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Holographic Love

von Steffi Raatz

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Deanna hörte die Stimme des Ersten Offiziers hinter sich, noch ehe sie seine Schritte hören konnte. "Deanna, schön dich zu sehen."

"Will, was möchtest du?" Ihre Stimme klang ungewollt ein wenig genervt. Doch William Riker hatte in letzter Zeit ein wenig zu oft versucht, ihre in die Brüche gegangene Beziehung zu kitten.

"Du hast in letzter Zeit immer so viel zu tun. Was treibst du da auf dem Holodeck?" Er lehnte sich an die Wand des Ganges und sah sie interessiert an.

"Ich mache geschichtliche Nachforschungen", erwiderte die Betazoidin knapp und setzte sich wieder in Bewegung.

"Hättest du nicht wenigstens für ein Abendessen mal Zeit?", rief Will ihr hinterher, doch sie winkte ab. "Deanna..."

"Will, ich habe zu tun", lautete ihre knappe Antwort, dann ließ sie ihn endgültig stehen.

***

Deanna fühlte dieses warme, wohlige Gefühl in ihrem Inneren, als sie das Programm auf Holodeck 2 startete. Obwohl sie eigentlich nur versucht hatte, zu ergründen, wie die Menschheit das Abenteuer All begonnen hatte, war sie zu einer regelmäßigen Nutzerin des Programms geworden. Es hatte sie immer mehr fasziniert und schließlich in ihren Bann gezogen. Deanna wusste, dass sie keine Gefühle hätte haben dürfen, aber es war geschehen und ihre rein wissenschaftlichen Besuche wurden mehr und mehr zu privaten Besuchen.

"Deanna, schön Sie zu sehen!", wurde sie begrüßt, als sie das Deck betrat.

Ein Lächeln bildete sich auf ihren Lippen und ihre Augen begannen zu glänzen. "Ebenfalls."

"Wollen wir da weiter machen, wo wir vor einigen Stunden aufgehört haben?", Jonathan Archer deutete auf den Stuhl gegenüber seinem Schreibtisch und lächelte zurück.

"Gerne doch", erwiderte die Betazoidin und nahm Platz.

"Sie wollten beim letzten Mal wissen, wie unser Warpantrieb aufgebaut ist." Archer reichte ihr das Padd seines Ingenieurs und sah sie forschend an. "Sie haben mir immer noch nicht gesagt, was Ihr Volk mit diesen Daten möchte. Soweit ich erkennen konnte, verfügen Sie doch bereits über Warpantrieb."

"Captain Archer, wir sind ein Volk, das sich weiterentwickeln möchte und wenn Ihr Warpantrieb deutlich stabiler funktioniert als unserer, können wir vielleicht aus Ihren Daten lernen, wie wir unseren verbessern können." Deanna war nicht der Typ, um zu lügen, aber sie hatte sich eine Geschichte für ihre Anwesenheit ausdenken müssen, die dem Captain der ersten Enterprise glaubhaft erschien. Und nun lag es an ihr, die Geschichte durchzuziehen. Sie wollte nicht, dass die vergangene Wahrheit verfälscht wurde.

Bisher war auch alles wunderbar gelaufen. Archer hatte sich sehr hilfsbereit gezeigt, jedoch hatte Troi selbst nicht mit ihren aufkeimenden Gefühlen zu dem Captain der Enterprise NX-01 gerechnet. Jetzt saß sie wirklich in der Klemme. Als psychologische Beraterin an Bord war sie im Begriff, den schlimmsten Fehler überhaupt zu begehen. Sie war dabei, sich in eine Projektion zu verlieben. In etwas nicht Reales.

Das wirklich schlimme daran für sie war, dass sie seine Empfindungen nicht spüren konnte. Er war etwas maschinelles, sah zwar lebendig aus, aber tatsächlich war er etwas von Computern hergestelltes. Diese Tatsache machte Deanna am meisten zu schaffen.

"Computer, Programm beenden!", tönte ihre Stimme laut durch den Raum.

Der Captain der Enterprise NX-01 sah sie verwirrt an, dann verschwand das Bild in Sekundenschnelle und um sie herum war nur noch der kahle Raum des Holodecks. Deanna schlug die Hände vors Gesicht und begann bitterlich zu weinen. Wie konnte sie sich nur etwas vormachen? Als sie diesen Auftrag vom Förderationsoberkommando angenommen hatte, war ihr nicht bewusst gewesen, dass es sie emotional so belasten würde. Aber sie war die psychologische Beraterin des Schiffes. Sie hätte wissen müssen, dass sie das Falsche tat. Warum hatte sie sich nicht selbst aufgehalten?

"Oh oh oh... was muss ich da sehen? Deanna, Sie weinen doch nicht etwa um William Riker?"

Die Betazoidin wirbelte herum. Diese Stimme gehörte zu jemandem, dem sie lieber aus dem Weg ging. "Q!"

"In voller Lebensgröße!", erwiderte er und schnippte mit dem Finger.

Deanna fand sich in einem Restaurant wieder, in dem Q ihr einen Stuhl zurecht rückte. "Setzen Sie sich meine Liebe, dann können wir uns besser unterhalten!"

"Ich will mich nicht mit Ihnen unterhalten, Q. Hören Sie auf mit diesem Firlefanz!" Sie verschränkte die Arme vor der Brust und sah ihn verärgert an.

"Bitte, wie Sie wünschen!", erwiderte er und beide standen wieder im kahlen Holodeck. "Vielleicht sollte ich ja besser wieder Ihr Programm aufrufen. Dann könnten..."

"Nein, nicht!", wehrte sie ab und sah ihn mit aufgerissenen Augen an, doch es war bereits zu spät. Q hatte ihr Programm aufgerufen und sie standen inmitten des Captainquartiers der NX-01.

"Deanna, was... wer zum Teufel ist das?", der holographische Captain Archer deutete verwirrt auf Q.

"Ah so...", lamentierte dieser und zog die Augenbrauen hoch, "sehe ich das richtig? Es geht gar nicht um Commander Riker, es geht um diesen Mann!"

"Computer, Programm anhalten!", rief Deanna aus und sah Q entnervt an. "Nein, es geht nicht um Commander Riker. Wir befinden uns auf der Enterprise NX-01 im 21. Jahrhundert und das ist Captain Archer."

"In der Vergangenheit?" Q schüttelte verwirrt den Kopf. "Warum um Himmels Willen sind Sie in der Vergangenheit und weinen um einen längst verstorbenen Mann?"

"Das ist irrelevant und geht Sie gar nichts an!", schimpfte sie und gab dem Computer erneut Befehl, das Holoprogramm zu beenden.

"Sie haben eine wissenschaftliche Untersuchung durchgeführt und jetzt empfinden Sie etwas für diese Holofigur, hab ich Recht?" Q sah sie tiefgründig an und lächelte verschlagen.

"Also zum einen geht Sie das nichts an, Q. Und zum anderen bin ich die psychologische Beraterin dieses Schiffes und kann mir derartige Fehler nicht erlauben! Wieso sind Sie überhaupt wieder hier? Ich sollte Sie melden!"

Counselor Troi betätigte ihren Kommunikator und sah Q demonstrativ nicht an. "Troi an Brücke, wir..."

"Ich könnte Sie in die Vergangenheit bringen und Sie könnten diesen Captain Archer kennen lernen."

Deanna stoppte und sah Q einen Moment lang irritiert an. "Das könnten Sie?"

"Das und noch viel mehr. Deanna, ich bin ein..."

"Höheres Wesen, ja ich weiß!", wiegelte sie uninteressiert ab, "aber mal angenommen, Sie würden mich in die Vergangenheit bringen, dann würde sich doch das gesamte Raum-Zeit-Kontinuum verändern. Nichts würde mehr so sein, wie es sein sollte. Es..."

"Counselor Troi?", echote Captain Picards Stimme über den Kommunikator.

"Es müsste nicht unbedingt zu einer Zeitveränderung kommen. Es käme darauf an, in wie weit Sie die Zeitlinie beeinflussen würden." Q zuckte mit den Schultern und wartete auf ihre Reaktion.

Deanna unterbrach die Kommverbindung zur Brücke und sah ihren Gegenüber entschlossen an. "Bringen Sie mich in die Vergangenheit."

"Sie haben sich das genau überlegt?" Q betrachtete sie genauestens.

"Seit wann fragen Sie nach, Q?", erwiderte Deanna ungeduldig.

Q lächelte und schnippte mit dem Finger.

***

Deanna zuckte zusammen, als das Stimmengewirr um sie herum immer lauter wurde. Einen kurzen Augenblick war sie verwirrt, dann lichtete sich der Nebel in ihrem Kopf. Wo immer sie auch war, sie war mit ziemlicher Wahrscheinlichkeit in der Vergangenheit.

Im Prinzip wusste sie, dass sie im Begriff war, einen schlimmen Fehler zu begehen. Ein falscher Satz von ihr, eine falsche Bewegung und sie veränderte die Zeitlinie, brachte vielleicht Dinge ins Rollen, die nie hätten geschehen dürfen. Aber wenn sie sich von dieser kranken Zuneigung zu dem holographischen Captain kurieren wollte, konnte sie das nur, wenn sie dem realen Captain gegenüberstand und erkannte, dass er in Wahrheit anders war. Nicht der Held, den die geschichtlichen Erzählungen darstellten. Eben nur ein Mensch.

Die Betazoidin sah an sich hinab und war froh, dass Q daran gedacht hatte, für entsprechende Kleidung zu sorgen. Ansonsten wäre sie sicherlich an diesem Ort erfroren. Sie ging davon aus, dass sie auf einem Planeten war. Um welchen es sich handelte, konnte sie jedoch nicht sagen. Die Spelunke in der sie stand, erinnerte sie ein wenig an die Behausung von Zefram Cochrane und seinen Leuten. Schwer vorzustellen, dass sie schon wieder so weit in der Zeit zurück und der alte Cochrane vielleicht sogar noch am Leben war. Sie hätte ihn besuchen können, sie... Sie war dumm, überhaupt daran zu denken. Die Zeitlinie wurde durch ihre Anwesenheit schon genug beeinflusst.

"Malcolm, sehen Sie zu, dass Sie Hoshi an Bord des Shuttles bringen!"

Deanna erkannte die Stimme durch das ganze Stimmengewirr. Langsam drehte sie sich um und sah ihn. In einer schwarzen, gefütterten Jacke stand er am Eingang und gab zwei seiner Crewmitglieder Anweisungen. Scheinbar war er in Eile. Sein Gesicht war gerötet und das des blonden Mannes neben ihm ebenfalls. Beide hatten ihre Waffen gezogen, zielten jedoch nicht.

Deanna spürte, wie sie angerempelt wurde und verlor Archer und den anderen Mann aus dem Blickfeld. Plötzlich spürte sie eine Waffe an ihrem Rücken.

"Woher kommen Sie und wer hat Sie beauftragt! Wo ist Daniels!"

Deanna zuckte zusammen und bekam eine Gänsehaut. Was wollte man von ihr? Wer war Daniels?

"Hören Sie, ich weiß nicht, wovon Sie sprechen und wer Sie sind, ich...", ihre Stimme versagte, als sich eine geschuppte grünliche Hand um ihre Kehle schloss.

"Sie sind eine Zeitreisende. Sie brauchen mir nichts vormachen. Also, wer hat Sie geschickt und was ist Ihr Auftrag?", tönte die fremde Stimme in ihren Ohren.

Deanna fühlte sich wie erstarrt.

"Dort vorne ist er!", erklang die Stimme von Captain Archer und die Hand um ihren Hals lockerte sich schlagartig.

"Du wirst uns keinen Strich durch die Rechnung machen!", tönte es noch in ihren Ohren, dann wurde sie losgelassen. Instinktiv wirbelte sie herum, um ihren Angreifer zu sehen. Doch sie hatte noch nicht einmal die halbe Drehung geschafft, als sie den Treffer einer Phaserpistole in ihrem Rücken spürte. Entsetzt riss Deanna die Augen auf und versuchte nach der Wunde zu greifen, doch ihre Beine gaben nach und der Schmerz in ihrem Inneren schien zu explodieren. Für eine Sekunde schoss ihr durch den Kopf, dass sie eine temporäre Anomalie verursachen würde, dann wurde alles schwarz vor ihren Augen.

Jonathan sah den Suliban zwischen den Tavernenbesuchern und gab Trip ein Zeichen. Schnell eilten sie dem Flüchtenden hinterher und stießen die Gäste der Taverne beiseite.

"Jon!", Trip deutete auf die dunkelhaarige Frau, die scheinbar von Silik festgehalten wurde und der Captain nickte seinem Commander zu. Noch im gleichen Augenblick ließ der Suliban wieder von ihr ab und rannte weiter. Die Frau drehte sich um und Trip und Jon konnten sehen, wie Silik sie mit einem Schuss niederstreckte.

"Verdammt!", platzte es aus Jon hervor und sein Blick traf den von seinem Chefingenieur. Was war wichtiger? Silik zu fangen oder das Leben der Unbekannten?

Jon war klar, dass er seine Chance mal wieder vertat, aber kaum hatte er die Fremde erreicht, ging er neben ihr in die Knie und fühlte ihren Puls.

"Trip, informiere Dr. Phlox, wir haben zwei Verletzte!", gab er seinem Freund Anweisung und hievte die Verletzte auf seine Arme.

Trip griff nach seinem Kommunikator und folgte seinem Captain in Richtung Shuttle.

***

Ein dumpfes Dröhnen klang in ihren Ohren und schwächte langsam ab. Stimmen wurden deutlicher und als sie langsam ihre Augen öffnete, wurde sie von einer Lampe geblendet. Der Schmerz an ihrem Rücken schoss durch ihren Körper und ließ sie aufstöhnen. Die Vermutung lag nahe, dass sie unter Medikamenteneinfluss gestanden hatte und deren Wirkung nun nachließ. Deanna biss die Zähne zusammen und sog die Luft scharf ein.

"Alles wird gut", hörte sie eine männliche Stimme. Krampfhaft versuchte sie das verschwommene Bild vor ihren Augen aufzulösen und die Stimme einzuordnen, doch es gelang ihr nicht.

"Warten Sie", eine weitere Stimme kam hinzu und ehe sie sich versah, spürte sie ein Gerät an ihrer Halsschlagader, welches ihr etwas injizierte.

Sie wollte protestieren, doch sie spürte eine positive Wirkung und nur wenige Augenblicke später war ihr Blickfeld wieder klar.

"Sie werden schon wieder!", lächelte sie der blonde Offizier an, der in der Taverne neben Captain Archer gestanden hatte.

"Könnten Sie...", Deanna mühte sich ab, ihren trockenen Mund anzufeuchten, "mir etwas gegen die Schmerzen geben?"

"Doc?", der blonde Offizier drehte sich zu jemandem um, den sie aus ihrer Position nicht erkennen konnte.

"Komme, komme!", ertönte ein Singsang und Deanna fühlte sich sofort an einen Denobulaner erinnert. Es war Jahre her, dass sie einen gesehen hatte. Konnte es sein, dass an Bord der Enterprise NX-01 ein denobulanischer Arzt war?

"Sie sind Denobulaner!", platzte es überrascht aus ihr hervor, als er sich über sie beugte und ihr erneut ein Medikament injizierte.

"Phlox", stellte er sich vor, "ich bin überrascht, dass Sie wissen, welcher Rasse ich angehöre. Ich kann mich nicht erinnern, dass unser Volk je Kontakt zu Ihrer Spezies hatte."

"Ihrer Spezies? Heißt das, sie ist kein Mensch?" Die Stimme des Captains drang an ihr Ohr und der Denobulaner sah erfreut auf.

Deanna schloss die Augen. Himmel, was sollte sie nur sagen.

"Nun ja, Captain, äußerlich ist sie durchaus ein Mensch, aber es gibt da diverse Anomalitäten..."

"Ist sie eine Suliban?" Trips Stimme drang zwischen die Erklärungen.

"Himmel nein!" Deanna setzte sich ruckartig auf und hielt sich die Wunde.

Sie kannte die Suliban nur von Erzählungen und war während ihrer geschichtlichen Forschungen zur Erkenntnis gekommen, dass sie auch keinerlei Interesse daran hatte, einen kennen zu lernen.

"Was sind Sie dann?" Der Blick von Jonathan Archer traf sich mit ihrem und Deanna Troi musste schlucken. Sie hatte im Holoprogramm so lange ein falsches Bild aufgebaut, um die Charaktere nicht zu beeinflussen oder zu verändern, jetzt war sie sich nicht im Klaren darüber, ob sie nicht doch besser die Wahrheit sagen sollte. Aber wie weit beeinflusste sie damit die temporale Linie?

"Ich...", begann sie und sah sich im Raum um. Neben dem Captain stand eine Vulkanierin und verschränkte die Arme hinter dem Rücken. Die Betazoide spürte eindeutig, dass diese Frau wusste, wer sie war. Es war also nur noch eine Frage der Zeit, bis man hinter die Wahrheit kam.

"Hat Ihre Vulkanierin Ihnen nicht gesagt, was ich bin?" Deanna lächelte matt.

"T'Pol?" Jonathan Archer wandte seinen halb verärgerten, halb erstaunten Blick zu der Vulkanierin um.

"Ich bin halb Mensch, halb Betazoide", erklärte Deanna schnell, ehe es Ärger geben konnte und versuchte sich ganz von dem Biobett zu erheben.

"Eine Betazoide? Davon habe ich gehört. Diese Spezies ist in der Lage Empfindungen von anderen Lebensformen aufzufangen." Dr. Phlox schien sichtlich begeistert und Deanna sah wie der Captain die Stirn in Falten legte.

"Und woher kennen Sie Silik?"

"Wen?" Sie sah ihn fragend an und blieb mit der Hand am Rücken sitzen. Ihr Atem ging schwer.

"Der Suliban, der Sie angeschossen hat", beantwortete der blonde Mann ihre Frage.

Sie schloss die Augen und atmete tief durch. Scheinbar hatte sie mehr durcheinander gebracht, als sie vorgehabt hatte. "Ich kenne ihn nicht. Er hielt mir die Waffe an den Rücken und hat wirres Zeug gesprochen!"

"Dann kennen Sie auch keinen Daniels oder die Föderation?", Archer kam auf sie zu und sah sie eindringlich an.

Ihr Kopf ruckte beim dem Wort Föderation hoch. Woher zum Teufel kannte Captain Archer die Föderation? Er konnte sie nicht kennen!

"Woher kennen Sie die Föderation?", platzte es aus ihr heraus, "das ist nach Ihrer Zeit." Sie verstummte sofort wieder, als sie ihren Fehler bemerkte.

"Und woher kennen Sie sie?", bekam sie bedrohlich leise von Archer zur Antwort.

Deanna versuchte erst gar nicht seinem Blick aus dem Weg zu gehen. Scheinbar waren alle hier mit Zeitverzerrungen vertraut und sie fragte sich langsam, weshalb es in ihrem Jahrhundert etwas Besonderes geworden zu sein schien.

"Ich will Ihnen nichts verheimlichen, Captain Archer", begann sie und erkannte das Erstaunen in seinen Augen, als sie ihn mit seinem Namen ansprach, "aber ich hatte nie vor, von Ihnen entdeckt zu werden oder in Ihre Zeitlinie einzugreifen. Da es nun aber geschehen ist, kann ich daran sowieso nichts mehr ändern. Ich will offen und ehrlich zu Ihnen sein. Ich komme aus der Zukunft."

"Und da kennen Sie Daniels nicht?", Archer schien nicht wirklich überrascht, die Vulkanierin jedoch zog die Augenbrauen zusammen, während der blonde Offizier hörbar nach Luft schnappte.

"Ich weiß nicht, wer dieser Daniels sein soll und ich kenne auch die Suliban nicht. Vielleicht liegt das vor meiner Zeit oder gar nach ihr. Tatsache ist jedoch, dass ich Ihre Zeit verändere, ohne dass ich es je wollte." Deanna schloss die Augen und atmete durch.

"Wenn Sie nichts mit denen zu tun haben, weshalb sind Sie dann hier?" Die Vulkanierin sah sie skeptisch an. Die Betazoide lächelte matt und sah sie fasziniert an. Sie hatte seit Ewigkeiten keine Vulkanier mehr gesehen, geschweige denn an Bord einer Enterprise.

"Ich bin psychologische Beraterin an Bord eines Raumschiffes und habe geschichtliche Forschungen durchgeführt. Forschungsobjekt war die Enterprise NX-01", erklärte sie und sah in die Runde, "als man mir offerierte, meine Forschungsarbeiten statt auf einem Holodeck in der Vergangenheit fortzuführen, habe ich fälschlicherweise zugegriffen. Ich war töricht, als ich glaubte, die Zeitlinie nicht beeinflussen zu können."

"Von welchem Schiff kommen Sie?" Neugier sprach aus Archers Stimme und sie konnte es ihm nicht einmal verübeln.

"Hören Sie, Captain, wenn ich Ihnen zu viel erzähle, könnte ich die Zeitlinie noch mehr schädigen...", setzte sie an, wurde sich dann jedoch darüber klar, dass die Zeitlinie schon maßgeblich geschädigt war. Sie konnte es sowieso nicht mehr verhindern. Seufzend fuhr sie fort: "Ich komme von Förderationsraumschiff Enterprise NCC-1701D."

"NCC-1701D…" Sie hörte den blonden Mann deutlich durchatmen. Die Überraschung in allen Gesichtern war groß, nicht jedoch in Captain Archers.

"Erzählen Sie mir mehr."

"Selbst wenn ich das könnte, so würde ich es nicht tun. Alles was Sie zusätzlich erfahren, verändert die Zukunft in nicht vorhersehbarer Weise. Ich kann nicht riskieren, dass es meine Zukunft nicht mehr gibt." Sie sah ihn betrübt an.

Der Mann vor ihr war tatsächlich genau so, wie sie ihn sich vorgestellt hatte. Er hatte seinen Feind entkommen lassen, um ihr das Leben zu retten. Deanna bemühte sich, alles von sich zu drängen, was mit ihren Vorstellungen vom Holo-Archer zusammenhing. Sich in den richtigen Captain der NX-01 zu verlieben, konnte sie sich nicht erlauben.

"Sie sprachen von einem Holodeck", mischte sich der blonde Offizier ein und wurde von einem warnenden Blick seines Captains getroffen.

Deanna nickte kurz, erwiderte aber nichts weiter. Der Captain und sie sahen einander in die Augen. Es war etwas wie ein kleiner Machtkampf und sie konnte spüren, wie er zwischen Glauben und Unglauben schwankte.

Als sich ihre Blicke auch nach wenigen Minuten nicht voneinander lösten, schien er zu verstehen, dass sie die Wahrheit sprach. Und während er mit einem, "Nun gut", seine Position veränderte und auf ein weiteres Biobett zu ging, atmete Deanna tief durch.

"Dr. Phlox, wie geht es Hoshi?", hörte sie Archers Stimme ein Stück entfernt, während der Schmerz in ihrem Rücken wieder zunahm. Die Bewegungen waren alles andere als gut für ihre Wunde gewesen. Sie musste begreifen, dass es an Bord dieser Enterprise noch nicht die gleichen Heilmethoden gab, wie in ihrer Zeit.

"Alles in Ordnung mit Ihnen?", der blonde Mann legte ihr seine Hand auf den Unterarm und sah sie besorgt an.

"Nur ein wenig Schmerzen", erklärte sie und lächelte ihn an. "Mein Name ist Deanna Troi. Und danke für Ihre Hilfe."

„Charles Tucker der Dritte... aber sagen Sie einfach Trip.“ Er lächelte und feine Grübchen bildeten sich auf seinen Wangen. Südstaatler, schoss es ihr durch den Kopf und auf ihren Lippen bildete sich ebenfalls ein Lächeln.

"Sagen Sie, bevor ich wieder zurück auf meinen Posten muss... ich will nicht all zu neugierig klingen, aber wenn Sie Besatzungsmitglied auf einer zukünftigen Enterprise sind, können Sie mir sagen, wie schnell... ich meine, der Warpantrieb. Wie schnell können wir in der Zukunft... fliegen?" Trip Tucker schien sichtlich aufgeregt und Deanna konnte es ihm nicht einmal verübeln.

"Warp 9.5 ist soweit ich weiß, das Maximum", lächelte sie matt und sah mit einiger Erheiterung wie sich die Augen des Chefingenieurs weiteten und zu glänzen begannen.

"Warp 9.5", seufzte er leise und nickte ihr dann dankbar zu, ehe er sich abwandte und die Krankenstation verließ.

"Okay, ich habe hier etwas, was Ihre Schmerzen lindern wird." Eine junge Frau, die sich ihr als Elizabeth Cutler vorstellte, gab ihr eine Dosis von etwas, was ihr sofort die Schmerzen nahm. Sie fragte nicht, um was für eine Substanz es sich handelte, da ihre Sinne sich bereits erneut trübten. Müdigkeit überfiel ihren Körper und ehe sie weiter darüber nachdenken konnte, dass man sie narkotisiert hatte, war sie in Tiefschlaf gefallen.

***

Jonathan saß auf der Brücke in seinem Stuhl und hatte seinen Kopf auf seinen Arm gestützt. Obwohl es so schien, als ob er auf den Schirm starrte, war er doch mit seinen Gedanken ganz woanders.

Wieder mal hatten sie Silik entwischen lassen, weil er kurzfristig jemanden hatte helfen wollen. Nun war der jemand eine Fremde aus der Zukunft. Ein Förderationsmitglied, tätig auf der Enterprise NCC-1701-D. Er fuhr sich mit seiner Hand über das Gesicht und versuchte seine Gedanken zu ordnen.

Deanna Troi, Betazoide. Sie war attraktiv. Sie war seines Erachtens nicht feindlich gesinnt. Und wenn alle Angaben von ihr stimmten, dann war sie in den temporalen Krieg hineingeschlittert ohne Kenntnis von ihm zu haben.

Im Augenblick fragte er sich, was sie wirklich dazu getrieben hatte, einen Zeitsprung vorzunehmen. Oder eine Zeitreise, wie auch immer man das tat in ihrem Jahrhundert.

Komischerweise glaubte er ihr ihre Geschichte mit der anderen Enterprise. Er wusste nur nicht, ob er ihre Aussage mit der Forschungsreise glauben sollte.

Es gab in der Zukunft bestimmt genügend Informationsmaterial über die NX-01. Er hatte gesehen, was für Bibliotheken es in der Zukunft gab. Er war da gewesen, auch wenn es ein zerstörtes Bild der tatsächlichen Zukunft gewesen war.

Er sah kurz auf und betrachtete den leeren Platz von Hoshi. Zwar war sie nicht schwer verletzt worden, doch für ein paar Tage fiel sie aus und der Platz auf der Brücke war seinem Wunsch entsprechend leer geblieben.

Mit einem leisen Seufzen hievte er sich aus seinem Stuhl und zog sich seine Uniform glatt. Sein Blick streifte kurz den von T'Pol ehe er ihr zunickte und somit zu verstehen gab, dass er sich kurz entfernen würde. "Sie haben die Brücke, Sub-Commander", ergänzte er kurz und stieg in den Turbolift.

***

Deanna stand am Fenster des Quartiers, welches man ihr zugeteilt hatte und beobachtete die Sterne vorbeiziehen. Sie wusste, dass Wachen außerhalb der Tür postiert worden waren, auch wenn sie es nicht gesehen hatte. Diese Sache, in die sie hineingeraten war, sie schien wichtig zu sein. So wichtig, dass der Captain scheinbar bereit gewesen war, ihr zu glauben, woher sie stammte. Sie hatte es spüren können, ebenso wie die Verärgerung über den verschwundenen Suliban. Aber es war kein Groll ihr gegenüber. Captain Archer schien sich selbst die Schuld für das Verschwinden dieses Silik zu geben. Deanna konnte sich genau an seinen Namen erinnern. Er war dermaßen in die Gedanken von Archer eingebrannt, dass ihr nichts anderes übrig geblieben war. Sie konnte ihn nicht vergessen.

Und es machte ihr Angst. Angst, weil sie keine Ahnung hatte, was sie mit ihrer Gegenwart ausgelöst hatte und was als nächstes geschehen würde.

Doch am meisten beschäftigte sie die Frage, woher der Captain die Föderation kannte. Eine Organisation, die erst sehr viel später ins Leben gerufen worden war. Etwas, was er noch nicht kennen konnte. Etwas, was er nicht kennen durfte.

Der Summer an der Tür surrte und ließ sie aufschrecken. Das Geräusch war ungewohnt, ebenso wie die Kleidung und das kleine Quartier. Wobei sie vermutete, noch ein relativ großes bekommen zu haben.

"Ja, bitte", erwiderte sie auf das Summen, sich im Klaren darüber, dass die Tür vermutlich auch ohne ihr Einverständnis geöffnet worden wäre.

Deanna blieb am Fenster stehen und verschränkte die Hände vor der Brust. Irgendwie fühlte sie sich furchtbar bei dem Gedanken, nicht zu wissen, was auf sie zukam.

"Captain Archer", ihre Stimme klang ungewollt ein wenig überrascht, als sich die Tür öffnete und er das Quartier betrat.

"Miss…?"

"Deanna Troi", sie ging einen Schritt auf ihn zu und reichte ihm die Hand. Zwar hatte sie sich Commander Tucker vorgestellt, jedoch nicht dem Captain. Ein in ihren Augen unverzeihlicher Fehler.

Überrascht nahm er ihre Hand und nickte.

Deanna spürte das Kribbeln auf ihrer Haut, als sie sich berührten. Unwillkürlich zuckte sie zurück und entzog ihm ihre Hand. "So…", so schnell sie konnte, drehte sie sich wieder Richtung Fenster und verschränkte die Hände vor der Brust, "was möchten Sie wissen?"

Einen kurzen Augenblick blieb es verwirrend still. Deanna sah sich fragend um und registrierte, wie der Captain seine Hand anstarrte. Sie löste die Verschränkung ihrer Arme und sah ihre eigene Hand an. Die Hand, mit der sie seine geschüttelt hatte. Warum sah er seine Hand an? Sie spürte seine Irritation. Sie konnte registrieren, dass er verwirrt war. Doch warum? Dieses seltsame Kribbeln hatte nur sie gespürt. Nur sie konnte… oder etwa nicht?

"Captain Archer, ich…"

"Was… was war das… ich meine…" Er sah auf und ihr in die Augen.

"Ich weiß nicht, wovon sie reden", versuchte sie ihm kläglich auszuweichen, doch er ließ sich nicht beirren, nahm ihre Hand mit seiner und umfasste sie.

Erneut konnte sie dieses eigenartige Gefühl verspüren. Fast wie eine Vertrautheit.

"Das… spüren Sie das auch… oder lassen Sie mich das fühlen… ich meine… was zum Teufel tun Sie da mit mir?" Seine Stimme schwang zwischen Wut und Verwirrung. Und oh ja, sie konnte das verstehen. Sie konnte verstehen, dass er das Gefühl hatte, sie würde ihn irgendwie beeinflussen. Doch sie tat es nicht. Dieses komische Gefühl war da. Es konnte nur eine Illusion sein und dennoch war es da. Sie beide spürten es.

"Ich habe keine Ahnung… hören Sie, Jonathan, ich habe keinen blassen Schimmer, was das ist. Ich… es ist neu… es ist so…"

"Vertraut", ergänzte er ihren Satz und sah sie an, noch immer ihre Hand haltend.

"Halten Sie mich ruhig für verrückt", erklärte sie und entzog ihm erneut ihre Hand, "das ist nicht gut!"

"Was wollen Sie damit andeuten?", entgegnete er. Seine Stimme war wieder etwas schroffer.

Und natürlich vermutete er, dass sie ihm etwas verheimlichte. Dass sie vielleicht keine guten Absichten hatte.

Zum wiederholten Male verfluchte sich Deanna für ihre törichte Naivität. Wie hatte sie glauben können, unbehelligt aus dieser Zeitreise-Geschichte zu kommen.

"Captain, es ist nichts. Nur… wir sollten es ignorieren. Einfach ignorieren." Ihre Stimme klang plötzlich nervös. Nervös und unruhig.

Wenn sie ihn nicht schon vorher neugierig gemacht hatte, dann war er es mit Sicherheit jetzt. Deanna verfluchte ihre eigenen Gefühle und spürte fast so etwas wie Neid, wenn sie an die Vulkanierin dachte.

"Was sollten wir ignorieren? Dass Sie hier sind, obwohl Sie viele Jahrhunderte in der Zukunft sein sollten? Dass ich wegen Ihnen einen unserer ärgsten Widersacher habe laufen lassen? Oder dass Sie vermutlich die temporale Linie völlig durcheinander bringen, während wir hier reden?" Er packte sie an den Schultern und drehte sie so in seine Richtung, damit sie ihn ansehen musste.

"Eigentlich meinte ich nur, dass… " Sie unterbrach sich selbst, als eine ungewohnte Wärme sie durchströmte, wo seine Hände sie berührten.

Archer sah ihr in die Augen und war verstummt. Sein Blick wechselte erneut von irritiert nach suchend, hin zu etwas, was sie nicht mehr deuten konnte.

Langsam und schier unaufhaltsam neigte sich sein Kopf in ihre Richtung. Deanna hätte protestieren müssen, sie hätte ihn stoppen sollen, doch sie schien wie gefesselt, wie gebannt. Gebannt von dem Augenblick, von diesem Moment, der sich in ihren Träumen schon so oft in Realität verwandelt hatte.

Vorsichtig hob sie ihren Kopf an, versuchte ruhig zu bleiben und sah ihn an. Sah, was sie nie geglaubt hatte in seinen Augen zu sehen.

Nein. Nein, sie durfte nicht vergessen, das hier war nicht der Holodeck Archer. Dieser Mann vor ihr war echt. Das war der echte Archer. Und er war um Jahrhunderte älter als sie. Er kam aus einer Zeit weit vor ihr. Es konnte nicht… und dennoch war sie schier machtlos, als seine Lippen sich den ihren näherten. Wie in Zeitlupe. Kaum auszuhalten und dennoch so konsequent wie nichts anderes.

"T'Pol an Archer", ertönte es aus der Com und beide schreckten zurück.

Deanna machte einen Schritt zurück. So weit es eben ging, während Archer blinzelte und dann mit einem Räuspern zur Interkom-Anlage ging. "Sprechen Sie!"

"Wir haben ein Suliban Schiff geortet", erklang die Stimme der Vulkanierin aus der Komm und der Captain nickte.

"Ich bin sofort auf der Brücke."

Als er sich wieder umdrehte, blieb sein Blick nur kurz auf seinen Gast gerichtet. Sichtlich nervös, machte er Handzeichen. "Sie bleiben hier. Wir führen unser Gespräch… Gespräch später fort."

Deanna nickte stumm und verschränkte wie als Schutz erneut ihre Hände vor der Brust.

Was immer auch hier vorging. Es verwirrte nicht nur den Captain. Es verwirrte auch sie und dass nicht zu wenig.

***

Die Türen des Turboliftes schlossen sich hinter ihm und er betrat die Brücke. Sein Blick wanderte von Reed zu T'Pol. "Irgendetwas neues. Etwas Greifbares?"

"Wir sind noch zu weit entfernt, um eine Nachricht zu empfangen oder zu senden", erklärte Malcolm und auch T'Pol hatte nichts hinzuzufügen.

Jonathan nickte und lehnte sich in seinem Sessel zurück. Nachdenklich starrte er auf den Schirm.

Die Suliban waren nicht umsonst in der Nähe. Entweder hatten sie Silik vor ihrer Nase, der ihnen natürlich nicht gut gesinnt war oder aber es hing mit ihrem neuen Gast zusammen. Er glaubte ihr, dass sie keine Ahnung hatte, wer oder was Silik war. Er glaubte ihr sogar, dass sie keine Ahnung vom temporalen Krieg hatte. Es war diese Berührung gewesen. Dieser Moment, in dem er geglaubt hatte, mit ihr verbunden zu sein.

Was auch immer da eben geschehen war, es war unheimlich gewesen. Unheimlich und zu gleich so vertraut. So als habe er schon ewig darauf gewartet, diese Empfindungen zu haben. Als sei dieses Gefühl das normalste der Welt.

Aber das sollte es bei Gott nicht sein. Sie war ihm gänzlich fremd. Sie war… er konnte nicht umhin, die Augen zu schließen. Seine Knöchel traten weiß hervor, während er sich an den Lehnen seines Stuhls festhielt und dann plötzlich mit einem Ruck abstieß.

"Ich bin bei Dr. Phlox!", erklärte er und verließ die Brücke.

Kaum hatten sich die Türen des Turboliftes hinter ihm geschlossen, hob sein Sicherheitsoffizier den Kopf. "Wissen Sie was mit dem Captain los ist?" Malcolm Reed sah zu T'Pol hinüber. Die Art des Captains verwirrte ihn.

"Ich vermute, es hängt mit unserem neuen Gast zusammen", erklärte die Vulkanierin und blickte auf den leeren Stuhl von Hoshi Sato.

Malcolm nickte schwach und dennoch nicht begreifend, was sie ihm damit sagen hatte wollen.

***

"Captain, was führt Sie zu mir? Geht es Ihnen nicht gut? Kopfschmerzen? Rückenschmerzen?", empfing ihn Phlox mit seiner gewohnt überschwänglichen Freude.

Jonathan ließ seinen Blick kurz zu Ensign Sato abgleiten, die bereits auf ihrem Biobett saß und ein Buch las, dann wandte er sich an den Doktor. "Wie gut kennen Sie sich mit Betazo…dings aus?"

"Betazoiden?" Phlox überlegte kurz und deutete dann dem Captain an, ihm zu einem der Bildschirme zu folgen. "Also Betazoide haben die Fähigkeit Empfindungen anderer Wesen aufzufangen, d. h. sie können Nervosität, Wut und dergleichen wie feine Schwingungen aufnehmen. Sie können ebenso anhand dieser Gefühle und Schwingungen erkennen, ob die Person, auf die sie sich konzentrieren, gute oder böse Absichten hat."

"Das ist alles?" Irgendwie hatte Jon sich mehr erhofft.

"Nun ja, das ist eine Menge, würde ich sagen!", erwiderte Phlox und stellte ein medizinisches Bild auf den Monitor, so dass Jonathan es auch sehen konnte. "Unser Gast jedoch ist zur Hälfte ein Mensch. Haben Sie irgendetwas anderes erwartet? Haben Sie Fragen?"

"Zur Hälfte Mensch?", nachdenklich rieb er sich das Kinn, "irgendwelche Übertragungen von Gefühlen oder die Beeinflussung anderer stehen nicht in ihren Möglichkeitsbereichen, Doc?"

"Nein, Betazoide können andere Wesen nicht beeinflussen."

Jonathan nickte nachdenklich und ließ Phlox stehen. "Danke, Doktor."

"Captain, es war mir ein Vergnügen", hörte er den Denobulaner noch sagen, doch er registrierte es nur noch im Hintergrund. Seine Gedanken waren schon wieder ganz woanders.

Wenn sie nicht in der Lage war, ihn in Hinsicht auf diese merkwürdigen Gefühle zu beeinflussen, was ging dann tatsächlich vor? Was geschah mit ihm und sichtlich auch mit ihr?

Als er wieder aufsah, registrierte er, dass er kurz vor ihrer Unterkunft war. Die beiden postierten Wachen betrachtend, die auf seine Anweisung hin dort standen, war er sich nicht schlüssig, ob er wieder hineingehen sollte oder nicht.

***

Sie konnte seine Gegenwart spüren. Er stand unmittelbar in Nähe der Tür. Deannas Nackenhaare richteten sich auf und ein kalter Schauer lief ihren Rücken entlang. Was auch immer geschah, es war nicht normal. Es beeinflusste sie. Es beeinflusste ihr Denken. Wie sollte sie temporale Schäden verhindern, wenn sie nicht mehr klar denken konnte? Wenn ihr alles aus dem Ruder glitt?

Sie hörte das Surren der Tür und die Schritte seiner Stiefel auf dem metallenen Boden. Er schien unschlüssig.

"Deanna", seine Hand berührte vorsichtig ihre Schulter und während sie sich zu ihm umdrehte, konnte sie erneut dieses vertraute Gefühl spüren. Ein sanftes Prickeln, wo seine Hand den Stoff ihrer Kleidung berührte.

"Ich habe Ihnen doch gesagt, Sie sollten das besser lassen. Was auch immer es ist, was uns beeinflusst, es schädigt maßgeblich die temporale Zeitlinie und könnte zu einer Zukunft führen, die…" Deanna hielt den Atem an, als er erneut seine andere Hand auf ihre noch freie Schulter legte. Es schien ihm egal, inwieweit die Zeitlinie beeinflusst wurde. Oder wusste er etwa mehr als sie?

"Sie sind noch hier. Also kann die Zeit doch gar nicht so schlimm beeinflusst worden sein." Ein schwaches, gar nicht sicheres Lächeln legte sich auf seine Lippen.

"Wollen Sie wirklich herausfinden, was passiert, wenn sich die Zeit verändert?" Im Prinzip war ihre Frage sinnlos, da sie seine plötzliche Entschlossenheit spüren konnte.

"Wäre nicht das erste Mal", erklärte er zu ihrem Erstaunen und stellte sich mit gestrafftem Körper vor sie.

Ein Lachen erklang aus ihrem Mund. "Aus Ihnen werde ich nicht schlau."

"Ist das ein gutes oder ein schlechtes Zeichen?", erwiderte er und nahm wieder eine lockere Haltung ein. Sein Blick schwang zwischen Amüsement und Erstaunen.

"Ich weiß es nicht", entgegnete sie und legte ihre rechte Hand auf seinen Brustkorb in Herzhöhe, "aber ich finde es ein wenig befremdlich."

Just in diesem Augenblick beugte er sich vor und berührte mit seinen Lippen die ihren. Deanna schloss die Augen, legte ihre andere Hand in seinen Nacken und spürte, wie er sie fest in seine Arme zog. Er war groß. Größer als die Holoprojektion und sie musste sich leicht auf ihre Zehenspitzen stellen, um den Kuss zu erwidern. Ein Kuss, der ihr durch Mark und Knochen ging und der so erstaunliche Gefühle in ihr zum Vorschein brachte. Empfindungen, die sie noch nie kennen gelernt hatte und die dennoch so alt und vertraut waren. Als wäre die Liebe, die sie auf dem Holodeck empfunden hatte, keine Illusion gewesen, als wäre das zwischen Ihnen tatsächlich geschehen und würde nun hier nur fortgeführt.

Sein Mund presste sich fordernd auf ihren. Raubte ihr den Verstand. Und sie glaubte wahrzunehmen, dass er ebenso innerlich zu vergehen drohte wie sie selbst.

Was auch immer diesen Kuss ausgelöst hatte, es war so unberechenbar gewesen wie nichts anderes. Sie wusste es. Wenn der echte Jonathan Archer nur ein klein wenig so war wie sein holographisches Pendant, dann war er stark. Stark in seinen Empfindungen, aber auch stark darin, sich nicht von falschen Gefühlen leiten zu lassen. Doch diese Gefühle waren falsch. Es waren nicht ihre… konnten nicht ihre sein. Oder etwa doch?

Sie fuhr mit ihrer linken Hand durch sein weiches Haar und neigte den Kopf ein wenig. Nur so wenig, dass sie einander noch näher schienen, der Kuss noch intensiver zu werden schien.

"T'Pol an Captain Archer." Die Interkomanlage trug die Stimme der Vulkanierin in den Raum und als ob eine Seifenblase platzen würde, so verschwand dieser unglaubliche Moment. Deanna riss die Augen auf und starrte ihren Gegenüber an, der seine Lippen von ihren löste und sie ungläubig ansah. Sich noch immer festhaltend, lauschten sie dem zweiten Ruf der Vulkanierin, die mittlerweile etwas drängender klang.

Abrupt ließen sie einander los. Und während Deanna zurückwich bis sie die Wand im Rücken spürte, kehrte er ihr den Rücken zu und beantwortete den Ruf von der Brücke. "Sprechen Sie."

"Das Sulibanschiff ist in Reichweite."

"Ich komme auf die Brücke." Er ließ die Taste los und blieb mit dem Rücken zu Deanna stehen. Noch immer war ihm völlig schleierhaft, was da soeben geschehen war. Aber es hatte sich richtig angefühlt. Verdammt richtig sogar.

Als er sich umdrehte, sah er, wie sie die Hände schützend vor ihren Oberkörper hielt und völlig durcheinander war. Sein erster Instinkt war einfach zu gehen, doch im zweiten Augenblick empfand er etwas so tiefes für sie, dass er nicht mehr gehen konnte.

Wer auch immer seine Besucherin war, er empfand etwas für sie. Etwas, was nicht hätte sein dürfen und dennoch existent war.

Mit zwei großen Schritten war er neben ihr, ergriff ihre Hände und sah sie an.

"Nicht…", war ihre Reaktion, gefolgt von einem heftigen Zusammenzucken, "das kann nicht richtig sein. Das muss ein Traum sein… ich… die Zeit… verdammt, warum habe ich auf Q gehört. Warum…?"

"Q?", Jon horchte auf und sah die Betazoidin nachdenklich an. Redete sie dort von einem Wesen oder einer Maschine. Wer oder was war Q?

"Das ist eine lange Geschichte…", erklärte sie und sah wie ihre Hände in seinen zitterten.

"Deanna." Er hatte keine Zeit darüber nachzudenken, ob er das richtige tat. Fakt war, dass sie hier war und sie beide etwas verband. "Welche Position hattest du auf der NCC-1701D inne?"

"Counselor… ich… ich bin der Counselor… die Beraterin des Captains", kam es fast automatisch von ihr.

"Okay", atmete er tief durch, "dann konzentrier dich jetzt. Ich bin der Captain der NX-01 und ich habe zwar einen beratenden Wissenschaftsoffizier, aber keinen Counselor. Dieses Posten übernimmst du jetzt. Du bist jetzt mein Counselor, ja? Wir haben da draußen ein Schiff voller Suliban. Einer davon ist vermutlich extrem gefährlich. Es ist jener, der dich angeschossen hat."

"Silik!", kam es trocken über ihre Lippen und Jon konnte erkennen, dass sie wieder zu sich fand.

"Ja", erwiderte er, "und wir wissen nicht, was er vorhat. Ob er eventuell nicht sogar dich will. Silik hat Kontakt mit einem Wesen aus der Zukunft. Ich weiß nicht wer er ist, aber er hat Informationen, mit denen er uns immer einen Schritt voraus ist. Daniels war eines meiner Crewmitglieder, doch tatsächlich stammte er aus der Zukunft. Wir wissen nicht genau, wo er jetzt ist oder was Silik vorhat. Doch wir müssen es wissen. Wir müssen…"

"Silik aufhalten, wenn er die Menschheit vernichten will. Und ich soll dir helfen. Ich soll herausfinden, ob er mit offenen Karten spielt, wenn du mit ihm redest. Ist es das?" Sie begriff schnell.

Er nickte kurz und sah sie abwartend an.

Es war keine Frage mehr, die temporale Linie zu verletzen. Was sie getan hatte, war so oder so geschehen und hatte mehr geändert, als ihr lieb war.

"Gehen wir", antwortete sie also nur kurz und erntete etwas ein gequältes Lächeln.

***

"Okay, was zum…", Malcolm stand von seinem Stuhl auf und sah dem Captain und der Betazoidin entgegen, die die Brücke betraten. Auch die Vulkanierin runzelte die Stirn, während Jonathan lediglich positiv überrascht feststellte, dass Hoshi wieder an ihrem Platz saß.

"Alles in Ordnung, Hoshi?" Er sah sie ein wenig besorgt an, während er Malcolm mit einer Handbewegung andeutete, dass alles in Ordnung war. Die junge Asiatin nickte mit einem tapferen Lächeln. "Sie brauchen doch jemanden, der Ihnen übersetzt, welche Lügenmärchen uns dieser Suliban auftischen will."

Er konnte ihren Ärger über ihr Versagen heraushören und nickte nur kurz. Die Besorgnis verschwand nicht wirklich. Silik tat ihnen mehr an, als sie verkraften konnten. Hoshi war das beste Beispiel dafür. So lange er die junge Frau kannte, hatte er sie nicht einmal wirklich wütend erlebt.

"Sie weiß, was sie sich zumuten kann", raunte ihm Deanna zu und er sah sie für einen Augenblick erstaunt an, ehe er begriff, dass sie wusste, wie es in Hoshi aussah.

Jon setzte sich auf seinen Sessel und sah zu Deanna auf, die neben ihm stand und eine Hand auf die Rücklehne seines Stuhles gelegt hatte. Ihre andere Hand tastete vorsichtig nach ihrer recht zügig heilenden Wunde.

"Sind wir so weit?" Ihre Augen trafen sich und sie gab mit einem Nicken in seine Richtung ihr Okay.

"Hoshi, rufen Sie das Sulibanschiff", befahl er und machte sich auf so ziemlich alles gefasst.

Als Hoshi nickte, begann er zu sprechen. "Hier spricht Captain Jonathan Archer von der Enterprise."

"Ah. Jon. Nett Sie zu sehen." Siliks Gesicht erschien auf dem Schirm.

"Silik." Jonathan zog die Augenbrauen hoch und lehnte sich zurück.

"Wann geben Sie endlich auf, Jon. Sie werden mich nicht kriegen. Wie viele Crewmitglieder sollen noch verwundet werden, vielleicht getötet. Sehen Sie ein, dass ich Ihnen immer einen Schritt voraus sein werde." Silik lehnte sich ebenfalls zurück und genoss scheinbar sichtlich das Mienenspiel seines Gegenübers. "Wir sind keine Gegner, Jon. Wann begreifen Sie endlich, dass wir nicht gegeneinander spielen sollten?"

"Er erzählt dir nicht die Wahrheit", erklang Deannas Stimme in Jons Ohr.

"Ah… Counselor Troi." Silik schien nicht wirklich überrascht, die Betazoidin an Bord der Enterprise zu sehen. Deanna hingegen horchte auf. Woher kannte der Suliban ihren Namen und ihre Position? Hatte er nicht auf dem Planeten noch so getan, als habe er keine Ahnung, wer sie war?

"Nun Silik, wenn Sie Counselor Troi kennen, dann wissen Sie sicher auch, dass Sie mir keine Lügen auftischen können." Jon stand von seinem Stuhl auf und schritt an Malcolm vorbei in den vorderen Bereich der Brücke.

"Ein kluger Schachzug. Man hatte mir dergleichen schon angedeutet. Allerdings hatte ich nicht erwartet, dass sie so schnell vertrauen zueinander fassen würden. Immerhin ist Counselor Trois Absicht fraglich." Silik lächelte müde, während Jon ungewollt heftig reagierte und seinen Kopf herum riss, um Deanna anzusehen.

"Jon, konzentrier dich!", erwiderte sie auf seine Reaktion und sah wie er sich wieder dem Suliban zuwandte.

"Woher auch immer Sie Ihre Informationen haben, Silik, diesmal wird es Ihnen nicht gelingen die Gründung einer Föderation zu verhindern oder einen Schritt zur Vernichtung der Menschheit beizutragen"

Der Suliban seufzte hörbar und verschränkte die Hände vor der Brust. "Was die Gründung der Föderation angeht, da haben Sie leider Recht. Sie können sich bei Ihrem neuen Crewmitglied bedanken. Wäre sie nicht leichtsinnigerweise in dieser Zeit aufgetaucht, wäre mein Plan wunderbar gelungen."

Jon sah erneut zu Deanna und erntete ein Nicken. "Was er meint, weiß ich nicht, aber er scheint die Wahrheit zu sagen."

Jon holte merklich Luft, straffte seinen Körper und lächelte müde. "Da ich annehmen muss, dass Sie die Wahrheit sagen, Silik, können wir doch beide davon ausgehen, dass dies nicht das letzte Mal sein wird, dass wir uns miteinander auseinandersetzen werden und Sie sollten sich darauf gefasst machen, dass wir Ihnen noch so manchen Plan vereiteln werden. Fangen wir mal mit der Zerstörung der Menschheit an. Wenn ich nämlich davon ausgehe, dass die Föderation nicht verhindert wird, weil Counselor Troi an Bord ist, dann wird auch die Menschheit in Ihrem Jahrhundert nicht zerstört sein, was wiederum faktisch darauf zu führen ist, dass es Ihnen nie gelingen wird, Ihren Plan umzusetzen."

"Täuschen Sie sich da nicht, Jon. Sie hat zwar mit ihrer Gegenwart etwas ausgelöst, was wir nicht mehr beeinflussen können, aber so schnell gebe ich mich nicht geschlagen!" Silik wirkte sichtlich angespannter als zuvor.

"Er wird nervös, Jon." Deanna schritt zu Malcolm Reed an die Konsolen und blickte auf die Schalttafeln, von denen sie zwar nicht viel verstand, die ihr aber sehr deutlich machten, dass sie an richtiger Stelle war. "Achten Sie auf seine Waffensysteme."

Malcolm sah sie fragend und misstrauisch an, doch dann erkannte er auf seinen Sensoren, was die Betazoidin angedeutet hatte. "Captain, er bringt seine Waffensysteme in Position."

"Ich orte mindestens ein Dutzend andere Sulibanschiffe!", erklang T'Pols Stimme von der anderen Seite.

Jon ballte die Hände zu Fäusten, ließ sich ansonsten jedoch seinen Ärger nicht anmerken. "So, Silik. Sehen Sie darin Ihre letzte Möglichkeit? Wo ist denn nun Ihr großer Vorteil hin?" Er drehte dem Schirm den Rücken zu und gab Hoshi Zeichen, die Verbindung zu kappen. Silik schien noch etwas sagen zu wollen, doch er kam nicht mehr dazu. Visuelle und Audioübertragung waren unterbrochen.

"Gehen Sie auf taktischen Alarm, Malcolm."

"Captain, es sind ein Dutzend weitere Sulibanschiffe dort draußen. Wie sollen wir die bekämpfen?" T'Pols Stimme erreichte ihn.

Und das schlimme an dieser Frage war, dass er keine Antwort darauf hatte. Er wusste nicht, wie sie der Übermacht an gut bewaffneten Schiffen entgegen treten sollten.

Deanna stand noch immer neben Malcolm und versuchte nachzudenken.

Die Gründung der Föderation war also nicht verhindert worden, weil sie an Board der Enterprise NX-01 aufgetaucht war. Doch warum? War diese Zeitreise etwa vorherbestimmt gewesen? Genauso wie die Zeitreise damals zu Zefram Cochrane? Gab es einen Zusammenhang mit ihrer Forschung im Holodeck und ihrem Wunsch in der Zeit zu reisen? Hatte Q etwa ausnahmsweise etwas Gutes vollbracht?

"Captain, da ist ein weiteres Raumschiff. Es ist wie aus dem Nichts aufgetaucht… und es ist ziemlich groß!", T'Pols Stimme klang fast ein wenig ungläubig, hätte er es nicht besser gewusst.

"Was für ein Raumschiff?" Jon sah die Vulkanierin fragend an.

"Ich… es… scheint von der Erde zu kommen… aber das ist unmöglich."

"Können Sie es auf den Schirm legen?"

T'Pol nickte kurz und schaltete ein Bild auf den Hauptschirm.

Während Jonathan fasziniert auf das Bild blickte und Trip auf die Brücke beorderte, zuckte Deanna ungläubig zusammen.

"Das… das ist…" Sie hörte, wie der Chefingenieur die Brücke betrat und ein "Wow!" von sich gab. Sie hingegen löste sich langsam von ihrer Position und tastete sich an Travis vorbei bis sie unmittelbar vor dem Hauptschirm stand. Sie konnte die Buchstaben auf der Oberfläche lesen, sie konnte die Lichter sehen. Es schien so verdammt real, dennoch konnte es nicht sein. Oder etwa doch? Aber wenn ja, wieso dann?

"Deanna?" Jonathan stieß sich von T'Pols Pult ab und kam auf sie zu.

"Das… wenn ich jetzt nicht gerade halluziniere, dann ist das die… die Enterprise NCC-1701D…"

Stille breitete sich augenblicklich auf der Brücke aus. Stille und Unglauben.

Jonathan und Deanna sahen sich an. Standen einfach da und sahen sich an, während Trip fasziniert das große Raumschiff betrachtete, dessen Ähnlichkeit mit der NX-01 nicht unverkennbar war. Wenngleich die NX-01 regelrecht winzig gegen das große Föderationsschiff wirkte.

"Sie fahren ihre Waffensysteme hoch. Sir, was soll ich tun?" Malcolm sah verzweifelt von seinem Pult auf.

"Nichts!" Deanna hob abwehrend die Hand in Malcolms Richtung und sah Jonathan an, "Sie werden uns nichts tun. Das weiß ich."

"Sir?" Malcolm wirkte noch immer unentschlossen.

Der Captain betrachtete die Betazoidin nachdenklich. Er hatte ihr bisher vertraut, aber wie weit ging dieses Vertrauen? Konnte es soweit gehen, dass er das Leben seiner gesamten Crew damit gefährdete?

Schließlich machte auch er eine Geste in Malcolms Richtung, die ihm Abwarten signalisierte. Jon hoffte nur, dass er die richtige Entscheidung getroffen hatte.

Die Waffen der NCC-1701D wurden abgefeuert und jedes Mitglied der Brückencrew hielt Sekundenlang den Atem an. Nur wenige Augenblicke schienen die Suliban sich wehren zu wollen. Drei ihrer Schiffe zerbarsten jedoch in gleißenden Explosionen und so schnell sie gekommen waren, verschwanden sie mit ihren Tarnvorrichtungen und traten den Rückzug an.

"Unglaublich...", war alles, was der Taktische Offizier von sich geben konnte.

"Captain, wir werden gerufen." Hoshi war ebenso verwirrt, wie der Rest der Crew.

Jonathan nickte und sah auf den Schirm.

"Hier spricht Captain Jean-Luc Picard von der Enterprise."

"Captain Jonathan Archer, ebenfalls von der Enterprise", erwiderte Jon und kratzte sich nachdenklich an der Stirn. "Danke für Ihre Hilfe, Captain Picard. Woher wussten Sie…?"

Der kahlköpfige Mann lächelte und deutete auf Deanna: "Sie haben ein Crewmitglied, das wir vermissen."

"Aber Captain, wie konnten Sie wissen, wo ich…" Im Hintergrund tauchte das grinsende Gesicht von Q auf und Deanna verstand. "Q hat es Ihnen also verraten?!" Ihre Stimme klang ein wenig resigniert. Die Vermutung lag nahe, dass alle auf der Brücke mittlerweile den Grund für ihre Reise wussten.

"Ich muss Ihnen nicht sagen, dass ich Ihre Aktion reichlich töricht fand und ich kann nur erahnen, wie sehr Sie die Zeitlinie verändert haben." Picard wirkte ihr gegenüber zum ersten Mal wirklich wütend und enttäuscht.

"Hat sie nicht", räumte derweil Q hinter dem Captain ein.

"Was hat Sie nicht?" Picard sah seinen ungebetenen Gast ungehalten an.

"Die Zeitlinie verändert", erwiderte er und zuckte mit den Schultern, "ich will nicht überheblich klingen, Captain Picard, aber ich habe nur das getan, was erforderlich war. Wäre Counselor Troi nämlich nicht in die Vergangenheit gereist, wäre es zu einem Zwischenfall gekommen, der unweigerlich dazu geführt hätte, dass die Föderation nie gegründet worden wäre."

Picard holte deutlich sichtbar tief Luft und stemmte seine Hände in die Hüften. "Wollen Sie damit andeuten, dass Sie ausnahmsweise mal etwas Sinnvolles vollbracht haben?"

Q zuckte grinsend mit den Schultern. "Jean-Luc, ich bin ein übernatürliches Wesen. Mächtig, so mächtig, wie Sie es sich nie vorstellen können und ich bin..."

"Ja, ja, ja...", winkte Picard ab, "aber Sie haben noch nie etwas uneigennützig gemacht. Also, warum?"

"Weil es ohne Sie langweilig wäre. Ich brauche Sie. Sie erheitern mich."

Während Jon die Augenbrauen hochzog und Deanna fragend ansah, zuckte Trip mit den Schultern und gab so Hoshi und T'Pol Antwort, die ihn irritiert ansahen.

Keiner verstand so wirklich, was da eigentlich vor sich ging.

Picard rieb sich die Nasenflügel und Deanna konnte spüren, dass er innerlich zu zählen begonnen hatte, um sich zu beruhigen.

"Q, Sie wollen mir doch nicht weismachen, dass Sie die Existenz der Föderation gerettet haben, weil das Fehlen unserer Existenz Ihnen Langeweile bereitet hätte?"

"Warum nicht, Jean-Luc? Die Menschheit ist eine amüsante Rasse, die jedoch durch den verhinderten Vorfall nie wieder zurück ins All gefunden hätte. Wir wären uns nie begegnet und ich hätte weiter auf eine interessante und leichtgläubige Spezies warten müssen. Sie glauben ja gar nicht, wie ermüdend das sein kann." Q klopfte Picard auf die Schulter und grinste.

Archer hingegen fuhr sich fahrig durch sein Haar und starrte auf den Bildschirm. "Wer zum Teufel ist das? Was redet er da?"

"Das ist Q. Er ist ein höheres Wesen… es genau zu erklären, wäre zu langwierig. Aber er war es, der mich in die Vergangenheit gebracht hat. Er ist… sehr penetrant, aber nie absichtlich bösartig." Deanna schwankte zwischen Lächeln und Verzweiflung.

"Das habe ich gehört, Counselor Troi!", ertönte Q vom Monitor und sah sie beleidigt an.

"Das ist mir bewusst, Q." Sie lächelte matt.

"Gut, es reicht." Picard zog seine Uniform glatt und sah zu Worf hinüber, der hinter ihm an den Schaltpulten stand. "Sie werden unverzüglich zurückkehren, damit wir in unsere Zeit zurück können."

Deanna wollte gerade nicken, da erklang Jons Stimme neben ihr. "Moment! Captain Picard, ich verstehe, dass Sie zurück in Ihre Zeit wollen. Ich verstehe auch, dass Sie Ihr Crewmitglied zurück möchten, doch wenn Counselor Trois Anwesenheit an Bord der NX-01 das Bestehen der Föderation gesichert hat, wann müssen wir davon ausgehen, dass die Gefahr beseitigt ist? Das Risiko, einer Nichtgründung der Föderation, ist mir zu hoch, als dass ich Ihren Vorschlag akzeptieren kann."

Picard drehte sich erneut um und sah nachdenklich auf den Bildschirm. Er musste gestehen, dass er daran bisher noch nicht gedacht hatte.

"Q?" Er hasste es ihn zu fragen, aber groß was anderes blieb ihm ja nicht übrig.

"Ich rede nicht mehr mit Ihnen!", erwiderte Q und deutete auf Deanna. "Ihr Counselor mag mich nicht."

Deanna rollte seufzend mit den Augen. Sie wusste, dass er nur mit Ihnen spielte, doch ebenso wusste sie, dass all ihre psychologischen Tricks bei Q wirkungslos bleiben würden.

Will Riker trat in den Sichtbereich und verschränkte die Arme hinter dem Rücken. "Captain, wenn ich mich äußern dürfte."

Picard nickte kurz.

"Ich denke nicht, dass Counselor Troi noch an Bord der NX-01 benötigt wird. Den Geschichtsbüchern zufolge, war es allein Captain Archer zu verdanken, dass der Grundstein für die Föderation gelegt wurde, nachdem er und seine Crew überraschend einen Angriff überzähliger Feinde überlebten. Diesen Angriff feindlicher Schiffe haben wir meines Erachtens eben miterleben können." Riker lächelte Deanna zu.

Jonathan sah Schulter zuckend zu Deanna hinüber. "Es war einen Versuch wert."

Sie lächelte matt, nahm instinktiv sein Gesicht in ihre Hände und küsste ihn sanft auf die Lippen. "Jonathan Archer, du bist noch besser als du in den Geschichtsdatenbanken archiviert wurdest. Ich denke, ich werde die Datenbank um einige Dinge erweitern müssen."

Er erwiderte das Lächeln mit gleicher Mattheit. "Verrätst du mir noch, warum du eigentlich in der Zeit gereist bist?"

Sie legte ihm ihre Hand an die Wange und sah ihn geheimnisvoll an. "Weil ich wissen wollte, ob ich mich nur in ein Trugbild verliebt hatte."

"Enttäuscht?", erwiderte er ruhig, wenngleich sie sein Erstaunen in seinen Augen lesen konnte.

"Ganz im Gegenteil", antwortete sie und seufzte. "Scheinbar war es Schicksal."

"Ja", kam es leise von ihm und während seine Hand ihre berührte, nickte sie kurz.

Jon konnte sehen, wie sie sich in ihre Bestandteile auflöste, konnte spüren, wie sich ihre Hand in seiner verflüchtigte. Sein Blick glitt zurück zum Monitor, wo Deannas Körper zwischen dem Captain und seinem Stellvertreter erschien.

"Captain!" Picard nickte kurz, Jon nickte ebenfalls, dann verdunkelte sich der Bildschirm kurz, ehe sie alle wieder Blick auf das All und die wendende Enterprise NCC-1701D werfen konnten.

"Jon, was ist hier eigentlich los?" Trips Stimme hinter ihm suchte nach Antworten.

Jon ließ seinen Blick auf die andere Enterprise gerichtet bis diese auf Warp ging und im Nichts verschwand. Dann drehte er sich zu seiner Crew um und holte tief Luft.

"Die Föderation ist eine Vereinigung verschiedenster Planeten und Systeme. Sie wird die führende Macht im Weltraum und soll für Frieden und Wohlstand sorgen. Fakt ist, dass die Menschheit eine führende Rolle in der Föderation hat und somit zur Gefahr für feindlich gesinnte Rassen wird. Mir war jedoch bis vor kurzem nicht klar, dass wir eine so entscheidende Rolle spielen würden." Jonathan fuhr sich erneut durch das Haar und ließ sich geschafft auf seinem Platz nieder.

"Und das mit Counselor… Troi?" Trip schielte ihn von oben herab an.

Jon rollte mit den Augen und machte eine wegscheuchende Bewegung. "Das erklär ich dir irgendwann später mal, wenn wir allein sind."

Trip grinste und verschwand zurück an seine Konsole.

Mit müdem Blick und einem eigenartigen Gefühl im Magen sah Jonathan hinaus zu den Sternen. Während Travis die Enterprise an einem Sternennebel vorbei führte, dachte er darüber nach, wie er die ganzen Fragen, die noch auf ihn zukommen würden, sinnvoll beantworten sollte. Und war es tatsächlich vorbei? Wie sollte er ab sofort reagieren, jetzt wo er wusste, wie wichtig die NX-01 für die Zukunft war.

Sein Blick streifte die Vulkanierin und er wünschte sich augenblicklich Deanna zurück. Das was ihm im Kopf herumgeisterte, wollte er nicht mit T'Pol teilen. Nicht, weil er sie nicht schätzte oder ihr misstraute. Nein, er hatte durch Deanna etwas kennen gelernt, was ihm jetzt schmerzlich fehlte. Vertrauen bis zu völligen Selbstaufgabe.

Obwohl er sie nur so kurz gekannt hatte, waren sie wie füreinander geschaffen gewesen. Anders konnte er es nicht beschreiben.

Sein Blick ging erneut zu den Sternen und mit einem müden Lächeln stellte er fest, dass das Schicksal ihn gern auf harte Proben stellte.

Den letzten Rest ihres in der Luft schwebenden Parfüms aufnehmend, richtete Jon sich auf und verließ die Brücke…

Ende
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