Thyatira Sebennytos war immer noch an das Krankenbett gebunden. Ihre Kopfwunde schmerzte allerdings kaum noch. Wie durch Watte hindurch hörte sie die Stimmen.
„Der Captain wünscht die Patientin in der Lounge zu treffen. Wenn es keine medizinischen Gründe dagegen gibt, werden wir sie mitnehmen.“ Die Stimme kam ihr vertraut vor, aber im Halbdunkel der Sedativa traute Thyatira ihrer eigenen Erinnerung nicht.
Drei Figuren in Sicherheitsdienstuniformen traten ein, ein Remaner, ein Tholianer und ein Mensch. Die Arme des Tholianers leuchteten rötlich durch das Exoskelett.
„Lieutenant Sebennytos, ich bin Korporal Kiffa.“ Der menschliche Sicherheitsdienstler räusperte sich. „Wir bringen sie jetzt in die Lounge des Captains, wo Commander Rival mit Ihnen sprechen möchte.“
Der hünenhafte Remaner hielt einen bodenlangen plüschigen Bademantel in Händen. Er knurrte „Sie müssen sich keine Uniform anziehen. Die Captain ist mit einer informellen Situation zufrieden.“
„Ich bin der Captain! Und wenn jemand endlich aufhören würde mit diesem Schabernack, dann könnte ich auch den Fortgang der Reparaturen beaufsichtigen. Ich habe ja nur eine kleine Platzwunde gehabt. Ich bin der Captain!“
Eine Selay-Ärztin trat schlängelnd in den Raum und erhöhte auf Knopfdruck das Sedativum, worauf Sebennytos abrupt ohnmächtig wurde. „Ich habe schon gesagt, dass ich es aus psychiatrischer Sicht nicht für gut halte, wenn ihr neuer Status ihr genau von der Person mitgeteilt wird, die jetzt ihren Platz eingenommen hat. Auch wenn es dem romulanischen Kodex entspricht, würde ich hier eine andere Perspektive vorschlagen.“
Der Tholianer hatte bereits ein Suspensorsessel herbeibugsiert, in den der Remaner die betäubte Sebennytos setzte. Mit einem der Arme tippte der Tholianer eine Formel in das Datenbrett des Sessels, der mehrere Fixierungsgurte ausdruckte, um ein Verrutschen oder Aufstehen der in dem plüschige Bademantel wie ein kleines Kätzchen mit häutigem Gesicht aussehenden Sebennytos zu verhindern.
Rival blickte nochmals zu Akamakanscaff in seinem roten Breenanzug, dann ließ sie Irisscan und Türcodenummerneingabe über sich ergehen. Die Lounge war schön restauriert, alle Sessel standen wieder, das romulanische, das ägyptische und das breenische Drittel strahlte je seinen eigenen Glanz aus.
Thyatira Sebennytos saß gebunden in ihrem Suspensorstuhl, ihr plüschiger Bademantel stand in starkem Kontrast zu der romulanischen Uniform von Rival und dem Breen-Exoskelett von Akamakanscaff. Durch einen Fingerzeig ließ Rival die Wächter den Suspensorstuhl in das ägyptisierende Drittel des Raume schieben.
„Lieutenant Sebennytos, ich hoffe, Ihre Gehirnerschütterung ist auf dem Weg der Besserung. Ich habe Ak’Trun Akamakanscaff gebeten, dass wir diese Runde in privatem Rahmen machen, eher nach Ar der Sternenflotte. Wir beide sind soeben von der Diplomatenbesprechung und anschließenden Flottenbelehrung auf der Station Qhel Karanat zurückgekehrt. Und es ist mir ein persönliches Anliegen – auch aufgrund des Vertrauens, das wir in den letzten sechs Monaten der gemeinsamen Ausbildung erworben haben – Ihnen zu danken und Sie sehr herzlich zu Ihrer neuen Funktion zu beglückwünschen.“
Das Sedativum hinderte Thyatira daran, zu sprechen, doch sie versuchte mit ihren Augen so wütend als möglich zu zwinkern. Diese aufgeblasene Romulanerin hatte sie als ‚Lieutenant‘ bezeichnet, eine bodenlose Frechheit. Und nun wollte sie hämisch zu einer neuen Funktion gratulieren? ICH bin der Captain dieses Schiffes. DAS ist meine Funktion.
„Die cardassianische Führung bedauert zutiefst die Zerstörung der romulanischen Götterstatuen und wird keine Mühe unangetastet lassen, um dieses Unrecht zu sühnen. Cardassia Prima selbst wird die Reparatur der Statuen auf sich nehmen und auf dem Heimatplaneten der Union ein großes Heuopfer durchführen, wie es ihrer Tradition entspricht. Sie verzichten auch auf einen formellen Kriegsverbrecherprozess gegen Sie, Lieutenant, wegen der mutwilligen Beschädigung der Raumstation durch die Rettungsnetztspinnerdrohnen, die zu einigen Bränden und Hüllenbrüchen geführt haben. Ja, sie erlassen der Föderation – das wird Sie erleichtern – auch jegliche Wiedergutmachung.“
Was für eine Wiedergutmachung? Die Echsen haben viel zu früh mit dem Manöver begonnen, ich sollte eine Wiedergutmachung bekommen, zumindest einen taktischen Orden für meine schnelle Reaktion und die Rettung der Indagator. Was redest du da?
„Doch nun, Lieutenant Sebennytos, möchte ich Ihnen unser neues, von der Föderation entsandtes Besatzungsmitglied vorstellen.“ Rival betätigte das kleine, an ihrem Arm montierte Datenbrett, woraufhin eine Caitianerin in Sternflottenuniform eintrat.
Die kratzige Breenstimme Akamakanscaffs durchschnitt die lauschige Loungeatmosphäre. „Das ist Commander Alana Schnurr Miau von der Sternenflotte, sie ist der neue Zweite Offizier der Indagator.“
Die drei Wächter hinter Thyatiras Suspensorstuhl nahmen Haltung an. Die Caitianerin verbeugte sich kurz vor Rival und Akamakanscaff.
„Lieutenant, es ist mir eine Ehre, diese Funktion erfüllen und damit der Föderation Ruhm bringen zu können.“
Was? Wer ist diese Katze? Tritt Akamakanscaff aus der Mannschaft aus? Aber warum gibt es dann mit mir einen Föderationscaptain und mit ihr eine Föderationszweite Offizierin?
Rival aktivierte den Replikator selbst, ließ eine Dose Algenpaste, eine Schale Milch und einen romulanischen Tee herunter. Die Paste gab sie dem Breen, die Milchschale der Caitianerin. Den Tee behielt sie selbst in der Hand. Sie überlegte kurz, ob sie alle zum Hinsetzen auf die bequemen ägyptischen Polstersessel einladen sollte, doch das kam ihr dann doch zu vertraut vor.
„Da der Arzt Ihnen das Trinken noch nicht gestattet, um Sie vor Erstickungsnot zu bewahren, lade ich ein, auf die gute Lösung des ersten möglichen Konflikts anzustoßen.“
Der Breen erwiderte: „Auf Commander Rival, auf die Indagator!“
Alle drei tranken, Akamakanscaff durch das aus dem Helm geschossene Stilett, Alana, indem sie die Milch zum Mund hob und mit der zierlichen Zunge aufleckte und Rival, indem sie an der pfirsichgelben Teetasse roch und dann zwei kräftige Schlucke trank, sich dann erneute dem Breen zuwandte und sagte: „Und auf meinen Ersten Offizier, der unter Einsatz seines Lebens und seiner Gesundheit Befehle befolgt und das Gehörte umgesetzt hat.“ Sie trank noch zwei Schlucke, bevor sie sich an Alana wandte: „Und meinen Zweiten Offizier, die die Kooperation mit der Föderation besser gelingen lassen wird.“
‚Nein! Nein! Nein! DU bist mein Erster Offizier, ich bin die Captain dieses Schiffes.‘ Durchblitzte es Thyatiras Gehirn schmerzhaft. Sie versuchte mit aller Konzentration ein ‚Aber‘ zu hauchen, durch ihre Stimmbänder warten wie gelähmt.
Rival näherte sich vorsichtig Sebennytos und versuchte so zärtlich, wie Romulaner das können, ihr sanft auf die Schulter zu klopfen. „Wir haben auf der Station auch gehört, wie Ihr weiterer Weg verlaufen wird. Dass Sternenflottenkommando hat der Cardassianischen Union abverlangt, dass Sie zur Sühne für deren verfrühten Angriff als Austauschoffizier an die Militäruniversität nach Cardassia Prima versetzt werden, um dort sechs Jahre lang den cardassianischen Offizierskurs zu besuchen. Was für eine göttliche Fügung. Sie werden den Kurs dann wahrscheinlich zeitgleich mit unserer Rückkehr aus dem nephridischen Gürtel beenden. Juniorlegat Garak muss Sie sogar persönlich auf seinem Kreuzer auf die cardassianische Heimatwelt fliegen.“
Sebennytos Augen weiteten sich vor Schreck. Mit aller Kraft ballte sie ihre rechte Hand zur Faust.
„Es ist schön, dass sie ihre ganze Kraft für diese Aufgabe einsetzen wollen.“ Kratzte Akamakanscaffs Metallstimme durch den Raum.
„Nein, ihr versteht mich ja alle falsch. Ich will nicht nach Echsenhausen. Hört mich denn niemand. Ich bin Captain dieses Schiffes, ich leite die Mission und ich werde danach befördert werden.“
Die Caitianerin näherte sich ebenfalls und sagte mit samtweicher Stimme. „Die Sonnen von Andoria, Tellar und Vulkan mögen über Sie wachen, während sie Ihre gute Ausbildung auf Cardassia absolvieren. Und wenn das gelingt, wer weiß, werden Sie vielleicht wieder zum First Lieutenant befördert werden.“