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Die letzte Offensive

von Chris Pike

Kapitel 1

Chris Pike wusch sich das Gesicht mit eiskaltem Wasser aus dem Bergsee. Er hob den Kopf und lauschte den friedlichen Geräuschen des Waldes. Chris sog die kühle Luft tief ein und füllte seine Lungen mit Sauerstoff. Dann angelte er nach dem Handtuch, das er neben sich bereitgelegt hatte, und trocknete das Gesicht und den Bart. 
Der kurze Sommer auf Ankaa neigte sich seinem Ende. Nicht nur die Tiere, die ihre letzten Futtervorräte sammelten, waren ein eindeutiger Hinweis darauf. Sein linkes Knie erinnerte ihn gnadenlos daran, dass der Winter vor der Tür stand. Dass es bereits jetzt schon kälter wurde, war ein Anzeichen dafür, dass es ein harter Winter werden würde, so wie damals, als er hier eingetroffen war. Er hätte den Winter beinahe nicht überlebt, so wie knapp ein Viertel der Bevölkerung.

*****

Nach mehreren Wochen zusammengepfercht auf einem Flüchtlingstransporter erreichten sie endlich Ankaa. Chris’ Zustand war in mehrererlei Hinsicht nicht der Beste. Die gebrochenen Rippen waren gerade erst wieder vollständig zusammengewachsen und sein zertrümmertes Knie würde er nie wieder schmerzfrei bewegen können. Außerdem hatte er den Großteil seiner Besatzung verloren. Das zu verarbeiten, würde nicht leicht werden. Er hatte überlebt, während die Leute, für die er verantwortlich war, gestorben waren. Chris hatte es nicht mehr ausgehalten. Er hatte von dort weggemusst. Viele ehemalige Sternenflottenoffiziere hatten sich einem jetzt längst zersplitterten Widerstand angeschlossen, doch er wollte nichts mehr mit dem Krieg zu tun haben. Er wollte weg, ein Leben fernab von jeglicher Gewalt und Zivilisation führen. Aus diesem Grund hatte er sich einen Planeten weit entfernt von dem Klingonischen Reich gesucht. Doch wenige Tage vor ihrer Ankunft war Ankaa von den Romulanern annektiert worden. Dass die Romulaner nicht einfach nur zusahen, während die Föderation unterging, hatte niemanden überrascht. Es war nur eine Frage der Zeit gewesen, bis sie damit begannen, ihr Reich auszudehnen. 

Nach ihrer Landung nahmen mehrere romulanische Soldaten sie in Empfang und brachten sie zur Registrierung in ein Gebäude, das als Hauptsitz der romulanischen Besatzer diente.

Chris hatte verschiedene Gerüchte darüber gehört, wie Romulaner ehemalige Sternenflottenoffiziere behandelten. Ihre beiden Völker lagen zwar nicht miteinander im Krieg, dennoch führten auch sie hin und wieder Verhaftungen durch, wenn sie sich davon einen Vorteil versprachen. Was mit diesen Offizieren geschah, wusste niemand. Vielleicht wurden sie dazu gezwungen, für die Romulaner zu arbeiten, oder, was deutlich schlimmer war, sie wurden an die Klingonen verkauft. 

Einer der Romulaner brachte Chris in einen kleinen Raum mit einem Tisch und zwei Stühlen darin. 

Setzen!“, wies ihn der Romulaner an und verließ den Raum.

Mehrere Tage wurde Chris verhört, in denen er sich bemühte, keine wichtigen Informationen preiszugeben. Insbesondere seinen Namen musste er für sich behalten. Schließlich gab der Subcommander Chris zu verstehen, dass er wusste, wer er war, und dass die Klingonen hocherfreut wären, ihn in die Finger zu bekommen. Immerhin war er der Kommandant des Flaggschiffes der Sternenflotte gewesen. Doch Subcommander Severus, selbst ein hochdekorierter und kampferfahrener Kommandant, besaß ein Einsehen mit ihm. Er verstand, dass Chris des Kämpfens müde war, dass er nur seinen Frieden finden wollte, auch wenn dies unmöglich für ihn war. 

Chris nahm die Papiere in Empfang und ging zu dem ihm zugewiesenen Transporter, der ihm zu einem Lager bringen sollte.

*** 

Sein Knie schmerzte mit jedem Schritt. Dennoch steuerte Chris fest entschlossen auf das Zelt zu, in dem er sich für dieses Lager registrieren lassen musste. Die hiesigen Lebensbedingungen zeigten sich ihm bereits ohne Beschönigung. Links und rechts der schlammigen Straße entlang war ein Zelt neben dem anderen aufgestellt. Schätzungsweise pferchten sie um die zwanzig Menschen in so ein Zelt. Dies mochte für kurze Zeit möglich sein, aber so konnten sie nicht ewig leben. 

Hin und wieder standen ein paar magere Gestalten vor den Zelten und unterhielten sich oder rauchten. Chris humpelte weiter. Sein Bein knickte immer wieder auf diesem Schlammweg weg. 

Ab und an musterte ihn das ein oder andere Augenpaar. Doch ansonsten konnte er in Ruhe den Weg bis zu seinem Ziel fortsetzen. 

Chris hatte sich das alles anders vorgestellt. Er wollte sich irgendwo, fernab der Stadt, ein kleines Häuschen bauen und seine Wunden lecken. 

Am Ende der Straße erreichte er endlich das Zelt, in dem er sich melden sollte. Er trat ein und sah sich um. Im hinteren Teil standen mehrere Tische, an denen man die Registrierung vornehmen lassen konnte. Chris stellte sich in die Reihe und kramte die Papiere aus der Jackentasche, die er von Severus erhalten hatte. 

Trotz der Flüchtlinge, die hier im Minutentakt eintrafen, herrschte keine Hektik unter den Helfern. Die einzigen, die nervös zu werden schienen, waren die Männer und Frauen, die um Aufnahme in diesem Camp hofften. Die Magie der Bürokratie, dachte Chris. Immerhin, Romulaner konnte er keine entdecken, was bedeutete, dass sich hier die Menschen selbst verwalteten. 

Der Nächste!“ 

Die Schlange bewegte sich, während die registrierten Flüchtlinge mit einem Bündel das Zelt verließen. 

Weitere Minuten vergingen, bis Chris an der Reihe war. 

Die Papiere bitte.“ Der Mann musterte ihn, während Chris sich setzte und die Unterlagen auf den Tisch legte. In den Papieren stand all das, was die Romulaner über ihn wussten. Von seiner Kleidungsgröße bis zu seinem letzten bekannten Aufenthaltsort, bevor er auf Ankaa angekommen war. 

Der Mann nahm die Dokumente entgegen und überflog diese. „Aufnahmenummer 28-359“, murmelte er. „Sie kamen bereits vor zwei Wochen nach Ankaa?“ 
„Ja, Sir“, antwortete Chris. 

Die Romulaner haben Sie in dieser Zeit in Gewahrsam behalten und verhört?“ 
„Ja, Sir“, bestätigte Chris auch dieses Mal. 

Ich will keinen Ärger in meinem Camp, Mister.“ 

Ich werde keinen Ärger machen, Sir. Die Romulaner haben das erkannt und mich Ihrem Camp zugewiesen.“ 

Na schön“, brummte der Mann. „Ich teile Ihnen Zelt 15 zu.“ 

Danke, Sir. Ich danke Ihnen.“ 
„Wie sieht es mit körperlicher Arbeit aus?“ Dabei ließ er den Blick unter den Tisch gleiten. 

Chris folgte seinem Blick. Vermutlich hatte er sein kaputtes Knie bemerkt, als Chris an den Tisch herangetreten war. „Früher hatte ich eine Farm. Körperliche Arbeit macht mir nichts.“ 

Eine Farm?“ Der Mann warf einen nochmaligen Blick in Chris’ Unterlagen. 

Ja, Sir. Es handelte sich dabei um einen kleinen Landwirtschaftsbetrieb. Hauptsächlich Getreideanbau. Ein paar Tiere zur Selbstversorgung. Das war natürlich vor meiner Dienstzeit bei der … “ 

Der Mann nickte und unterbrach ihn: „Schon gut, sie müssen mich nicht überzeugen. Melden Sie sich morgen im Versorgungszelt 4. Wir brauchen noch kräftige Männer für den Holzabbau. Der Winter wird kalt und wir hängen mit den Rodungen hinterher.“ Dann griff er hinter sich und angelte nach einem der vorbereiteten Bündel. 

*** 

Zelt 15 befand sich weitere sieben Zelte hinter dem Registrierungszelt, das vermutlich ursprünglich das Ende des Lagers gebildet hatte. 

Chris betrat seine neue Heimat. Am Eingang blieb er stehen und sah sich um. Zu beiden Seiten waren kleine Bereiche durch Vorhänge abgetrennt. Einige der Vorhänge waren zugezogen, andere zeigten, dass sich dahinter ein Bett und ein Nachtkästchen befanden. Seine anfängliche Vermutung, in den Zelten bis zu zwanzig Menschen unterzubringen, war gut geschätzt. Er ließ seinen Blick weiter durch das Zeltinnere schweifen. Vereinzelte Bewohner unterhielten sich. Ein Mann mittleren Alters versuchte sich mit Hilfe eines verrosteten Rasiermessers und einer Scherbe, die von einem Spiegel stammen musste, zu rasieren. Einen guten Zeitpunkt, sich einen Bart wachsen zu lassen, dachte Chris. 

Willkommen“, sagte eine Frau und trat auf ihn zu. „Ich bin Filia.“ 

Chris zwang sich zu einem Lächeln. „Christopher und danke für den netten Empfang.“ Er musterte Filia. Ihr dunkles Haar hing zottelig über ihre Schultern. Ein paar wenige silberne Strähnen hatten sich bereits eingeschlichen. Tiefe Augenringe versetzten ihrem sonst so zart wirkendem Gesicht eine harte Note. Chris vermutete, dass die Lebensumstände hier nicht ganz unschuldig waren. 

Du kannst dir einen Bereich aussuchen. Die offenen Vorhänge zeigen dir, welche Betten frei sind.“ 

Danke“, sagte Chris und lächelte erneut. Dann steuerte er auf das hinterste freie Bett zu und zog den Vorhang vor. Er warf das Bündel auf das Bett und entfernte den Gürtel, der es zusammenhielt. Das Nachtkästchen diente gleichzeitig als Aufbewahrungsbox, in die er die zwei Oberteile, die Hose und eine warme Jacke legte. Eine großzügige Erstversorgung der Romulaner, schoss es Chris in den Kopf. Die Ironie konnte er dabei nicht verbergen. Dann rollte er den Gürtel zusammen, um ihn ebenfalls in der Aufbewahrungsbox verschwinden zu lassen. 

Erschöpft ließ er sich auf das Bett sinken. Ein paar Mal atmete er tief durch, bevor er in die Innentasche seiner Jacke griff und ein Foto herauszog. Sein Atem wurde schwerer, seine Brust zog sich krampfhaft zusammen, als er auf das Bild blickte. Es schmerzte ihn so sehr und doch konnte er sich nicht davon trennen. Zu frisch war noch sein Verlust. 

Christopher? Ich bin es, Filia. Ich bringe dir eine Decke für die Nacht.“ 

Chris steckte das Foto wieder zurück in die Jacke und unterdrückte dabei krampfhaft Tränen, die sich in seinen Augen gebildet hatten. Nochmals atmete er tief durch. Dann stand er auf und zog den Vorhang beiseite. 

Filia grinste ihn an und drückte ihm die Decke in die Hand. 

Danke“, sagte Chris und legte die Decke auf das Bett. „Ist noch was?“, fragte er, als Filia keine Anstalten machte zu gehen. 

Ähm nein. Ja, also ich frage mich, ob wir vielleicht zusammen unsere Rationen einnehmen wollen?“ 

Danke, aber ich habe keinen Hunger“, antwortete Chris. Als er Filias enttäuschten Blick wahrnahm, fügte er rasch hinzu: „Vielleicht ein anderes Mal.“ 

Filia lächelte und bestätigte sein Gegenangebot. Dann drehte sie sich um und verschwand. 

Chris legte sich in das Bett. Er war müde und fröstelte leicht. Die Decke zog er bis unter das Kinn. Es dauerte nicht lange und er war eingeschlafen. 

*** 

Tage und Wochen waren vergangen und der Winter hatte bereits zweimal heftig zugeschlagen. Chris zog die warme Jacke über, die er an dem Tag seiner Ankunft hier im Camp erhalten hatte. Er streckte den Kopf nach draußen und fröstelte zugleich. Zwar war der Schnee, nach wenigen Tagen, größtenteils vom Boden geschmolzen, doch lagen noch dicke Schichten auf den Bäumen. 

Kaffee?“, fragte Filia und hielt ihm eine Tasse unter die Nase. 
„Oh, danke dir.“ Chris lächelte und nahm die Tasse entgegen. Er wärmte seine Hände und nippte dann an dem schwarzen Heißgetränk. „Ich muss los, Doppelschicht“, sagte er, nahm einen weiteren Schluck und gab die Tasse an Filia zurück. 

Auf dem Weg zu seinem Arbeitsplatz kam er an mehreren Zelten vorbei, die bereits mit einem Quarantäne-Warnschild versehen waren. Die ankaranische Grippe war sehr hartnäckig und hatte bereits einige Todesopfer gefordert. Ein Heilmittel gab es nicht. Medikamente, die für eine Linderung der Symptome sorgten, waren rar. Die Romulaner hatten zwar die Ressourcen, rückten aber kaum etwas davon für die verschiedenen Camps raus. Durch die herrschende Mangelernährung und die schlechte medizinische Versorgung war es nicht verwunderlich, dass ein schwerer Verlauf der Grippe zumeist tödlich endete. 

Nachdem Chris an der Waldfläche angekommen war, ging er zu der Werkzeugausgabe. Er griff sich eine Axt und verschaffte sich einen Überblick über die zur Fällung markierten Bäume. 

Hey!“, rief ein Arbeiter. „Wir könnten hier Hilfe gebrauchen!“ 

Chris zuckte mit den Schultern. Im Grunde war es egal, wo er arbeitete. Dann steuerte er auf den Mann zu, der ihn gerufen hatte. 

Sehr gut, wir können jeden Mann gebrauchen“, sagte dieser. „Wir müssen die gefällten Baumstämme von sämtlichem Geäst befreien und anschließend so zerkleinern, dass wir das Holz transportieren können.“ 

Ja, geht klar“, antwortete Chris und machte sich an die Arbeit. 

Die nächsten Stunden war er damit beschäftigt, Holzstämme auf eine transportable Größe zu bringen. Erst als ein Junge, vielleicht acht oder neun Jahre alt, zu ihm trat, ließ Chris die Axt sinken. Der Junge stellte einen Eimer auf den Boden. „Willst du was trinken, Mister?“ 

Dankbar nahm Chris den Kelch Wasser entgegen und trank gierig. Sein Hals war, schon seitdem er aufgewacht war, staubtrocken und kratzig. Vermutlich hatte er … 

Dario! Dario, was ist mit dir?“ 

Chris drehte sich blitzartig in die Richtung, aus der die besorgte Stimme gekommen war. „Danke, Kleiner“, sagte er knapp zu dem Jungen und ließ den Kelch in den Eimer fallen. Dann eilte er zu der kleinen Gruppe, die sich um Dario gebildet hatte. Er beugte sich zu ihm hinunter und legte zwei Finger auf Darios Handgelenk. „Er glüht und sein Puls rast. Er braucht dringend einen Arzt.“ 

Verdammt, jetzt hat es unsere Schicht auch erwischt“, murmelten vereinzelte Stimmen. 

Zwei Männer brachten Dario zurück ins Camp, der Rest wurde angewiesen, weiterzumachen. 

Chris ignorierte das Kratzen in seinem Hals und griff wieder nach seiner Axt. Mit jedem Stamm fiel ihm das Arbeiten schwerer. 

Nach Schichtende fiel Chris völlig erschöpft in sein Bett. Jeder Muskel in seinem Körper schmerzte. Die Arbeitsschichten hatten sich seit den neuesten Krankheitsfällen verdoppelt und dennoch waren sie ihrem Pensum weit hinterher. Die anderen Camps hatten ebenfalls mit Lieferschwierigkeiten zu kämpfen. Trotzdem, Holz und warme Kleidung waren in diesem harten Winter essenziell. Sobald der Schnee liegen blieb, würden Lieferungen von und zu den anderen Camps deutlich erschwert werden. 
Obwohl er todmüde war, wälzte er sich von einer Seite zur anderen. Chris schwitzte stark und dennoch fror er. 

*** 

Am nächsten Tag erwachte Chris nur sehr schwer. Er versuchte, sich aufzurichten. Doch alles drehte sich um ihn. Er biss die Zähne zusammen, gab sich einen Ruck und setzte sich auf. Übelkeit durchzuckte seinen Körper. Chris sprang auf seine wackligen Beine und stürzte in den Toilettenbereich. 

Über den Tag verteilt, hatte sich Chris mehrfach übergeben. Er fühlte sich elend. Jemand sagte etwas, doch konnte er die Worte nicht klar erfassen. Kurz darauf berührte etwas seine Stirn. Erneut sprach die Stimme zu ihm. Dieses Mal waren die Worte klarer. 

Du musst etwas trinken. Komm, ich helfe dir.“ 

Sein Oberkörper wurde behutsam aufgerichtet. Etwas berührte seine Lippen, woraufhin er instinktiv den Mund öffnete. Als Chris erkannte, um was es sich dabei handelte, riss er die Augen auf und trank hastig. Er musste husten, als er sich an dem Wasser verschluckte. 

Langsam“, mahnte ihn die Stimme. 

Chris drehte den Kopf, um nach der Quelle der Stimme zu suchen. „Filia…“ 

Nicht sprechen. Du musst deine Kräfte schonen. Das Fieber ist hoch, beinahe 40 Grad.“ 

***** 

Er hatte auch diese Sache überlebt. Diesen Winter hatten etwa ein Viertel der Flüchtlinge nicht überlebt. Anschließend wurden die Camps aufgelöst. Der überwiegende Teil wurde in die Stadt integriert, sodass die Produktionen geballt an einem Ort stattfinden konnten. Während des letzten Jahres hatte sich das Stadtleben tatsächlich positiv entwickelt.

Andere, wie er, erhielten die Genehmigung, sich ein Stück Land weit außerhalb von bewohntem Gebiet zu nehmen. Chris hatte dies Subcommander Severus zu verdanken, genauso, wie er ihm seine Freiheit zu verdanken hatte.

Er seufzte und ging dann zu dem Geräteschuppen, den er zwischen seiner Hütte und dem Stall gebaut hatte. Chris holte eine Axt aus dem Schuppen und begutachtete diese. Mit einem Finger strich er über das Axtblatt. „Stumpf“, brummte er missmutig und lehnte die Axt an den Geräteschuppen.

Chris ging weiter zu dem Stall und öffnete die Tür. Begrüßendes Schnauben hallte ihm entgegen.

„Guten Morgen, Primus. Na, gut geschlafen, mein Junge?“

Der Hengst machte eine nickende Bewegung, so als würde er ihm tatsächlich auf diese Frage antworten. 
Chris lächelte, nahm Sattel und Zaumzeug von seinem Platz und begann damit, Primus für ihren Ausflug vorzubereiten. Anschließend führte er Primus zum See, damit dieser seinen Durst löschen konnte. Währenddessen packte er die Axt in einen Sack und nahm einen weiteren Leinenbeutel vom Regal. Zu guter Letzt griff er nach dem Cowboyhut, der neben der Tür an einem Nagel hing und setzte ihn auf.

Chris ging zu Primus, befestigte beide Säcke an dem Sattel und stemmte sich selbst nach oben, sodass er sein linkes Bein möglichst wenig belasten musste. Für einen Moment blieb er reglos im Sattel sitzen und atmete tief durch. Neben den Wintermonaten war das Auf- und Absteigen eine weitere Herausforderung für Chris.

Primus’ Kopf schoss in die Höhe und seine Ohren drehten sich nach einem Geräusch, das der Hengst gehört haben musste, für Chris aber ein Geheimnis bleiben sollte.

„Na? Durst gelöscht? Dann können wir ja los.“ Chris lenkte Primus nach links, vom See weg. Sie ritten auf dem schmalen Weg, der an seiner Hütte vorbei führte.

Obwohl sie mehrere Höhenmeter zurücklegen mussten, waren sie heute deutlich schneller unterwegs, als dies die letzten Male der Fall gewesen war. Primus war heute sehr lauffreudig und Chris zügelte ihn nicht. Ihm selbst gefiel es, sich den Wind während des Galopps über weite Felder um die Nase wehen zu lassen.

Am späten Vormittag hatten sie Ankaa City erreicht. Es war die größte Stadt im Umkreis von fünfzig Meilen, was für Chris einen halben Tagesausflug bedeutete. Doch nur dort konnte er seine Vorräte für den kommenden Winter auffüllen.

Er steuerte den Stadtrand an. Neben dem Schild mit der Aufschrift „Willkommen in Ankaa City“ war ein großer Bildschirm aufgebaut, der die Nachrichten des Tages und wichtige Bekanntmachungen abspielte. Chris brachte Primus zum Stehen und starrte auf den Bildschirm. Was er dort sah, machte ihn wütend und traurig zugleich. Es wurde gerade darüber berichtet, wie ehemalige Sternenflottenangehörige von den Klingonen hingerichtet wurden. Fassungslos schüttelte Chris den Kopf. Noch immer, zwei Jahre nach dem endgültigen Fall der Föderation, gab es Widerstandsgruppen, die sich gegen die klingonischen Besatzer wehrten. Und diese zeigten jedes Mal aufs Neue, wie sinnlos es war, sich zu widersetzen. Chris wandte den Blick ab, als sie zeigten, wie die Gefangenen durch klingonische Schmerzstäbe auf äußerst qualvolle Weise hingerichtet wurden. Anschließend wurde eine Steckbriefliste eingeblendet. Die 50 meistgesuchten Sternenflottenoffiziere.

Viele der Namen waren Chris bekannt.

Admiral Barnett, Admiral Fitzpatrick, Admiral Berman, Admiral Cornwell

Cornwell, Katrina Cornwell! Sie lebte also. Bis zum jetzigen Zeitpunkt hatte er keine Kenntnis darüber gehabt, wer von denen, die er kannte, mit denen er vielleicht sogar gedient hatte, überlebt hatte und wer nicht.

Chris ging weiter die Liste durch.

Captain Ramart, Captain Varley, Captain Krasnovsky, Captain Hanson, Captain Pike

Chris schluckte. Er war sich bewusst, dass er nach seiner Ankunft auf Ankaa Glück gehabt hatte. Er verdankte Subcommander Severus sein Leben. Ein anderer Kommandant hätte ihn vermutlich an die romulanische Regierung übergeben. Je nach politischer Lage konnte ihm dies jederzeit blühen.

Die Nachrichten begannen von vorne und Chris lenkte Primus weiter in die Stadt hinein. Ankaa City erinnerte ihn immer wieder an alte Fotos, die er von amerikanischen Westernstädten aus dem 19. Jahrhundert gesehen hatte. Wenn sich seine Geschichtskenntnisse nicht irrten, dann waren sie mit der medizinischen Versorgung etwa auf dem gleichen Stand. Nur sehr spärlich teilten die Romulaner ihre Technologie mit der ankaranischen Bevölkerung. Die meisten hatten sich der Landwirtschaft angenommen. Diejenigen, die in der Stadt blieben, nahmen alte, längst in Vergessenheit geratene Berufe wieder auf, wie den des Schneiders oder des Schmieds. Andere betrieben Handel oder führten Geschäfte, boten verschiedenste Dienstleistungen an.

Chris sah sich um. Um diese Uhrzeit waren die Straßen für gewöhnlich belebter. Ein Schrei ließ ihn aufhorchen.

Etwa 50 Meter vor ihm rannten eine Frau und ein Mann auf die Straße. Hinter ihnen eilten mehrere romulanische Soldaten her. Sie riefen etwas, dass Chris nicht verstehen konnte. Dann zog einer der Romulaner seinen Disruptor.

Chris beschloss, nicht weiter dem Geschehen zu folgen. Er war hier, um Vorräte zu besorgen. Außerdem, nachdem er seinen Steckbrief gesehen hatte, sollte er die Füße still halten. Er lenkte Primus zu dem Krämerladen, seinem ersten Halt.

Chris ließ sich aus dem Sattel und vorsichtig zu Boden gleiten. Vor dem Laden waren Balken angebracht, an denen er Primus anbinden konnte. Dann nahm er den leeren Leinenbeutel vom Sattel und betrat den Laden.

***

Nachdem er die Einkäufe erledigt hatte, befestigte er den Leinenbeutel wieder an dem Sattel.

„Personenkontrolle!“

Chris zuckte kaum sichtbar zusammen. Er schloss die Augen und atmete tief durch. Das hatte ihm gerade noch gefehlt. Also war die Verhaftung, die er vorhin gesehen hatte, kein Zufall gewesen. Chris musste jetzt ruhig bleiben. Einfach nur kooperieren. Von dem Bild des Steckbriefes zu jetzt hatte er sich ziemlich verändert. Er trug schon lange einen Vollbart und einen Frisör hatte er seit Jahren nicht mehr gesehen. Wenn er Glück hatte, dann würde die Patrouille nicht so genau hinsehen, vorausgesetzt, sie hatten es überhaupt auf ihn abgesehen.

Immer bedacht darauf, dass die Romulaner seine leeren Hände sehen konnten, drehte er sich langsam um. Er blickte der Patrouille, die aus drei Romulanern bestand, in die Augen.

„Was ist in dem Beutel?“, fragte der Romulaner, dessen Abzeichen ihn als Lieutenant auswiesen.

„Nur ein paar Vorräte, Sir. Samen, Dörrfleisch, ein Laib Brot und andere Nahrungsmittel.“

Der Lieutenant blickte zu dem Soldaten rechts neben ihm. „Überprüfen!“ 
„Aber, Sir…“ Chris wollte widersprechen, wurde aber umgehend unterbrochen.

„Ausweis!“, schnauzte der Lieutenant. 
Chris nickte. „Dafür muss ich in meine Jackentasche greifen.“ 
Der Romulaner beäugte ihn misstrauisch, nickte jedoch.

In dem Moment, in dem Chris seine Hand in der inneren Jackentasche verschwinden ließ, rief der Soldat, der sich Primus genähert hatte: „Waffe!“ 
Blitzschnell schossen die Augen des Lieutenants von Chris zu Primus und dann zu dem zweiten Mann an seiner Seite.

„Sichern, Ulan!“

Der Soldat sprang blitzschnell auf Chris zu, packte seinen Arm und warf ihn hart gegen die Wand des Krämerladens.

„Hey! Was soll das?“, keuchte Chris, während er stolperte, da sein kaputtes Knie unter der plötzlichen Bewegung nachgab.

„Mund halten!“, zischte der Romulaner in sein Ohr. Dabei verdrehte er ihm schmerzhaft den Arm hinter dem Rücken.

„Schon gut, schon gut. Ich werde kooperieren.“ Chris ließ die Leibesvisitation über sich ergehen. Der Ulan zog den Ausweis aus Chris Jackentasche. Dann zog er Chris zurück und machte ein paar Schritte auf den Lieutenant zu, um diesem die ID-Card zu übergeben.

Chris’ Blick huschte von dem Lieutenant zu dem Soldaten, der die Axt triumphierend in Händen hielt und wieder zurück.

„Was wollen Sie hier in der Stadt damit?“, fragte der Lieutenant und zeigte auf die Axt, während er die ID-Card in ein Überprüfungsgerät steckte.

Chris schluckte schwer. Jetzt würde es darauf ankommen. Darauf, welche Befehle dieser Romulaner erhalten hatte.

„Na?“

„Die Axt ist stumpf. Ich muss sie schleifen lassen.“

Der Lieutenant nickte. „Ich lese hier sehr interessante Dinge über Sie.“

„Wo ist Subcommander Severus?“

„Er wurde befördert und zur Heimatwelt abkommandiert. Sie müssen jetzt mit mir vorliebnehmen, Mister Pike.“

Chris’ Herz schlug bis zum Anschlag. Was hatte der Lieutenant vor? Würde er ihn verhaften oder spielte er nur mit ihm?

„Ihr Wohnsitz ist sehr weit weg von Ankaa City.“

„Ich sagte bereits, dass ich Vorräte besorgen wollte. Sehen Sie in den Leinenbeutel. Darin befinden sich lediglich Lebensmittel.“

Der Lieutenant gab dem Soldaten ein Zeichen. Dieser übergab seinem kommandierenden Offizier die Axt und widmete sich dann dem Leinenbeutel. Das Erste, das er herauszog, war eine Flasche mit grüner Flüssigkeit.

„Ankaranisches Ale“, bemerkte der Lieutenant und lächelte süffisant. „Ja, tatsächlich nur Lebensmittel.“ Dann gab er Chris die ID-Card zurück. „Sie können weiter. Wir behalten Sie aber im Auge.“ 
„Danke, Sir. Meine Axt?“ 
„Oh ja, natürlich“, sagte der Lieutenant und reichte diese ebenfalls an Chris weiter. 
„Und das …“ 
„Ist konfisziert.“ Der Lieutenant grinste herausfordernd.

„Mit welcher Begründung?“

„Das Führen von waffenähnlichem Gerät, während gleichzeitigem potentiellem Alkoholkonsum, verstößt gegen Paragraph 21, Absatz 3, der Besatzungsregelungen von Ankaa.“


Chris mahlte mit den Zähnen, schluckte aber eine passende Bemerkung hinunter. Er konnte froh sein, dass ihn der Romulaner nicht verhaftet hatte, noch nicht. 
„Natürlich. Bitte verzeiht, diese Regelung war mir kurzzeitig entfallen.“

Chris steckte die ID-Card zurück in die Jackentasche und ließ die Axt wieder in dem Beutel, der noch am Sattel befestigt war, verschwinden. Dann stemmte er sich auf den Sattel und nahm den Leinenbeutel von dem romulanischen Soldaten entgegen.

„Einen schönen Tag noch, Mister Pike.“ Chris konnte das Grinsen förmlich hören, das ihm der Lieutenant mit diesen Worten entgegenbrachte.

„Sie mich auch“, murmelte er. Am liebsten hätte er diesem Typen gezeigt, was er von ihm hielt.

„Was sagten Sie?“

„Nichts. Ihnen auch einen schönen Tag.“

Der Lieutenant lachte laut auf, gab den beiden Soldaten ein Zeichen und zog mit ihnen weiter.

Chris führte Primus weiter die Straße entlang. Am anderen Ende der Stadt lag der Schmied, bei dem er seine Axt schleifen lassen wollte. Außerdem benötigte er Nägel und Schrauben für diverse Ausbesserungen an Stall und Geräteschuppen.

Er konnte nur hoffen, das er keiner weiteren Patrouille begegnete.

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