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STD 06 - Konsequenzen

von Adriana

Niemandsland

Orangegelbe Phaserstrahlen durchbohrten immer wieder die glänzenden Kugeln, die vor den Augen der DEFENDER-Brückencrew im Subraum schwebten. Doch jedes Mal ging der Strahl glatt hindurch, ohne den geringsten Schaden anzurichten.  
Commander Jerad Kayn resignierte. „Feuer einstellen, es hat keinen Zweck“, befahl er seinen taktischen Offizieren, Jeremy Prescott und Graham Wilbury.  
„Aber wenn wir die Varianz des Phaserstrahls noch ein bisschen …“ begann Prescott. 
Jerad schnitt ihm mit einer Handbewegung das Wort ab. „Wir experimentieren nun schon seit Stunden mit der Varianz des Phaserstrahls herum. Zuvor haben wir versucht, unsere Torpedos in den Subraum zu befördern, während wir auf Warp gesprungen sind. Aber auch die Torpedos sind hindurch gegangen … in den seltenen Fällen, in denen sie überhaupt getroffen haben.“ 
„Ich möchte zu gern wissen, wie es den Cardies gelungen ist“, sinnierte Prescott, Sicherheitschef der USS DEFENDER. „Wir gehen davon aus, dass sie die Minen in dem Moment abgeworfen haben, als sie auf Warp gesprungen sind. Wieso geht das nicht auch mit unseren Torpedos?“ 
„Erstens ist anzunehmen, dass die Cardassianer eine Technologie besitzen, mit der sie ihre Minen auch ohne Warpsprung in den Subraum schieben. Zweitens springen die Cardassianer vom Normalraum aus in den Subraum. Was wir uns nicht leisten können, denn dann müssten wir unsere Tarnung aufgeben. Vor den Augen der Klingonen.“ 
Prescott nickte ergeben. Er hatte diese Litanei in den letzten Stunden oft genug gehört. Seine Sorge um Captain Lairis, die an Bord des von Subraumminen umkreisten Klingonenkreuzers gefangen war, wuchs langsam aber stetig. Doch der Erste Offizier, der mindestens genauso um das Leben seines Captains bangte, war sich in jeder Sekunde bewusst, dass Höheres auf dem Spiel stand.  
Technische Probleme vortäuschend, waren sie in Schlängellinien Richtung Sonne getrudelt, um den Waffenstillstand mit den Klingonen nicht brechen zu müssen. Schließlich tarnten sie sich in der Corona und die Klingonen mussten annehmen, dass die USS DEFENDER in der Sonne verglüht sei. Sie konnten jetzt weder auftauchen, um ihren Captain zu befreien, noch um die Klingonen vor den cardassianischen Subraumminen zu warnen.  
Die Klingonen würden zwei und zwei zusammenzählen und das Geheimnis der InterphasenTarnvorrichtung wäre nicht länger ein Geheimnis. Nicht genug, dass diese Tarnvorrichtung nach dem Vertrag von Algeron illegal war und im Alphaquadranten nicht verwendet werden durfte – sie stellte auch einen verlockenden taktischen Vorteil dar. Sämtliche Großmächte würden der Föderation ihre Spione auf den Hals hetzen, wenn sie davon erfuhren! 
Prescott sah dem Trill an, wie dieser Konflikt ihn langsam auffraß. Innerhalb der letzten zwölf Stunden waren Jerad Kayns Wangen eingefallen, ein paar graue Haare mehr hinzugekommen und unter seinen Augen zeichneten sich dunkle Ringe ab. Lairis Ilana war nicht nur sein Captain – sie war die Frau, die er liebte. Trotzdem: im Zweifelsfall würde er sich für die Geheimhaltung der Tarntechnologie entscheiden und innerlich versteinern. 
„Sie sagten, die Phase, in der wir uns gerade befinden, liegt zwischen Subraum und Normalraum“, hakte Prescott nach. „Könnten wir dann nicht auch von unserer Position aus in den Subraum springen?“ 
„Die Erklärung war etwas arg vereinfacht“, gab der Trill mit einem müden Lächeln zurück. „Im Prinzip stimmt es schon. Wenn man sich den Weltraum als Schichtnougat vorstellt, liegt unten der Subraum, oben der Normalraum und wir sind in der dünnen Schicht dazwischen. Aber nun hat unsere Schicht … sagen wir … eine andere Konsistenz. Weil sie nicht aus Nougat besteht, sondern aus Schokoladenmousse. Heißt im Klartext: Im Subraum, im Normalraum und in der Zwischenschicht existiert dieselbe natürlich geschaffene Materie. Allerdings ist in der Zwischenschicht ihre Struktur verändert. Deshalb können wir in getarntem Zustand durch Himmelskörper und andere Objekte fliegen, was im Normalraum und Subraum nicht möglich ist.“ „Schichtnougat?“ Lieutenant Wilbury konnte sich ein Grinsen nicht verkneifen.  
„Ich wünschte, wir hätten einen Astrophysiker an Bord. Der könnte das wesentlich besser erklären“, seufzte der Trill leicht entnervt.  
Die USS DEFENDER war – anders als die meisten anderen Sternenflottenschiffe – als reines 
Kriegsschiff konzipiert. Die Forschungsausrüstung war rudimentär und die meisten Offiziere an Bord verfügten lediglich über das Akademie-Grundwissen in Astrophysik, Temporalmechanik oder Exobiologie.  
Jerad bedauerte diesen Umstand nicht zum ersten Mal und nahm sich vor, zusammen mit Captain Lairis ein Gesuch ans Sternenflottenkommando zu schicken. Er fand es kurzsichtig, einem Schiff dieser Größe kein wissenschaftliches Team zu gönnen.  
Aber zurzeit hatte er wahrhaftig andere Probleme.  
Es war nicht einmal sicher, ob er Lairis Ilana jemals lebend wiedersehen würde.  
Der Gedanke an sie machte ihm schmerzlich bewusst, dass er sich mit seinem Schiff buchstäblich im Niemandsland befand: abgeschnitten von Ilana, abgeschnitten von jedem vernünftigen Ausweg. In der normalen Phase ging das Leben weiter, meditierte Lairis in ihrer Zelle … womöglich versuchte sie gerade, mit den Klingonen zu verhandeln … saßen Sternenflottenadmiräle in hochwichtigen Meetings und ahnten nichts von seinem eklatanten Missbrauch der Tarnvorrichtung … kämpfen Cardassianer gegen Klingonen … irgendwo trieb ein nicht klassifiziertes cardassianisches Kriegsschiff sein Unwesen … eine potenzielle Bedrohung für die Klingonen, die Föderation und vielleicht sogar die cardassianische Regierung …  
Commander Kayn und seine Crew beobachten all dies, ohne teilzunehmen, ohne eingreifen zu können. Jerad hatte die Situation so satt, dass er würgen könnte! Er kam sich vor wie ein Vogel hinter einer Fensterscheibe. Er sah alles, hörte alles – aber hinter der Barriere aus Glas erschien das Leben außerhalb seines Käfigs als nicht-interaktives Holodeckprogramm.   
„Gab es nicht einen Wissenschaftler unter Ihren früheren Wirten, Sir?“ riss ihn die melodische Stimme von Fähnrich Vixpan aus seinen trüben Gedanken.  
Commander Kayn schüttelte langsam den Kopf. „Mein erster Wirt, Toras, war Richter am Obersten Gerichtshof von Trill. Danach folgte Parim, ein Diplomat. Er war zum Schluss Botschafter auf Vulkan. Aila, ein Sternenflottencaptain, war die nächste in der Reihe. Als sie bei einer Schiffshavarie tödlich verletzt wurde, übernahm ihre Chefinginieurin Vijana den KaynSymbionten. Sie hatte sich nie für das Initiatenprogramm beworben – aber wir waren auf einer Deep Space Mission und hätten es nicht rechtzeitig nach Trill geschafft. Nach ihrem Tod wanderte der Symbiont weiter zu Kilari und schließlich zu mir. Wobei ich mich korrigieren muss: Kilari war tatsächlich Wissenschaftlerin. Trotzdem wusste sie nicht mehr über Subraummechanik als ich. Ihr Gebiet war die Molekularbiologie.“   
Wilbury schmunzelte. „Sieht so aus, als hätte Ihr Symbiont einen Faible für Staatsdiener.“ „Ja, sieht so aus“, echote der Trill mit abwesendem Blick.  
Das Gespräch über frühere Wirte hatte einen weiteren wunden Punkt berührt: Es war ihm immer noch nicht gelungen, eine geistige Einheit mit seinem Symbionten herzustellen. Er hatte sich die Verbindung als ständige Zwiesprache vorgestellt, als einen harmonischen Fluss von Gedanken, ein Band wie eine unsichtbare Datenleitung.  
Doch meistens war die Leitung tot. Manchmal überfluteten ihn fremde Gefühle oder träumte er die Träume eines anderen. Aber das war auch schon alles.  
Wenigstens konnte er nun jederzeit auf die Erinnerungen seiner früheren Wirte zugreifen. In der Regel waren sie so unwirklich, als riefe er einen Film aus einem Datenspeicher ab. In seltenen Fällen schwappten sie wie eine Welle in seinen Geist und er nahm kurzzeitig fremde Wesenszüge an, die er problemlos einem seiner Vorgänger zuordnen konnte: Ailas Autorität, Parims Geschwätzigkeit, Kilaris Vorliebe für Einhörner.  
Doch was dachte und fühlte das fremdartige Wesen in ihm – abseits der Persönlichkeiten seiner Wirte? Hatte das Individuum Kayn nach dreihundert Jahren symbiotischer Lebensweise etwa aufgehört, zu existieren? Wurde seine Persönlichkeit absorbiert von den Humanoiden, die ihn in sich trugen? Oder versuchte er – im Gegenteil – sein ureigenes Wesen zu schützen, indem er sich abschirmte? Jerad vermutete letzteres.  
Bisher hatte er nur eine einzige Erinnerung eines früheren Wirtes tatsächlich gelebt: Kilaris 
Tod. Der merkwürdige Traum nach seiner Vereinigung, Ailas Treffen mit Captain Inserra und Captain Sulu, Gewitterstimmung, Schreie … Jerad und Kayn waren zum ersten und letzten Mal eins gewesen, als der Symbiont durch das Tachonin-Gift geschwächt war. Jerad hatte gehofft, dass Band würde kräftiger werden, wenn sein Symbiont sich erholte. Aber das Gegenteil war der Fall: Kayn benutzte seine wiedergewonnene Kraft, um zwischen seiner Innenwelt und der seines Wirtes eine Mauer zu errichten.  
Wahrscheinlich musste Jerad sich damit abfinden. Jeder Symbiont ist anders, dachte er und schüttelte energisch seine Sorgen ab. Es gab derzeit wichtigeres als einen Wurm mit Kommunikationsproblemen.      
„Wie ist der Status?“, fragte er und blickte dabei von Prescott zu Vixpan.  
„Unverändert“, antworteten beide.  
Er nickte knapp. „Ich bin im Bereitschaftsraum, falls mich jemand braucht – oder einen Ausweg aus dieser besch…eidenen Situation finden. Prescott, Sie haben die Brücke.“ 
„Aye, Sir.“    
Commander Kayn drehte der Mannschaft den Rücken zu, der Bereitschaftsraum verschluckte ihn mit zischenden Türen. Ratlos ließ er sich in einem der schlichten, ergonomisch geformten Sessel nieder und starrte die Wände an. Es tat gut, einen Moment allein zu sein. Vielleicht kam ihm durch ruhiges Nachdenken und gezielte Informationssuche ein Geistesblitz, der sich auf der Brücke, inmitten dieser größtenteils fremden Crew, nicht einstellen wollte.  
Nichts in diesem Raum lenkte ihn ab. Die Wände waren silbergrau und kahl, die Sitzpolster bordeauxrot, die Türen dunkelblau. Vor Jerad stand ein Schreibtisch mit einer gläsernen Platte, die in Chrom eingefasst war. Dunkelrot, blau und kalte Metallic-Töne dominierten das Schiff. Ihm gefiel es irgendwie – doch Lairis, die warme Herbstfarben mochte, fand die Innenausstattung sicher nicht sehr anheimelnd.  
Lediglich die vielen – provisorisch untergebrachten – Grünpflanzen deuteten darauf hin, dass dies ihr Büro war. Abgesehen davon fehlte jede persönliche Note. Es erweckte den Eindruck, als wäre Ilana nie hier gewesen. 
Mit grimmiger Miene schaltete Jerad den Computer ein. Seine eigene Melancholie begann ihn allmählich zu nerven. Zuerst benötigte er Informationen: über Phasenverschiebungen, Subraumraumminen, Materietransfer, experimentelle Waffentechnologien … 
Vielleicht war es unprofessionell, die Recherchearbeit nicht an ein Mitglied seiner Crew zu delegieren. Vielleicht war es sogar sinnlos. Aber im Moment war Beschäftigung das Einzige, was ihm half. Die Datenbanken des Schiffscomputers waren schnell durchforstet und Jerad überspielte alles, was ihm auch nur im Entferntesten relevant erschien, auf sein PADD. Der Chefingenieur, Lieutenant van der Kamp, konnte damit hoffentlich was anfangen. 
Doch als er im interplanetaren Datennetz weiter forschen wollte, wurde er prompt daran erinnert, dass sein Schiff immer noch aus der Phase geschoben war: Er bekam keine Verbindung. 
Leise fluchend beendete er seine Suche.    
In diesem Augenblick surrte der Türmelder.  
„Herein“, rief Jerad – in der Hoffnung, der Ankömmling würde gute Nachrichten bringen.  
Zu seiner Überraschung trat Lieutenant Wilbury ein. Die Finger des kräftigen, sommersprossigen Mannes spielten nervös mit einem Datenpadd.   
„Commander … ich meine Captain … Sir …“ Er räusperte sich. 
Jerad hob verwundert die Augenbrauen. Wilbury schien tatsächlich nervös zu sein. An der 
Gegenwart des Ersten Offiziers lag es sicher nicht. Wilbury gehörte zur ursprünglichen Crew der DEFENDER – zu jener Crew, die von Admiral Layton und Lairis‘ Vorgänger Phillip Edwardson ausgesucht worden war. Die „Edwardson-Bande“, wie der Trill sie insgeheim nannte, verbarg ihre Abneigung gegen die  neue Führungscrew mal mehr, mal weniger erfolgreich. Bisher war Jerad nicht davon ausgegangen, dass einer von denen ihn als Vorgesetzten respektierte – geschweige denn, Angst vor ihm hatte.   
Dennoch vermied es Wilbury, ihm in die Augen zu sehen und bewunderte stattdessen eine blaublättrige Pflanze, aus deren Blütenkelchen feine silbrig schimmernde Haare wuchsen.  
„Was gibt es, Lieutenant?“, hakte der Commander nach.  
„Eine Lösung … möglicherweise“, brachte Wilbury heraus, bevor er Angst vor seiner eigenen Courage bekam. Er schaltete das PADD ein und legte es auf den Tisch.  
Jerad nahm es neugierig in die Hand. „Was ist das?“ 
Diesmal zögerte Wilbury, schien es sich anders zu überlegen … „Ein Interphasen-Torpedo“, erklärte er nach einer gefühlten halben Stunde.   
„Interessant. Davon habe ich noch nie gehört.“  
Wilbury hörte auf, an seiner Unterlippe zu nagen, und antwortete: „Eine experimentelle Waffe. Sinn der Sache war, dass die DEFENDER auch dann feuern sollte, während sie getarnt ist. Dazu wird der Torpedo mit einem winzigen Interphasen-Emitter ausgestattet, der mit dem Zündmechanismus gekoppelt ist. Das bedeutet: Wir feuern den Torpedo ab, während wir aus der Phase geschoben sind. Er schiebt sich während des Fluges in die normale Phase und detoniert im selben Augenblick.“ 
„Also ein Torpedo, der aus dem Nichts kommt und dem man nicht ausweichen kann?“ Jerad zog skeptisch die Braunen zusammen. „Das klingt nach einer verdammt hinterhältigen Waffe, gegen die es gut zwanzig völkerrechtliche Konventionen gibt! Wollen Sie mir weismachen, die 
Föderation hätte so was entwickelt? Obwohl … bei Layton wundert mich gar nichts mehr.“   
Wilbury nickte. „So war es. Nach Laytons … Abgang wurden die Forschungen eingestellt, weil solche Waffen aus gutem Grund geächtet sind. Aber das Dominion ist auch nicht gerade zimperlich und wir waren überzeugt, dass man für den Notfall ein Ass im Ärmel haben muss … Nur für den alleräußersten Notfall.“ Beim letzten Satz klang sein Tonfall leicht trotzig.   
„Sie haben Recht: Waffen, die dem Gegner keine Chance zur Verteidigung lassen, sind in der Föderation aus gutem Grund geächtet! Wenn wir so ein Dreckszeug an Bord der DEFENDER haben, sollte ich davon wissen!“, entgegnete Commander Kayn scharf.  
„Wie gesagt, die Torpedos waren gerade in der Entwicklung begriffen“, entgegnete Wilbury schnell. „Wir haben sie noch nicht einmal getestet.“ 
„Das möchte ich doch schwer hoffen!“, brauste Jerad auf.  
„Ich wünschte, wir hätten es getan“, entgegnete Wilbury unerwartet mutig und latent beleidigt. „Denn dieses so genannte Dreckszeug ist vielleicht das Einzige, was Ihren Captain davon bewahrt, von einer Subraummine zerfetzt zu werden.“ 
„Unseren Captain!“, korrigierte Jerad mit einem bedeutungsschweren Unterton. „Außerdem schulden Sie mir bisher eine Erklärung, wie ein paar illegale Torpedos im Experimentierstadium unseren Captain retten sollen.“ 
„Sir, wenn es uns gelingt, sie zu bauen, könnten wir auf die Subraumminen zu schießen, ohne unsere Tarnung aufzugeben!“ 
„Dabei gibt es nur ein Problem: Die Torpedos sollen aus der Phase in den Normalraum geschoben werden – aber die Minen befinden sich im Subraum“, widersprach Jerad.  
„Sicher können wir die Torpedos entsprechend modifizieren“, sagte Wilbury hoffnungsvoll.  
Commander Kayn forschte in seinem Gesicht nach einem Zeichen der Unaufrichtigkeit. Was führte dieser Mann im Schilde? Versuchte er ihn etwa in ein Komplott hinein zu ziehen, das die Militarisierung der Sternenflotte zum Ziel hatte? Oder war er Sternenflottenoffizier genug, um für die Rettung seines Captains seine persönlichen Ziele hinten an zu stellen? 
Verdammt, Jerad hasste es, einem Mitglied seiner Crew nicht hundertprozentig vertrauen zu können! Er war jetzt im dritten Leben Sternenflottenoffizier und hatte bisher nie Grund zu der Annahme gehabt, dass ihm die eigenen Leute in den Rücken fallen wollten! 
Zum ersten Mal verstand er, was tatsächlich in Lairis vorging, seit sie dieses Kommando übernommen hatte.  

> > > 

In ihrem Geist wogte ein endloses nachtblaues Meer. Es verlor sich weit hinter dem Horizont, 
verschmolz mit den Sternen am Himmel, die innerhalb von Minuten geboren wurden und wie-
der erloschen, Galaxien bildeten und farbenfrohe Nebel … 
Lairis Ilana saß am Strand, ließ den Sand durch ihre Finger rieseln und beobachtete das kosmische Schauspiel mit einem verklärten Lächeln. Die zeitlose Monotonie ihrer engen, dämmrigen Zelle war in weite Ferne gerückt, Traum und Realität hatten die Plätze getauscht, Furcht und Ausweglosigkeit wurden von sanften Wellen hinweg gespült.    
Die Klingonen, die sie gefangen hielten, waren ebenso vergängliche Staubkörner im Universum wie sie selbst. Sie konnten ihr nichts anhaben.  
Doch plötzlich … nein, das durfte nicht sein!  
Lairis sprang auf, versuchte davonzurennen. Es war ein hirnloser Reflex, denn im Grunde wusste sie, dass sie nicht entkommen konnte, wenn eine der Sonnen am Himmel zur Nova wurde. Sie versackte knöcheltief im Sand, stolperte, blieb resigniert liegen und eine Protuberanz fraß ihren Körper.  
Sie fand sich schreiend und zusammengekrümmt auf dem Boden einer klingonischen Gefängniszelle wieder. Ein Klingone beugte sich über sie, bleckte die Zähne und hielt eine Art Stabwaffe in der Hand. Bevor ihr Verstand realisierte, was ihr Körper tat, sprang sie auf die Füße und verpasste dem Kerl einen deftigen Kinnhaken.  
Er stieß ein zorniges Knurren aus, hob mit einer Hand drohend seinen Stab, packte mit der anderen ihre Kehle und drückte Lairis gegen die Wand. Seine Fingernägel bohrten sich schmerzhaft in ihren Hals, ihre Luftröhre verwandelte sich in einen Strohhalm, durch den viel zu wenig Luft gelangte. Sie wollte schreien, aber es kam nur ein schwaches Gurgeln heraus.  
„Das reicht! Loslassen!“, bellte eine Männerstimme gebieterisch.  

Der Klingone ließ sie widerwillig los und Lairis war unendlich dankbar, dass sie wieder frei atmen konnte.  
Vor ihr stand nun ein zweiter Klingone, stattlich, dunkelhäutig, mit einer wilden schwarzen Mähne und einer Narbe, die sich über Stirn und Wange zog. Captain Ko’tagh, Kommandant des Kreuzers MEK’SHOR. Lairis kannte ihn vom Bildschirm der USS DEFENDER. Er hatte behauptet, die Föderation sei für das Verschwinden eines klingonischen Bird of Prey verantwortlich und wollte sie zur Kapitulation zwingen. Eine absolut lächerliche Anschuldigung aus Lairis‘ Sicht – vor allem nach dem grausamen Überfall auf eine zivile cardassianische Raumstation, den ihre Crew untersuchte. Doch dann hatte ihr Chefarzt, Dr. Tygins, festgestellt, dass die Klingonen in Wirklichkeit nicht für den Überfall verantwortlich waren. Zwei der toten klingonischen Angreifer, die das Außenteam der DEFENDER auf die Krankenstation gebeamt hatte, erwiesen sich als chirurgisch veränderte Cardassianer.  
Als Ko’tagh nicht glauben wollte, dass sowohl er als auch Lairis Opfer einer cardassianischen Verschwörung geworden waren, hatte die Kommandantin der DEFENDER kurzerhand ein Shuttle genommen und – mit den beiden Toten als Beweis an Bord – an der MEK’SHOR angedockt. Diesem Idioten, der sie eben gewürgt hatte, war natürlich nichts Besseres eingefallen, als sie ohne Umschweife in die nächste Zelle zu werfen.  
Er gehörte zur Sicherheitstruppe der MEK’SHOR und Lairis versuchte, sich an seinen Namen zu erinnern. Irgendwas wie Rogh oder Zork … jedenfalls was Starkes, Männliches und Einsilbiges, was guttural geknurrt werden musste.  
„Was sollte das werden, Rorkh?“, herrschte Ko’tagh ihn an.  
„Sie hat mich geschlagen“, erwiderte der Wachmann mit einem feindseligen Blick auf Lairis.  
„Aha, und wie konnte sie das, wenn sie hinter einem Kraftfeld saß?“ 
„Er hat es runtergelassen, um mich mit seinem Schmerzstock zu foltern“, brachte Lairis wütend hervor und rieb sich ihre schmerzende Kehle.  
„Sie hat sich nicht mehr geregt und ich habe sie mit dem Schmerzstab berührt, um zu sehen, ob sie tot ist“, verteidigte sich Rorkh. „Das machen wir mit unseren Soldaten genauso“, erklärte er verächtlich an Lairis gewandt.  
„Aber ich habe doch geatmet, Sie Trottel!“, schoss diese zurück.  
„Das war nicht zu erkennen! Sie lagen flach auf dem Rücken und hatten die Augen geschlossen. Ihre Haltung war zu steif, als dass ich auf die Idee gekommen wäre, Sie würden schlafen.“ 
„Wie wäre es mit besserer Beleuchtung“, entgegnete die Bajoranerin süffisant. „Möglicherweise fällt es Ihnen dann leichter, eine bajoranische Meditationshaltung von einer Leichenstarre zu unterscheiden.“ Sie sah sich mit offensichtlicher Abscheu in ihrer Zelle um. „Was soll ich bitte in diesem Loch Anderes tun, als Meditieren?“       
Der Raum, wo sie festgehalten wurde, war ausgesprochen karg und spärlich möbliert, das Bett hart wie Stein, der Fußboden und die Wände bestanden aus nacktem Metall und es roch ziemlich streng. Klingonen liebten es sehr spartanisch, sie fürchteten offenbar den Komfort wie andere Leute die terellianische Pest und betrachteten sogar Matratzen als Luxus. Es gab eben nichts Schlimmeres für einen Krieger, als zu verweichlichen.  
Mit einem flüchtigen Blick streifte Lairis den klaffenden Schnitt in ihrer Handfläche. Die Hand tat immer noch weh, wo Rorkh sie für den Bluttest angesäbelt hatte.  
„Ich hoffe, Sie bringen mir was zum Spielen, Ko’tagh“, wandte sie sich an den klingonischen 
Captain. „Stundenlange Meditation wird selbst einer Bajoranerin irgendwann langweilig.“ 
Besonders, wenn diese Bajoranerin eine Frau der Tat war und ihren Weg nie in der kontemplativen Suche nach Erleuchtung gesehen hatte.   
Rorkh funkelte sie herausfordernd an. „Wir können gern mit dem Schmerzstab weiter spielen, wenn Ihnen so langweilig ist.“ 
„Ihr Klingonen seid wirklich einseitig.“ 
„Ihr Bajoraner seid ziemlich unverschämt“, mischte sich Ko’tagh ein.  
„Das mussten wir sein, um mit den Cardassianern fertig zu werden.“ 
„Cardassianer!“, stieß Ko’tagh zornig hervor. „Es war ein cardassianisches Schiff, dem ich den Verlust von zwei Birds of Prey zu verdanken habe – ganz zu schweigen von unserem Impulsantrieb, der Backbord-Warpgondel und zwei Dutzend Männern meiner Crew!“ „Welches cardassianische Schiff?“, fragte Lairis irritiert.  
„Ich weiß, Sie haben sich bereits an der Gastlichkeit der MEK‘SHOR erfreut, als es plötzlich aus dem Subraum auftauchte. Ein wahres Ungetüm von einem Schiff! Eine Schiffsklasse, die uns unbekannt ist. Es eröffnete augenblicklich das Feuer und wir kämpften bis zum bitteren Ende … bis diese elenden Feiglinge sich zurückgezogen haben.“ 
Lairis blickte den Klingonen forschend an. Neue Hoffnung keimte in ihr auf.  
Sie erinnerte sich an Schreie, klingonische Kampflieder und das Beben des Schiffes, wenn es von einem Phaser oder Torpedo getroffen wurde. Ständig quälte sie die Angst um die DEFENDER: Hatten die Klingonen das Täuschungsmanöver mit dem Plasmaleck durchschaut? Musste Jerad, entgegen seinen Prinzipien, das Feuer erwidern, um zu überleben, um den Gegner etwas zu schwächen und wenigstens so lange durchzuhalten, bis Verstärkung eintraf? Wie viel Beschuss vermochte die DEFENDER auszuhalten? War sie einer Vor’Cha und zwei Birds of Prey auf die Dauer gewachsen?  
Im Grunde wusste Lairis die Antwort.  
War ihre Sorge etwa unbegründet, weil die MEK’SHOR sich kein Gefecht mit der DEFENDER geliefert hatte, sondern mit einem ominösen cardassianischen Kriegsschiff? Hoffentlich konnte Jerad die Ablenkung ausnutzen und verschwinden!  
Sollte sie Ko’tagh nach dem Status der DEFENDER fragen? Eine unerklärliche Kraft in ihr sträubte sich dagegen.  
„Lassen Sie uns allein“, befahl Ko’tagh seinem Sicherheitsoffizier und Rorkh entfernte sich.  
Der Klingonische Captain musterte Lairis mit widerwilligem Respekt. „Alle Achtung, Sie haben ganz schön Dreck unter den Fingernägeln – für einen Sternenflottenoffizier.“   
„Wie bitte?“, rief sie empört. Dann fiel ihr ein, dass „Dreck unter den Fingernägeln“ bei den Klingonen als Synonym für Frechheit oder Kühnheit galt und diese Bemerkung wohl als Kompliment gemeint war. Kühnheit ... die hatte sie auch gebraucht! Sie erinnerte sich zu gut an jede einzelne Schrecksekunde, als Phaserstrahlen und Torpedos haarscharf an ihrem Shuttle vorbei gezischt waren ... an jeden Moment, von dem sie gedacht hatte, er würde ihr letzter sein … bis die Klingonen sie überraschend mit einem Traktorstrahl an Bord geholt hatten.  
„Haben Ihre Techniker schon irgendwas herausgefunden?“, fragte Lairis.  
„Unsere Techniker arbeiten sehr sorgfältig“, erwiderte der Klingone ernst. Damit wollte er wohl ausdrücken, dass sie sich viel Zeit lassen würden, um vollkommen auszuschließen, dass die Bajoranerin ihnen eine Falle stellte.  
„Ich weiß, welchen Ruf wir bajoranischen Ex-Terroristen haben – aber in dem Shuttle ist keine 
Bombe versteckt.“ 
Ko’tagh zog die Brauen zusammen und betrachtete sie finster. „Sie waren Terroristin?“ 
„Eigentlich ziehe ich den Ausdruck Widerstandskämpferin vor.“  
„Ich verachte Terroristen“, erklärte Ko’tagh und beäugte sie misstrauisch. „Ein Krieger, der sein 
Gesicht in der Schlacht nicht zeigt, hat keine Ehre.“  
„Das mag sein. Aber wie verteidigt man sich gegen einen Feind, der so ehrlos ist, ein militärisch hoffnungslos unterlegenes Volks anzugreifen?“, konterte Lairis. „Hätten sich die Bajoraner passiv abschlachten und ausbeuten lassen, wären sie doch in Ihren Augen auch nichts wert.“  
Ko’tagh schien ernsthaft über ihr Argument nachzudenken. „Terrorismus ist also die Verteidigung der Schwachen“, stellte er klar.  
„So kann man es ausdrücken.“ Während sie sprach, hielt Lairis ständig Blickkontakt mit dem klingonischen Kommandanten und entdeckte in seinen Augen einen Ansatz von Verständnis. Vielleicht war es doch nicht hoffnungslos. „Sie verfügen über hochmoderne Technik, Raumschiffe, ein gewaltiges Arsenal von Massenvernichtungswaffen ... und trotzdem gilt für Sie der Kampf 
Mann gegen Mann immer noch als das einzig Wahre. Habe ich Sie richtig verstanden?“ 
Ko’tagh nickte langsam. „Was denken Sie, weshalb unsere Schiffe nicht feuern, wenn sie getarnt sind?“ 
„Weil der Tarnschirm zu viel Energie verbraucht“, vermutete Lairis.  
„Das war früher so, als die Tarntechnologie noch in den Kinderschuhen steckte. Nein, wir enttarnen uns, um anzugreifen – aber einen Gegner zu vernichten, ohne ihm in die Augen zu schauen, wäre unehrenhaft.“ 
„Genau“, pflichtete Lairis ihm bei. „Allerdings kümmern sich die Cardassianer nicht um Ehre – jedenfalls nicht in der Art, wie es die Klingonen tun. Sie legen auch keinen Wert darauf, ihrem Feind von Angesicht zu Angesicht gegenüberzustehen – im Gegenteil. Sie wollen keine Feinde, an denen sie sich messen, sondern Sklaven, die vor ihnen kriechen. Sie sind so feige, ganze Städte und Dörfer aus der Luft zu bombardieren! Ein wehrloser Gefangener, den sie fesseln und foltern können, ist ihnen tausendmal lieber als ein Gegner auf dem Schlachtfeld! Stellen Sie sich vor, das Klingonische Reich würde von solch einer Macht überfallen werden? Einer Macht, gegen die selbst die Klingonische Verteidigungsarmee keine Chance hätte?“ „Es gibt immer eine Chance“, widersprach Ko’tagh.  
„Ja, und in diesem Fall heißt sie Guerillakrieg“, entgegnete die Bajoranerin. „Ist es wirklich so unwürdig, einen ehrlosen Feind mit ehrlosen Mitteln zu bekämpfen, wenn man keine Wahl hat?“ 
Ko'tagh knurrte. Die Vorstellung, dass jemand stärker sein sollte, als die Klingonen, gefiel ihm überhaupt nicht. „Ist das etwa die Auffassung der Föderation?“, hakte er kampflustig nach.  
„Die Föderation würde so lange wie möglich den Frieden wahren. Sie greift nicht an, sie verteidigt sich nur. Die Menschen verhandeln lieber, statt zu kämpfen. Das hat Ihr Kanzler Gowron mal wortwörtlich gesagt – natürlich mit einem sehr verächtlichen Unterton.“ „Und was ist Ihre Auffassung, Lairis?“, fragte der Klingone unvermittelt. 
„Ich habe eine siebzehnjährige Tochter“, erwiderte sie ernst. „Ich möchte erleben, wie sie erwachsen wird, sich ihre Träume erfüllt, studiert und irgendwann eigene Kinder bekommt ... ich will nicht, dass sie statt dessen mit einem Phasergewehr im Schützengraben liegen muss ... dass sie in so eine kaputte Welt hineinwächst wie ich.“ 
„Das ist der Unterschied zwischen Ihnen und mir“, entgegnete der Klingone. „Wenn meine 
Söhne in den Krieg ziehen, erfüllen sie mich mit Stolz.“ 
„Das ist sicher nicht der einzige Unterschied zwischen Ihnen und mir“, vermutete Lairis.  
„Dennoch haben wir einen gemeinsamen Feind“, sinnierte Ko’tagh. „Unsere Geräte zeigen ebenfalls an, dass die beiden Toten keine Klingonen waren. Sie haben die Wahrheit gesagt, Lairis. Es besteht kein Grund, Sie länger festzuhalten.“ 
Es gelang der Bajoranerin nicht gleich, zu verinnerlichen, dass der Klingone sie in die Freiheit entließ. „Aber … das Kraftfeld …“ 
„Ich habe es nicht wieder hochgefahren, nachdem Rorkh es ausgeschaltet hatte. Ihr Shuttle ist ebenfalls sauber. Sie können gehen.“ 
„Dann führen Sie mich bitte zu meinem Shuttle.“ Lairis konnte immer noch nicht glauben, dass sie frei war.   
Ko‘tagh sah sie durchdringend an, hielt sie mit seinen schwarzen Augen buchstäblich fest. „Es gibt etwas, dass Sie wissen sollten … über Ihr Schiff.“ 
„Ja?“ Ein klammes Unbehagen breitete sich in Lairis‘ Magengrube aus.   
„Unsere Sensoren können es nicht mehr orten. Wir gehen davon aus, dass es in die Sonne gestürzt ist.“ 
„Was?“, rief die Bajoranerin entgeistert. 
„Vielleicht besteht ein Rest von Hoffnung – aber als ich die DEFENDER das letzte Mal sah, flog sie schlingernd wie ein sterbender Mek’lahr-Geier direkt in die Corona des Sterns.“ 
Lairis gab sich die größte Mühe, gefasst zu wirken, doch Ko’tagh erkannte das Entsetzen in ihren Augen.  
Die DEFENDER trudelte in Richtung Sonne, direkt in die Corona … Ein weiterer Bluff seitens Jerad? Oder hatten die Klingonen ihr Schiff tatsächlich manövrierunfähig geschossen?  
Hoffentlich kam Jerad auf die Idee, die Tarnvorrichtung einzuschalten, wenn es im wahrsten Sinne des Wortes brenzlig wurde!  
„Ich wünschte, Ihre Crew wäre ehrenvoller gestorben“, äußerte Ko’tagh sein Beileid. „Aber Sie werden ein neues Schiff bekommen, ein besseres.“ 
„Nein“, gab sie tonlos zurück. „Es gibt kein besseres Schiff als die DEFENDER.“

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