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No comfort in the truth

von eyes_TP

Tag 145

Tag 145

Seven verbrachte den nächsten Vormittag damit, Tuvok bei seinen Routineaufgaben zu unterstützen. Beim Vorfall mit dem temporalen Torpedo hatte der Commander seine Sehfähigkeit verloren. Sie hatte Tuvoks Befehl in der betreffenden Situation nicht Folge geleistet. Seven ärgerte sich vor allem über ihre Fehleinschätzung des Vorfalls. Aus diesem Grund unterstützte sie den blinden Vulkanier wo es nur ging.

Unabhängig von der sich selbst auferlegten Aufgabe, genoss sie die Gegenwart des Vulkaniers. Er schien ihre Skepsis über die unrealisierbaren Reparaturen der Voyager zu teilen. Allerdings gehörte seine uneingeschränkte Loyalität Captain Janeway. Somit würde er sie um jeden Preis unterstützen, mochten ihre Beweggründe noch so aussichtslos und irrational scheinen.

Als Tuvok sich zu seiner nachmittäglichen Meditation zurückzog, machte sich Seven auf den Weg, um ihren Plan vom Vortag weiterzuführen. Als sie sich aus dem Turboliftschacht zog und auf dem Boden davor kurz ihre Muskeln entspannte, hörte sie die gleichen Geräusche wie an Tag zuvor. Kurz überlegte Seven B’Elanna zu ignorieren und ihre Mission fortzusetzen, aber etwas zog sie erneut zum Quartier der Chefingenieurin. Es bot sich ihr das gleiche Bild wie am Vortag. B’Elanna kämpfte, in das Licht des Nebels gehüllt, mit ihrem „Feind“, dem Sofa. Wenn Seven nicht Seven gewesen wäre, hätte sie über diesen Anblick vielleicht geschmunzelt.

Seven betrat das Quartier und B’Elanna hielt in ihrer Bewegung inne. Halbklingonin musste schon eine Weile hier trainiert haben. Schweißflecken hatten sich auf ihrer Uniform gebildet und sie wirkte erschöpfter als gestern.

Diesmal blickte B’Elanna Seven sofort an, trat ein paar Schritte zurück und deutete auf die Couch.

Seven, die es immer noch für aussichtslos hielt auf das Möbelstück einzuschlagen, dachte an die Worte des Doktors: „Gemeinsame Interessen vermitteln ein Zusammengehörigkeitsgefühl, welches sich positiv auf zukünftige Interaktionen auswirkt.“ Und ein Zusammengehörigkeitsgefühl war etwas, was die Crew gerade gebrauchen konnte.

Seven trat näher heran. Sie ballte ihre Hände zu Fäusten und blickte B’Elanna abwartend an. Diese deutete erneut, diesmal mit dem Kopf in Richtung Sofa. Seven versuchte einen ersten Schlag. Sie bevorzugte die weicheren Stellen des Möbelstücks. Nicht, weil sie es nicht aushalten konnte, sondern weil es ihr immer noch unsinnig vorkam, sich selbst zu verletzen.

Die ersten Schläge kamen zaghaft. Sie fühle das raue Material des Stoffes an ihren Fingerknöcheln. Je länger Seven das Sofa bearbeitete, umso zielgerichteter wurden ihre Schläge. Ungewollte Gedanken wallten in ihrem Inneren auf. Ihr unterdrückter Ärger kämpfte sich einen Weg in ihr Bewusstsein. Sie durchdachte ihre Entscheidung, dass sie bei dem temporalen Torpedo mit nur ein paar Sekunden zusätzlich wichtige Daten hätte sammeln können. Wie konnte Sie zu solch einer Fehleinschätzung kommen? Tuvok, der sich bei der Explosion schützend vor sie geworfen und wahrscheinlich ihr Leben gerettet, aber sein Augenlicht verloren hatte.

Sie reflektierte ihre Schwierigkeiten sich in der Crew und in das soziale Gefüge einzuordnen zu können. Wie sie nun weder Borg noch Mensch war und sich nirgendwo zugehörig fühlte.

 

Seven wusste nicht, wie lange sie mit ihren Gedanken und dem Sofa gekämpft hatte, bis B’Elanna ihr die Hand auf die Schulter legte. Es war Zeit aufzuhören. Seven Fingerknöchel waren wund und aufgeschürft. An einigen Stellen bluteten die leicht.

 

Die Chefingenieurin lehnte sich gegen eine nahegelegen Wand und ließ sich an ihr entlang in eine sitzende Position rutschen. Sie besah sich ihre Verletzungen an ihren Knöcheln und rieb daran.

Seven of Nine ging zum Fenster und warf einen Blick in den leuchtenden Nebel, bevor sie sich zu B’Elanna umdrehte.

„Erklären Sie Ihre Abneigung mir gegenüber?“, verlangte Seven.

Die Halbklingonin brauchte einige Sekunden, um die persönliche Frage und den üblichen, emotionslosen Tonfall der ehemaligen Borg in den richtigen Zusammenhang zu bringen. Dann versuchte sie Sevens Aussage abzuschwächen. „Es ist nicht so, dass ich Sie nicht mag, ich…“


„Ihre Feindseligkeit ist schwer zu ignorieren“, unterbrach Seven die angespannt wirkende Chefingenieurin und ließ keine Widerrede zu. Diese war auch nicht nötig, denn B’Elanna war bewusst, dass Seven mit ihrer Bemerkung nicht unrecht hatte. Sie fühlte sich in Sevens Nähe unwohl und zeigte das auch. Was sollte sie erwidern?

 

Aber die blonde Frau schien mit ihren Ausführungen noch nicht am Ende zu sein und der Halbklingonin blieb keine Zeit für eine Antwort. „Bei dem, was ich über Ihre Vergangenheit in Erfahrung gebracht habe, scheint es mir unlogisch, dass Sie mir derartige Gefühle entgegenbringen.“

„Sie haben meine persönliche Akte gelesen?“ Wütend funkelte B’Elanna die blonde Frau an. Ihre Vergangenheit war eine Angelegenheit, die sie am liebsten für sich behielt und auch vor sich selbst, ganz tief in ihrem Bewusstsein begrub.

„Ich lege Wert darauf zu wissen, mit wem ich arbeite. Bei den Borg gab es keine Geheimnisse. Alle individuellen Eigenschaften wurden zum Kollektiv hinzugefügt. Alle Borg agierten unabhängig von persönlichen Erfahrungen gleich und man musste auf individuelle Verhaltensweisen keine Rücksicht nehmen.“


B’Elanna starrte Seven an. „Wir sind hier aber keine braven Borgdrohnen“, fauchte sie.


„Sie hatten in Ihren Leben oft mit Vorurteilen, bezüglich Ihrer klingonischen Abstammung, zu kämpfen. So wie ich das sehe, auch oft zurecht. Sie können Ihre klingonische Natur nur schwer zügeln.“

„Jetzt gehen Sie ein wenig zu weit, meinen Sie nicht?“ B’Elanna knurrte ihre Antwort fast. Sie mochte nicht, worauf dieses Gespräch hinauslief. Seven hatte einen wunden Punkt erwischt, mit dem die Halbklingonin nur schwer umgehen konnte.

Doch Seven konnte die aufsteigende Wut B‘Elannas in dem dämmerigen Licht nicht erkennen und fuhr fort: „Nur weil Sie in Ihrem Leben schlechte Erfahrungen gemacht haben, gibt Ihnen das noch lange nicht das Recht, mir gegenüber feindselig aufzutreten.“

B’Elanna sprang auf. Mit langen, zielgerichteten Schritten durchquerte sie ihr Quartier und stand nur wenige Augenblicke später vor der jungen Frau. „Ich bin nicht feindselig. Sie waren Borg! Sie haben hunderte Humanoide assimiliert - quasi ihr Leben beendet - und nun denken Sie, dass Sie hier einfach durch das Schiff spazieren können, als wäre nichts gewesen?“

 

B‘Elannas Gesicht war nur wenige Zentimeter von Sevens entfernt. Die ehemalige Borg konnte in den dunklen braunen Augen Wut flackern sehen. Ihr war auch nicht entgangen, dass B’Elanna die Fäuste geballt hatte. Seven fragte sich, wie gut die Chefingeneurin sich derzeit unter Kontrolle hatte. Sicherheitshalber machte sie zwei kleinere Schritte zurück. Einen Kampf wollte sie vermeiden, aber das Thema beenden nicht. Irgendwie war es ihr wichtig die Differenzen mit B’Elanna zu klären und ihre Abneigung zu verstehen. Vielleicht gemeinsame Probleme auszuräumen. Ein wenig hoffte Seven das. Aus einem unerfindlichen Grund, fühlten sich die Zurückweisungen der Halbklingonin immer schmerzhafter an und beschäftigten sie zunehmend.

 

Aus ihrem neuen Sicherheitsabstand heraus, führte Sie ihre Überlegungen fort: „Sie wollten nicht als Halbklingonin in einer menschlichen Kolonie aufwachsen. Ich wollte als Kind nicht assimiliert werden.  So wie ich das sehe, sind wir beide durch unsere Eltern zu dem geworden, was wir sind.“

 

B’Elanna stellte fest, dass Seven einige Schritte zurückgetreten war. Die Chefingenieurin erkannte, dass sie mit aufrechtem Körper, wütendem Gesicht und geballten Fäusten vor der blonden Frau stand. Es war B‘Elannas übliche Vorgehensweise, wenn es zu persönlich wurde. Irgendetwas an der an der Art und Weise, wie Seven das Thema durchdacht hatte, gewann ihre Anerkennung. Die Halbklingonin öffnete ihre Finger und versuchte sich zu entspannen. Sie wollte ihr klingonisches Temperament im Zaum halten und wartete auf die weiteren Überlegungen Sevens.

 

Seven spürte, dass B’Elannas Wut etwas nachließ. Sie fühlte sich ermutigt ihre Ausführungen fortzusetzen.
„Und gerade Sie treten mir mit der gleichen Ablehnung entgegen, die Sie einst selbst erfahren haben, obwohl sie erleben mussten, was Ausgrenzung aufgrund unverschuldeter Merkmale bedeutet.“
Seven hegte durchaus Respekt für die Chefingenieurin, sie könnten beide gut zusammen und gemeinsam viel effektiver arbeiten. Warum B‘Elanna die Effektivität ihrer Zusammenarbeit nicht erkennen konnte, war ihr ein Rätsel.

Die Halbklingonin blickte zu der größeren Frau auf. „Sie hören nicht zu! Sie befolgen keine Befehle! Sie sind unfreundlich in ihrer ganzen Art! Sie gebieten, anstatt zu fragen! Sie überschreiten persönliche Grenzen! ...“ B’Elanna polterte ihre Argumente heraus und ließ sie wie Speerspitzen in Sevens Richtung schnellen.

Seven hörte sich B’Elannas Aufzählung an. Sie konnte der Chefingenieurin nicht in die Augen sehen. Deshalb drehte sie sich weg und blickte hinaus in das scheinbar so unpassend fröhlich-bunte Leuchten des Nebels.

Die Seite, die sich bereits erfolgreich mit ihrer Individualität befasst hatte, spürte einen kleinen Stich. Seven hätte gerne den Respekt B’Elannas gewonnen. Vielleicht sogar etwas wie Freundschaft. Sie hatte mit der Halbklingonin zahlreiche Gemeinsamkeiten. Faktisch schien ihr B’Elanna nicht nur eine logische Wahl für eine Freundin an Bord der Voyager, sondern tatsächlich fühlte sie sich in der Nähe der Chefingenieurin wohl und empfand Befriedigung beim gemeinsamen Austausch. Aber je mehr Seven versuchte mit B’Elanna gemeinsam technische Probleme zu bearbeiten, umso mehr schien die Halbklingonin ungehalten, missgelaunt und abweisend.

 

Als B’Elanna geendet hatte, wandte Seven ihren Blick vom Nebel ab und drehte sich zu ihr um. Ihre tiefen blauen Augen fixierten die kleinere Halbklingonin. „Könnte man mit Ihrer Aufzählung nicht auch Ihr Verhalten beschreiben?“, gab Seven zurück.

 

Eine Weile schwiegen beide, bis B’Elanna nachdenklich zu Seven aufsah. „Wahrscheinlich haben Sie recht“, sagte sie. „Wir sind uns wohl ähnlicher als ich es zugeben möchte.“

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