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Einsichten

von Olli

Kapitel 1

Als die Glocke an der Tür ertönte, legte T’Les das Buch, in dem sie gerade las, zur Seite und stand auf. Sie befand sich im Arbeitszimmer ihres Hauses auf Vulkan. Nach dem Sturz des Oberkommandos und ihrer schweren Verletzung während der Bombardierung des Syrraniten-Camps in der Wüste hatte sie sich mit ihrem erzwungenen Ruhestand abfinden müssen. Den größten Teil ihrer Zeit verbrachte sie mit dem Studium der neu entdeckten Schriften Suraks und deren Einordnung in die vulkanische Philosophie. T’Les war fest entschlossen ein Buch darüber zu schreiben, auch wenn sie nicht wusste, ob es jemals veröffentlicht würde. Sie galt immer noch als Persona non grata. Seit ihrer Entlassung aus der Akademie und dem Skandal um die nicht stattgefundene Hochzeit ihrer Tochter hatte keiner ihrer alten Kollegen sie besucht. Und sie war seitdem auch von keinem ihrer ehemaligen Kollegen eingeladen worden.

T’Les öffnete die Tür und sah sich einem Boten gegenüber, der ein Paket in den Händen hielt. Sie nahm die Schachtel an und drückte ihren Daumen auf den Scanner, um den Empfang zu quittieren. Der Name auf dem Paket war der ihrer Tochter aber die Adresse sagte ihr nichts. Sie ging zurück ins Arbeitszimmer und öffnete die Verpackung. Überrascht hob sie eine Augenbraue, als sie ein Bild in einem schlichten Metallrahmen und ein kleines Data-Padd aus dem Paket zog. T’Les warf einen Blick auf das Bild. Es zeigte ihre Tochter T’Pol und Hoshi Sato. Sie standen dicht nebeneinander in einem Wohnraum. Hoshi Sato hatte ihren Arm um T’Pols Hüfte gelegt und lächelte in die Kamera. Sie erkannte an der Körperhaltung ihrer Tochter, dass T’Pol die Berührung durch den Menschen keinesfalls unangenehm war. Im Hintergrund des Bildes stand ein Baum, der mit rotem, goldenem und silbernem Schmuck verziert war.

T’Les legte das Bild zur Seite, nahm das Padd und aktivierte es. T’Pols Stimme erklang:

„Mutter,

Hoshi und ich möchten Dir dieses Bild zukommen lassen. Hoshi war der Meinung, dass es eine gute Gelegenheit sei, die Kamera, die sie mir zum irdischen Weihnachtsfest geschenkt hat, auszuprobieren. Außerdem sei es eine Möglichkeit, Dir unsere Verbundenheit zu zeigen. Das Weihnachtsfest hat neben seiner religiösen und kommerziellen Bedeutung…“

T’Les hielt die Nachricht an und spielte den letzten Abschnitt nochmals ab. Im Hintergrund war eindeutig ein Kichern zu hören. Sie ließ die Nachricht weiterlaufen.

„…für die Menschen auch eine besondere Relevanz in der Festigung von Familienbanden. Hoshi hat mich überzeugt, dass dieses Prinzip durchaus auch auf eine vulkanische Familie angewandt werden kann.

T’Les, ich hoffe, Sie gestatten mir die formlose Anrede.“

Die neue Stimme gehörte Hoshi Sato.

„T’Pol und ich würden uns freuen, wenn Sie uns auf der Erde einmal besuchen würden. Ich bin sicher, wir können Ihnen einen interessanten Aufenthalt bieten und Ihnen zeigen, wie wir uns eingerichtet haben.“

Die Nachricht war zu Ende und T’Les legte das Padd zur Seite. Hoshi Sato hatte T’Pol vor drei Jahren nach Vulkan begleitet. Es war eine Überraschung für sie gewesen, dass ihre Tochter eine Schiffskameradin eingeladen hatte. Das Bild ließ darauf schließen, dass zwischen Hoshi Sato und T’Pol mehr war als nur Freundschaft. Es schien ihr höchst unlogisch, dass ein Vulkanier eine Beziehung, die über ein Arbeitsverhältnis hinaus ging, mit dem Angehörigen einer anderen Spezies eingehen würde. Fast alle anderen Völker in der Galaxis wurden von ihren Emotionen beherrscht und folgten nicht der Logik. Wie konnte eine solche Verbindung funktionieren, fragte sich T‘Les.

Sie stellte das Bild aufrecht auf ihren Schreibtisch und lehnte sich etwas in ihrem Sessel zurück. Sie musterte es genauer. Das Bild vermittelte eine Vertrautheit zwischen T’Pol und Hoshi Sato wie T’Les es nur selten bei zwei Personen gesehen hatte. Sie ging davon aus, dass aufgrund der privaten Natur des Bildes ihre Tochter und Hoshi Sato ihre Verbundenheit sogar in deutlicherem Maße zeigten, als sie es in der Öffentlichkeit getan hätten. T’Les konzentrierte sich und versuchte, sich die Erinnerungen an den Besuch wieder klarer ins Gedächtnis zu rufen. Hatte es damals bereits Anzeichen für eine engere Beziehung gegeben? Sollte es wirklich so sein, dass T’Pol seit drei Jahren eine Partnerin hatte und ihre Mutter hatte nichts gewusst? Wie sollte sie darauf reagieren? Es wäre inakzeptabel. Genauso inakzeptabel, wie das was man mit ihr gemacht hatte. Trotzdem war es geschehen.

Erneut warf T’Les einen Blick auf das Bild.

Ensign Sato hatte sich während des Besuchs als angenehme Gesellschaft erwiesen und vulkanischen Traditionen und Sitten den Respekt erwiesen, den man als Gast zeigen sollte. Da T’Pol offensichtlich eine intime Beziehung zu dem Menschen eingegangen war, muss wohl ihre Tochter ein ähnliches Verständnis für irdische Traditionen entwickelt haben. „Computer“, sagte sie schließlich. „Zeichne folgende Nachricht auf und sende sie an…“ T’Les wiederholte die Absenderadresse auf dem Paket.

„T’Pol, Miss Sato,

ich nehme die Einladung an. Bitte teilt mir mit, wann sich ein Besuch mit Euren Pflichten bei der Sternenflott vereinbaren lässt.

T’Les.“

Sie musste zugeben, dass sie ihre Tochter gerne wiedersehen würde. Und sie war neugierig auf die Erde. T’Les fragte sich, was an dieser Welt so faszinierend war, dass T’Pol sich entschieden hatte, dort zu leben.

„Computer“, sagte T’Les erneut. „Öffne Datenbank irdischer Brauchtumsveranstaltungen. Suche Stichwort ‚Weihnachten‘.“

Der Computer bestätigte piepend und nach wenigen Momenten hatte sie einen zusammenfassenden Bericht auf dem Bildschirm. T’Les beugte sich vor und begann zu lesen.


ENDE
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