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Zwangsurlaub im Paradies - West

von MariaMagdalena

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Aufmunternd lächelte Captain Jonathan Archer der Linguistin Hoshi Sato zu. „Gehen wir", forderte er sie auf.

Sie verließen die Crew auf der Waldlichtung in westlicher Richtung. Stetig folgten sie einem kleinen gewundenen Pfad, der sie, mal mehr, mal weniger nahe, an einem kleinen Bach entlang führte. Die bezaubernden Vogelstimmen der Lichtung begleiteten sie. Ihr Ruf klang lockend, überschäumend, wie ein Wasserfall aus Regenbogen. Ab und zu sah Jon ihr bunt schillerndes Gefieder in den Bäumen aufblitzen. Ein bernsteinfarbener Salamander kreuzte dicht vor seinen Füßen den Weg und stürzte sich ins Wasser. Eine sanfte Brise spielte mit den großen Mengen winziger Blätter an den Bäumen, die dadurch fast so etwas wie Musik erzeugten.

„Eine wirklich interessante Geräuschkulisse", bemerkte er.

„Vielleicht ist es sogar eine Art von Kommunikation", überlegte Hoshi. Ihr Interesse war geweckt.

Die beiden bewegten sich äußerst vorsichtig durch die beeindruckende Idylle. Sie waren auf mysteriöse Weise und ohne ihr Einverständnis auf diesen Planeten gelangt - es war nur wahrscheinlich, dass der Schein trog und ungeahnte Unannehmlichkeiten sie erwarteten.

„Haben Sie eine Vermutung, warum wir hier sind?" fragte die junge Asiatin ihren Vorgesetzten. Allein in seiner Gegenwart fühlte sie sich immer ein wenig verlegen. Sicher war dies ein albernes Gefühl, doch die Befangenheit blieb. Sie fragte sich, warum der Captain sie seinem eigenen Team zugeteilt hatte. Nicht, dass sie T'Pol oder Trip bevorzugt hätte, aber sie hätte doch erwartet, dass Archer diesen Streifzug lieber mit einem Freund unternehmen würde.

„Ich habe nicht die geringste Ahnung", antwortete Jon und musterte das lichte Unterholz. „Aber ich vermisse meine Phasenpistole schmerzlich. Falls uns jemand Böses will - ich habe nicht einmal ein Messer!"

Wirklich niemand an Bord hatte eine Waffe bei sich getragen, als sie plötzlich auf die Oberfläche dieses fremden Planeten gebracht worden waren. Der Alltag auf der Enterprise erforderte solche Maßnahmen einfach nicht.

„Wenn wir hier festsitzen sollten, müssen wir uns etwas einfallen lassen", schloss Hoshi realistisch. „Vielleicht können wir uns Pfeile und Bogen bauen, damit wir uns Fleisch erjagen können."

Jon lächelte. Der Weg war zu schmal, so dass sie hintereinander gingen und die Linguistin sein Gesicht nicht sehen konnte. „Dann wäre es einfacher, Fallen zu stellen. Ich kann mir die Crew schlecht als Höhlenmenschen mit Holzspeeren auf Mammutjagd vorstellen."

Die Erwähnung der imposanten Rüsseltiere bereitete Hoshi einiges Unbehagen. „Sie glauben doch nicht, dass es hier welche gibt, oder?"

Ein Knacken im Geäst lenkte ihn von einer Antwort ab. Beide blickten erschreckt auf, doch es waren nur zwei Eichhörnchen - oder in etwa vergleichbare Tiere - die einander um einen Baumstamm jagten.

„Niedlich", kommentierte Jon. „Scheint eine Art Balzritual zu sein."

Kaum hatte er den Satz beendet, hatte das größere Tier das kleinere eingeholt und trieb es auf den nächstbesten Ast. Dort tanzten die beiden ein paar Augenblicke umeinander herum, bevor sich Jons Vermutung vor ihren Augen bewahrheitete.

„Erstaunlich, dass es doch fast überall auf dieselbe Weise funktioniert", sagte Jon mit einem süffisanten Grinsen.

Hoshi betrachtete die Eichhörnchen mit erröteten Wangen - peinlich berührt weniger wegen deren exhibitionistischer Veranlagung, sondern mehr wegen der Faszination ihres Captains dafür.

Sie überließen das Liebespaar ihrem Vergnügen und folgten dem Pfad und dem Bach, bis der Wald sich lichtete. Der Weg führte auf eine ebene Wiese hinaus, die sich bis zum Horizont erstreckte. Zwischen saftigem knöchelhohen Gras blühten tausende und abertausende winziger weißer und gelber Blumen.

„Wie wunderschön!" entfuhr es Hoshi.

„In der Tat", gab Jon ihr Recht.

Die erste Stunde ihrer Wanderung war verstrichen, und so meldeten sie sich, wie verabredet, bei den anderen Teams und Dr. Phlox im Basislager. Viel konnten sie nicht mitteilen, nur, dass der schöne Schein sie - noch - nicht getrogen hatte. T’Pol und Lieutenant Reed berichteten Ähnliches. Im Lager war die Lage ebenfalls ruhig und entspannt, wie Dr. Phlox versicherte, und auch dem dort gebliebenen Porthos gehe es gut.

„Wir haben kein Wasser dabei, oder?" fragte Hoshi wenig später ohne viel Hoffnung. Sie hatte Durst, und der verlockend plätschernde Bach mit seinem kristallklaren Wasser ließ sie diesen Gedanken seit geraumer Zeit kaum noch verdrängen.

„Wir haben nicht einmal etwas dabei, um Wasser abzukochen", bedauerte Jon.

„Meinen Sie, wir können es riskieren, aus dem Bach zu trinken?" Sie war skeptisch, doch ihr Durst war groß. „Was hat es für einen Sinn, wenn wir hier verdursten?"

„Es bleibt uns wohl kaum etwas anderes über", stimmte der Captain nach kurzem Überlegen zu.

Hoshi kniete sich nieder und schöpfte sich zuerst mit beiden Händen Wasser ins Gesicht. Es war klar, kühl und frisch. Schließlich wagte sie, etwas davon zu trinken.

Während sie noch nach vorn gebeugt kniete, kam von hinten ein nicht ganz kleines Tier herangestürmt. Im ersten Moment glaubte Jon, Porthos wäre ihnen doch noch gefolgt, doch dann erkannte er eine Art Biber mit einem breiten, flachen Schwanz und einem wuscheligen Pelz. Das Tier sah durchaus niedlich aus, doch hielt es direkt auf die Asiatin zu. Alles ging so schnell, dass Jon nicht einmal eine Warnung rufen konnte, bevor es die Frau rammte und mit voller Wucht in den Bach schubste.

Hoshi landete mit einem großen Platsch und einem kleinen Aufschrei im Wasser. Der Biber folgte ihr mit einem Geräusch, von dem Jon hätte schwören können, dass es ein Lachen war. Dann war er verschwunden.

Prustend tauchte Hoshi wieder auf. Der Wasserlauf war wirklich nicht tief, aber sie war mit dem Gesicht voran hineingestürzt. Schon war Jon bei ihr.

"Haben Sie sich etwas getan?" frage er. "Hat dieses Ding Sie verletzt?"

Die Linguistin hatte sich sehr erschreckt, doch davon abgesehen ging es ihr gut. "Wenn ich das Vieh erwische!" schimpfte sie. "Was war das überhaupt?"

Jon berichtete ihr, was er gesehen hatte. "Sah aus, als hätte es ihm Spaß gemacht, Sie zu ärgern."

"Ich kann mir nicht vorstellen, dass ein Tier so etwas absichtlich tut", meinte sie zweifelnd. Dann wandte sie sich dringenderen Problemen zu. Ihr Durst war gestillt, aber jetzt war sie triefend nass. Zum Glück waren die Uniformen aus einer sehr zweckmäßigen Microfaser gefertigt, die innerhalb kürzester Zeit trocknete. Trotzdem war es nicht ratsam, die Sachen so pitschnass am Körper trocken zu lassen, wenn sie sich nicht erkälten wollte. Das Wetter war angenehm warm, aber nicht heiß, und es wehte ein leichter Wind.

"Ich geh mich mal kurz auswringen", murmelte sie und wandte sich um, um in den Schutz des Waldes zu verschwinden, aus dem sie gerade erst herausgetreten waren.

Erstaunt erstarrte sie. "Sir...?" fragte sie unsicher, als sie auf den Waldrand blickte, der mindestens einen Kilometer in die Ferne gerückt war. Träumte sie, oder lief hier irgendetwas entschieden schief?

Jon sah in dieselbe Richtung. "Was zum Teufel -" entfuhr es ihm.

"Vielleicht sind wir weiter gegangen, als wir bemerkt haben?" bot Hoshi wenig überzeugt an.

"Nein", urteilte der Captain. "Nicht *so* weit. Es geht hier nicht mit rechten Dingen zu, soviel ist sicher."

In Anbetracht der Tatsache, wie sie an diesen Ort gelangt waren, sollte sie diese Feststellung nicht überraschen. Hoshi jedoch lief ein kalter Schauer den Rücken hinunter, was nicht an ihrer nassen Uniform lag.

Eine Weile noch starrte Jon misstrauisch auf den entfernten Waldsaum. Dann wandte er sich wieder zu seiner Kollegin um.

"Sie zittern ja. Sie müssen raus aus den Klamotten! Ich kontaktiere solange die anderen."

Er drehte ihr den Rücken zu. Eine Sekunde zögerte sie unentschlossen, dann wandte sie sich ebenfalls ab und zog ihre Jacke aus. Ein paar Handgriffe, und das Kleidungsstück war deutlich trockener. Schnell warf sie es zur Seite, um die Prozedur bei ihrem Shirt zu wiederholen. Währenddessen lauschte sie auf die Unterhaltung, die der Captain mit den anderen Teams über Funk führte.

"Team zwei, wie sieht es bei euch aus?" fragte Jon.

"Alles Roger, Captain." Travis Mayweathers Stimme klang gut gelaunt.

"Team drei?"

"Sehr hübsch hier!" urteilte Trip Tucker. "Malcolm und ich machen gerade ein nettes Picknick."

"Keine ungewöhnlichen Vorkommnisse?" hakte Jon kritisch nach.

Travis verneinte.

"Wir haben an einem Fluss ein Boot gefunden", räumte Trip ein. "War recht alt und lange nicht gebraucht, aber wir hielten es für funktionstüchtig. Na ja, wir sind Baden gegangen, aber das lag hauptsächlich an so einem kleinen Biberviech, das -"

"Sagtest du Biber?" horchte Jon auf.

"Ich glaub nicht, dass er es böse meinte", versicherte der Commander.

Jon kam zum Grund seiner Kontaktaufnahme zurück. "Wir haben den Eindruck, dass sich die Entfernungen willkürlich verändern. Könnt ihr das bestätigen?"

Beide Teams verneinten.

"Vielleicht haben wir uns auch getäuscht, aber das glaube ich nicht", überlegte Jon. Dann beendete er das Gespräch.

"Sind Sie fertig?" fragte er Hoshi, den Blick auf die unendlich scheinende Weite der Blumenwiese gerichtet.

"Gleich, Sir, einen Moment noch." In Windeseile hatte sie sich ausgezogen, ihre Kleidung von so viel Wasser wie möglich befreit und wieder angezogen. Ihr war immer noch kalt, das Zeug immer noch klamm, aber die Situation hatte sich deutlich verbessert. Nur die Gänsehaut war geblieben.

Jon bemerkte sie. "Nehmen Sie meine Jacke!" forderte er sie auf und reichte sie ihr.

Es war warm genug, er brauchte sie nicht, also gab es keinen Grund, sich zu zieren. Dankbar nahm sie sie entgegen.

"Was tun wir jetzt?" fragte sie. "Sollten wir ins Lager zurückkehren?"

Jon überlegte. "Ich denke, ja. Es macht wenig Sinn, tiefer in diese Weite hineinzumarschieren. Wir sollten hoffen, dass wir uns auf diese mysteriöse Weise nicht weiter vom Lager entfernt haben, als uns lieb ist."

ZAPP!

Kaum hatte er die Worte ausgesprochen, war es plötzlich stockdunkel. Hoshi gab ein überraschtes Geräusch von sich, wofür er ihr dankbar war. Im ersten Moment hatte er befürchtet, allein in der Schwärze zu stehen.

"Was ist nun los?" fragte sie leicht ängstlich.

Auch er verspürte genügend Unbehagen. "Ich habe keine Ahnung."

"Ich komme mir vor, wie in einem Geisterhaus", murmelte sie unglücklich. Dann schrie sie laut auf.

"Keine Angst, ich bin das", beruhigte er sie. Er hatte in die Hocke gehen wollen, um nach dem Gras zu tasten, doch sie standen so dicht beieinander, dass er sie dabei versehentlich am Bein berührt hatte. Nun tastete er nach ihrer Hand. "Hier."

Sie atmete tief durch. "Entschuldigung."

"Ich muss mich entschuldigen", sagte er und hielt ihre Hand fest. "Wir sind noch auf der Wiese. Hören Sie den Bach?"

Tatsächlich plätscherte es nicht weit von ihnen immer noch munter vor sich hin. Unter ihren Füßen fühlte sie das hohe Gras. Langsam gewöhnten sich ihre Augen an die Dunkelheit, und sie sah die Sterne am Himmel leuchten.

"Vielleicht ist das hier die normale Art von Abenddämmerung?" schlug sie vor.

Jon schüttelte den Kopf. "Normal ist hier wenig, soviel steht fest."

"Es scheint keinen Mond zu geben", beobachtete sie. "Bei dieser Dunkelheit finden wir das Lager wohl kaum wieder - zumal, wenn sich der Ort geändert haben sollte..."

T'Pols Stimme klang aus dem Funkgerät. „Captain? Sie fragten nach ungewöhnlichen Vorkommnissen?“

Es dauerte, bis Jon in der Dunkelheit das Funkgerät auf dem Boden ertastet und die Display-Beleuchtung aktiviert hatte, um dem Subcommander zu antworten. Ein kurzes Gespräch ergab, dass der plötzliche Nachteinbruch sich einheitlich für alle Teams ereignet hatte.

Jon gab den Befehl, an Ort und Stelle auszuharren und auf eine ebenso plötzliche Morgendämmerung zu hoffen.

Hoshi seufzte tief. Wieder einmal hatte sich ein ganz normaler Arbeitstag zum Desaster entwickelt. Zwar schienen sie nicht in akuter Gefahr zu sein, doch alles an diesem Ort kam ihr verdächtig vor. Wenn hier offensichtlich *alles* möglich war, dann war es auch das Schlimmste.

„Ein paar Meter weiter war, glaube ich, eine ganz gemütliche Kuhle am Bach“, überlegte Jon laut.

Auf Händen und Knien krabbelte er in Richtung des rauschenden Wassers und weiter, bis er die gemeinte Stelle fand. In einer weitläufigen Kurve des Wasserlaufs war eine schmale Sandbank am Ufer entstanden. Er lehnte den Kopf an die Grasnarbe. Sein Körper befand sich nun in einer angenehmen halb liegenden, halb sitzenden Position.

„Na bitte“, sagte er. „Bequem wie ein Fernsehsessel. Hier sollten wir es aushalten.“

Hoshi folgte seiner Stimme. Die Dunkelheit war nicht perfekt, aber doch beinahe. Aus den Augenwinkeln konnte sie seine Silhouette ausmachen, wenn sie sich darauf konzentrierte. Sie setzte sich neben ihm auf den Boden und schwieg.

Jon seufzte. „Ich hätte nichts gegen ein Abendessen gehabt…“

Jetzt erst merkte sie, wie hungrig sie war. Seit dem Mittagessen, das sie kaum begonnen hatte, hatte sie nichts mehr gegessen.

Jon nahm das Funkgerät auf den Schoß. Dabei fühlte er etwas Hartes in der Nylontasche, die es umgab. „Oh“, entfuhr es ihm, als er genauer nachfühlte. „Na, wer sagt’s denn: Kekse!“

Ein original verpacktes Päckchen Sternenflotten-Kekse fiel ihm in die Hände.

„Wie kommt das denn dahin?“ fragte Hoshi verwundert.

„Keine Ahnung“, gestand Jon. „Ich hätte schwören können, dass ich es bemerkt hätte, wenn es vorher schon dort gewesen wäre.“

Ein Schauer lief ihr über den Rücken. „Wir sollten es besser nicht essen…“ überlegte sie.

„Ich habe Hunger“, entschied der Captain. „Es ist verpackt. Vielleicht ist es wirklich zufällig in die Tasche geraten und ich habe es vorher nicht bemerkt.“

Er öffnete das Papier, nahm einen der Kekse und kostete vorsichtig. „Schmeckt völlig normal“, urteilte er. Dann hielt er die Packung in ihre Richtung.

Sie war immer noch skeptisch, doch ihr Hunger siegte. Vorsichtig tastete sie sich an seinem bloßen Arm entlang, bis sie schließlich die Packung fand. Sie fühlte, wie sich die Härchen auf seiner Haut dabei aufstellten und bekam selbst eine Gänsehaut. Es war ihr nicht ganz Recht, so allein mit dem Captain in der Dunkelheit zu hocken. Er war ihr zu nah. Mehr als jemals zuvor spürte sie, dass ihr Vorgesetzter ein Mann war.

Schweigend kauten sie ihre Kekse. Erstaunlicherweise fühlte sich ihr Magen angenehm voll an, als die kleine Packung verputzt war.

Es wurde merklich kühler. Hoshi war froh, dass ihre Uniform inzwischen getrocknet war. Sie trug immer noch die Jacke des Captains, ihre eigene lag irgendwo zu ihrer Rechten ausgebreitet im Gras.

„Was tun Sie da?“ fragte er, als sie sich auf Händen und Knien von ihm wegbewegte.

„Ich suche meine Jacke“, erklärte sie.

„Das könnte gefährlich sein“, mahnte er. „Was, wenn Sie auf ein unfreundliches Tier treffen? Wer weiß, was für unangenehme Kreaturen hier lauern?“

„Wenn, dann finden sie uns auch im Sand“, widersprach sie und krabbelte weiter, nach dem Kunstfaserstoff tastend. „Mir ist kalt, und Sie haben nicht einmal etwas zum Überziehen.“

Mit einem unwilligen Geräusch stemmte auch er sich auf alle Viere und half ihr beim Suchen. Es stimmte: Auch er fühlte die Kühle.

Kurze Zeit später ertastete sie den Stoff.

„Sir?“ flüsterte sie. Aus irgendeinem Grund wagte sie nicht laut zu sprechen.

„Haben Sie sie?“ hörte sie seine Stimme, nicht weit von ihr.

„Ja“, bestätigte sie. „Wo sind Sie?“

„Hier.“

„Wo?“

„Hier…“

Nach mehrmaligen geflüsterten Worten hatten sie sich endlich gefunden. Er fühlte ihre Hand an seinem Unterschenkel, hörte ihr leises Kichern.

„Ich komme mir vor wie beim Blinde-Kuh-Spielen“, lachte sie.

Er stimmte leise in ihr Gelächter ein, obwohl ihm nicht unbedingt danach zumute war. Die Reaktion seines Körpers erschreckte ihn, als sie sich jetzt zu seinen Händen vortastete. Unwillkürlich musste er an ein anderes, nicht ganz so unschuldiges Spiel denken – „Küssen im Dunkeln“. Das war *der* Renner gewesen auf den Geburtstagspartys, als er 15 oder 16 gewesen war. Ohne diese Schützenhilfe hätte er es wohl niemals gewagt, Jenny Shemmers zu küssen…

Er zwang seine Gedanken zurück in die Gegenwart. Das hier war kein Spiel, sondern ein ernsthaftes Problem. Die Situation der ganzen Crew war besorgniserregend, das Schicksal der Enterprise ungewiss. Er hatte wahrlich keine Zeit, inadäquat auf eine flüchtige Berührung seines Kommunikationsoffiziers zu reagieren!

Dann hörte er, wie sie sich die Jacke abstreifte. Er schloss die Augen, trotz der Dunkelheit, und atmete tief durch.

Einen Augenblick später drückte sie ihm sein Kleidungsstück vorsichtig in die Hände. „Bitte. Sie müssen halb erfroren sein.“

„Behalten Sie die Jacke ruhig“, sagte er. „Mir ist gar nicht kalt.“ In der Tat waberte eine gefährliche Hitze durch seinen Körper.

„Sie sind viel zu sehr Gentleman“, antwortete sie, und er hörte das Lächeln in ihrer Stimme.

„Gehen wir wieder zurück zu unserer Uferkuhle“, schlug er vor und entfernte sich schnellstmöglich von ihr, die Jacke nun doch mitnehmend.

Wieder in ihrer Fernsehsesselposition schwiegen sie sich eine ganze Weile an.

Sie dachte über das seltsame Blätterrauschen im Wald nach. Konnte das wirklich eine Art der Kommunikation gewesen sein? Waren sprechende Bäume nicht doch ein wenig zu albern? Vielleicht war es keine direkte, sondern eine Art biologische Informationsübermittlung? Kurios genug war das Phänomen allemal.

Er schämte sich für die unprofessionellen Gedanken, die noch immer durch seinen Kopf waberten. Unangenehm wurde ihm bewusst, wie lange es her war, seit er zum letzten Mal…

Die Gänsehaut war wieder da; wegen der Kälte, diesmal. Sie begann zu zittern.

„Sie sollten versuchen, etwas zu schlafen“, sagte Jon. „Ich übernehme die Wache.“

„Ich weiß nicht, ob ich in dieser Situation Schlaf finde“, entgegnete sie. Dann murmelte sie: „Zu dumm, dass wir keine Decken dabei haben.“

An ihrer Stimme hörte er, dass sie zitterte. „Nehmen Sie meine Jacke!“ befahl er.

Er konnte nicht umhin, sich eine Alternative auszumalen.

Sie wehrte ab. „Ich habe doch meine eigene jetzt. Ich kann meinen Captain nicht erfrieren lassen.“

„Es ist nicht wirklich kalt“, entgegnete er. „Ich schätze, dass es 14, 15 Grad hat. Vielleicht mehr.“

„Das reicht, um sich ohne Jacke gründlich zu erkälten“, schlussfolgerte sie.

„So, wie Sie zittern, erkälten Sie sich auch *mit* Ihrer Jacke“, entgegnete Jon besorgt.

Sie reagierte nicht. Ihr war erbärmlich kalt, aber sie konnte nicht zulassen, dass er litt, nur weil sie nicht so hart war, wie man es von einer anständigen Sternenflottenoffizierin erwarten würde.

Nur eine knappe Handbreit trennte sie von ihm. Seine Körperwärme spürte sie nicht, doch sie wusste, wie angenehm warm er sein musste. Zu gern hätte sie sich an ihn gelehnt, doch – er war Captain Archer, Teufel noch mal! Ihr Vorgesetzter, keine Wärmflasche.

Jon starrte in die Dunkelheit, versuchte, das unterdrückte Zähneklappern neben ihm zu ignorieren. Er konnte ihr schlecht gegen ihren Willen seine Kleidung aufnötigen. Objektiv gesehen war es wirklich nicht so kalt, dass sie sich in Gefahr befunden hätte, doch kalt genug, dass er die Wirkung seiner eigenen Jacke genoss. Vielleicht würde er sie später, wenn sie schlief, über sie decken.

Missmutig lauschte er in die Finsternis. Was sollte er eigentlich tun, wenn er eine Gefahr bemerkte? Er war vollkommen unbewaffnet, trug nicht einmal ein Messer bei sich. Er bereute, nicht wenigstens eins der Essbestecke konfisziert zu haben. Es behagte ihm ganz und gar nicht, diesem seltsamen Planeten mit seinen mysteriösen Launen ausgeliefert zu sein, weit weg von seiner Crew, allein mit einer Frau und einem Haufen unpassender Gedanken und Ideen.

Ihr Atem war regelmäßiger geworden. Anscheinend hatte sie tatsächlich Schlaf gefunden. Er lehnte sich zurück, entspannte sich allmählich. Erleichtert stellte er fest, dass sein Körper sich ganz und gar beruhigt hatte. Wahrscheinlich war es letztlich nur eine Stressreaktion gewesen.

Er sah zu ihr herüber, obwohl er nicht wirklich viel erkennen konnte. Mit einem warmen Lächeln zog er nun doch seine Jacke aus und deckte sie über die junge Frau. Sie schauderte im Schlaf, kuschelte sich in den Stoff und rückte ein wenig an ihn heran. Er konnte nicht widerstehen und legte einen Arm um sie. Das Gefühl, sie zu halten, ihr Geborgenheit zu geben und sie zu beschützen, überwältigte ihn und gab ihm mehr, als jeder Gedanke an handfeste Annäherungen. Nur mit Mühe unterdrückte er den Impuls, einen Kuss auf ihre Schläfe zu hauchen.

Sie erwachte im Morgengrauen. Tatsächlich ging die Dämmerung nun deutlich langsamer vonstatten. Dieser Gedanke brachte ihr in Erinnerung, wo sie sich befand. Sie verharrte bewegungslos, während ihr Herz stark zu klopfen begann. Dafür, dass sie die Nacht im Freien verbracht hatte, fühlte sie sich überraschend gut; auch die Kälte spürte sie kaum noch. Etwas aber hielt sie fest und hinderte sie daran, sich zu bewegen. Nach einem kurzen Moment, in dem ihr schaurige Möglichkeiten von allerlei Monstern durch den Kopf rasten, realisierte sie, dass dies der Captain sein musste. Vorsichtig löste sie sich aus ihrer Starre und tastete nach dem Gewicht auf ihrer Taille. Tatsächlich handelte es sich um seinen Arm.

Diese Erkenntnis beruhigte ihren Herzschlag nicht sonderlich. So schnell sie es wagte, ohne ihn aufzuwecken, befreite sie sich von seiner Last und richtete sich auf. Er verzog keine Miene, lag weiter friedlich im Sand und schnarchte leise, jetzt nur noch seine Jacke in den Armen haltend. Jetzt musste sie doch lächeln. Gewiss war es die Körperwärme gewesen, die sie des Nachts unbewusst zueinander hingezogen hatte.

Sie ging zum Bach und wusch sich das Gesicht. Ihr Magen knurrte.

Sie sah den Biber, der sie tags zuvor ins Wasser geschubst hatte - oder einen anderen, genau konnte sie es freilich nicht sagen. Er hüpfte aufgeregt auf und ab und deutete mit seiner kleinen Vorderpfote auf einen Busch mit roten Beeren. Sie konnte nicht anders, als über dieses lustige Bild zu lachen. Der Biber wurde noch aufgeregter, deutete noch heftiger, machte Schmatzgeräusche mit dem Mund und versuchte mit den Pfoten nach den Beeren zu greifen.

„Was ist?“ fragte sie. „Willst du, dass ich die Beeren esse?“

Das Tier brachte tatsächlich etwas wie ein Nicken zustande.

Ein weiterer Schauer lief ihr über den Rücken. Dieser Planet war ihr durch und durch unheimlich. So niedlich das Bibertier aussah, es jagte ihr mit seiner Menschlichkeit doch einen gehörigen Schrecken ein.

„Tut mir leid, ich kann dir nicht trauen“, sagte sie und war sich sicher, dass die Kreatur jedes ihrer Worte verstand. Es gab dann seine Bemühungen auch auf und verschwand mit enttäuschter Miene im Wald, der sich jetzt wieder auf seinem alten Platz befand.

Sie hörte, wie der Captain erwachte und ging die paar Schritte zu ihm zurück. Dabei stolperte sie über eine weitere Packung Kekse. Erst dachte sie, es sei das leere Papier, doch es handelte sich um eine neue, volle Packung.

„Vielleicht ist es gestern in der Dunkelheit aus der Tasche gefallen, ehe wir die erste Packung bemerkten“, vermutete Jon, als er wach genug war, um sich mit dem Problem zu befassen. Eigentlich hatte er gar nicht schlafen, die ganze Nacht Wache halten wollen, und ärgerte sich über seine Schwäche.

Hoshi hegte ihre Zweifel, doch die Verpackung war völlig in Ordnung, und sie war hungrig genug, es zu riskieren. Von dem seltsamen Biber erwähnte sie nichts.

„Wir sollten versuchen, zum Lager zurückzukehren“, ordnete Jon an, als die Kekse verzehrt waren. „Wenn der Wald wieder da ist, wo er hingehört, sollten wir eine Chance haben.“

Die Sonne ging in der kitschigsten Farbenpracht über ihren Köpfen auf und erwärmte sie zusehends. Jon atmete wieder freier. Die seltsamen Gedanken der letzten Nacht waren verschwunden. Sie kehrten der herrlichen Blumenwiese den Rücken und machten sich auf den Weg. Erstaunlich gut gelaunt schlenderten sie nebeneinander her. Er lächelte der Asiatin zu. Ganz vergaß er nicht, wie es sich angefühlt hatte, sie in seinen Armen zu halten, doch bei Tageslicht war er sich sicher genug, dass es nie wieder vorkommen würde.

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