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Allein

von ShiKahr

Kapitel 1

Wie lange saß er da schon? Die Fingerkuppen aneinander gelegt, die Augen geschlossen und in Gedanken. Im Bett an dessen Kante er saß, lag sein Partner James Kirk. Er war alt und schwach, und bald würde Jim ihn verlassen müssen, für immer. Die Jahre die sie miteinander geteilt hatten waren schön, aber auch schwer gewesen und nichts was er getan hatte, nichts wofür er ... sie sich entschieden hatten, hätte er jemals ändern wollen. Es war ein erfülltes und glückliches Leben gewesen, weil er Jim hatte. Weil er nicht allein war. Doch nun war es Zeit von Jim Abschied zu nehmen. Er würde gehen. Es würde nicht mehr lange dauern. Mit etwas Glück hatten sie noch einige Stunden. Trauer und der bevorstehende Verlust ließen ihn hilflos zurück.

 

"Spock", hörte er es angestrengt neben sich und sah zu dem alten Mann hin, der ihn mit trüben Augen ansah.

"Ja Jim, was kann ich für dich tun?" fragte er und spürte, wie seine Stimme versagte.

"Ich habe Angst, Spock.", flüsterte Jim.

"Das musst du nicht, ich bin bei dir."

 

Jim griff hektisch nach Spocks Handgelenk, krampfte sich fest und Spock war überrascht, wie viel Kraft sie noch hatte. Panik lag in Jims Augen. Er hatte Angst vor dem Sterben. Spock konnte sie spüren, die Angst gehen und seinen Partner allein zurücklassen zu müssen. Sein Gelenk begann zu schmerzen, so fest drückte Jim es, doch er sagte nichts, akzeptierte diesen Schmerz als den Teil, den er tragen wollte, den Teil, den er Jim abnehmen konnte. Spock beugte sich zu ihm und strich ihm mit der freien Hand eine Träne ab, die sich aus einem Auge des Menschen löste. War es eine Träne der Trauer, der Angst oder einfach nur des Alters? Er wusste es nicht. Jim sah ihn an und Spock versuchte ein Lächeln. Doch es wurde nur eine Grimasse, weil auch ihm die Tränen in die Augen stiegen. Das Unterfangen seine Gefühle vor dem Menschen zu verbergen hatte er vor Jahren aufgegeben, denn Jim durchschaute ihn ohnehin. Es machte keinen Sinn mehr.

 

Jims Hand löste sich und er spürte die zarte Haut des alten Mannes in seinem Gesicht, spürte, wie Jim auch ihm die Tränen wegwischte.

 

"Wieso weinst Du, Spock?"

"Ich weine nicht.", log er, obwohl er wusste, dass das sinnlos war.

"Natürlich nicht", Kirk lächelte so gut er konnte, obwohl es ihn sehr anstrengte.

"Jim", begann Spock mit leiser Stimme, "was werde ich tun, ohne dich?"

"Geh raus und lebe. Such dir einen neuen Partner ... oder eine Partnerin, Spock. Du hast noch dein halbes Leben vor dir. Genieße es. Trauere nicht um mich. Solange Du mich nicht vergisst, werde ich bei Dir sein."

 

Spock begann zu weinen. Die Tränen ließen sich nicht mehr zurückhalten. Er senkte seinen Kopf. Jim strich ihm über das Haar, was es für Spock noch schwerer machte, sich wieder zu fassen.

 

"Weine nicht, T'hy'la." Jim atmete laut und schwer und seine Worte waren kaum zu hören.

 

Spock sah auf, wischte sich die Tränen ab und hauchte seinem Menschen einen Kuss auf die trockenen Lippen. Dabei sah er Bilder aus der Vergangenheit. Ihr erstes Zusammentreffen, als Jim die 'Enterprise' übernommen hatte, ihr erster gemeinsamer Landurlaub, damals noch als Freunde zusammen mit McCoy, der leider schon lange von ihnen gegangen war - Spock vermisste die Streitgespräche mit dem Arzt noch immer - dann die erste scheue Berührung, der erste Kuss ... das erste Mal. Wäre Jim damals wie geplant, nach Rigel IV gefahren, wäre Jim jetzt allein. Spock hatte damals gerade eine schwere Erkrankung überstanden, die ihm fast sein Leben gekostet hatte. Jim war so oft es seine Zeit zuließ bei ihm. Das geschwächte Immunsystem hatte dann sein Pon Farr früher als erwartet ausbrechen lassen und es war Jims Entscheidung gewesen, bei ihm zu bleiben. Er verdankte ihm so viel, dachte Spock, er verdankte ihm sein Leben. Und nun saß er hier und musste zusehen, wie Jim starb und er konnte nichts tun. Er konnte nur bei ihm sein.

 

Immer wieder hatte er darüber nachgedacht, wieso er anfangs seine Gefühle für Jim so negiert hatte. Auf der Suche nach einer Antwort sah er immer wieder Sarek vor seinem inneren Auge. Die Ablehnung die dieser ihm entgegengebracht hatte, die beinahe Hass glich, als er ihn das erste Mal auf eine mögliche Partnerbindung mit diesem Menschen ansprach. Es tat ihm heute noch, nach all den Jahren, weh. Seine Mutter hatte ihn unterstützt. Sie wollte immer nur ihren Sohn glücklich sehen und so war sie froh, dass er jemanden gefunden hatte. Für sie als Mensch war Spocks Wahl kein Problem. Doch als guter Sohn hatte er sich schließlich Sarek gebeugt, sich von Kirk gelöst, die Sternenflotte verlassen und war zum Vulkan zurückgekehrt, um dort sein Kolinahr abzulegen.

 

Die jahrelange Trennung nach ihrer zweiten 5-Jahres-Mission, die Zeit der Meditation, die er hatte während er auf Vulkan weilte, hatte ihn schließlich zu der Erkenntnis gebracht, dass er ohne Jim nicht leben konnte, nicht leben wollte. Spock war zur Sternenflotte zurückgekehrt und auch zu Jim. Er war sich nicht sicher über Jims Reaktion, aber als er damals nach all den Jahren die Brücke der 'Enterprise' betrat und in Jims Augen sah, die so viel Liebe, Sehnsucht und Wiedersehensfreude ausdrückten, wusste er, dass es die richtige Entscheidung gewesen war.

 

Spock spürte, wie sich die Gestalt neben ihm entspannte und erschrak. Er stand ruckartig auf, weil der dachte, Jim wäre gegangen und wollte den medizinischen Dienst rufen. Doch Jim war nur eingenickt.

 

"Wo gehst du hin?", hörte Spock und atmete erleichtert aus.

"Ich dachte ... du wärst ..." er schluckte hart.

"Ohne mich zu verabschieden? Spock, du solltest mich besser kennen..."

"Du hast Recht." Erleichtert setzte er sich wieder.

"Woran denkst du?", fragte Jim und Spock lächelte gequält, denn das war eine dieser Fragen, mit denen Spock den Menschen früher regelmäßig ungewollt verärgert hatte.

"An uns ..." antwortete Spock ihm ehrlich und kaum hörbar, "... daran, wie das mit uns begann ... an früher ..."

"Vulkanier können also auch nostalgisch sein?", scherzte Jim und musste husten.

 

Spock nahm ein Glas Wasser und reichte es seinem Partner. Er stützte mit seinem Arm Jims Kopf, so dass er trinken konnte. Erschöpft ließ sich Jim danach wieder auf sein Kissen sinken.

 

"Ich möchte jetzt schlafen, Spock." Der Vulkanier nickte. "Aber weck mich bitte, bevor ich sterbe." Jim grinste und Spock lächelte gequält zurück. Jim griff nach Spocks Hand, zog sie an seinen Mund und küsste sie. Dann schloss er die Augen und der Griff lockerte sich. Spock sah den alten Menschen neben sich erschrocken an. "Jim!" sagte er flehend. Kirk öffnete seine Augen wieder und flüsterte ihm zu "Jetzt noch nicht, mein Schatz ..." dann schloss er seine Augen wieder und schlief ein.

 

Gedankenverloren sah Spock ihn an und streichelte Jims Hand. Und wieder sah er Bilder aus der Vergangenheit vorbeiziehen, und wieder standen ihm die Tränen in den Augen.

 

Spock schrak aus seinen Gedanken als Jim den Druck auf seine Hand wieder verstärkte. Wie viel Zeit war vergangen? Spock sah zu Jim, der ihm leise, kaum hörbar, zuflüsterte, "... ich liebe dich, Spock, habe es immer getan und werde es immer, in jedem Leben ..." Mit geschlossenen Augen lächelte er ein letztes Mal und schlief endgültig ein. Gelähmt saß Spock an der Bettkante und brachte kein Wort heraus. Wie ein Stich ins Herz empfand er den Moment, als er spürte, wie das gemeinsame Band zerriss.

 

Spock brach zusammen und schluchzte nun hemmungslos. Er war froh in diesem Moment für sich zu sein, so konnte er seiner Trauer vollen Ausdruck verleihen. Alle die ihm nahe gestanden hatten waren nun gegangen. Sie hatten ihn zurückgelassen. Mit jedem Gedanken wurde es ihm schmerzlicher bewusst.

 

Er war allein.

 

 

Ende

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