falsche Tür öffnen. Oder doch?“
„Sadist!“, schimpfte Kor und betrat gefolgt von O’Shannon das Innere des Gebäudes. Dabei ließ er sich nicht die Gelegenheit entgehen, den anderen klingonischen Commander mit der Schulter anzurempeln.
Kang ließ es über sich ergehen. Er genoss noch den Umstand, dass es ihm gelungen war, Kor in Panik zu versetzen. „Ich habe mich nur ein wenig dafür revanchiert, dass Sie mein Schiff bei Caleb IV in einen aussichtslosen Kampf geschickt haben.“
„Sie haben doch gewonnen. Was wollen Sie noch?“ Die Schlacht war für den Warbird verlustreich ausgefallen, das wusste Kor ganz genau. Aber es hatte aus seiner Sicht auch keine Alternative gegeben. „Dank der erbrachten Opfer ist es uns schließlich gelungen, die Ahnen-Batterie zu beschaffen. Sie sollten lieber stolz auf den Anteil sein, den Sie geleistet haben.“
Damit besänftige Kor den anderen Captain etwas, auch wenn sich dieser anmerken ließ, dass er lieber weiterhin wütend auf Kor sein wollte. Ohne weitere Beschwerde führte er die beiden durch einen langen Korridor, der wie aus schwarzem Marmor gehauen aussah. In regelmäßigen Abständen erhellten von Klingonen angebrachte Lampen den Gang und am Boden lag ein ausgerolltes Gravitationsnetz, das für eine normale Anziehungskraft sorgte.
Diese Vorkehrungen waren auch in der großen Halle getroffen worden, in die Kang die beiden Offiziere von der Klothos führte.
Wie auch O’Shannon blieb Kor abrupt am Eingang stehen und betrachtete das vor ihnen aufragende Dreieck. Seine Sensoroffizierin kannte dieses Objekt zweifellos aus Aufzeichnungen und Berichten der Sternenflotte. Kor hingegen hatte ein vergleichbares Objekt schon einmal in natura gesehen und berührt.
Die Ähnlichkeiten waren nicht zu leugnen. Das aus drei steinernen Balken bestehende Dreieck sah beinahe genauso aus wie jenes, das er zusammen mit Chardin und Dahar-Meister Rurik vor neun Jahren freigelegt hatten. Auf Tagus III. In der Mitte der Arena der Ahnenstadt, der Stätte der Träume.
Und Kor erinnerte sich genau daran, was dieses Ding vollbracht hatte. Er sah es vor seinem geistigen Auge – und nur mit diesem Auge hatte er es auch vor neun Jahren gesehen. An langen, kristallinen Pfeilern war das schwarze Dreieck in der Luft gehalten worden und hatte aus seinem Inneren einen mächtigen Energiestrahl aus gleißendem Licht in den Himmel empor geschossen, um die uralte Waffe in Gang zu setzen, die vor einer Milliarde Jahren den Slaver-Krieg beendet hatte.
Zusammen mit den Leben aller intelligenter Lebewesen.
Kor schauderte bei dem Gedanken, dass dies wieder geschehen konnte. Unwillkürlich folgte sein Blick jener Stelle, auf die das leicht nach hinten geneigte Dreieck zielte. Kor erkannte eine Öffnung und hielt aus einem dummen Reflex heraus den Atem an. Er sah Sterne durch die Öffnung und das nackt vor ihm liegende, lebensfeindliche Weltall. Gleichzeitig sah er aber auch die rund um die Öffnung angebrachten Kraftfeldgeneratoren, die verhinderten, dass die Luft aus dem Inneren des Gebäudes entwich.
Kor trat einige Schritte vor um eine bessere Sicht zu haben. Erleichterung durchströmte ihn, als er bemerkte, dass sich in Sichtweite nur ferne Sterne befanden. Nichts, was so nahe oder so groß wie der dritte Mond von Tagus III gewesen wäre.
„Nehmt sie fest!“, erklang Guroth‘ Stimme. Kor senkte seinen Blick wieder und erkannte zehn klingonische Soldaten in der Halle von denen die Hälfte mit gezogener Waffe auf Kor und O’Shannon zu liefen. Nein, sie liefen nur auf O’Shannon zu. Sofort stellte sich Kor schützend vor seine Sensoroffizierin.
Zugegeben, die einstige Spionin mochte nach jahrelangem Aufenthalt bei den Menschen nur widerwillig ins Imperium zurückgekehrt sein. Aber Kor kannte sie inzwischen einigermaßen gut und war bereit, seine Hand für sie ins Feuer zulegen. Aber würde ich sie auch auf den schussbereiten Lauf einer Disruptor-Pistole legen?
Es sollte nicht notwendig werden. „Halt!“, rief Guroth und bahnte sich seinen Weg durch die Soldaten, schob sie achtlos beiseite. „Was denken Sie sich dabei? Eine Verräterin hierher zu bringen! Ich hätte Sie für vernünftiger gehalten.“
„Bekk O’Shannon ist meine Sensoroffizierin und keine Verräterin.“
„Sie vergessen, dass sie auf Seiten der Föderation gegen das Imperium gekämpft hat. Und jetzt geben Sie ihr eine Uniform und sogar eine Waffe!“, empörte sich der Kanzler. Kor ließ sich aber nicht einschüchtern:
„Sie verdient diese Uniform. Und wenn Sie einen genaueren Blick wagen wollen, werden Sie feststellen, dass der Bekk nur eine Betäubungspistole trägt.“
Hauptsächlich zur Selbstverteidigung, fügte Kor in Gedanken hinzu. Nicht jeder auf der Klothos war begeistert von der Vorgeschichte der Sensoroffizierin und ebenso misstrauisch wie Guroth. Er konnte ihr unter diesen Umständen natürlich keine tödliche Waffe in die Hand drücken. Gleichzeitig verhielten sich die Umstände so, dass O’Shannon eine unbeliebte und gleichwohl attraktive Frau an Bord eines Schlachtkreuzers voller Männer war. Kor hatte nicht zulassen können, sie völlig wehrlos zu lassen und ihr schließlich eine Waffe gegebene, mit der man ausschließlich betäuben konnte.
Guroth sah zum Halfter an O’Shannons Taille. Er wirkte nicht gerade glücklich, gab sich aber mit dem Hinweis zufrieden, dass Kor zur Rechenschaft gezogen wird, wenn O’Shannon eine falsche Bewegung macht. Dann trat er vor und riss ihr die Batterie aus den Händen. Er entfernte das Stofftuch darüber und blinzelte im grellen Licht, das aus dem transparenten Zylinder drang. „Wunderschön.“
Dann machte er kehrt und trug die Batterie zum Dreieck hinüber. Genauergesagt zu einer aus dem Boden wachsenden, hüfthohen Kristallformation, hinter der nun Kang zusammen mit drei anderen Klingonen stand. Der junge Mann, der direkt vor den Kristallen stand, war Kor unbekannt. Das Gesicht der Frau daneben war ihm jedoch mehr als vertraut, sah er es doch regelmäßig in seinen Träumen. Es war Manja, seine frühere Geliebte, die nur einen abfälligen Blick für ihn übrig hatte. Als sie und Kor noch zusammen gewesen waren, hatte sie immer auf eine härtere Behandlung von O’Shannon gedrängt. Dass er sich eben vorhin so schützend vor sie gestellt hatte, dürfte Manja gar nicht geschmeckt haben.
Und die dritte Person neben Kang war ebenfalls jemand, den Kor seit einiger Zeit nicht mehr gesehen hatte. Der Archivar. Der alte Mann, dessen weißer Bart in den letzten Jahren noch deutlich länger geworden war, war der einzige, der Kor freundlich begrüßte.
„Die meisten hier kennen Sie ja. Und das hier ist Karnog“, stellte Guroth den jungen Klingonen vor. „Er ist der Sensoroffizier des Raptors Kitumba, der vor fünf Monaten diese Anlage entdeckt hat.“
„Es war nicht so schwierig“, gab sich der junge Mann bescheiden. „Die Strahlungssignatur hat mich direkt hierher geführt.“
Der Kanzler warf Karnog einen bösen Blick zu, den dieser aber gar nicht bemerkte.
Sie haben nur dank Chardins Informationen diesen Ort gefunden, erkannte Kor. Guroth wollte nicht, dass ich das erfahre. Dass Chardin von hier ferngehalten wurde, erschien Kor immer unfairer.
„Karnog war der Erste, der dieses Dreieck in Betrieb nehmen konnte.“ Guroth deutete auf die Mitte des Raums.
„Es funktioniert?“, fragte O’Shannon. So wie Guroth beim Klang ihrer Stimme zusammenzuckte und Manja sich versteifte, kam Kor zu dem Schluss, dass seine Sensoroffizierin besser kein Wort mehr sprach. Mit einer Geste gab er ihr ein Zeichen zu schweigen.
„Es hat funktionierte“, bestätigte Guroth. „So gut, dass der abgefeuerte Energiestrahl einen Asteroiden von mehreren Kilometern Durchmesser innerhalb der Dauer eines Blinzelns zerstört hat.“
„Wenn dieses Ding funktioniert, warum benötigen Sie dann die Batterie? Doch nicht als Energiequelle, oder?“
„Doch“, widersprach Karnog, bückte sich und hob einen Gegenstand auf, der genauso groß und zylinderförmig war wie die Batterie. Jedoch ging kein Leuchten mehr von seinem Zentrum aus, die durchsichtige Hülle war beschlagen und dahinter lagen nur Kohleklumpen am Boden aber keine bunten Kristallstäbe. „Was von einer Batterie übrig bleibt, wenn ihre gespeicherte Energie erschöpft ist“, erklärte Karnog. „Schon vor dem abgegebenen Schuss auf den anderen Asteroiden hatte die Energiequelle einen schwachen Eindruck gemacht.“
„Sie brauchen also Ersatz“, schloss Kor.
„Nein“, widersprach Guroth dämonisch grinsend. „Ich habe schon Ersatz“, sagte er und hielt die von Kor erbeutete Batterie hoch. Er hob seine Stimme und befahl allen Soldaten im Raum, vom Dreieck zurückzutreten. Dann schritt er in den hinteren Bereich der Halle, Kor, O’Shannon, Manja und Kang folgten ihm dorthin, wo Kor eine weitere Luftschleuse in einem der Türme vermutet hätte. Doch etwas anderes befand sich dort. Ein ausgehöhlter Raum, ausgekleidet mit trüben, geschliffenem Kristall.
Wie die Miniaturversion der Innenhülle des Ahnen-Schiffs.
Guroth gab einen überraschten Laut von sich, als ihm die Batterie aus den Händen glitt und wie von Geisterhand bewegt aus eigener Kraft in den Hohlraum schwebte. Sie positionierte sich in dessen Mitte und verstärkte ihre Strahlkraft, die auf den gesamten Hohlraum übergriff.
Erst jetzt, als ein Funkte übersprang, bemerkte Kor die Kristallader im Boden. Der Funke wanderte durch die Kristallstruktur, schoss auf das Dreieck zu, in das Dreieck hinein. Gebannt sahen die Klingonen auf das Dreieck. Nichts geschah.
„Karnog?“, fragte Guroth ungeduldig den jungen Klingonen. Er war an der Kristallformation geblieben, über der nun buntes Licht geometrische Formen bildete. Holografische Bildschirme und Bedienelemente.
„Ich habe das gleiche gemacht wie damals vor fünf Monaten“, sagte Karnog und griff auf einen vor ihm schwebenden Lichtpunkt. Nochmals floss Energie durch die Kristallader und diesmal zuckten blaue Blitze über die Oberfläche des Dreiecks. Doch sie aktivierten keinen Energiestrahl, sondern hinterließen nur Brandspuren auf dem Objekt.
„Was ist los? Warum funktioniert es nicht?“, fragte Kor. Mit einem Blick auf die im Hohlraum schwebende Batterie versicherte er sich, dass diese noch immer über ausreichend Energie verfügte. Sie leuchtete noch immer wie ein heller Stern.
„Eine Fehlfunktion“, antwortete Karnog.
„Sie klingen nicht sonderlich überrascht“, stellte Kor fest.
„Es war vorauszusehen“, sagte Guroth mit einem Hauch Enttäuschung in seiner Stimme und gab Manja zu verstehen, es zu erklären.
„Wir haben in den letzten Monaten versucht, das Dreieck mit einer anderen Energiequelle in Betrieb zu nehmen. Leider erfolglos und mit der Nebenwirkung, dass mikroskopisch kleine Risse am Dreieck entstanden sind. Ich hatte die Hoffnung, diese Schäden würden sich als irrelevant herausstellen. Aber …“
„Idioten“, flüsterte O’Shannon so leise, dass es glücklicherweise nur Kor hören konnte. Der Archivar übernahm den Part, Kritik laut zu artikulieren:
„Ich habe von diesem Versuch ausdrücklich abgeraten. Den Informationen von den Steintafeln nach, könnte diese hier eines der Testzentren sein, in denen Vorarbeit für den Bau der Arena und der Mondwaffe geleistet wurde. Dieses Dreieck ist also nur ein Prototyp.“
„Pah!“, spuckte Guroth. „Wäre es nach Ihnen gegangen, hätten wir aus diesem Asteroiden ein Museum gemacht.“
Kor beschloss, den Streit zwischen den beiden zu unterbrechen: „Dann war’s das? Diese Waffe ist verloren?“, fragte Kor. Er war nicht unbedingt traurig darüber. Natürlich, eine Strahlenwaffe mit der Kapazität einen ganzen Asteroiden zu sprengen, wäre ein enormer taktischer Vorteil. Vor allem, wenn die Waffe langfristig mobil einsetzbar gemacht werden konnte.
Doch sind wir reif dafür, eine solche Waffe verantwortungsvoll zu nutzen? Nach Tagus III hatte er das gedacht und sich auf die Suche nach einer Waffe begeben, die gezielt eingesetzt werden konnte. Neun Jahre später war er sich nicht mehr sicher. Brigadier Korrd hatte in den letzten Jahren einen regelrechten Wandel des Herzens durchgemacht. Vielleicht war dieser Wandel berechtigt. Genauso berechtigt, wie seine Vorhersage, dass Guroth Chardin nicht in die Nähe irgendwelcher Ahnen-Technologie lassen würde.
„Es ist noch nicht vorbei“, stellte Guroth entschlossen fest. „Captain Kor, ich weiß, dass Sie und Ihre Besatzung sich darauf gefreut haben, in einen heimischen Hafen einzulaufen. Aber ich habe noch einen wichtigen Auftrag für Sie!“
Der Kanzler sagte ihm, was er von ihm verlangte und nun erkannte Kor den wahre Grund, warum Guroth nicht gewollt hatte, dass Chardin Kor begleitete.
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