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Traditionen

von Olli

Kapitel 1

T’Pol stand mitten im Raum und betrachtete das Chaos, das sie umgab, mit ausdruckloser Miene. Es sah aus, als ob eine Horde Klingonen hier gefeiert hätte… Nun ja, fast. Sie selber sah nicht besser aus: Ihr Haar war zerzaust, ihre Kleidung unordentlich und ihre Hände klebrig.

„Also ich denke, das haben wir ganz gut hingekriegt, oder?“ T’Pol blinzelte, als sie Hoshis Worte aus ihren Gedanken rissen.

Die Vulkanierin wandte ihren Blick Hoshi Sato zu, die vor ihr auf dem Boden kniete, genau so zerzaust aussah und sich gerade das Gesicht abwischte.

„Ich denke, dass etwas mehr Planung die ganze Angelegenheit wesentlich effizienter gestaltet hätte“, merkte T’Pol an.

„Ach, komm schon! Spontaneität gehört dazu, damit es Spaß macht.“ Hoshi grinste die Vulkanierin von unten herauf an. Sie wusste, dass T’Pol die Sache Spaß gemacht hatte, wenn sie das auch nie offen zugeben würde. Aber ein Indiz dafür war, dass T’Pol sich bis jetzt kein einziges Mal beschwert hatte. Im Gegenteil, sie hatte sich immer wieder erkundigt, ob sie alles richtig mache und Hoshi ohne weiteres die ‚Leitung’ überlassen. Andererseits brach sich mit T’Pol’s Bemerkung zur Effizienz nun die ironische Ader der Vulkanierin Bahn.

„Nun, ich muss zugeben, dass ich kaum bemerkt habe, wie die Zeit verfliegt.“

„Ich wusste, dass es dir Spaß machen würde. Was denkst du? Machen wir es wieder?“

T’Pol dachte einen Moment darüber nach. „Ich denke, das sollten wir.“

„Klasse! Dann begründen wir es als Familientradition.“

Eine neue Tradition, um die zu ersetzen, die sie aufgegeben hatte. Das war ein interessanter Gedanke, befand T’Pol. Sie hatte immerhin die Verlobung mit Koss platzen lassen und war der Sternenflotte beigetreten. Sie hatte fünf Jahre auf der Enterprise gedient und dann eine Stelle als Dozentin an der Sternenflotten-Akademie angenommen. Einen Ruf als Dozentin an die Vulkanische Wissenschaftsakademie hatte sie ausgeschlagen – was zweifellos ein Lockangebot gewesen war, um sie zum Austritt aus der Sternenflotte zu bewegen. Und sie teilte sich hier in San Francisco seit einigen Wochen eine Wohnung mit Hoshi, die ebenfalls als Dozentin an die Akademie gewechselt war.

Hoshi streckte ihrer Gefährtin die Hand hin und T’Pol zog sie schwungvoll auf die Beine. Die Vulkanierin legte ihren Arm um Hoshi und zog sie an sich. „Wenn du damit meinst, dass wir von nun an jedes Jahr vierzehn Tage vor Weihnachten mit einem Shuttle hundert Meilen weit in die Wildnis fliegen, dort einen Nadelbaum absägen, den wir nach unserer Rückkehr mühsam zwei Stockwerke hoch in die Wohnung schleppen müssen, weil in die historische Bausubstanz des Gebäudes kein Fahrstuhl eingebaut werden darf und wir dann feststellen müssen, dass der Baum zu groß und der Weihnachtsbaumständer zu klein ist und wir unser Wohnzimmer in ein improvisiertes Sägewerk verwandeln, dann sollten wir noch einmal gründlich darüber nachdenken, ob ausgerechnet das unsere erste Familientradition werden sollte.“

Hoshi sah der Vulkanierin unverwandt in die Augen. „Weißt du, wenn es eins gibt, das sich an dir bewundere, dann ist es deine unglaubliche Lungenkapazität.“

T’Pol wusste, dass Hoshi scherzte und hob eine Augenbraue. Plötzlich vermittelte sie den Eindruck schelmisch zu grinsen, ohne dass sich ihre Miene sichtbar verändert hätte. „Meine Lungenkapazität? Was dir am Meisten an mir gefällt ist meine Lungenkapazität?“

Hoshi verzog das Gesicht als würde sie ernsthaft nachdenken. Sie bewunderte soviel an ihrer Gefährtin: ihre Intelligenz, ihre innere Stärke. Ohne T’Pols Hilfe hätte sie die Xindi-Krise nicht überstanden, da war sich Hoshi sicher. Die Gefangenschaft, die Folter… Sie kaute für einen Moment auf ihrer Unterlippe. „Ich muss zugeben, dass du auch über das ein oder andere Talent verfügst, das durchaus erwähnenswert ist.“

„Hast du dabei irgendein bestimmtes Talent im Sinn?“ T’Pol zog Hoshi noch etwas fester an sich.

Hoshi grinste nur und T’Pol lehnte sich vor, um ihrer Gefährtin einen Kuss zu geben. Die körperliche Nähe, die sie mit Hoshi teilte, war etwas, das ebenfalls der vulkanischen Tradition widersprach. Zu Beginn ihrer Beziehung war T’Pol überrascht gewesen von dem Ausmaß, in dem Hoshi ihre Nähe suchte und dabei handelte es sich nicht einmal immer um Sex – oder Liebe machen, wie Hoshi es nannte. Hoshi mochte es ganz einfach, für einen Moment in den Arm genommen zu werden oder sich an sie zu lehnen, wenn sie auf der Couch nebeneinander saßen. Was T’Pol ihrer Gefährtin aber hatte klar machen müssen war, dass es für sie nicht in Frage kam, diese körperliche Nähe auch in der Öffentlichkeit zu praktizieren. T’Pol wollte nicht einmal Händchenhalten auf der Straße zulassen Im Gegenzug hatte T’Pol aber damit begonnen, von sich aus dann und wann körperlichen Kontakt im privaten Rahmen zu initiieren, so, wie sie es gerade getan hatte.

Andererseits hatte sich T’Pol mittlerweile so sehr an Hoshis Präsenz gewöhnt, nicht nur in ihrem Geist, sondern auch an die körperliche, dass sie das Gefühl der Nähe nicht mehr aufgeben wollte. Hoshis ruhige und zurückhaltende Art war gepaart mit einem Sinn für Humor, den T’Pol bemerkenswert fand. Seit dem Start der Enterprise hatte Hoshi eine besondere Akzeptanz der vulkanischen Art gezeigt und T’Pol hatte die Gespräche mit Hoshi über Philosophie zu schätzen gelernt, sie waren Freunde geworden und schließlich mehr.

Hoshi presste ihre Finger auf die Lippen der Vulkanierin und schob sie etwas von sich weg. „Wenn du in den nächsten Tagen ein braves Mädchen bist, dann darfst du am Weihnachtsmorgen als erste dein Geschenk auspacken“, flüsterte sie und ihre Augen blitzten.

T’Pol wusste nur zu gut wovon Hoshi sprach und entspannte sich etwas. Hoshi löste sich von ihr – zumindest versuchte sie es. Ihre mit Baumharz bedeckten Finger klebten an den Lippen der Vulkanierin fest und als sie zog bildete T’Pols Mund unwillkürlich eine Schnute. Endlich lösten sich die Finger vom Gesicht der Vulkanierin. Hoshi kicherte und T’Pol hob indigniert eine Augenbraue. Bevor die Vulkanierin etwas anderes tun konnte, hatte sich Hoshi die Säge und das abgesägte Ende des Tannenbaumes gegriffen und schaffte es trotzdem, mit verführerischem Hüftschwung aus dem Raum zu schweben.

Als die Vulkanierin allein war, gestattete sie sich ein kaum hörbares Seufzen und nahm den Besen, um die Sägespäne auf dem Parkettfußboden zusammen zu fegen. Dann traf es sie wie ein Schlag! Urplötzlich hatte sie eine elementare Wahrheit des Universums begriffen: Vorfreude war die am schwersten zu kontrollierende Emotion!

Ende
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