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Herkunft aus der Ferne

von Oriane

Herausforderungen

Herausforderungen

Als Gilian bei den Transporterplattformen ankam, wurde sie von einem Gewusel an Leuten empfangen und musste eine ganze Weile warten, bis sie an der Reihe war. Die beiden Fähnriche, die die Transporter bedienten, waren sichtlich gestresst und Gilian musste dem jungen Trill zweimal sagen, wo sie hinwollte. Dann hielt sie ihm das Pad mit ihrem Einsatzbefehl unter die Nase. »Sagen Sie bitte auf der Copernicus Bescheid, dass der neue Captain kommt, um sich den Zustand des Schiffes anzusehen.« »Sofort, Ma’am.« Er versuchte über seine Konsole jemanden auf dem Schiff zu erreichen, doch auch nach mehreren Versuchen kam keine Antwort. »Das Problem hatten wir diese Woche häufiger«, erklärte er. »Liegt aber nicht an uns. Vermutlich ist die Kommunikationsphalanx des Schiffes noch im Eimer.« Gilian seufzte. Ihr schwante Übles. »Na, dann beamen Sie mich einfach rauf.« »Ja, Ma’am.« Sichtlich erleichtert, dass sie keine weiteren Sonderwünsche hatte, schickte er sie auf Plattform drei. Die Umgebung verschwamm vor Gilians Augen und eine Sekunde später tauchte der Transporterraum der Copernicus vor ihr auf. Er war verlassen und befand sich darüber hinaus in tadellosem Zustand, soweit Gilian das beurteilen konnte. Mit schnellen Schritten verließ sie die Transporterplattform und wäre beinahe gegen die Tür geknallt, als diese sich weigerte, sich zu öffnen. Schnell machte sie einen Schritt zurück und dann vorsichtig wieder einen auf die Tür zu. Sie öffnete sich, blieb aber nach der Hälfte hängen. Großartig, dachte Gilian, aber für ihren schlanken Körper war es kein Problem, sich durch die Öffnung zu schlängeln. Auch der Flur war verlassen, aber hie und da konnte sie Spuren von Reparaturarbeiten erkennen. Vielleicht hatte Admiral Casado recht gehabt und das Schiff war wirklich fast wieder startklar. Vielleicht war die kaputte Kommunikationsphalanx eine Ausnahme. Sie folgte dem Gang, bis sie vor einem Tubolift stand. Es wunderte sie, dass sie noch niemandem begegnet war, immerhin sollten sich auf diesem Schiff bereits wieder ein Großteil der Crew und die Reparaturteams befinden. Nun, sie würde sich als erstes auf der Brücke melden, irgendjemand würde schon wissen, dass der neue Captain an Bord gekommen war oder es zumindest schnell akzeptieren und sie ein wenig herumführen. Sie betrat den Turbolift und befahl ihm, sie zur Brücke zu bringen. »Bitte verlassen Sie diesen Turbolift«, kam es prompt von der Computerstimme. »Wie bitte?« »Bitte verlassen Sie diesen Turbolift«, wiederholte die Stimme nach Gilians Frage. »Brücke!«, befahl sie mit Nachdruck, aber der Lift bewegte sich nicht. Sie verdrehe die Augen und besah sich die Konsole an der Wand. Der Lift reichte nur bis Deck vier. »Computer? Hält dieser Turbolift auf der Brücke?«, fragte sie und kam sich reichlich dämlich vor. »Negativ.« »Na, großartig.« Auf den beiden Schiffen, auf denen sie gedient hatte, führten gefühlt alle Wege zur Brücke. »Wie komme ich dann dorthin?« »Verlassen Sie den Turbolift. Folgen Sie dem Gang weitere vierzig Meter und benutzen Sie Turbolift 4.« »Also dann«, murmelte Gilian. In diesem Moment war sie froh, dass niemand von der Crew anwesend war, so konnte sie sich die Peinlichkeit ersparen, dass sie sich auf ihrem neuen Schiff nicht einmal zurechtfand. Als sie schließlich die Brücke erreichte, brach augenblicklich das Chaos aus. Die Kommandozentrale des Schiffes war eine einzige Baustelle. Überall wuselten Leute umher, Gerüste standen im Weg, Wandverkleidungen lagen als Stolperfallen auf dem Boden. Eine Gruppe aus Raumdockmitarbeitern und Crewmitgliedern beugte sich über das, was einmal die OPS gewesen sein musste und nun wie ein Ersatzteillager aussah. Niemand bemerkte Gilian, die wie angewurzelt in der Turbolifttür stehen geblieben war. Niemand, bis auf eine junge Frau, die sich kurz von der OPS aufrichtete und sich streckte. Dabei verwandelte sich ihr schmerzverzerrtes Gesicht erst in ein überraschtes und dann alarmiertes. Sie sah sich um, dann wurde ihr wohl klar, dass sie der ranghöchste Offizier auf der Brücke war, schluckte und stakste über kaputte Schaltkreise auf Gilian zu. »Captain, ich bin Fähnrich Thien. Kann ich Ihnen vielleicht helfen?" "Sie können mir verraten, wie dieses Schiff in weniger als zwei Tagen vollständig einsatzbereit sein soll." Gilian gab sich alle Mühe, ihren Tonfall so neutral wie möglich zu halten und nicht anklagend zu klingen. Die junge Frau sah sie sowieso schon an, als befürchtete sie, auf der Stelle gefressen zu werden. Nervös strich sie sich eine verirrte, dunkle Haarsträhne aus dem Gesicht. "In zwei Tagen? Es tut mir Leid, davon weiß ich nichts. Commander Veran hilft zur Zeit im Maschinenraum, er ist zurzeit der ranghöchste Offizier an Bord, vielleicht hatte er nur noch keine Gelegenheit uns neue Befehle mitzuteilen." "Dann rufen Sie ihn bitte und sagen Sie ihm, dass ich ihn umgehend sprechen möchte." "Nun, Ma'am, das geht leider momentan nicht, die Kommunikationsphalanx ist hinüber und die Reparatur dauert noch eine Weile." "Sie haben Ihre Kommunikatoren nicht über die Phalanx des Raumdocks laufen lassen?" "Die ist überladen, Ma'am, sie wird seit ein paar Wochen vom Erickson-Institut für Experimente mitbenutzt, deswegen konnten wir unser System nicht dorthin transferieren", druckste Fähnrich Thien herum. "Es wäre das Beste, sie würden mir in den Maschinenraum folgen, Ma'am." Gilian nickte ergeben. Wenn schon die Kommunikation auf dem ganzen Schiff ausgefallen war, konnten die Reparaturarbeiten in 48 Stunden niemals beendet werden – falls das Schiff überhaupt startbereit war. Was hatte Admiral Casado sich nur dabei gedacht, diesen Schrotthaufen auf eine so wichtige Mission zu schicken? Seit die Föderation in keinen Krieg mehr verwickelt war, hatte Gilian selbst viele Schiffe in den tiefen Raum geschickt, damit sie endlich wieder einem der Grundpfeiler der Sternenflotte nachgingen, nämlich der Forschung. Bei ehemaligen Krisengebieten und in heiklen Sektoren waren natürlich noch Schiffe stationiert und all das zusammengenommen führte dazu, dass die Copernicus das geeignetste Schiff nahe der Erde war. Vielleicht hatte Casado auch geplant, Captain Chavon den Auftrag zu erteilen, wenn er von seiner Mission zurückkehrte, aber dann hatte Chavon sich von einem klingonischen Warbird provozieren lassen, einen politischen Eklat ausgelöst und sein Schiff zu Schrott geflogen. Politisch war die Angelegenheit bereits geregelt worden, obwohl alle Beteiligten nah dran gewesen waren, einen größeren Konflikt auszulösen. Letztendlich hatten aber beide Seiten eingesehen, dass ihre Offiziere eigenmächtig gehandelt hatten und sich darauf geeinigt, die betreffenden Personen zu bestrafen. Während sie diesen Gedanken nachhing, folgte sie Fähnrich Thien hinunter in den Maschinenraum. Hier sah es nicht viel besser aus als auf der Brücke. Was hatte Chavon mit diesem Schiff nur angestellt? Zielstrebig hielt Fähnrich Thien auf einen Vulkanier zu, der nahe des Warpkerns – der glücklicherweise nicht so aussah, als sei er erst in zwei Jahren wieder einsatzbereit – einige Techniker vom Raumdock instruierte. Thien wartete höflich, bis er fertig war, dann sprach sie ihn an. "Commander? Das hier ist Captain...", hilfesuchend sah sie sich nach Gilian um. "Ricks", vervollständigte sie den Satz. "Ich bin als neuer kommandierender Offizier auf der Copernicus eingesetzt worden." Sie ignorierte gekonnt, wie dem Fähnrich die Kinnlade herunterfiel. Commander Veran nahm diese Nachricht scheinbar gelassen auf. Er hatte tiefschwarzes Haar und die typisch geleckte Frisur eines Vulkaniers in seinen besten Jahren. Sein schlankes Gesicht verzog keine Miene, als er antwortete. "Ich bin über Ihr Eintreffen nicht informiert worden." "Das könnte daran liegen, dass die Kommunikation auf dem Schiff nicht funktioniert. Hier ist mein Einsatzbefehl, falls sie das beruhigt." Er griff nach dem PADD, welches sie ihm hinhielt, überflog es und gab es ihr zurück. "In diesem Fall, Willkommen an Bord, Captain Ricks." Gilian bedankte sich mit einem Nicken, kam aber gleich zur Sache. "Dieses Schiff muss in 48 Stunden einsatzbereit sein. Wir haben Befehl, ein Schiff an der Föderationsgrenze abzufangen und zur Erde zu eskortieren. Mehr werde ich Ihnen leider erst während der Einsatzbesprechung verraten können." "Nach meinen Prognosen ist das nicht möglich. Selbst, wenn wir Doppelschichten fahren wird es noch mindestens eine Woche dauern." "Leider haben wir keine Woche, Commander, sondern zwei Tage", erklärte Gilian mit Nachdruck. "Ich verstehe, dass das beim Stand der Dinge unrealistisch ist, aber der Admiralität ist das egal. Finden Sie einen Weg. Sorgen Sie dafür, dass die Primärsysteme einwandfrei funktionieren, Schönheitskorrekturen können immer noch gemacht werden, wenn wir unterwegs sind." »Verstanden, Captain.« »Haben Sie Zeit, mir den Status des Schiffs und der Crew zu erläutern?« Sie glaubte, ihm an der Nasenspitze anzusehen, dass er die eigentlich nicht hatte, aber offenbar hatte er gelernt, seinen Vorgesetzten in solchen Dingen nicht zu widersprechen. »Fähnrich Thien, ich schlage vor, Sie begeben sich zurück auf die Brücke«, befahl er der jungen Frau, die unschlüssig neben ihm und ihrem neuen Captain gestanden hatte. Mit einem dankbaren »Ja, Sir« entschuldigte sie sich und eilte zurück zum Turbolift. »Captain, bitte folgen Sie mir. Da die Kommunikation immer noch ausgefallen ist, mache ich mindestens täglich einen Rundgang durchs Schiff. Wenn Sie mich begleiten, können Sie sich selbst ein Bild machen.« Gilian nickte und folgte dem Vulkanier mit schnellen Schritten in den hinteren Teil des Schiffs. Sie hatte alle Mühe, ihm und seinen langen Beinen zu folgen. Zuallererst fuhren sie hinab in die Antriebssektion und arbeiteten sich hinunter zu den Warpgondeln. Hier waren Techniker dabei, Systeme aufzurüsten, die offenbar hektisch repariert worden waren. Veran sprach kurz mit ihnen und schien zufrieden mit dem Arbeitsfortschritt zu sein. Gilian verstand zwar nicht alles vom technischen Aspekt her, aber sie war in der Lage herauszufiltern, dass zumindest die Warpgondeln kein Problem darstellen würden. Es ging weiter über die Astrometrie, die dabei war ganze Sensorenphalanxen auszutauschen und über das neue Zeitlimit nicht gerade erfreut war, über das Waffendeck, das in katastrophalem Zustand war, durch die Küche und die Messe, erneut durch den Maschinenraum und schließlich über Umwege bis auf die Brücke, wo Gilian Fähnrich Thien wieder traf, die aber versuchte, Blickkontakt zu vermeiden so gut es ging. Es irritierte Gilian nicht nur, es schmerzte auch ein bisschen. Hatte sie sich schon dermaßen daneben benommen? Wo auch immer sie auf Crewmitglieder getroffen waren, hatte sie es vorgezogen, sich nicht jedem einzeln vorzustellen. Das würde sie bei der Einsatzbesprechung mit den Führungsoffizieren tun. Die konnten ihre Untergebenen darauf vorbereiten, dass es einen neuen Captain gab und dann würde sie die Crew über Interkom begrüßen. »Wann wird der Rest der Crew an Bord sein?« »Ich werde sie über die neuen Befehle informieren«, antwortete Veran. »Ich werde auch dafür sorgen, dass Sie ihr Quartier so bald wie möglich beziehen können.« »Oh, machen Sie sich damit keinen Stress. Andere Dinge haben jetzt Priorität, ich kann mich immer noch einrichten, wenn wir unterwegs sind.« Der Vulkanier schien etwas erwidern zu wollen, entschied sich dann aber anders. »In Ordnung, Captain. Ich nehme an, Sie müssen noch einiges auf dem Planeten klären.« »Das ist richtig. Aber wie ich sehe, haben Sie hier alles gut im Griff. Ich freue mich auf unsere Zusammenarbeit.« Veran nickte nur. »Crewman Joice, bitte begleiten Sie den Captain in den Transporterraum und sorgen Sie dafür, dass sie ankommt, wo sie möchte.« Ein Mann, Mitte vierzig und mit bereits schütterem Haar erhob sich von der Steuerungskonsole und nickte Gilian höflich zu. »Nach Ihnen, Captain.« Er deutete auf den Turbolift. Ansonsten war er nicht besonders gesprächig auf dem Weg nach unten, worüber Gilian ausnahmsweise ganz froh war. Ihr wurde ganz schwindelig von den vielen neuen Eindrücken und Sorgen, die plötzlich auf ihren Schultern lasteten. So hatte sie sich ihr erstes Kommando sicher nicht vorgestellt und es gab jede Menge Punkte, für die sie Admiral Casado gerne das Fell über die Ohren ziehen würde, aber andererseits sah sie die Herausforderung, die sie sich gewünscht hatte. Diese Mission versprach jedenfalls, nicht langweilig zu werden.
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