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Face the Truth

von Steffi Raatz

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Wenn er es nicht besser wüsste, dann würde er den hellen Fleck am Firmament für die Milchstraße halten. Doch da sie in einem anderen System sind, weit weg von allem Vertrauten, handelt es sich vermutlich um ein anderes Sternenfeld. Eines von vielen, die sie auf ihrem Flug bereits gesehen haben.

Es ist eine klare Nacht. So klar wie schon ewig nicht mehr. Jedenfalls kommt es ihm so vor.

Seit Stunden starrt er nun schon gen Himmel. Weiß gar nicht mehr, wann er das letzte Mal so wirklich ausgiebig geschlafen hat. Einen Schlaf, der Entspannung und Ruhe mit sich bringt.

Es muss Ewigkeiten her sein.

Aber eigentlich braucht er auch nicht wirklich Schlaf. Hat er noch nie gebraucht. Wenn er will, funktioniert er wie eine Maschine. Wie die Maschinen der Enterprise. Eine kleine Wartung ab und an, mehr nicht.

Irgendwie glaubt er, dass dieses Mechanische in ihm drin ihn augenblicklich am Leben hält.

"Wollen Sie wirklich im Freien schlafen?", hört er noch immer Ensign Mayweathers ungläubige Stimme.

Sicher, es ist nicht wirklich warm, aber drei Pullover und eine dicke Thermojacke tun ihre Pflicht. Er fühlt sich nicht kalt, weil es draußen kalt ist. Er ist von innen erkaltet.

"Sie holen sich noch den Tod", erklärt Ensign Sato und er muss innerlich lachen. Vielleicht ist es ja das, was er will?

Nein, nicht wirklich. Er liebt das Leben. Liebt sein Leben. Auch wenn er im Augenblick lieber irgendwo anders sein möchte.

Er weiß nicht so genau, wann es angefangen hat. Wann dieser Schmerz in ihm drin so stark wurde, dass er glaubte, krank zu sein, nur um sich von Phlox schließlich sagen zu lassen, dass mit ihm alles in Ordnung wäre.

Der Schmerz ist real. Das weiß er mittlerweile. Doch er ist nicht physischer Natur, sondern rein psychischer. Etwas, was er jahrelang nicht gekannt hat, weil er sich immer gut gegen derartige Gefühle sperrte. Nein, er ist weiß Gott nicht der Typ, der sich verliebt oder erwartet, geliebt zu werden. Dazu ist er zu eigen. Zu militärisch. Ja, er weiß das. Aber es hat ihn bisher auch nicht gestört.

Im Augenblick ist er jedoch an einem Punkt angelangt, an dem er lieber anders sein möchte, wenngleich er sich danach sehnt so geliebt zu werden, wie er wirklich ist. Aber wer kennt schon seinen weichen Kern unter der harten Schale?! Im Grunde genommen keiner. Immerhin hat er diesen Kern auch bislang wirklich gut versteckt.

Warum verletzliche Punkte offenbaren, wenn es doch so einfacher ist, Stärke zu zeigen? Verletzbarkeit, Gefühle, das sind alles Eigenschaften, die einem in seinem Job nichts bringen. Nur Ausdauer und Entschlossenheit zählen.

Entschlossenheit – das ist sein Stichpunkt.

"Gehen Sie zu ihr und sagen Sie ihr, was Sie fühlen!" Eine einfache Anweisung seines Doktors. Aber so einfach ist sie nicht. Nicht für ihn.

Im Grunde kann er noch nicht einmal fassen, dass er mit Phlox darüber gesprochen hat. Aber es kam einfach so dazu. Mehr beiläufig. Dabei unterhält er sich mit dem Denobulaner eigentlich eher weniger.

Am Horizont ziehen einige Wolken vorüber und er fühlt sich kurzzeitig an die Erde erinnert. An sein Leben dort.

Sicher, er war nicht wirklich beliebt, dazu hat er sich zu sehr distanziert, aber andererseits war es da wesentlich einfacher.

Zwar hat er nun Freunde, aber prinzipiell gesehen, hat ihn das nicht weiter gebracht. Das einzige, was er im Augenblick davon hat, ist der Schmerz in seinem Inneren.

"Weißt du, Malcolm, ich wollte es nie zugeben, aber ich glaube, ich liebe sie wirklich", erinnert er sich an die Worte seines wohl besten Freundes. Und er freut sich mit ihm. Freut sich ehrlich, auch wenn ihn diese Aussage fast zerreißt.

"Hast du es ihr denn wenigstens gesagt?", fragt er, obwohl diese Frage eigentlich paradox ist, wo er sich selbst nicht einmal traut darüber nachzudenken.

"Nein, bislang ergab sich noch nicht die Möglichkeit!"

Er weiß, dass immer die Möglichkeit dazu besteht. Dass es nur eine dumme Ausrede ist, die Trip verwendet, damit er sich nicht den Tatsachen stellen muss. Und im Prinzip ist er selbst ja nicht anders.

So viel zum Thema Entschlossenheit.

Aber er ist immerhin so klug zu wissen, was er tut und warum er es tut.

Er kennt nicht die genauen Gründe von Trip, aber er kennt seine eigenen.

Er hat Angst.

Keine Angst davor abgewiesen zu werden. Nein, das ist etwas, was er schon oft erfahren hat und was ihn nicht mehr wirklich trifft. Jedenfalls nicht auf Dauer. Er hat Angst ehrlich zu sein. Ehrlich zuzugeben, wer er ist und damit sein Gesicht zu verlieren.

Vermutlich werden die anderen ihn akzeptieren wie er ist, aber kann er sich selbst akzeptieren? Kann er mit seinem wahren Ich umgehen? – Das ist hier die Frage.

Respekt und Disziplin haben schon immer sein Leben bestimmt. Sie bestimmen auch sein Denken.

Einen kurzen Moment fragt er sich, seit wann das so ist. Doch ihm ist klar, dass es mit seinem Vater zu tun hat. Mit dem Gesichtsausdruck, als dieser erfuhr, dass er zur Sternenflotte gehen würde und nicht zur Marine. Traditionen brechen – sein Stichwort. Wenngleich das Unsinn ist und sein Vater das weiß.

Der Himmel ist immer noch klar und sein Blick konzentriert sich auf einen hellen Stern, der fast so hell leuchtet wie die beiden Monde, die um den Planeten kreisen. Er erinnert ihn an den Polarstern und an lange Campingausflüge, als er noch ein kleiner Junge war.

Damals war er anfällig für Lagerfeuerromantik, Gruselgeschichten und geröstete Marshmallows. Hat sich nicht verschlossen vor seinen Gefühlen.

Vielleicht ist er im Laufe der Zeit einfach nur alt geworden. Weise würde er seine unterdrückten Gefühle nicht nennen – eher Selbstschutz. Oder einfach nur dumm. Aber er ist so und vielleicht kann er ja auch nicht anders. Und für einen kurzen Moment fragt er sich, ob er ein alter kinderloser Greis wird, der in seinem Schaukelstuhl auf der Veranda sitzt und deprimiert zu den Sternen über Mutter Erde blickt. Sich daran erinnert, was er verpasst hat und warum er so geworden ist, wie er ist – einsam.

Dieser Gedanke erschreckt ihn einerseits, andererseits sieht er sein Leben realistisch. Er kennt sein Schicksal nicht und vielleicht kehrt er auch eines Tages gar nicht mehr von einer Außenmission zurück. Also braucht er sich auch keine Gedanken über seinen Altenteil zu machen. Und doch bleibt dieses Bild vor seinen Augen bestehen, schiebt sich dreist vor seine Aussicht auf den Sternenhimmel.

"Ist dir wirklich nicht kalt?", hört er Trip aus seinem Zelt fragen und beantwortet es mit einem klaren "Nein".

Ihm kommt in den Sinn, ob er bereit wäre, Trips Gefühle zu verletzen und schüttelt leicht den Kopf. Sie sind Freunde und Freunde hat er seit der Schulzeit kaum noch. Doch wie um ihn zu ärgern schiebt sich erneut das Bild des alten einsamen Mannes vor seine Gedanken. Vielleicht legt er Wert auf Freundschaft und weiß, dass sie wichtig ist, aber er hat auch Angst davor allein zu sein.

"Kaffee?", die Vulkanierin setzt sich neben ihn auf einen der Baumstämme, die sie als Bänke zusammengetragen haben und reicht ihm eine Tasse.

Er ist erstaunt, dass sie sich zu ihm gesellt und noch erstaunter ist er über die Tasse Kaffee.

"Grüner Tee!" Sie hebt ihre Tasse, als habe sie seine Gedanken gehört und nickt ihm zu.

Langsam richtet er sich auf und nimmt den Kaffee entgegen. Die Tasse ist heiß und er verbrüht sich fast die Finger daran, aber diese Wärme scheint ihn ein Stück weit aufzuwärmen. Oder ist es ihre Nähe?

Er weiß es nicht so genau und hinterfragt diesen Gedanken auch lieber nicht.

Wäre ich bereit die Gefühle meines Freundes zu verletzen? Wieder dieser Gedanke, der ihn innerhalb der letzten paar Minuten schon zum zweiten Mal einholt. Und wieder ein klares – Nein. Aber ihm wird klar, dass sich diese Frage schon zu oft in seinem Kopf abspielt und er begreifen muss, dass er sie nicht mehr lange mit nein beantworten wird. Nicht, weil er Trip verletzen will. Es ist seine Fassade, die bröckelt und nicht mehr lange standhalten wird.

"Geht es Ihnen gut, Lieutenant?"

Er ist gewillt, ihr eine ehrliche Antwort zu geben, stattdessen setzt er sich jedoch neben sie und nippt nachdenklich an seinem Becher.

Sie folgt seinem Beispiel und sieht ebenfalls in das Feuer, dessen kleine Flamme kurz vor dem Erlöschen steht. Die Flamme ist immer noch wärmend, aber er kann T'Pols leichtes Zittern sehen. Scheinbar ist ihr nicht warm genug. Andererseits trägt er auch mehrere Kleiderlagen, so dass er wirklich nicht prädestiniert ist, von Temperaturen zu sprechen.

"Möchten Sie meine Jacke?", fragt er ohne sie weiter anzusehen, aber er weiß, dass sie nein sagen wird. Es ist ihr Stolz und dieser sture Vulkanier Dickkopf, der sie lieber frieren lässt. Und irgendwie mag er das an ihr. Sie ist konsequent. Wer ist das sonst schon.

Deshalb rechnet er auch gar nicht mit ihrem: "Wenn Sie dann nicht frieren?!" und ist zu höchst erstaunt, so dass er kurzweilig nicht in der Lage ist zu reagieren.

Schließlich zieht er doch seine Jacke aus und legt sie ihr vorsichtig um die Schultern. Es ist ein höchst intimer Moment. Zumindest empfindet er das so.

Würde ich meinen besten Freund... und er bringt seine innere Stimme zum Schweigen, weil er sich lieber darauf konzentrieren will, wie sich sein Arm um ihre Schultern anfühlt, während er ihr die Jacke überhängt. Weil er lieber den Duft ihres Haares in sich aufnehmen will, weil er ihr selten so nahe kam. Und dieser Moment einer der persönlichsten ist, die sie je miteinander hatten.

Sie haucht ihm ein "Danke!" zu, das zwar recht nüchtern klingt, aber in Anbetracht ihrer Herkunft mehr Gefühl zeigt, als jeder ihre Interaktionen in seiner Gegenwart bisher.

Ja, hallt es in seinem Kopf und für einen kurzen Moment weiß er nichts damit anzufangen.

Erst als er wieder seinen Becher Kaffee in der Hand hält, der ihn vermutlich noch die nächsten Stunden wach halten wird, begreift er, dass er sich seine Frage beantwortet hat, ohne sie wirklich ganz zu ende gedacht zu haben.

Ihm wird klar, dass er an einem Punkt angelangt ist, an dem er nicht mehr umkehren kann und an dem er sich endlich seinen Ängsten stellen muss, auch wenn das Konsequenzen mit sich trägt und seine Freundschaft zu Trip in die Brüche gehen könnte.

Natürlich weiß er, dass er nichts erwarten kann. Dass er wie ein dummer Schuljunge dastehen könnte. Doch es macht ihm nichts mehr aus.

Nachdenklich bleibt sein Blick auf das Feuer gerichtet, während er überlegt, wann er diesen Punkt erreicht hat. Mit einem Blick auf die schöne Vulkanierin neben ihm wird ihm klar, dass es der Gedanke an eine einsame Zukunft war.

Nein, er ist nicht wirklich der Familienmensch, aber den Gedanken an sich als alten einsamen Mann auf der Veranda erträgt er dennoch nicht. Er kann sich nicht vorstellen, dass sein Leben in der Sternenflotte alles sein soll.

Ein seltsamer Gedanke, gerade von ihm.

Und das macht es nicht besser.

Vielleicht ist es wirklich an der Zeit, sich der Wahrheit zu stellen. Er weiß, wie schwer das ist und zugleich ist er sich im Klaren darüber, dass er anders auch nicht weitermachen kann. Nicht auf Dauer jedenfalls. Und er muss amüsiert darüber nachdenken, dass Phlox seine Gedankengänge lieben würde, weil er ihm ja zur Wahrheit geraten hat, egal wie die Konsequenzen aussehen würden. Aber vielleicht ist es auch gerade das, was ihn dazu antreibt, sich dem zu stellen. Weil er sich nicht mehr verstecken will. Weil er die Einsamkeit und die Selbstverständlichkeit satt hat, mit der er diese akzeptiert.

Es ist nur ein kleiner Schritt, der so viele Veränderungen mit sich ziehen kann, die sein Leben beeinflussen könnten. Und er ist gewillt sich wieder um zu entschließen, doch da legt sie ihm die Hand auf seine, "Sie haben kalte Hände, trotz der heißen Tasse!", und er sieht ihr in die Augen.

Eine einfache Feststellung, die seine innere Stimme schreien lässt. "Ja, ja, ja!" Und er ist bereit alles zu riskieren. Freundschaft, Vernunft, selbst seinen Verstand.

Seine Hand schließt sich um ihre und er sieht sie an. Noch vorsichtig. Nicht genau wissend, wie sie reagieren wird, aber sie zieht ihre Hand nicht fort, sondern sieht ihn nur ein wenig überrascht an, was er als gutes Vorzeichen sieht.

"T'Pol, was ich Ihnen schon lange sagen wollte", strömt es aus ihm heraus, während er ihre Hand hält und sich bewusst darüber wird, dass er gerade sein Leben verändert, "ich empfinde sehr viel für Sie. Mehr als Freundschaft."

"Liebe?", hört er sie fragen und muss tatsächlich lächeln.

"Vielleicht", erwidert er und sieht sie weiter an. Er erwartet etwas wie "Irrational" oder "Nicht logisch", aber das bleibt aus und so fragt er sich, ob er vielleicht Glück haben könnte. Ob es ihm vielleicht dieses eine Mal vergönnt ist, auch wenn er glaubt, dass andere darauf mehr Anspruch haben.

Sie legt ihren Kopf schief und sieht ihn neugierig an. Ja, Neugier ist der richtige Ausdruck dafür. Aber es stört ihn nicht. Es macht ihm Hoffnung. Und als er ihr "Interessant" hört und registriert, dass er noch immer ihre Hand hält, sieht er sich darin bestätigt, dass es richtig war, über seinen Schatten zu springen.

Er weiß, dass die Folgen noch kommen, wenn Trip erfährt, was er getan hat. Aber darüber will er momentan nicht nachdenken. Zu sehr beeinflussen ihn augenblicklich die Endorphine, die durch seinen Körper strömen. Doch er ist nicht unrealistisch deswegen. Und er weiß, was kommen wird. Dass er nicht einfach so weitermachen kann wie bisher. Aber es ist ihm in diesem einen Augenblick egal. Weil er sich der Wahrheit gestellt hat und endlich er selbst war. Ohne unterdrückte Gefühle. Ohne Selbstschutz. Und weil es ihn nicht umgebracht hat.

Nein, das hat es nicht.

Ende
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