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What do you miss the most?

von Oriane

What do you miss the most?

»Celes! Celes wach auf, bitte!«
»Du bist nicht krank, Billy«, murmelte sie routiniert und drehte sich auf die andere Seite, um in Ruhe weiterzuschlafen. Dabei wusste sie längst, dass es mit ihrer Nachtruhe fürs erste vorbei war. So ging es jede einzelne Nacht, seit sie in Quarantäne festsaßen.
»Ich habe schon seit Stunden so ein Jucken am Hals. Sie sagten doch, so fängt es an! Oh Gott, ich muss den Doktor rufen!«
Das war Celes‘ Stichwort, um endgültig aufzuwachen. In Rekordgeschwindigkeit, die sie normal beim morgentlichen Aufstehen nie erreichen würde, erhob sie sich, um ihren besten Freund von seinem Kommunikator fernzuhalten. »Billy, sieh mich an.« In seiner Panik tigerte der junge Mann in ihrem kleinen Quartier auf und ab. Alle paar Sekunden musste er sich am Hals kratzen, er atmete schwer und seine Augen waren weit aufgerissen. »Ich will nicht sterben!«
Sie seufzte und stellte sich ihm in den Weg. Sie griff ihn bei den Schultern und zwang ihn, sie anzusehen. »Du stirbst nicht. Es ist alles in Ordnung. Wir waren seit zehn Tagen nirgendwo außer in unserem Quartier, alles was wir essen kommt aus dem Replikator. Wir hatten keinen Kontakt zu anderen Crewmitgliedern und haben keine Gegenstände angefasst, die andere angefasst haben könnten. Wir können uns unmöglich angesteckt haben.«
Immer noch skeptisch griff er sich an den Hals. »Aber das Jucken...«
Celes unterbrach ihn, nahm seine Hand und hielt sie fest. Mit der anderen hob sie sein Kinn ein wenig an, um sich das neue Ausmaß seiner Hypochondrie anzusehen. Seine Haut war stark gerötet vom viele Kratzen, aber ansonsten sah alles gut aus. Innerlich war sie selbst erleichtert. Sie kämpfte seit Tagen dagegen an, dass Billy sie mit seiner Empfindlichkeit ansteckte. Ein oder zweimal hatte er sie sogar soweit, dass sie selbst glaubte, sie hätten sich angesteckt. Es kostete sie viel Kraft, sich immer wieder die Fakten ins Gedächtnis zu rufen und Billy davon abzuhalten, den Doktor in den Wahnsinn zu treiben.
»Du weißt genau, dass du dir das Jucken einbildest«, erklärte sie sanft und strich ihm beruhigend über den Arm. Langsam und zitternd atmete er aus. »Ich weiß.« Erschöpft rieb er sich die Augen. »Ich kann einfach nicht mehr.«
Celes seufzte und ließ ich zurück auf ihr Bett sinken.

Seit zehn Tagen ging das nun schon so. Die ersten fünf davon war für beide die Hölle gewesen. Die Angst davor, sich mit dem Virus angesteckt, das die Crew der Voyager sich bei einer Hilfsmission eingefangen hatte und das nun das Schiff bedrohte, war allgegenwärtig. Nach diesen fünf Tagen wurde es, zumindest für Celes, ein klein wenig besser. Sie wussten aus den Berichten des Doktors, dass nach dieser Zeitspanne zu nahezu hundert Prozent Symptome auftraten. Trotz Billys blühender Fantasie war Celes sich sicher, dass sie bisher verschont geblieben waren. Wie es aber im Moment um die Voyager stand, war eine ganz andere Frage. Der nicht absolut systemrelevante Teil der Crew war seit dem Ausbruch des Virus in Rekordzeit in Quarantäne versetzt worden. Dass Billy und Celes sich seitdem ein Quartier teilten, war seiner Hypochondrie geschuldet. Glücklicherweise hatten die beiden Janeways Durchsage gemeinsam mit Celes‘ eigentlicher Mitbewohnerin gehört, die sofort einverstanden war, ihr Bett gegen Billys Einzelquartier zu tauschen.
Nun saßen sie hier fest und konnten nur darauf hoffen, dass der Doktor in absehbarer Zeit ein Heilmittel entwickelte und das Schiff währenddessen nicht in Schwierigkeiten geriet.

»Kannst du mich ablenken?«, fragte Billy erschöpft. Er saß in der Mitte ihres Quartiers am Boden, die Beine angezogen und die Arme darum gelegt. Immer noch unruhig schaukelte er vor und zurück.
Angestrengt dachte Celes nach. Langsam gingen ihr die Aufmunterungen aus und eigentlich hätte sie selbst tröstende Worte und eine lange Umarmung nötig, aber die Situation war nunmal so, dass es Billy noch schlechter ging als ihr. Sie musste sich zusammenreißen, sonst würde er komplett durchdrehen.
»Was willst du als erstes machen, wenn all das vorbei ist?«, fragte sie, während sie sich fest in ihre Bettdecke einwickelte.
»Mich vom Doktor durchchecken lassen um sicherzugehen, dass alles in Ordnung ist«, antwortete Billy prompt. Celes musste lachen. »Ich meine danach, wenn du sicher bist, dass du gesund bist und dich nicht mit irgendwas anstecken kannst.«
»Hm«, machte Billy und hörte auf zu schaukeln. »Ich würde ins Casino gehen, mich ans Fenster stellen und den Blick in die Ferne schweifen lassen. Oder aufs Holodeck, eins von beidem. Jedenfalls muss man weit schauen können. Was möchtest du machen?«
»Ich würde einen Spaziergang durchs Schiff machen, vielleicht durch den ein oder anderen Gang hüpfen, durch Jeffriesröhren kriechen.«
»Wirklich? Jeffriesröhren?« Billy grinste.
»Faszinierend was man auf einmal vermisst, oder?«
»Oh und ich würde im Casino essen gehen. Ich meine, jeden Tag Replikatoressen ist zwar Luxus, aber mir fehlen die Leolawurzeln. Erzähl bloß Neelix nicht, dass ich das gesagt habe. Er scheint die überall reinzumischen und ohne, dass wir es gemerkt haben, hat er uns alle abhängig gemacht.«
»Nein, Leolawurzeln vermisse ich sicher nicht«, lachte Celes. »Aber im Casino unter Leuten zu sein. Nicht mit ihnen reden müssen, bloß nicht, soweit kommts noch. Aber einfach daneben zu sitzen, Gesprächen zu lauschen, andere zu beobachten...«
»Arbeiten. Das vermisse ich. Wäre eine nette Abwechslung zum ewigen Nichtstun.« Billy streckte die Beine von sich und legte sich dann komplett flach auf den Boden.
»Ich weiß nicht. Von Seven of Nine mal Ruhe zu haben ist eigentlich ganz schön.«
»Du könntest einfach um eine Versetzung bitten, das weißt du, oder?«
Celes seufzte. »Aber was soll ich denn machen, Billy? Das hier ist ein Raumschiff. Bis auf Neelix‘ Job gibt es vermutlich keine sinnvolle Arbeit für mich, die nicht mit komplexen Formeln und Zahlen zu tun hat.«
»Kannst du denn Kochen?«, fragte Billy feixend. Seine Freundin verdrehte die Augen, doch das konnte er nicht sehen.
»Nicht wirklich.«
»Was ist mit dem hydroponischen Garten? Ich weiß, deine Zimmerpflanzen sind entweder tot oder Kakteen«, er warf einen belustigt mitleidigen Blick auf die kleine Chili-Pflanze, die im Moment aufgrund seiner Anwesenheit ein richtig luxuriöses Leben führte, »aber sowas kann man lernen.«
Abermals seufzte Celes und zog sich die Bettdecke über den Kopf. »Keine Ahnung«, murmelte sie darunter hervor. »Wer weiß, ob ich überhaupt eine Gelegenheit bekomme, mir das zu überlegen.«
Schlagartig war das Lächeln aus Billys Gesicht gewichen. Diesmal waren es nur Angst und Sorge, keine Panik, die sich nun darauf abzeichneten.
»Ja«, sagte er. »Wer weiß.« Doch damit wollte er sich nicht abfinden. Er wusste sehr gut, was Celes jeden Tag seinetwegen leistete und er schämte sich jedes Mal mehr für seine Panikattacken. Im Grunde war ihm schließlich genauso klar, dass er sich nicht angesteckt hatte, aber das seiner Psyche zu erklären, war eine andere Hausnummer.
»Was würdest du machen, wenn du die Wahl hättest?«, fragte er. »Wenn wir nicht im Delta-Quadranten gestrandet wären und du mit deinem Pflichtjahr auf einem Raumschiff durch wärst, was würdest du tun?«
Als erstes kam Celes‘ geriffelte Nase wieder unter der Bettdecke zum Vorschein, dann weitere Teile ihres Gesichts. »Gute Frage«, murmelte sie. »Ich habe keine Ahnung. So langsam weiß ich nicht einmal mehr, warum ich zur Sternenflotte gehen wollte. Ich bin damals hauptsächlich genommen worden, weil ich Bajoranerin bin. Ich war gut für die Statistik. Und irgendwie dachte ich, dass mir die Arbeit mehr Spaß machen würde.« Sie überlegte eine Weile. »Vermutlich würde ich nicht im Weltraum leben, vielleicht nach Bajor zurückkehren, mir eine Arbeit suchen, bei der ich draußen in der Natur sein kann. Jedenfalls war die Sternenflotte die falsche Entscheidung.«
»Keine astrometrischen Sensoranalysen mehr«, vervollständigte Billy diese Gedanken. »Keine Vorgesetzte, die deine Arbeit nicht wertschätzt.
»Das wäre schön«, seufzte Celes. »Aber so weit entfernt.«
Mit einem Ruck setzte Billy sich auf. Diesmal schlang er völlig entspannt die Arme um seine Knie und legte den Kopf darauf ab. »Pass auf, wenn du willst, helfe ich dir, aus der Astrometrie rauszukommen. Und wenn wir noch eine Position auf diesem Schiff erfinden müssen! Du musst nur Bescheid sagen, dann setzte ich alle Hebel in Bewegung, die mir zur Verfügung stehen. Wir werden dieses Virus überstehen! Und danach sorgen wir dafür, dass du jeden einzelnen Tag besser überstehst, den wir noch im Delta-Quadranten verbringen müssen, okay?«
»Seit wann bist du denn der Optimist in dieser Freundschaft?«, fragte sie skeptisch, aber sie schaffte es kaum, ein Lächeln zu unterdrücken. Billy grinste. »Seit gerade eben anscheinend.«
Dankbar streckte Celes ihre Hand unter der Bettdecke hervor und griff nach der ihres besten Freundes. Ihnen beiden war so viel genommen worden, seit sie auf die Voyager versetzt worden waren, da war es fast unmöglich, zu beantworten, was davon ihnen am meisten fehlte. Viel wichtiger war das Glück, dass sie beide wussten, was ihnen am meisten Kraft gab.
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