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Equinox

von Syrinx

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Ich weiß nicht genau, wann es angefangen hat. War es New Earth? Waren es die Kazon, die Hirogen, die Malon, die Borg? Der Delta Quadrant hat viele Gesichter.

Du hast deines irgendwo da draußen verloren.

Ich habe mich in den letzten Wochen und Monaten oft gefragt, wo die vor Energie nur so sprühende Kathryn Janeway geblieben ist, die den Fürsorger bekämpft und auf New Earth Tomaten gepflanzt hat. Ich hatte gehofft, nein, ich war mir sicher gewesen, dass sie stark genug gewesen wäre, hier draußen, wo das Chaos regiert, zu überleben. Ich hatte es selbst in unserer dunkelsten Stunde gehofft. Auch als du drüben auf dem Kubus warst und ich über Wohl und Wehe der Crew zu entscheiden hatte. Diese Hoffnung hat mich vorangetrieben, sie war etwas, wofür es sich zu kämpfen lohnte, eine kleine Flamme, die auch in der tiefsten Nacht für Licht sorgte.

Die Hoffnung stirbt zuletzt. Welch grausame Worte. Die Wahrheit kann grausam sein, hier draußen ist sie es allemal. Ich habe die Zeichen ignoriert, ich wollte sie nicht sehen. Ich habe mich an meine Hoffnung geklammert wie ein Ertrinkender an einen Rettungsring. Und dabei war es so offensichtlich...

Weißt du noch, damals, auf dem Lake George? Du warst wunderschön, deine Haare schimmerten bleich im Mondlicht, als du mir lachend eine Anekdote von einem gemeinsamen Professor an der Akademie erzähltest. An diesem Abend warst du noch du selbst, warst du noch Kathryn. An diesem Abend dachte ich, dass du es schaffst. Das wir es gemeinsam schaffen würden. Doch dann kamen die Borg.

Ich weiß, das du es mir nie verziehen hast, dass ich deinen Befehlen nicht Folge geleistet habe. Es ist mir nicht leicht gefallen, ganz im Gegenteil. Ich will mich dafür nicht rechtfertigen. Für dich war es Verrat an der Voyager und vor allem an dir. Es tut mir noch heute weh, wenn ich an die Enttäuschung in deinen Augen zurückdenke, als du wieder auf die Voyager kamst.

In diesem Moment spürte ich zum ersten Mal, das ich Kathryn verloren hatte. Das ausgerechnet ich deine Befehle verweigert hatte, muss dich hart getroffen haben. Ich wusste bis zu diesem Zeitpunkt nicht, dass dein Vertrauen in mich so groß gewesen ist. In dem Moment, in dem ich es erfuhr, hatte ich es auch schon verloren.

Du hast dir Mühe gegeben, mich das nicht spüren zu lassen. Wir haben uns weiterhin abends zum Essen getroffen und du hast mich in schwierigen Situationen um Rat gebeten. Doch du warst immer der Captain bei diesen Treffen, Kathryn bekam ich nicht mehr zu Gesicht.

Während der Durchquerung des leeren Raums dachte ich, wir hätten dich verloren. Deine versteckte und doch so offensichtliche Verzweiflung war kaum zu ertragen für mich. Du warst so hoffnungslos, resigniert, erstickt in Selbstzweifeln und Schmerzen, dass ich dich am liebsten geschüttelt hätte, auf das all dein Leid von dir abfiele. Damit du aus deiner Starre erwachst und wieder in das Leben zurückkehrst.

Wie froh war ich, als wir endlich wieder in eine sternenreiche Gegend gelangten. Ich dachte, dass du nun wieder mehr du selbst werden würdest. Doch du hast einen Teil deiner Starre mitgenommen, den du, was ich damals nicht wusste, wahrscheinlich nie wieder ablegen wirst.

Dann kam der Tag, als wir auf das Generationenschiff trafen. Ich habe dein Gesicht beobachtet, als Tuvok Harry und Tal dazu aufforderte, zur Voyager zurückzukehren. Deine Augen waren dunkel vor Wut und die Fältchen um deinen Mund vertieften sich. Ich spürte eine plötzliche Welle des Mitleids für dich. Erst ich, dann Tom Paris, und wenige Wochen später Harry. Ausgerechnet Harry. Ich weiß, dass sein Verrat dich auf einer anderen, tieferen Ebene getroffen hat als meiner oder Toms. Ich bin ein Ex-Maquis, Tom ist ein ehemaliger Sträfling, von uns hast du wohl nichts anderes erwartet. Aber Harry hatte die Akademie mit Bravour abgeschlossen, er war ein Sternenflottenoffizier, wie er im Buche steht. Und er hatte gegen deinen ausdrücklichen Befehl gehandelt. Doch auch damit hast du dich abgefunden.

Und dann trafen wir auf die Equinox. Ein Sterneflottencaptain, welcher unschuldige Wesen tötete, um sie als Brennmaterial zur Verbesserung seines Antriebes zu nutzen. Für dich muss an diesem Tag eine Welt zusammengebrochen sein. Du hast es dir zur Aufgabe gemacht, Ransom und seine Crew für ihre Verbrechen zur Verantwortung zu ziehen, worin ich dich völlig unterstützt hätte. Doch der Zweck heiligt nicht alle Mittel. Hättest du Lessing wirklich den Kreaturen ausgesetzt? Ich war geschockt, mit welcher Kälte und Gleichgültigkeit du die Schilde um den Frachtraum deaktiviert hast. Hättest du ihn sterben lassen?

Du musst gewusst haben, dass ich das niemals toleriert hätte. Das ich eingreifen würde. War es gleichzeitig eine Herausforderung an mich gewesen? Ein Test, ob ich deine Befehle ein weiteres Mal verweigern würde? Wenn ja, habe ich ihn nicht bestanden. Ich habe dich wieder enttäuscht. Wie schon so oft auf unserer gemeinsamen Reise.

Aber ich muss sagen, dass du mich auch enttäuscht hast. Zum ersten Mal, zugegeben. Ich habe dich immer geachtet, ebenso deine Befehle, selbst wenn ich sie in Frage gestellt habe. Doch ich stand immer hinter dir und deinen Motiven. Erinnerst du dich an die Geschichte, die ich dir auf New Earth erzählt habe? Der Krieger war immer an der Seite der schönen Kämpferin.

Doch dieses Mal gingst du zu weit. Du hast dich in die Rache der Lebensform hineingesteigert, du hast sie zu deiner eigenen gemacht. Du wolltest die oberste Direktive und alle deine Prinzipien rächen, aufgrund welcher wir im Delta Quadrant gestrandet sind. Hast du in Ransom gesehen, wie unsere Reise hätte verlaufen können, wenn du andere Entscheidungen getroffen hättest? Du hattest mehrmals die Möglichkeit, auf Kosten fremder Spezies die Voyager nach Hause zu bringen. Ich weiß, dass du es dir vorgeworfen hast, diese Möglichkeiten nicht wahrgenommen zu haben. Die Crew, wir alle zahlen den Preis dafür, 70 Jahre im Delta Quadrant. Weißt du nicht, dass wir hinter dir stehen? Du hast damals die richtige Entscheidung getroffen.

Oder hat dich das Wissen aus der Bahn geworfen, dass nicht alle Captains der Sternenflotte sich so an Prinzipien und Direktiven klammern wie du? Die Tatsache, dass ein anderes Föderationsraumschiff dort draußen ist, welches nicht zu den Guten gehört? Welches die schwarze Uniform beschmutzen konnte? Kathryn, ich verstehe deine Wut, deinen Schmerz, deine Enttäuschung.

Doch ist es nicht gleichzeitig auch meine Pflicht als Erster Offizier, dir zu sagen, wann du zu weit gehst? Du gingst zu weit, viel zu weit. Du hast dich verloren. Selbst Tuvok musstest du mit Suspendierung drohen, er wollte dich ebenso wie ich daran erinnern, dass dies kein persönlicher Vergeltungsschlag war. Du hast es deutlich gemacht, dass du mit Ransom abrechnen willst. Aber hast du nicht gesehen, dass du dich dabei auf sein Niveau begeben hast? Das Niveau, das du so verabscheutest? Ransom hatte Seven, wir hatten Noah Lessing. Ransom und du, ihr hättet beide eure Geisel getötet, um an die gewünschte Information zu gelangen. Hieltst du das wirklich für den richtigen Weg?

Ich hatte an diesem Tag das Gefühl, dich zum ersten Mal in meinem Leben richtig gesehen zu haben. Kathryn Janeways wirkliches Gesicht. Jetzt bin ich mir nicht mehr sicher. Sollte ich mich wirklich so in dir getäuscht haben? Warst das wirklich du, die Lessing umbringen wollte? Hat dich der Delta Quadrant so verändert? Die Kathryn Janeway, die ich auf New Earth kennenlernte, hätte das nie getan.

Oder war dein Verhalten an diesem Tag wieder nur eine deiner Masken? Ich weiß es nicht. Ich werde es auch nicht wissen.

Du hast zu Lessing gesagt, das sich jeder seine ganz eigene Hölle macht. In diesem Moment wurde mir vieles klar, was ich mir vorher nie eingestehen wollte. Was schlußendlich Lessings Rettung war. Der Delta Quadrant war deine Hölle. Egal, was ich tat, oder was ich nicht tat, ich konnte dich nicht davon befreien. Ich glaubte, das ich es könnte. Das ich nur lange genug durchhalten müsste, dass ich dir immer zeigen müsste, was das Leben noch für dich, für uns bereithalten kann. Auch wenn wir weit entfernt von zu Hause sind. Doch du hast dir deine Hölle geschaffen. Eine Hölle aus einschränkenden Direktiven, Selbstzweifeln, Ungewissheit, ob du das richtige getan hast und was wohl als nächstes kommen mag. Überlegst du dir morgens, wenn du das Bett verlässt, welche Entscheidungen du heute treffen musst, die du vielleicht in ein paar Wochen wieder bereust? Dein Berg an Selbstvorwürfen muss riesig sein, Kathryn. Untragbar. Ich wollte dir einen Teil deiner Last abnehmen, sie für dich etwas erträglicher machen. Doch du hast abgelehnt. Du hast dich mit allen dir zur Verfügung stehenden Mitteln gewehrt, dir ein erträgliches Leben auf der Voyager einzurichten. Denkst du, das stünde dir nicht zu? Denkst du, du hättest es nicht verdient? Lieutenant Suder oder Fähnrich Kapplan würden mir sicher zustimmen. Du hättest es verdient. Aber du lebst in deiner eigenen, ewig finsteren Verdammnis.

Unsere Reise nach Hause wird uns noch vor viele neue Herausforderungen stellen. Wir werden sie meistern, wie auch all die anderen, die bereits hinter uns liegen. Da bin ich ganz sicher.

Doch zwischen uns wird es wohl nie mehr werden wie zuvor. Du hast mir einen kleinen Finger gereicht, in Form von Croutons. Ich habe dir auch einen kleinen Finger gereicht, in Form der Plakette der Voyager. Doch der Hoffnungsschimmer, der seit New Earth in mir gebrannt hat, ist erloschen. Es ist einfach zu viel geschehen, zu viel, was mir gezeigt hat, das wir beide über eine berufliche Ebene hinaus nicht funktionieren könnten. Du bist der Captain der Voyager. Kathryn ist, langsam und Stück für Stück, dem Delta Quadrant zum Opfer gefallen. Ich werde sie vermissen, obwohl ich sie nie richtig kennengelernt hatte. Ich werde um sie trauern, ich werde all die Träume, die ich von ihr und mir hatte, begraben. Aber ich werde auch nach vorn blicken, in die Zukunft. Hoffnungslos, aber erwartungsvoll. Auf der Erde würden sich unsere Wege jetzt trennen. Hier auf der Voyager ist das nicht möglich. Wir werden diesen, unseren Weg noch ein Stück gemeinsam gehen müssen, jeder auf seiner Seite. Ob sie sich noch einmal kreuzen werden? Ich weiß es nicht.

Verstehe mich nicht falsch, ich werde dir auch weiterhin als loyaler Offizier zur Seite stehen. Aber erwarte nicht von mir, dass ich dir, ohne vorher einen Blick hinunterzuwerfen, hinterher springe. Ich werde dich unterstützen, aber ich werde dir auch im Weg stehen, wenn ich es muss.

Auch wenn du das hier niemals lesen wirst, möchte ich trotzdem sagen, dass es mir leid tut, Kathryn. Ich wünschte, das Leben wäre etwas gnädiger zu dir gewesen und hätte dir die Wunden und Narben erspart, die dich so hart werden ließen. Statt dessen bleibt mir wohl nur, dir alles Gute zu wünschen. Ich bin mir sicher, dass du uns und die Voyager sicher nach Hause bringst.

ENDE
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