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Q-Mas

von T'Len

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„Der Baum ist einfach perfekt, Geordie“, meinte Jean-Luc Picard anerkennend. „Er sieht aus wie echt.“

„Er ist echt, Captain“, erwiderte der Chefingenieur lächelnd.

„Wo haben Sie hier mitten im Nirgendwo einen echten Baum aufgetrieben?“ Picard war ehrlich verwundert.

„Ich habe von unserem Landurlaub auf Betazed vor drei Monaten einen Setzling mitgebracht“, erklärte Geordie. „Wir haben ihn im Arboretum eingepflanzt und Data hat eine spezielle Nährlösung für schnelles Wachstum entwickelt. Unser größtes Problem war, ihn in einem Stück hier her zu bekommen, ohne das er Schaden nahm.“

Picard sah sich in Zehn Vorne um. Die Lounge war für die Weihnachtsfeier festlich dekoriert. Hinter den Fenstern funkelten die Sterne, obwohl sie sich im Warp-Antrieb befanden – mit Projektionen hatte Geordie das möglich gemacht. Grüne Girlanden zierten die Wände. Auch die Tische waren feierlich geschmückt. In der Mitte erstrahlte ein prächtiger, mit bunten Schleifen und echten Kerzen geschmückter Tannenbaum. Aus dem großen Sack, der darunter lag, würde Will Riker, als Weihnachtsmann verkleidet, nachher die Geschenke an die Kinder verteilen. Am Abend würden dann die Erwachsenen feiern. Picard wusste, dass Geordie die letzten Tage Überstunden geschoben hatte, um die Replikatoren mit allerlei Leckereien, nicht nur von der Erde, zu programmieren. Obwohl Weihnachten ein christlich-irdisches Fest war, würde die Crew gemeinsam feiern, wie eine große Familie, ganz unabhängig von der Herkunft jedes Einzelnen.

„Sie haben sich dieses Jahr selbst übertroffen, Geordie“, sagte er. „Vielen Dank!“

„Ich dachte, wir könnten es alle gebrauchen“, erwiderte LaForge.

Picard wusste, was er meinte. Die Begegnung mit den Borg hatte nicht nur auf seiner Seele Narben hinterlassen. Einige der Kinder, die bald lachend und lärmend den Raum stürmen würden, hatten ein Elternteil im Kampf verloren. Viele Mitglieder seiner Crew knabberten noch, wenn nicht körperlich, so doch psychisch, an den Folgen des Kampfes mit den Maschinenmenschen.


“Ein bisschen Frieden und Liebe wird uns allen gut tun“, bestätigte Picard.

„Gott, wie kitschig“, die Stimme ließ beide Männer zusammen fahren. Sie wussten genau, wem sie gehörte.

„Q!“, sagte Picard mit einer Mischung aus Ärger und Resignation. „Was wollen Sie schon wieder?“ Er sah sich nach dem Störenfried um und entdeckte ihn in der Spitze des Weihnachtsbaumes. Sein Gesicht erschien im leuchtenden Stern auf der Spitze.

Geordie war zum Interkom getreten, um die Sicherheit zu verständigen, auch wenn er wusste, dass all ihre Waffen nichts gegen das scheinbar allmächtige Wesen ausrichten konnten. Er stellte jedoch rasch fest, dass Q die Kommunikation blockiert hatte. Er blieb am Rand stehen und beobachtete wachsam die Szene.

„Was für eine unhöfliche Begrüßung. Das heißt ‚Frohe Weihnachten, mein lieber Q’, mon Capitan“, tadelte Q. Er stand mittlerweile neben Picard und strich sich die Starfleet-Uniform, die er trug, glatt.

„Was wollen Sie?“, wiederholte Picard. „Ich habe Ihnen wiederholt deutlich gemacht, dass wir kein Interesse an ihren Spielchen haben.“ Jean-Luc gab sich keine Mühe, die Unmut über die Störung aus seiner Stimme zu verbannen.

Q ignorierte ihm, umrundete statt dessen den Baum und blickte in den Sack. Er schüttelte den Kopf. „So sieht also Ihre angebliche Fortschrittlichkeit aus, Picard. Sie feiern ein Fest zu Ehren eines angeblichen Heilandes, in dessen Namen Ihre Vorfahren während der dunkelsten Kapitel der Menschheitsgeschichte Andersgläubige mordeten. Und das, obwohl nicht einmal die Hälfte Ihrer Crew überhaupt von der Erde stammt. Und“, er stieß mit dem Fuß gegen den Sack. „Sie machen Geschenke, wo Sie doch angeblich jedwede Form von Materialismus längst hinter sich gelassen haben, genauso wie religiösen Fanatismus.“

„Sie verstehen überhaupt nichts, Q“, erwiderte Picard. „Bei Weihnachten geht es schon lange nicht mehr um den Glauben oder um Geschenke. Es geht darum, Zeit miteinander zu verbringen, dem anderen eine Freude zu machen, einfach für einander da zu sein. Es geht um Liebe, Freundschaft, Familie. Aber das werden Sie nie verstehen.“

Q schnaubte abfällig. „Wie rührselig, mon Capitan.“

„Sie sind herzlich eingeladen, wenn Sie sich zu benehmen wissen, mit uns zu feiern“, sagte Picard und machte eine einladende Geste. „Ansonsten verschwinden Sie! Auf der Stelle!“

„Ihr Wunsch ist mir Befehl, ausnahmsweise.“ Q verschwand tatsächlich, nur um im Stern auf der Baumspitze wieder aufzutauchen.

„Ich warne Sie“, sagte Picard.

„Keine Sorge, mon Capitan“, erklang es von oben. „Ich werde ganz brav sein, damit ich auch ein Geschenk und nicht die Rute bekomme.“ Er lachte. „Übrigens, wenn Sie wüssten, wer der Weihnachtsmann tatsächlich ist...“

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„Es war ein wunderbares Fest“, so wie Will Riker, der mit Deanna Troi am Arm Zehn Vorne verließ, empfanden wohl die meisten Crewmitglieder. Mittlerweile hatte sich die Lounge bis auf Picard, Data und Geordie geleert.

Der Captain sah sich suchend um. „Hat jemand Q gesehen?“, fragte er. Er war bemüht gewesen, den ganzen Tag über den Baum im Auge zu behalten, doch weder war Q plötzlich aus seinen Ästen hervor gesprungen, noch hatte er sie alle in eine andere Dimension transportiert.

„Der ist schon vor Stunden verschwunden“, antwortete Geordie. „Es war ihm bestimmt zu langweilig und sentimental.“

„Schade, ich hatte gehofft, er würde etwas lernen können“, sagte Picard. Auch er dankte Geordie noch einmal, bevor er den Raum verließ.

„Geh ruhig schon vor“, wandte sich LaForge an Data und berührte ihn kurz mit einer zärtlichen Geste am Arm. „Ich komme gleich nach.“

Der Androide musterte seinen Freund. „Ist alles in Ordnung, Geordie?“, fragte er.

„Natürlich“, versicherte dieser. „Ich wäre nur gern noch einen Moment allein.“

Geordie atmete tief durch, als sich das Schott hinter Data geschlossen hatte, drehte sich dann langsam um seine Achse. Wieder war ein Weihnachtsfest vergangen. Erinnerungen an frühere Weihnachtsfeste zu Hause mit seinen Eltern und seiner Schwester wurden wach. Er seufzte. „Ich würde zu gern einmal den Weihnachtsbaum so sehen, wie die anderen ihn wahrnehmen.“ Als er merkte, dass er laut gesprochen hatte, hielt er sich rasch die Hand vor den Mund. Wie gut, dass außer ihm niemand mehr im Raum war.

Plötzlich flimmerte es vor ihm, der Raum schien sich zu drehen. Als Geordie seine Wahrnehmung wieder fokussieren konnte, war es gleißend hell vor ihm. Der Visor war verschwunden satt dessen sah er – sah wahrhaftig mit seinen Augen – auf den Weihnachtsbaum. Obwohl die Kerzen längst niedergebrannt und gelöscht waren, erstrahlte er nun wieder in vollem Licht.

„Q!“ Geordie entdeckte die Gestalt im Stern sofort. „Was haben Sie getan?“

„Menschen und ihre Dankbarkeit.“ Q seufzte und materialisierte neben Geordie. „Warum können Sie sich nicht einfach freuen, wenn man Ihnen einen Wunsch erfüllt?“

„Sie wissen genau, dass ich nicht...“, antwortete Geordie. Er hatte das Geschenk des Sehen Könnens schon einmal abgelehnt, als Riker, von Q mit dessen Macht ausgestatte, es ihm gab. Und er war entschlossen dies nun wieder zu tun.

„Keine Bange, es ist wie in diesem kitschigen Märchen der Menschen. Der Zauber verfliegt um Mitternacht.“ Q gestikulierte zur Tür. „Sie sollten sich also beeilen, wenn Sie einen Blick auf Ihren Schatz werfen wollen.“

Bevor Geordie etwas erwidern konnte, war Q verschwunden. „Fröhliche Weihnachten, Geordie LaForge“, ertönte seine Stimme aus dem Nirgendwo.

„Sie sind ja doch menschlich, Q“, erwiderte Geordie und ging zur Tür. „Vielen Dank.“

„Kein Grund, gleich beleidigend zu werden“, rief Q.

Der Weihnachtsbaum erlosch und Stille senkte sich über Zehn Vorne.

Ende

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