Im Jahre 2371 …
Captain Kathryn Janeway war unzufrieden. Nach der Zerstörung der Raumstation des Caretakers war das Sternenschiff Voyager im Delta-Quadranten der Galaxis gestrandet. Selbst mit Maximumwarp als Dauergeschwindigkeit würden sie rund fünfundsiebzig Jahre für ihre Rückkehr nach Hause benötigen.
Und sie musste jetzt zu allem Überfluss auch noch mit Chakotay, dem Kommandanten des Maquis-Schiffes, und dessen Besatzung zusammenarbeiten.
Aber trotz ihrer anfänglichen Probleme hatten sich die Besatzungen in den letzten Wochen erstaunlich schnell zusammengerauft. Und auch Chakotay hatte sich bisher als zuverlässiger und loyaler Erster Offizier erwiesen.
Sie und Chakotay waren gerade mit ihrer Besprechung über ihre weitere Reiseroute nach Hause fertig geworden, als sich Lieutenant Tuvok von der Brücke meldete. „Captain, Mr Kim hat ein schwaches Subraumsignal von Starfleet entdeckt. Es könnte von einem Kommunikationssatelliten stammen.“
Janeway und Chakotay sahen sich überrascht an. Sie tippte auf ihre Combadge, während sie schon aufstand und zur Tür ging. „Verstanden, wir sind unterwegs. Aber ich fürchte, dass sich Mr Kim irrt.“
Auf der Brücke angekommen trat Kathryn Janeway zur OPS-Station, an der Ensign Harry Kim sichtbar ungläubig seine Daten überprüfte.
„Was haben Sie entdeckt, Mr Kim?“, fragte Janeway.
„Es ist einer unserer ComSats. Aber ich habe keine Ahnung, wie er hierhergekommen sein könnte.“
Sie entschied, die Sache ernst zu nehmen und nicht als Wunschdenken des jungen Mannes abzutun. „Okay, gehen wir davon aus, dass es wirklich einer von unseren ComSats ist. Ohne eine komplette Satellitenkette zur Signalübertragung würde uns das nicht direkt weiterhelfen. Aber vielleicht finden wir in seinem Computerlogbuch heraus, wie er hier gestrandet ist.“
Tuvok meldete sich von seiner Station auf der anderen Seite der Brücke: „Der Satellit hat bereits meine Anforderung seines Logbuches abgewiesen. Ich benötige anscheinend eine besondere Ermächtigung. Aber es scheint eine Signalkette zu geben. Mein Testsignal wurde fehlerfrei übertragen.“
Janeway überlegte kurz, bevor sie zu einer Entscheidung kam. Gleichzeitig hoffte sie, dass es sich nicht um eine Falle handelte. „Also gut, Mr Tuvok. Senden Sie einen möglichst knappen Bericht über unsere Lage an Starfleet Command.“
Captain Neniau starrte durch die Windschutzscheibe des Shuttles ungläubig das Sternenschiff in dessen Raumdock an. „Große Mutter! Was ist das?“, fragte sie fassungslos ihre Chefingenieurin Commander Moka.
Die große Tellaritin grinste sichtlich zufrieden über die Wirkung ihres Schützlings auf Neniau. „Das ist die Overkill, Neniau. Sie war lange vor den Transwarp-Experimenten auf der Excelsior ein Versuchsträger für Hyperwarp. Obwohl sie nicht … ganz erfolgreich war.“
„Himmel! Wurde erwartet, einfach mit genug Schub die Warpbarriere zu brechen?“
„Im Prinzip ja. Sie erreicht Warp 33“, antwortete Moka stolz.
„Warp 10 ist unendliche Geschwindigkeit“, widersprach Neniau immer noch fassungslos.
„Richtig, der Trick ist es, Warp 10 nicht zu erreichen, sondern zu überspringen.“
Neniau schüttelte den Kopf. „Das ergibt noch weniger Sinn, Moka.“
Vor ihr wurde jetzt die ganze absurde Monstrosität sichtbar. Der eigentliche Diskus und die Maschinensektion stammten offenbar von einem Dreadnought der Federation-Klasse. Aber statt drei einzelner Warpgondeln saßen jeweils drei zu einer Einheit gebündelten Warpgondeln an fünf dicken Pylonen.
„Ein fünfzehnfacher Warpantrieb? Was haben die im Konstruktionsbüro geraucht?“
„Keine Ahnung, aber ich würde gerne etwas von dem Stoff abhaben“, antwortete Moka.
„Funktioniert das Ding überhaupt?“, hakte Neniau nach. Anderseits hatte Admiral Owen Paris sie beauftragt, mit diesem … Monster die von einer unbekannten Entität verschleppte Voyager im Delta-Quadranten zu suchen und zu retten. Und irgendwie hatte eine vorherige Besatzung mit der Overkill Kommunikationssatelliten bis in den Delta-Quadranten verlegt. Auf jeden Fall verstand sie jetzt, warum sie als Ingenieurin und Expertin für Warptechnik das Kommando erhalten hatte. Unwillkürlich fragte sie sich wie viele Ingenieure und Techniker die Overkill überhaupt benötigte.
„Ja, nach einigen Jahrzehnten Nacharbeit funktioniert sie inzwischen fehlerfrei … zumindest theoretisch.“
„Ich bin nicht beruhigt, alte Freundin“, antwortete Neniau wahrheitsgemäß, während ihre Fähre im vorderen Hangar der Overkill landete.
„Das bin ich ebenfalls nicht, Neniau“, gab Moka leise zu.
Neniau gelangte immer mehr zu der Überzeugung, dass die Overkill und ebenso das ganze Unternehmen reiner Wahnsinn waren. Eine Überprüfung der Informationen über das ursprüngliche Entwurfsteam hatte ihren Verdacht erhärtet. Es waren fast ausschließlich menschliche Männer gewesen, die offenbar etwas zu kompensieren hatten. Und wahrscheinlich war die Entwicklungsarbeit sehr feuchtfröhlich verlaufen. Und auch das Komitee, welches den Bau der Overkill abgesegnet hatte, dürfte unter dem Einfluss illegaler Substanzen gestanden haben. Sie ging inzwischen von Romulanischen Ale aus. Viel Romulanischen Ale!
Neniau arbeitete zusammen mit einem Teil der umfangreichen Maschinenraumcrew am zweiten Warpkern. Tatsächlich bestand die Besatzung des Schiffes beinahe ausnahmslos aus gelb-schwarz uniformierten Ingenieuren und Technikern, von denen ein Teil weitere Aufgaben übernahm.
Sie wurde durch Ensign Zazz aus ihren Gedanken gerissen. „Captain, wir sind so weit.“
Neniau legte das Laserschweißgerät beiseite, mit dem sie an den unter den Decksplatten verlaufenden Kühlleitungen gearbeitet hatte, trat zur Hauptkonsole des Warpkerns und rief das Diagnoseprogramm auf. Dann schüttelte sie den Kopf. „Wir haben immer noch eine Phasenabweichung von beinahe zwei Prozent. Überprüfen Sie bitte noch einmal die sekundären Plasmainjektoren.“
„Mit Verlaub. Bis zu drei Prozent Phasenabweichung sind normal für einen Warpkern“, widersprach entnervt der echsenartige Saurianer.
„Richtig! Für einen Warpkern. Aber wir haben deren drei, die absolut synchron laufen müssen. Ansonsten verteilen wir uns womöglich auf ein ganzes Quadratlichtjahr!“
„Negativ, es wären 0,83 Quadratlichtjahre“, widersprach ihr Lieutenant T’Kora, die auch ihre Pilotin war, mit vulkanischer Gemütsruhe, bevor sie sich wieder an die Arbeit machte.
„Aber nur, wenn wir auf Warp 9,984 beschleunigen und dann eine Fehlfunktion erleiden“, warf Ensign Roberta Webster hilfreich ein. „Bei der theoretischen Maximalgeschwindigkeit von Warp 33,18 wären es ...“
„Zu viel Information, Roberta“, unterbrach Neniau die rothaarige Androidin in der blau-schwarzen Wissenschaftsuniform und benutzte dabei eher unbewusst die Wortwahl ihrer ehemaligen Kommandantin, wenn diese die baugleiche Androidin der Shiva entsprechend zurechtgewiesen hatte.
Wobei es nicht nur Neniau ziemlich entnervte, dass das Starfleet Engineering Corps irgendwie Starfleet Intelligence drei der streng geheimen Cyberdyne-Androiden aus dem Kreuz geleiert hatte, sich dabei aber nicht die Mühe gemacht hatte, dafür zu sorgen, dass diese aus verschiedenen Serien stammten. Nachdem Moka bisher einfach nur stumm über die drei identischen Besatzungsmitglieder verzweifelte, hatte Neniau nach ihrer Ankunft auf der Overkill angeordnet, dass die Androiden ihre Haare umfärben sollten.
Woraufhin die drei Androiden alle zuerst brünett und dann rothaarig wurden.
Neniau und Moka hatten schließlich selbst Hand angelegt und die Androiden im Friseursalon der Overkill unterschiedlich gestylt und ihnen auch Uniformen in verschiedenen Abteilungsfarben zugeteilt.
„Wie ist es jetzt?“, fragte Zazz.
Neniau rief erneut das Diagnoseprogramm auf. Sie fluchte. „Was haben Sie getan? Jetzt sind es acht Prozent Phasenabweichung!“
Aus der offenen Wartungsluke kamen wütende klickende Zischlaute, die Neniau ohne Universalübersetzer zum Glück nicht richtig verstehen konnte.
„Captain, wir haben eine Mitteilung von Starfleet erhalten. Aber sie ergibt keinen logischen Sinn“, meldete Tuvok mit einer hochgezogenen Augenbraue.
„Inwiefern, Mr Tuvok?“, fragte Kathryn Janeway.
„Sie schreiben, dass die USS Overkill zur Sternzeit 2371.2203 von Tau Ceti aufbrechen wird und voraussichtlich zur Sternzeit 2371.2403 bei uns ankommt“, antwortete Tuvok bemüht ausdruckslos, trotzdem war ihm seine Verwirrung darüber anzuhören.
Janeway drehte sich unwillkürlich wie alle anderen zum Vulkanier an seiner Station um. „Das ergibt wirklich keinen Sinn! Sie kann doch unmöglich 70.000 Lichtjahre in zwei Standardtagen zurücklegen. Was soll das für ein Schiff sein? Und was ist das überhaupt für ein lächerlicher Name?“
Tuvok zuckte beinahe hilflos mit den Schultern, bevor er weitere Daten suchte. „Als einzigen Eintrag in den Schiffsdatenbanken finde ich die USS Overkill – NX-9999, die vor ziemlich genau einhundertundzehn Jahren als Antriebsversuchsträger gebaut wurde. Aber offensichtlich wurde sie weder in den Flottendienst übernommen noch hat auch nur ihr Versuchsprogramm abgeschlossen. Sämtliche technischen Daten sind klassifiziert.“
Chakotay schüttelte den Kopf. „Wenn vor einem Jahrhundert bereits ein derartig irrsinniges Tempo erreicht worden wäre, sollten wir jetzt nicht fünfundsiebzig Jahre für unsere Rückkehr mit der Voyager benötigen.“
„Aber irgendwie hat jemand vor langer Zeit diese ComSats hierher gebracht“, brachte Harry Kim ein.
„Vielleicht ist der Name Overkill Programm? Aber das sollte doch auch lange vor den Transwarp-Versuchen gewesen sein“, überlegte Lieutenant Tom Paris laut von der Pilotenkonsole aus.
Es hatte Neniau überhaupt nicht beruhigt, dass Starfleet angeordnet hatte, dass die Overkill vom Flottenversorger Lagrange in den Tiefraum geschleppt wurde, bevor sie zwei Lichtjahre von Tau Ceti entfernt ihren eigenen Warpantrieb aktivieren durfte. Und auch das erst, nachdem die Lagrange sich selbst in Sicherheit gebracht hatte.
Neniau bemühte sich, möglichst ruhig im Kommandosessel sitzen zu bleiben und nicht wie eine aufgescheuchte Sa-Kikka von einer Station zur nächsten zu rennen. Wobei mehr als die Hälfte dieser Stationen zur Maschinenkontrolle gehörten. „Okay, wir lassen es erst einmal langsam angehen. Wie ist der Systemstatus?“
Zazz und Roberta Webster überprüften gewissenhaft ihre Anzeigen, bevor der Saurianer bestätigte: „Alle Systeme sind auf grün. Wir sind bereit.“
„Kurs ist berechnet und eingegeben“, meldete ausdruckslos Ensign Rosalinda Webster von der Navigation. Sie war als einzige Androidin blond geblieben und in eine gelb-schwarze Uniform gekleidet.
Neniau atmete tief durch, bevor sie einen letzten Blick mit Moka tauschte, die nach ihrer eigenen Überprüfung ebenfalls ihr Okay mit einem knappen Nicken bestätigte.
„Dann los! Aber bitte hübsch langsam, T’Kora“, befahl Neniau.
„Aktiviere Warpantrieb“, erwiderte die Vulkanierin, ohne ihre Konzentration auf ihre Anzeigen zu verringern.
Das übliche Summen des Schiffes schwoll zu einem tieferen Grollen an.
Mit einem deutlich spürbaren Ruck beschleunigte die Overkill auf Warp.
„Wir haben uns auf Warp 8,2 eingependelt“, meldete nur Sekunden später T’Kora.
„Ich sagte hübsch langsam!“, rügte Neniau die Vulkanierin für ihren Leichtsinn.
Die Vulkanierin sah sich vorwurfsvoll zu ihr um und zeigte gleichzeitig auf den Hauptfahrschalter, der nicht nur Neniau an die Gashebel eines antiken mehrmotorigen Flugzeuges erinnerte. „Wir sind immer noch auf der kleinsten Fahrstufe, Neniau.“
„Große Mutter“, murmelte Neniau. Sie sah sich zu Moka um. „Wie sieht es aus, alte Freundin?“
„Bisher erstaunlich gut. Ich würde aber trotzdem lieber erst eine genaue Diagnose aller Systeme vornehmen, bevor wir richtig beschleunigen.“
„Auf jeden Fall“, stimmte Neniau ihr zu und erhob sich dann vom Kommandosessel, um bei der Diagnose zu helfen.
Neniau sah von ihrer Konsole auf, an der sie gemeinsam mit Moka die Diagnose des Antimaterieflusses des zweiten Warpkerns überprüfte.
Aus dem Turbolift war ihre Bordärztin Doktor Shori gekommen. Die Siluranerin in der blauen Tunika sah sich kurz um, bevor sie sich an den zusätzlichen Brückenstationen vorbei zu Neniau durchschlängelte.
„Freier Himmel, Doc! Was gibt es?“, begrüßte Neniau sie.
„Nichts! Ich bin wohl die Einzige an Bord, die überhaupt nichts zu tun hat und Däumchen dreht. Selbst meine Krankenpflegerin arbeitet wieder im Maschinenraum 3.“ Sie blickte sich weiter zur beschäftigten Brückencrew um. Ihr Blick fiel auf Roberta Webster. Mit einem hörbaren Seufzen fragte sie: „Und warum hat Roberta eine blaue Uniform, während Rhonda als meine Krankenschwester Rot trägt?“
Neniau bemühte sich, nicht mit den Augen zu rollen. „Ist das nicht egal? Uns ging es darum, dass wir die drei auf den ersten Blick unterscheiden können.“
„Außerdem würde sich rote Kleidung mit Robertas roten Haaren beißen“, fügte Moka hinzu.
Neniau und Shori sahen sie beide sprachlos an.
„Wünschen Sie, dass Rhonda und ich unsere Uniformen tauschen?“, fragte Roberta Webster.
„Himmel! Nein! Sie bleiben, wie Sie sind, Roberta. Wenn Sie jetzt noch beginnen, untereinander die Kleidung zu tauschen, ist das Chaos komplett!“, widersprach Neniau energisch. Sie bemerkte dann, dass die Ärztin sich zunehmend irritiert auf der Brücke umsah, als wäre ihr etwas Ungewöhnliches aufgefallen. „Was ist los, Doc?“
„Das Schiff wurde von Menschen gebaut, richtig?“ Die Ärztin schlängelte zur Widmungsplakette neben der rechten Turbolifttür und las auf ihr. Sie tippte dann mit ihrer Schwanzspitze auf die Plakette. „Und sämtliche Mitglieder des Konstruktionsteams haben männliche Namen.“
Moka und Neniau wechselten einen verwirrten Blick. „Worauf wollen Sie hinaus?“
Shori zeigte mit einer weit ausschweifenden Hand- und Schwanzbewegung auf die Brückencrew. „Wir haben nicht einen einzigen Menschen an Bord. Und wir sind alle weiblich!“
Zazz wollte sichtbar widersprechen, aber Neniau kam ihm zuvor. „Saurianer sind Hermaphroditen. Und Ani haben keinen sichtbaren Geschlechtsdimorphismus, wodurch wir für Außenstehende immer weiblich aussehen.“
Shori schüttelte energisch ihren Kopf. „Zazz und die anderen Saurianer gehören zu den seltenen rein weiblichen Mitgliedern ihrer Spezies. Und Sie sind wie alle unsere Ani wirklich weiblich. Ich hatte es bisher nur bei der Überprüfung der Patientenakten als Zufall eingestuft.“
Neniau spürte, wie sich ihre Tribalzeichnungen verfärbten, als ihr Geschlecht für alle öffentlich bekannt gegeben wurde. „Doc!“
Zazz sah ähnlich erschüttert die grüngeschuppte Siluranerin an, die auf ihrem eigenen zusammengerollten schlangenartigen Schwanz saß.
Shori schüttelte den Kopf. „Warum? Es gibt keine Akten über die bisherigen Besatzungen der Overkill. Aber angesichts des ganzen ... Aufbaus, der mich an ein extrem getuntes übermotorisiertes Sportauto oder Rennboot erinnert, gehe ich davon aus, dass nicht nur das Konstruktionsteam, sondern auch die bisherigen Crews überwiegend oder ausschließlich aus menschlichen Männern bestand. Das ganze Schiff stinkt förmlich nach Testosteron! Also warum sind wir alle weiblich? Warum? Warum? Warum?“
„Shori hat recht. Seit ich vor sechs Jahren an Bord gekommen bin, um dieses Raumschiff zum Laufen zu kriegen, gehörte nicht ein Mensch oder eine männliche Person zur Besatzung oder auch nur zum Werftpersonal“, stimmte Moka der Ärztin zu.
„Vielleicht hat der Hyperwarpantrieb irgendwelche Nebenwirkungen? Aber dann würden wir doch ebenso davon gefährdet sein. Eigentlich gelten doch unter Menschen die Männer als das Geschlecht, welches eher entbehrlich ist“, brachte sich Zazz ein.
Shori zog beunruhigt ihren Medizinischen Tricorder hervor und scannte damit Neniau und Zazz. Sie prüfte das Ergebnis. „Bei Ihnen beiden kann ich so nichts entdecken. Ich werde die ganze Besatzung überprüfen müssen. Aber selbst, wenn ich Rhonda zur Unterstützung haben sollte, wird das länger dauern.“
„Tun Sie das, Doc. Und bitte melden Sie sich, wenn Sie irgendetwas entdecken.“ Neniau tippte auf ihre Combadge. „Captain an Maschinenraum 3. Bitte lösen Sie Rhonda Webster an ihrer Station ab. Doktor Shori benötigt sie in der Krankenstation.“
„Lieutenant L’Bera hier. Ich löse Rhonda sofort ab. Sie wird sich gleich auf dem Weg machen.“
„Wir sind bereit zur richtigen Beschleunigung“, meldete T’Kora für vulkanische Verhältnisse sehr enthusiastisch.
Neniau atmete tief durch. „Dann wollen wir mal. Aber bitte wirklich hübsch langsam. Zumindest, soweit dies möglich ist.“
T’Kora schob den Hauptfahrschalter auf die nächste Stufe.
Das Grollen des Warpantriebes wurde etwas lauter.
„Warp 9,3“, meldete die Vulkanierin.
„Wir sind weiterhin im grünen Bereich“, sagte Moka angespannt.
Das Grollen des Antriebes wurde abermals lauter, als T’Kora den Hebel weiter nach vorne schob. „Warp 9,98!“
„Und wir sind immer noch praktisch im Leerlauf“, rief irgendjemand ungläubig.
Die Pilotin stutzte bei der nächsten Fahrstufe sichtbar. „Es tut mir leid, aber die Geschwindigkeitsanzeige ist jetzt länger als das Display. Wir sind anscheinend jetzt auf Warp 9,9 Periode.“
„Ich weiß nicht, wie es weiter gehen kann, aber bitte gehen Sie auf die nächste Stufe.“
„Warp 11!“
„Das sollte eigentlich nicht möglich sein!“ Neniau sah zu Moka, die unangemessen zufrieden wirkte. „Und was hat diese Zahl überhaupt zu bedeuten? Wir benötigen anscheinend eine neue Warpskala.“
„Warp 18!“
Das Grollen des Antriebes ging zunehmend in ein Heulen über.
„Warp 26!“
„Was ist mit dem Sternenfeld?“, fragte Zazz fassungslos.
Neniau starrte ebenso staunend auf dem Hauptbildschirm. Die bisherigen zu horizontalen Streifen lang gezogenen Sterne verfärbten sich in verschiedene Farben, während gleichzeitig vertikale Streifen ein dichtes Muster erzeugten. „Ein Schottenmuster?“
„Bedeutet das, dass wir jetzt Karomuster als Geschwindigkeitsangabe haben?“, fragte ebenso ungläubig Moka.
„Warp 30!“
„Wir erreichen in zehn Minuten unseren Zielpunkt“, meldete Rosalinda Webster anscheinend völlig unbeeindruckt.
„Warp 33!“
„Immerhin scheint unsere Beschleunigung abzuflachen“, brachte Neniau hervor. Irgendwie fühlte sie sich sonderbar. War das eine der von Doktor Shori befürchteten Nebenwirkungen? Obwohl sie sich dabei nicht schlecht fühlte.
„Wir erreichen unser Ziel jetzt in zwei Minuten“, berichtigte sich Rosalinda.
„Warp 34!“
„T’Kora, wir müssen langsamer werden!“, befahl Neniau und konzentrierte sich wieder auf das Hier und Jetzt statt auf ihr Körpergefühl.
Die Pilotin zog den Fahrstufenhebel vorsichtig wieder zurück. „Warp 32 und langsamer werdend.“
„Wir sind über unseren Zielpunkt hinausgeschossen. Bei der jetzigen Bremskurve kommen wir in 3.345,7 Lichtjahren Entfernung zu der Voyager aus dem Warp“, meldete abermals Rosalinda. Selbst die Androidin klang jetzt schockiert.
„Große Mutter!“, brachte Neniau abermals nur hervor.
„Was zum Teufel war das?“, fragte Kathryn Janeway. „Und schalten Sie den Lärm ab. Alarmstufe Rot beenden.“
Das Heulen des Alarmklaxons verstummte.
Alle starrten auf den Hauptbildschirm, der anstelle des üblichen Sternenfeldes ein klassisches buntes Schottenmuster zeigte, welches jetzt aber bereits zu verblassen begann.
„Unbekannt, Captain“, berichtete Harry Kim hilflos, nachdem er seinen Versuch aufgegeben hatte, einen Sinn in die Daten zu bekommen.
„Wir sind zwar mehr als dreitausend Lichtjahre über unser Ziel hinausgeschossen, aber wir haben keine Schäden erlitten und können uns jederzeit wieder auf dem Weg machen. Auch wenn wir es vielleicht in einem etwas gesitteteren Tempo machen sollten“, beendete Moka ihren Bericht im Konferenzraum der Overkill.
„Dreitausend Lichtjahre nur als Bremsweg ... Das nimmt uns niemand ab“, sagte Zazz und wirkte dabei sichtlich erschüttert. Er zögerte für einen Moment. „Ich fühlte mich während des Fluges zwischenzeitlich irgendwie sonderbar. Ich habe bereits mit Chula und Bortas darüber gesprochen. Sie haben es ebenfalls gespürt. Möglicherweise ist es das gleiche Phänomen, weshalb wir keine Menschen an Bord haben. Es wäre vielleicht deshalb besser, wenn wir drei keine kritischen Stationen auf der Rückreise besetzen.“
Neniau schüttelte den Kopf. „Ich habe es ebenfalls gespürt. Es sollten also nicht nur die Saurianer betroffen sein. Und ich habe deshalb meine eigene Gestalt ausgelesen, aber nichts dabei entdeckt.“
„Weil Sie sie es erst nach unserer Rückkehr in den Normalraum getan haben, Neniau“, warf Doktor Shori ein. „Wir sind alle während der Beschleunigung verjüngt worden und beim Bremsmanöver im gleichen Maße wieder gealtert.“
Alle sahen die Siluranerin neuerlich geschockt an.
„Das ist kein Scherz?“, vergewisserte sich Neniau.
„Selbstverständlich nicht. Aber wie ich schon sagte, hat sich das Phänomen vollständig selbst ausgeglichen. Sie sind also alle wieder in dem medizinischen Alter unserer Abreise.“ Die Ärztin überlegte sich sichtbar ihre nächsten Worte, bevor sie fortfuhr: „Wir sind aber nicht im gleichen Umfang betroffen gewesen. Rhonda und ich haben nur einen kleinen Teil der Besatzung während des Fluges untersuchen können. Aber es scheint, dass einige Spezies stärker betroffen sind als andere. Und mir fehlen aus offensichtlichen Gründen komplett die Werte von männlichen Wesen und allgemein Menschen.“
„Möglicherweise sind Menschen stärker betroffen als wir. Ich wünschte, wir hätten mehr Informationen darüber bekommen“, überlegte Neniau laut.
„Vielleicht gibt es keine Informationen, weil alle Menschen bei den Testflügen gestorben sind“, warf Moka ein.
„Dann wäre die Overkill verschollen und nicht von den Testflügen zurückgekehrt. Und es sollte trotzdem noch die Computerlogs geben“, widersprach Neniau und versuchte, ihre eigenen düsteren Fantasien zu verdrängen.
„Außerdem wäre unser Rettungseinsatz komplett sinnlos, wenn unser Hyperwarp für Menschen tödlich wäre. Die Besatzung der Voyager besteht überwiegend aus Menschen beider Geschlechter“, ergänzte Shori.
Neniau stimmte ihr mit einem Nicken zu. Sie war über deren Schlussfolgerung erleichtert. „Wann ist dieses Phänomen aufgetreten, Doc?“
„Nur während der Beschleunigungs- und Bremsphase.“
Neniau lehnte sich in ihrem Sessel zurück und dachte kurz nach. „Wir werden das letzte Wegstück zur Voyager langsamer zurücklegen. Alleine schon, damit wir sie nicht noch einmal verpassen. Ich hoffe, dass Ihnen dieser Flug genug Informationen liefert, um erkennen zu können, ob wir durch die kürzeren Phasen weniger beeinflusst werden.“
„Es sollte ausreichen“, antwortete die Siluranerin bestimmt.
„Gut, selbst wenn wir danach mit einem gemäßigteren Tempo ein paar Monate für die Heimreise benötigen würden, wäre das immer noch besser, als müssten wir unterwegs eine Kinderstube oder etwas Ähnliches einrichten.“
Ein Teil der Anwesenden musste bei der Vorstellung lachen.
Shori antwortete mit einem breiten Grinsen. „Dafür müssten Menschen aber sehr viel stärker betroffen sein als alle anderen Spezies. Ich halte das zumindest für unwahrscheinlich.“
„Ich bedaure, aber ich habe in unseren Datenbanken bis auf einen kurzen Eintrag nichts über die Overkill oder deren Technik entdecken können. Und das setzt voraus, dass es wirklich das gleiche Sternenschiff ist, welches zu uns entsandt wurde“, wiederholte Tuvok im Konferenzraum der Voyager.
Lieutenant B’Elanna Torres war sichtbar enttäuscht.
„Und wir können nicht nachbauen, worüber wir nichts wissen, B’Elanna“, ergänzte Chakotay. „Außerdem sollten wir nicht zu lange in dieser Gegend bleiben. Womöglich kehrt das Schottenmuster zurück.“
„Gibt es eine Möglichkeit, die Overkill vor dem Schottenmuster zu warnen? Ich meine, es hat uns fast erwischt“, fragte Harry Kim.
Tuvok schüttelte knapp den Kopf. „Unser Subraumfunk wird immer noch durch dieses Phänomen gestört. Abgesehen davon dürfte sich die Overkill bereits auf dem Weg hierher befinden und dabei möglicherweise außer Reichweite der ComSat-Kette sein.“
Kathryn Janeway saß in ihrem Bereitschaftsraum und versuchte, in den Datenbanken etwas über ihr Rettungsschiff herauszufinden. Sie ging inzwischen davon aus, dass die NX-9999 als einziges bekanntes Sternenschiff Overkill nie das Trockendock verlassen hatte und es sich bei ihrem Rettungsschiff um einen neuen Prototypen handeln sollte.
Der Kollisionsalarm heulte abermals durch die Voyager.
Sie sprang auf und eilte auf die Brücke, die erneut in das Licht eines Karomusters getaucht war.
Tuvok hatte inzwischen den Alarm schon stumm geschaltet.
„Status?“, verlangte Janeway.
„Das gleiche Phänomen mit dem seltsamen Licht“, meldete Chakotay.
„Da ist ein anderes Raumschiff“, warf Harry Kim ein.
„Auf dem Hauptbildschirm“, befahl Janeway.
Alle starrten ungläubig auf den Bildschirm.
„Was ... ist das?“, fragte Chakotay.
Tuvok prüfte seine Daten. „Dem IFF-Transponder nach die USS Overkill – NX-9999.“
„Der Name ist wohl wirklich Programm“, brachte Tom Paris staunend ein.
Gleichzeitig konnte Janeway sehen, dass es ihm in den Fingern juckte, diese Monstrosität selbst zu fliegen.
„Wir werden von der Overkill gerufen, Captain“, meldete abermals Tuvok.
Janeway nickte nur knapp.
Das Zerrbild eines Sternenschiffes wurde durch eine altmodisch erscheinende Brücke ersetzt, in der ganz offenbar zahlreiche zusätzliche Konsolen verbaut worden waren. Vor dem Kommandosessel stand eine schon etwas ältere Ani, die von einer hochgewachsenen Tellaritin in einer gelb-schwarzen Uniform überragt wurde.
„Freier Himmel! Ich bin Captain Neniau Chora-na-Kure von der USS Overkill. Wir sind zu Ihrer Hilfe ausgesandt worden.“
„Captain Kathryn Janeway von der USS Voyager. Sie waren uns erst für Übermorgen angekündigt worden, was immer noch ... sehr schnell gewesen wäre. Es ist schön, Sie hier zu sehen.“ Sie hatte gerade eben noch in ihre eigene Vorstellung ihren Vornamen einschieben können, auf den Ani besonderen Wert legten. Obwohl sie wie viele andere Menschen Probleme hatte, einzelne Ani zu unterscheiden, erkannte sie jetzt anhand des Namens die ehemalige Dozentin für Warptechnik an der Starfleet-Akademie. „Sie haben da ein sehr ... einmaliges Sternenschiff, Captain Neniau.“
„Mein erster Impuls bei ihrem Anblick war es, schreiend wegzurennen“, antwortete Neniau trocken.
Die Tellaritin sah daraufhin die Ani vorwurfsvoll an.
„Das kann ich verstehen. Ich hatte vor ihrer Kontaktaufnahme irgendwie einen Haufen Männer mit einem Bier in der Hand auf der Overkill erwartet“, sagte Janeway mit einem Grinsen.
Die Ani lächelte ebenfalls kurz. Dann wechselte sie einen kurzen Blick mit ihrer tellaritischen Ingenieurin. „Und damit kommen wir direkt zu einem möglichen Problem, Captain Janeway. Das Overkill-Projekt wurde von einem komplett männlichen und menschlichen Team entwickelt. Aber für die Reaktivierung und Besetzung wurden ausschließlich weibliche Nicht-Menschen abgestellt. Und wir kennen nicht den Grund dafür.“
Janeway sah, wie Tuvok irritiert eine Augenbraue hochzog.
„Wir haben festgestellt, dass wir uns während der Beschleunigung verjüngen und beim Bremsmanöver wieder ausgleichend altern. Und diese Veränderung ist unterschiedlich bei verschiedenen Spezies. Wir haben derzeit keine Ahnung, wie die Wirkung auf Menschen ist. Obwohl es keine dauerhaften Folgen haben sollte. Es wäre sinnvoll, dass Sie Ihre wichtigen Stationen mit weiblichen Nicht-Menschen besetzen für den Fall, dass Männer und allgemein Menschen durch die Auswirkungen des Hyperwarps handlungsunfähig werden“, erklärte Neniau weiter.
Janeway sah zu Chakotay, der bereits die Besatzungsliste aufrief.
„Wir haben neun Besatzungsmitglieder, die keine Menschen sind. Davon sind vier weiblich“, informierte Chakotay sie.
„Unser bisheriger Plan ist es, die Voyager im Tandemflug mit gemäßigter Geschwindigkeit zurück in den Alpha-Quadranten zu bringen.“
„Was verstehen Sie unter gemäßigter Geschwindigkeit?“, fragte B’Elanna Torres. Auf Janeway machte die Chefingenieurin einen sehr selbstzufriedenen Eindruck. Wahrscheinlich fühlte sich die Halbklingonin jetzt den Menschen überlegen wegen ihrer wahrscheinlichen Immunität gegenüber den Nebenwirkungen des Warpantriebes der Overkill.
„Warp 18. Wenn alles gut läuft, können wir wahrscheinlich bis auf Warp 25 gehen“, antwortete die Tellaritin.
„Warp 10 ist unendliche Geschwindigkeit!“, rief B’Elanna aus.
„Ja, das hatten wir bisher auch angenommen“, antwortete die Tellaritin mit einem breiten Grinsen, wobei sie ihre großen Hauer deutlich zeigte.
„Wir müssen warten, bis sich der Subraum ausreichend beruhigt hat, bevor wir uns auf den Weg machen können. Wir sollten die Zeit nutzen, um beide Schiffe für den Tandemflug vorzubereiten“, übernahm Neniau wieder das Wort.
„Wie lange benötigen wir für die Reise?“, fragte Tom Paris angesichts der fehlenden Orientierungspunkte der eigentlich unmöglichen Warpstufen.
„Mit Warp 18 etwa zwei Wochen. Mit Warp 25 würde es sich auf zwei Stunden verkürzen“, antwortete die Tellaritin.
„Großer Gott! Sie haben zwei Stunden hierher benötigt?“, fragte Janeway neuerlich geschockt.
Neniau lächelte schalkhaft. „Ja, aber nur, weil wir dreitausend Lichtjahre über unseren Treffpunkt hinausgeschossen sind.“
Janeway konnte die Ani nur wortlos anstarren.
„Wir wären bereit. Aber ich würde lieber zur Sicherheit noch eine komplette Warpkern-Diagnose des Levels 2 vornehmen“, hörte Kathryn Janeway ihre Chefingenieurin über das Interkom.
„Wir stehen jetzt wirklich nicht unter Zeitdruck und können auf Nummer sicher gehen, Mrs Torres. Wie lange benötigen Sie?“
„Je nachdem, wie schnell das Programm durchläuft: Rund zwei Stunden“, antwortete B’Elanna.
Die bajoranische Ensign Seska, die neben Tom Paris an der Pilotenkonsole stand, um im Notfall diese zu übernehmen, sah beunruhigt auf. „Wir haben keine zwei Stunden!“
Janeway blickte sie überrascht an. Gleichzeitig war sie verärgert, dass das ehemalige Maquis-Mitglied sich wieder nicht an das Protokoll von Starfleet hielt. „Warum haben wir keine zwei Stunden, Mrs Seska?“
Seska wirkte jetzt sichtbar nervös. „Die Kazon werden in etwas über einer Stunde hier sein.“
„Woher sollten sie wissen, dass wir hier auf die Overkill gewartet haben?“, fragte Chakotay.
Seska atmete tief durch. „Ich habe sie über unseren Standort informiert.“
Janeway und Chakotay starrten sie an. „Was? Warum?“
Sichtbar erzürnt blickte Seska direkt Janeway an. „Indem Sie in Ihrer verdammten Überheblichkeit die Station des Caretakers einfach zerstört haben, haben Sie uns alle hier für alle Endlosigkeit hier am Ende der Galaxie gestrandet. Es ist alles Ihre Schuld! Captain Janeway!“ Sie spie den Rang hasserfüllt förmlich aus.
„Mr Tuvok, bringen Sie Ensign Seska sofort in eine Arrestzelle“, befahl Janeway erbost über den offensichtlichen Verrat der Bajoranerin.
„Wollen Sie uns abermals alle für ihren beschissenen Stolz opfern?“, fragte Seska zornbebend. „Ich will wie wir alle nach Hause! Als ich die Kazon kontaktiert hatte, wusste ich nichts von der Overkill. Ansonsten hätte es nicht getan. Und wir haben außer mir keine andere Pilotin, wenn der Antrieb der Overkill alle Menschen und Männer lahmlegen sollte!“
„Ich fürchte, sie hat leider recht, Captain. Wir haben keine weitere Pilotin“, stimmte Chakotay der Bajoranerin zu. „Und sie hat sich zumindest offenbart, um uns zu warnen.“
Janeway lehnte sich wütend in ihrem Kommandosessel zurück. „B’Elanna, wir müssen auf die Diagnose verzichten. Tuvok, informieren Sie die Overkill, dass wir so bald wie möglich aufbrechen müssen, bevor die Kazon hier eintreffen.“ Sie wandte sich wieder an Seska. „Wir sprechen uns noch. Die Angelegenheit wird Konsequenzen für Sie haben, Ensign!“
Seska lachte kurz humorlos. „Brillant wie immer, Captain? Sie drohen in Ihrer üblichen Arroganz gerade ihrer einzigen Pilotin! Außerdem bin und werde ich nie ein Mitglied von Ihrer Starfleet sein! Und ich bin mehr als froh darüber!“
Neniau überprüfte zusammen mit Rosalinda Webster die Traktorstrahlen, welche die beiden Sternenschiffe während des Tandemfluges in ihrer gemeinsamen Warpblase zusammenhalten würden. „Das sieht gut aus. Moka, wie sieht es bei dir aus?“
„Alles im grünen Bereich! Von mir aus kann es losgehen!“
„Neue Kontakte! Nähern sich von 234.198 mit Warp 5. ETA in fünf Minuten“, rief Ensign Sabaka mit gesträubtem Fell.
„Okay, dann haben wir keine weitere Zeit zu verlieren. Wir gehen auf Warp! Aber hübsch langsam!“
„Hübsch langsam ist mit diesem Raumschiff ein Oxymoron“, antwortete T’Kora schnippisch.
„Voyager erzeugt ihr statisches Warpfeld“, meldete Zazz.
„Dann los!“, befahl Neniau.
Mit einem vernehmlichen Grollen sprangen die beiden Sternenschiffe gemeinsam auf Warpgeschwindigkeit.
„Warp 7,2. Wir scheinen zusammen mit der Voyager etwas langsamer zu sein.“
„Wir haben jetzt annähernd die doppelte Masse“, erwiderte Moka.
„Kontakte beschleunigen auf Warp 7,6 und gehen auf einen Abfangkurs zu uns“, rief Sabaka.
„T’Kora, bringen Sie uns in Fahrt.“
Sichtbar erwartungsvoll schob die Vulkanierin den Fahrstufenregler weit nach vorne.
„Große Mutter! Doch nicht so schnell!“, protestierte Neniau zu spät und vergeblich.
Das dahinrasende Sternenfeld verwandelte sich in ein Karomuster.
Die Beschleunigung war sehr viel größer, als Kathryn Janeway es erwartet hätte.
Vor ihr starrte Tom Paris verblüfft auf seine Anzeigen. „Wir sind jenseits der messbaren Geschwindigkeiten, Captain.“
Dann schien er zu schrumpfen und wurde nach wenigen Augenblicken vor Janeways Blick durch die Rückenlehne des Pilotensessels ganz verdeckt.
Seska stand bisher weiterhin wütend neben der Pilotenstation. Aber jetzt starrte sie sichtbar fassungslos auf Paris’ Sessel. Sie beugte sich vor, nahm sanft das Baby auf und wickelte es in Paris’ Uniformoberteil. Mit dem Kind auf dem Arm übernahm sie dann die Station.
Gleichzeitig hatte Janeway den Eindruck, dass ihre eigene Uniform sich weitete und größer wurde. Und auch der Kommandosessel wurde größer.
„Badabuba!“, erklang es neben ihr.
Inmitten der Uniform von Chakotay saß neben ihr ein Baby.
Sie nahm es auf ihren Schoss und sah sich erschüttert auf der Brücke um.
Tuvok glich einem zehnjährigen Jungen und konnte nur mit Mühe auf seine Konsole blicken. „Captain, ich habe den Eindruck, dass ich wie Sie zu jung geworden bin, um noch dienstfähig zu sein.“
Hinter ihr weinte ein weiteres Kleinkind.
Ein blondes Mädchen in einer viel zu großen Uniform eilte zur OPS-Station, nahm dort das weinende Baby auf und wiegte es beruhigend. Etwas verspätet erkannte Janeway sie als Ensign Samantha Wildman. Dann war das Baby wahrscheinlich Harry Kim.
An den restlichen Stationen saßen kleine Mädchen. Einige mühten sich mit Babys ab, die bis eben noch wie sie selbst Erwachsene gewesen waren.
Über das Interkom rief Ensign Golwat sie aus dem Maschinenraum und wurde dabei beinahe durch lautes Babygeschrei übertönt.
Janeway meldete sich und wurde sich bewusst, dass sie dabei wie ein kleines Mädchen klang, weil sie eben auch eines war.
Auf dem Bildschirm neben dem Kommandosessel erschien die weiterhin erwachsene Bolianerin, die sich vergeblich bemühte, das Baby auf ihrem Arm zu beruhigen. „Wir haben hier einige Probleme. Aber wenn ich Sie ansehe, können Sie uns wahrscheinlich nicht weiterhelfen, Captain.“
„Ich fürchte nicht. Wo ist Lieutenant Torres?“
Golwat hielt das schreiende Baby vor die Kamera. „Das ist B’Elanna! Sie stärker betroffen als selbst die menschlichen Männer.“
Janeway überlegte, während sie gleichzeitig mühsam den Wunsch unterdrückte, doch einfach spielen zu gehen. „Bringen Sie alle Kleinkinder in die Krankenstation. Der Doktor und Kes ...“
Sie wurde unterbrochen, als Golwat mit dem Baby aus dem Sichtbereich der Kamera hechtete. „Nein, nicht dahin! Passt doch auf die Babys besser auf.“
„Schimpf nicht mit uns! Wir tun unser Bestes“, protestierte eine helle Mädchenstimme.
Neniau bemühte sich, nicht auf das kleine Mädchen in der viel zu großen Uniform zu starren, welches mit einem in ein Uniformhemd gewickelten Baby auf dem Arm im Kommandosessel der Voyager saß.
Hinter ihr versuchte Moka vollkommen vergeblich, ein Lachen zu unterdrücken.
„Es tut mir leid, aber wir können trotz der gemeinsamen Warpblase wegen der Interferenzen niemanden zur Unterstützung auf die Voyager beamen“, erklärte sie. „Wer ist noch ... dienstfähig bei Ihnen?“
„Eigentlich nur noch Seska, Golwat und Kes. Der Doktor ist zwar ebenfalls als Hologramm nicht betroffen, aber er kann die Krankenstation nicht verlassen. Außerdem haben er und Kes dort mit Windeln und Fläschchengeben alle Hände voll zu tun.“
Ein weiteres Mädchen in einer zu großen Uniform trat in den Erfassungsbereich der Kamera und nahm der darüber sichtbar dankbaren Kathryn Janeway das Baby ab, um es ebenfalls in die Krankenstation zu bringen.
„Und ich unterdrücke mühsam den Wunsch, zusammen mit den anderen Kindern zu spielen! Wie lange bleiben wir so?“
Neniau prüfte kurz die ihr bekannten Zahlen. „Wir beginnen in etwas über acht Stunden mit dem Bremsmanöver. Sie sollten dann alle wieder in Ihr normales Alter zurückkehren.“
Janeway sprang auf und stampfe wütend mit den Füßen. „Acht Stunden! Das ist blöd! Können wir das nicht schneller schaffen?“
Neniau gelang es, nur mit äußerster Willenskraft ein Pokergesicht beizubehalten. „Dazu müssten wir weiter beschleunigen und Sie würden noch jünger werden.“
Das kleine Mädchen begann zu weinen. „Nein, ich möchte nicht noch jünger werden. Und womöglich würden dann die Jungs einfach verschwinden.“
„Captain, es wäre möglich über ein Verbindungskabel als Seilrutsche weiteres Personal von der Overkill auf die Voyager zu bringen“, meldete Zazz hinter ihr.
Moka bezwang weitgehend ihre Erheiterung, trat zu ihm und überprüfte seine Daten. „Nein, das würde niemand überleben.“
„Wir leben nicht und auch unsere Biohüllen würden den Transfer weitgehend intakt überstehen“, warf Roberta Webster von der benachbarten Station ein.
„Das wären drei zusätzliche Besatzungsmitglieder, die auf der Voyager aushelfen könnten. Wären Sie dazu bereit?“, fragte Neniau die beiden anwesenden Androiden.
„Selbstverständlich“, antworteten Roberta und Rosalinda gleichzeitig.
Im untersten Deck der Maschinensektion sah Neniau schaudernd durch die geöffnete Luke, die eigentlich zum Absetzen von Satelliten vorgesehen war. Wie auch Zazz und die drei Androiden trug sie einen Raumanzug. Sie wandte sich von der klaffenden Öffnung im Boden ab und wieder der Konsole zu. „Das Verbindungskabel zur Voyager ist stabil. Ich kann aber noch nicht sagen, wie lange. Wir sollten uns also nicht zu viel Zeit lassen.“
Zazz nickte in seinem Helm kaum sichtbar, bevor er Rhonda half, ihr Sicherheitsgeschirr an das Tragseil zu hängen.
Als zusätzliches Risiko gab es in der oberen Schleusenkammer der Voyager niemand, der ihnen dort helfen konnte, außer vorab das äußere Schleusentor zu öffnen. Seska und Gulwat konnten ihre Stationen auf der Brücke beziehungsweise im Maschinenraum nicht verlassen, Kes hatte keine entsprechende Ausbildung, und selbst wenn sie helfen könnten, würde keines der größeren Kinder in einen der Raumanzüge passen.
„Bereit?“, fragte Neniau die Androidin.
„Bereit“, bestätigte Rhonda, als wäre es nichts Besonderes, während eines Tandemfluges bei Hyperwarp von einem Schiff auf das andere über eine Seilrutsche zu wechseln.
Neniau drückte die entsprechende Taste und hielt den Atem an.
Die Androidin stieß sich vom Deck ab und wurde förmlich aus dem Schiff gesogen.
Neniau sah vorsichtig durch die Luke nach unten. Sie sah gerade noch, wie Rhonda dort auch wirklich mit einem irrsinnigen Tempo in die Schleuse der Voyager hineinraste.
„Ich bin angekommen. Keine Schäden. Roberta als Nächste“, meldete die Androidin zu Neniaus Erleichterung.
Zazz hängte nun Roberta an das Tragseil.
„Bereit?“, fragte Neniau auch sie.
„Bereit“, bestätigte Roberta.
Auch sie raste abwärts zur Voyager.
„Alles klar! Jetzt Rosalinda“, meldete Rhonda.
Die letzte Androidin ließ sich an das Tragseil hängen.
Bevor Neniau fragen konnte, gab Rosalinda bereits ihr Okay mit einem Daumen hoch.
Sie raste ebenfalls abwärts.
„Angekommen. Wir lösen jetzt das Tragseil und begeben uns auf unsere Stationen“, meldete Rhonda weiterhin völlig ausdruckslos.
„Ist bei Ihnen auch wirklich alles in Ordnung?“, vergewisserte sich Neniau, während Zazz das Verbindungskabel wieder auf seinem Spill zurücklaufen ließ.
„Wünschen Sie eine offene und ehrliche Antwort, Captain?“, fragte Rosalinda.
Neniau und Zazz sahen sich beunruhigt an.
„Ja, ich bitte darum“, antwortete Neniau mit bangem Gefühl.
„Es war absolut geil! Ich wünschte, ich könnte es noch einmal machen!“
„Unbedingt!“
„Das war ein irres Gefühl!“
Neniau war sich nicht sicher, welche Antwort von welcher Androidin stammte oder ob sich eine biologische Person dieser Meinung auch nur ansatzweise anschließen würde.
Kathryn Janeway saß unglücklich auf ihrem Kommandosessel und trank von der heißen Schokolade, die ihr die Androidin Rosalinda Webster gebracht hatte. Neben ihr war der kleine Junge Tuvok trotz allem einfach eingeschlafen.
Rosalinda hatte seine Station übernommen und deren Funktion mit der von OPS zusammengelegt.
Während Rhonda dem Doktor und Kes half, das Chaos auf der Krankenstation in den Griff zu bekommen, unterstützte Roberta Golwat im Maschinenraum.
„Wir beginnen in fünf Minuten mit dem Bremsmanöver“, berichtete Seska.
Es hatte Janeway und die anderen größeren Kinder ziemlich entsetzt, als sich die Bajoranerin langsam veränderte und äußerlich zu einer Cardassianerin wurde. Und es hatte Janeway nur minimal beruhigt, als Seska daraufhin offen zugegeben hatte, dass sie wirklich eine Cardassianerin war, die als Spionin bei den Maquis eingeschleust worden war. Aber trotzdem schien sie weiterhin gewissenhaft ihre Aufgaben als Pilotin zu erfüllen. Klar, sie wollte ebenfalls nach Hause zurückkehren.
„Dann sollten wir hoffentlich alle wieder normal werden“, antwortete Janeway.
Seska drehte sich zu ihr um. „Vielleicht sollten wir die Krankenstation vorwarnen. Es könnte sonst ... interessant werden, wenn in einem Bett ein halbes Dutzend Babys wieder zu Erwachsenen wird.“
„Großer Gott!“ Unwillkürlich musste Janeway bei der Vorstellung kichern.
„Wird schon erledigt“, sagte Rosalinda, bevor sie leise über das Interkom sprach.
Janeway stupste Tuvok in die Seite. „Wach auf! Wir werden gleich wieder erwachsen!“ Still hoffte sie, dass dies auch wirklich der Fall sein würde.
Der vulkanische Junge sah sie für einen Moment aufgeschreckt und schlaftrunken an. Dann setzte er sich betont ruhig auf und zupfte seine viel zu große Uniform zurecht. Auch die anderen Kinder hörten auf zu spielen und weckten jene, die sich auf dem Teppich oder in Sesseln zum Schlafen zusammengerollt hatten.
Seska sah konzentriert auf die Pilotenkonsole. „Es geht los!“
Das Grollen des Warpantriebes der Overkill wurde leiser.
Janeway wagte kaum zu atmen. Dann spürte sie, wie ihre Kleidung scheinbar wieder kleiner wurde und nicht länger um sie herumschlackerte. Sie stand auf und suchte wie die anderen ihre Schuhe, die ihnen jetzt hoffentlich wieder passten.
Neben ihr war Tuvok innerhalb von Sekunden wieder zu einem erwachsenen Mann herangewachsen und schritt nun auf Socken zu seiner Station, als wäre nichts gewesen.
Um sich herum hörte sie erleichtertes Lachen und Jubel von den anderen Frauen.
Auf dem Hauptbildschirm verschwand das Karomuster und wurde durch die normalen Sterne in ihrer Pseudobewegung ersetzt, bevor das Sternenfeld ganz zum Stillstand kam.
„Wir sind wieder im Normalraum. Die Overkill trennt die Verbindung der Traktorstrahlen und geht auf Abstand zur Voyager, Captain.“ Seska überprüfte die Koordinaten. „Wir sind etwas über sechs Lichtjahre von Andoria entfernt. Kurs?“
„Auf Andoria“, befahl Janeway. Dann trat sie zur Pilotenstation und legte eine Hand auf die Schulter der Cardassianerin. „Das war gute Arbeit, Ensign. Vielleicht ist doch ein Platz in Starfleet für Sie.“
Seska lachte leise. „Danke, aber ich werde heilfroh sein, wenn ich zurück auf Cardassia bin.“
Neniau saß zusammen mit Moka in einer kleinen Bar auf Starbase 3. Ihr tat immer noch der Hintern weh, nachdem sie auf eine der Eisbahnen geraten und hingefallen war. Außerdem war es auf der Sternenbasis erschreckend kalt. Wobei zumindest Letzteres bei einer andorianischen Station zu erwarten gewesen war.
„Also haben wir einen vollen Erfolg verzeichnet und alle Geschwindigkeitsrekorde gebrochen, aber die Overkill wird trotzdem wieder eingemottet und weiterhin geheim gehalten?“, fragte die große Tellaritin enttäuscht.
„Wir haben nicht nur alle Geschwindigkeitsrekorde, sondern auch alle Rekorde in der Schädigung des Subraumes gebrochen. Admiral Sharan sagte, dass wir mehr Umweltschäden als die gesamte Flotte in ihrer ganzen Existenz verursacht haben“, erwiderte Neniau und nahm dann einen Schluck von ihrem Café au Lait. „Abgesehen davon hat dieses Monsterschiff ziemlich extreme Nebenwirkungen auf seine Besatzung. Soweit ich von Kathryn gehört habe, würden die meisten Männer von der Voyager am liebsten im Erdboden versinken, weil sie als Babys gewindelt wurden und dabei nach ihren Milchfläschchen geschrien haben.“
„Nur weil die meisten Lamettaträger nicht nur Menschen, sondern auch männlich sind. Sie sollen sich deshalb nicht so anstellen“, antwortete Moka mit einem Schulterzucken und Lächeln.
„Sharan ist Andorianer.“
„Und männlich!“
„Ich möchte mich nicht mit dir streiten, Moka.“
„Das ist wirklich sehr unhöflich von dir, Neniau.“
Sie grinsten beide.
„Was wirst du jetzt machen?“, fragte Moka und drehte dabei ihren Kaffeebecher auf dem Tisch.
„Ich kehre zum Slipstream-Programm zurück, aus dem Admiral Paris mich rausgerupft hatte. Es erscheint nicht nur mir als sehr viel bessere Alternative zu dem brachialen Angang der Overkill. Und ich könnte eine gute Chefingenieurin brauchen, wenn wir die Dauntless wirklich irgendwann einsatzfähig kriegen sollten.“
„Ohne mich würdet ihr wahrscheinlich nie so weit kommen, bevor du in den Ruhestand gehst.“
„Hey, du wirst sehr viel früher als ich in Rente gehen“, fauchte Neniau.
„Oh, das tut gut. Das wird so viele schöne Streitereien zwischen uns geben“, sagte Moka sichtlich zufrieden.
Neniau grinste. „Dann, willkommen im Team, alte Freundin!“