TrekNation

Das ultimative Archiv deutscher Star Trek Fanfiction!

Total Eclipse

von Beverly

Kapitel 1

Von seinem Sitz in Shuttlepod One aus starrte Malcolm in die kalte, undurchdringliche Schwärze des Alls. Das also war sein Ende. Er seufzte und schloss für einen Moment die Augen. Als er damals der Sternenflotte beigetreten war, hatte er immer damit gerechnet, dass er bei einem Einsatz ums Leben kommen würde.

Aber so?

In einem Shuttle? Durch einen dummen Zufall? Das war so ... würdelos. Und auch so sinnlos! Es war nur eine Frage der Zeit bis der Sauerstoff ausging und er und Trip sterben würden. Er sah durch das Frontfenster hinaus in die Dunkelheit, sah die Millionen von Sterne und spürte, wie eine Träne sich mit Gewalt ihren Weg nach draussen bahnen wollte. Er schluckte sie hinunter. Er wollte nicht so enden. Nicht mit Tränen in den Augen. Es blieb bei dem Versuch.

Mit dem nächsten Blinzeln löste sich die Träne von seinen Wimpern und lief langsam seine Wange hinab.

Dabei wusste er nicht mal genau, um was er weinte. Um sein Leben, dass so sang- und klanglos endete? So ... unspektakulär?

Um seine Familie, die vielleicht nie erfahren würde, wie und wann er gestorben war?

Um seine große Liebe, die sich selbst einzugestehen er nie gewagt hatte? Jetzt war es zu spät. Denn der Mensch, den er geliebt hatte, war tot. War zerstört worden mit dem Schiff, auf das er immer so stolz gewesen war, das er so geliebt hatte.

Als er die Trümmer der Enterprise gesehen hatte, war ein Teil von ihm gestorben. Der Teil, der sich in langen, einsamen Nächten nach einem ganz bestimmten Menschen gesehnt hatte. Vor seinen geschlossenen Augen sah Malcolm für einen Moment ein paar grüne Augen, funkelnd vor Lebensfreude. In seinem Kopf hörte er eine melodische Stimme, ein Lachen, spürte eine Hand auf seiner Schulter.

Mit einem tiefen Seufzer ließ er seinen Kopf auf Trips Schulter sinken. Der Amerikaner saß neben ihm auf dem Boden, genau so wie er in eine Decke eingemummt.

"Ich werde ihn vermissen."

Er war sich nicht bewusst gewesen, dass er laut gesprochen hatte, bis Trip seine Schulter leicht bewegte und fragte: "Hm? Wen?"

"Was?"

Malcolm öffnete die Augen und sah Trip an. Er war verwirrt. Trip wiederholte seine Frage. "Du hast gesagt, du wirst ihn vermissen. Wen?"

Malcolm schloss die Augen wieder. In seinem Inneren kämpften der jahrelange Drill seines Vaters mit seinen Erlebnissen auf der Enterprise und seinem Wissen, dass Trip ein Freund war, dem er vertrauen konnte. Die letzten Monate gewannen.

"Jon", murmelte er leise. "Ich werde Jon vermissen. Den Captain. Ich habe ihm nie gesagt, dass ich mich in ihn verliebt habe. Und jetzt ist es zu spät. Jetzt ist er weg. Tot. Genau so wie Porthos. Und alle anderen."

Unter der Decke suchte und fand Trip seine Hand und drückte sie sanft. "Jonny hätte das irre glücklich gemacht, Malcolm. Er war nämlich auch in dich verliebt. Das hat er mir erst neulich wieder gesagt. Er hat sich nur nie getraut etwas zu sagen. Wollte nicht, dass du das Gefühl hast, dass er seine Vorrangstellung als Captain ausnützt."

Ein bitteres Lachen drohte aus Malcolm herauszubrechen. War das nicht wieder mal typisch für ihn? Da fand er einen Mann, den er lieben konnte und der ihn sogar wiederliebte und bevor sie noch eine Chance bekamen, kamen sie beide ums Leben. Das unterdrückte Lachen kippte in ein Schluchzen um und er stöhnte tief auf.

"Ich bin so ein Idiot, Trip", flüsterte er. "All die Wochen und Monate ... nur weil ich zu feige war. Mein Vater hatte doch recht ..."

Trip widersprach ihm nicht und als Malcolm sich zu ihm drehte, sah er, dass sein Freund die Augen geschlossen hatte und sein Atem nur noch sehr flach ging.

Nicht mehr lange und er würde wieder mit Jon vereint sein. Dieser Gedanke gab ihm ein wenig Mut und ein zaghaftes Lächeln schlich sich auf seine Züge, als auch er die Augen wieder schloss.

~*~

Jon hätte das Shuttle am liebsten mit bloßen Händen aufgerissen. Malcolm war dort drin. Malcom und Trip. Beide zeigten nur noch schwache Lebenszeichen und Jon wurde fast verrückt vor Angst, dass er doch zu spät gekommen war. Panik stieg in ihm auf und er musste sich stark zusammen reißen, um seine kühle, professionelle Captainsmaske nicht zu verlieren.

Er beobachtete die Techniker, die damit beschäftigt waren, die Luke manuell zu öffnen. Phlox stand neben ihm, einen medizinischen Trikorder in der Hand. Sein sonst so zuversichtliches Grinsen war bereits vor einigen Minuten von seinem Gesicht gewichen und er wirkte ernst. So ernst hatte Jon ihn noch nie gesehen.

Endlich öffnete sich die Tür mit einem leisen, zischenden Laut und Jon tat sein Bestes, um sich zurückzuhalten und Phlox den Vortritt zu lassen.

Erst als der Doktor im Inneren des Shuttles verschwunden war, folgte er ihm. Malcolm und Trip saßen bewusstlos nebeneinander auf dem Boden, Malcolms Kopf ruhte auf der Schulter des größeren Mannes. Phlox scannte sie und nach endlos lang scheinenden Sekunden kehrte sein Lächeln zurück. Er gab dem medizinischen Personal einige Anweisungen, denen Jon keine Beachtung schenkte. Sein Blick wich nicht von Malcolms stiller – ZU stiller – Form.

Innerhalb kürzester Zeit lagen Trip und Malcolm auf Betten in der Krankenstation. Monitore überwachten ihre Körperfunktionen an und ein leises piep-piep-piep im Hintergrund gab ihren Herzschlag wieder.

Zutiefst erschöpft ließ Jon sich auf einen Stuhl neben Malcolms Bett sinken. Er hatte nicht mehr geschlafen seit sie am vereinbarten Rendezvouspunkt kein Shuttle vorgefunden hatten. Die Panik, die von ihm Besitz ergriffen hatte, als sie das Shuttle letztendlich gefunden hatten, ließ jetzt endlich langsam nach. Jon fühlte jedes einzelne seiner 45 Jahre. Er rutschte mit seinem Stuhl ein wenig näher an Malcolms Bett und legte sanft seine Hand auf die des Engländers.

"Gott, Malcolm, tu das nie wieder, okay?" murmelte er mit erstickter Stimme.

"Er kann Sie nicht hören, Captain", erklang Phlox' Stimme von Trips Bett her und Jon zuckte wie ertappt zusammen. "Er schläft. Ich habe ihm und Commander Tucker ein leichtes Sedativum verabreicht. Ihre Körper brauchen Zeit, um wieder die normale Temperatur zu erreichen. Da ich weiß, dass Lt. Reed nicht viel von meinen Künsten hält, hielt ich es für angebracht, dafür zu sorgen, dass er gar nicht erst anfangen kann mit mir zu diskutieren."

Jon schenkte dem Doctor ein müdes Lächeln und nickte nur. "Danke, Doc." Dann wandte er sich wieder Malcolm zu. Kurze Zeit später ließ ihn ein Hand auf seiner Schulter erneut zusammen zucken. Er sah auf, genau in die mitfühlenden Augen des Docs.

"Sie sollten sich auch ein wenig Ruhe gönnen, Captain. Ich weiß, dass Sie in letzter Zeit unter großer Anspannung standen. Gehen Sie in Ihr Quartier und schlafen Sie. Lt. Reed wird nicht vor morgen früh aufwachen."

Jon nickte. "Sie haben Recht, Doc. Nur noch ein paar Minuten, ja? Dann geh ich." Phlox' Augen blickten für einen Moment tief in seine, dann zog sich das vertraute, überbreite Grinsen über sein Gesicht. "Fünf Minuten, Captain. Mehr nicht." Immer noch grinsend verschwand er hinter einem Regal.

Jon rutschte den Stuhl noch näher an das Bett, so dass er sich anlehnen konnte. Nur fünf Minuten, hatte Phlox gesagt. Jon löste seine Hand von Malcoms Fingern und legte sie auf das Herz des anderen Mannes. Der kräftige, gleichmäßige Herzschlag beruhigte ihn und ehe er es sich versah, sackte sein Kopf auf Malcoms Oberkörper und er schlief ein.

Er merkte nicht, wie ihm Phlox wenige Minuten später eine Decke um seine Schultern legte. Er bemerke nicht, dass das Licht noch ein wenig gedämpfter wurde und den Großteil des Raums in Dunkelheit tauchte. Und er sah nicht, dass Phlox die Krankenstation mit einem noch breiteren Lächeln als sonst verließ.

~*~

Wärme.

Schwärze.

Die undurchdringliche Schwärze des Alls.

War er tot?

Nein, das konnte nicht sein. Ihm war warm und er fühlte sich angenehm schläfrig. Doch auf seinem Bauch lastete ein Gewicht, das er nicht zuordnen konnte. Ein ungewohntes Gewicht. Er versuchte seine Augen zu öffnen. Etwas, dass ihm erst nach einiger Anstrengung gelang. Die Schwärze wich nicht. Er riss die Augen weit auf, doch nichts änderte sich.

War das sein Himmel? War er dazu verdammt, in aller Ewigkeit in konturenloser Schwärze zu treiben? Ohne irgendeinen Anhaltspunkt? Plötzlich drang ein leises Piepen an sein Ohr. Ein unangenehm vertrautes Piepen und langsam konnte er in der Schwärze Konturen ausmachen. Eine Decke über ihm, das sanfte Leuchten eines Nachtlichtes, ein Kopf, der auf seinem Bauch lag. Alles, bis auf den Kopf, war ihm bekannt.

Die Krankenstation an Bord der Enterprise. Phlox hatte mal scherzhaft gesagt, dass er sein Quartier eigentlich gar nicht brauchte, da er sowieso die meiste Zeit hier verbrachte.

Er hatte also überlebt. Und Trip? Mühsam drehte er seinen Kopf nach links. Dort, in der Dunkelheit stand ein zweites Bett mit der nur undeutlich erkennbaren Form eines Menschen. Und nun kristallisierte sich ein weiteres Piepen heraus. Ein zweiter Herzmonitor.

Sie hatten es geschafft. Irgendwie hatten sie es geschafft. Aber wie? Und wer lag auf seinem Bauch? Langsam hob er eine Hand und berührte das dunkle Haar. Es war weich und seidig. Ein wenig länger, als die meisten an Bord es trugen. Die Gestalt schien tief und fest zu schlafen, um ihre Schultern hatte sie eine Decke, die sich im Rhythmus der Atemzüge gleichmäßig hob und senkte. Eine Hand lag auf seinem, Malcolms, Herz.

Ein Lichtstrahl fiel plötzlich in den Raum und Malcolm sah den Doctor hereinkommen. Er schien nicht zu bemerken, dass Malcolm wach war und trat leise an die Gestalt heran, die zusammengekauert neben seinem Bett saß. Mit dem Kopf auf seinem Bauch und der Hand auf seinem Herz. Er wußte nicht, warum gerade DAS ihm so wichtig erschien.

Er beobachtete Phlox, der nun eine Hand auf die Schulter der Gestalt legte und sie leicht schüttelte.

"Captain. Captain Archer? Wachen Sie auf. Sie sollten doch schon längst in Ihrem eigenen Bett liegen."

Captain Archer? Jon? Warum war Jon hier auf der Krankenstation? An SEINEM Bett? Trip lag doch auf dem anderen. Nun schreckte Jon auf, die Decke rutschte von seinen Schultern und fiel zu Boden. Irritiert sah er zu Phlox auf, der ihn anlächelte. Dann rieb er sich die Augen, eine Geste, die Malcolm an ein kleines Kind erinnerte.

"Tut mir leid, Doctor. Ich war wohl doch müder, als ich dachte. Ich geh in mein Quartier. Sie benachrichtigen mich, wenn es irgendwas Neues gibt, ja?"

Phlox grinste und zwinkerte Malcolm verschwörerisch zu. Da wusste Malcolm, dass es dem aufmerksamen Doctor nicht entgangen war, dass sein Schützling nicht mehr schlief. Und unwillkürlich musste auch Malcolm lächeln. "Natürlich, Captain. Das habe ich bisher doch immer."

Ach.

Das war neu für Malcolm. Sein Blick folgte dem Captain, als er aufstand. Und gerade, als er die Augen wieder schließen wollte, drehte der Captain sich noch einmal zu ihm um. Seine Augen weiteten sich, als er sah, dass Malcolm wach war. Rasch setzte er sich wieder neben Malcolms Bett.

"Captain!" Die Stimme des Doctors klang nun fast ein wenig drohend, doch Jon winkte nur mit einer unbestimmt wirkenden Handbewegung ab. "Gleich, Doc."

Er nahm sanft Malcolms Hand in seine. "Malcolm, du hast mir einen Riesenschreck eingejagt", murmelte er leise.

"Ich hätte nicht gedacht, dass ich Sie noch einmal wieder sehe, Captain", erwiderte Malcolm zaghaft. Ein sonderbarer Ausdruck huschte für einen Moment über Jons Gesicht und da erinnerte sich Malcolm plötzlich daran, was Trip ihm gesagt hatte. 'Jonny hätte das irre glücklich gemacht, Malcolm. Er war nämlich auch in dich verliebt.' Er holte tief Luft, um sich Mut zu machen und musste prompt husten. Jon half ihm sofort, sich ein wenig aufzurichten und klopfte ihm sachte auf den Rücken.

Er war ihm so nah, in diesem Moment, so unglaublich verführerisch nah und auf einmal war alles ganz einfach. Er hob seine rechte Hand, legte sie um den Nacken seines Captains – um Jons Nacken – und zog ihn langsam zu sich herunter, bis ihre Lippen nur noch wenige Millimeter voneinander entfernt waren. Und dann küsste er ihn.

Jons Lippen waren weich und fest und der Kuss nur kurz, dann ließ ein Räuspern von Dr. Phlox die beiden Männer schuldbewusst auseinander fahren.

"Ich bin ja immer sehr für die Weiterentwicklung zwischenmenschlicher Beziehungen, Captain, aber in diesem Fall würde ich Sie doch bitten, damit zu warten, bis es meinem Patienten wieder ein wenig besser geht."

Das Grinsen, das auf Phlox' Gesicht lag, war das breiteste, das Malcolm jemals bei ihm gesehen hatte. Mit einem leisen Seufzen legte er sich zurück auf das Bett und sah hinauf zu Jon.

Etwas verlegen strich dieser eine Falte auf Malcolms Bett glatt, bevor er sich noch einmal für einen kleinen Kuss zu Malcolm hinunterbeugte. Kurz bevor sich ihre Lippen berührten, flüsterte er: "Sag es, Malcolm. Sag meinen Namen."

"Jon", hauchte er an seinen Mund und mit kaum hörbarem Stöhnen gab Jon ihm einen letzten Kuss, bevor er sich aufrichtete und mit schnellen Schritten und ohne sich noch einmal umzudrehen die Krankenstation verließ.

Phlox überprüfte noch einmal die Werte aller Monitore, machte dann den gleichen Check bei Trip, bevor auch er sich wieder zur Tür wandte.

"Brauchen Sie noch etwas, Lt.?" fragte er, als er bereits an der Tür stand.

"Nein, Dr. Phlox. Danke. Ich habe alles, was ich brauche."

Die Tür öffnete und schloss sich hinter dem denobulanischen Doktor und tauchte die Krankenstation wieder in Dunkelheit.

Doch diesmal war es eine samtene Schwärze, durchbrochen von dem sanften Schein der Sterne, der durch das Fenster hereinfiel.

Malcolm schloss die Augen und gab sich der Schwärze hin.


Ende
Rezensionen