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Empok Nor: Genesis

von Tasare

Kapitel 1

Gul Kotan Basra stand am Fenster seines Quartiers. Einen Moment zuvor hatten die Sterne aufgehört, in Streifen daran vorbeizuziehen, was Basra verriet, dass das Galor-Klasse-Schiff in das Trivas-System eingeflogen war und sich jetzt seinem Zielort mit Impulsgeschwindigkeit näherte.

Es konnte nicht mehr lange dauern, bis sie die ehemalige Erzverarbeitungsstation erreicht haben würden.

Empok Nor.

Die Station war zurückgelassen worden, als das Dominion vor zwei Jahren beschlossen hatte das System zu verlassen, da die Erzvorkommen weitestgehend erschöpft waren und das System keinen darüber hinausgehenden strategischen Nutzen bot.

Jetzt, nach dem Angriff des Dominions und der Neuordnung der cardassianischen Gebiete, hatte sich das geändert.

Jetzt war die Schwesterstation von Terok Nor von strategischem Interesse, da das Trivas-System in der Nähe der neuen Grenze lag. Und so war beschlossen worden, aus der alten Erzverarbeitungsstation sowohl einen interstellaren Handelshafen zu machen, als auch den Schauplatz für die wissenschaftliche Kooperation Cardassias mit der Föderation.

Föderationswissenschaftler würden mit cardassianischen Wissenschaftlern auf diversen Gebieten der Wissenschaft wie Technologie, Biologie und Genetik, zusammenarbeiten. Das war eine der Klauseln im vorläufigen Freundschaftsabkommen zwischen Cardassia und der Föderation. Eine Klausel, die den Föderationsdiplomaten bei den Verhandlungen sehr wichtig gewesen war.

Kotan Basra schnaubte in sich hinein. Seiner Meinung nach musste die Föderation erst noch beweisen, dass sie ein würdiger Verbündeter war. Auch wenn sie sich am Aufbau Cardassias beteiligte, hieß das noch lange nicht, dass man der Föderation vertrauen konnte. Diese intensive Zusammenarbeit ließ das langfristige Ziel offensichtlich werden: Cardassia sollte darauf vorbereitet werden, so bald wie möglich beizutreten! Basra schnaubte erneut, bei dem absurden Gedanken. Wenn die Föderation wirklich glaubte, dass Cardassia seine Eigenständigkeit freiwillig aufgeben würde...

Basra trat vom Fenster zurück, setzte sich an den Tisch und nahm das PADD, das die Besatzungsliste enthielt. Er las sie nicht zum erstenmal, und genaugenommen kannte er den Inhalt schon auswendig, doch es war die einzig scheinbar sinnvolle Beschäftigung, der er so kurz vor dem Andocken noch nachgehen konnte.

Teilweise hatte er die Offiziere selbst angefordert, so zum Beispiel Paluk Dukat, der auf seinem bisherigen Posten hervorragende Arbeit geleistet hatte. Er schien von seinem Vater nur die besseren Eigenschaften geerbt zu haben, so das taktische Geschick und die diplomatischen Fähigkeiten. Im Gegensatz zu seinem Vater war Paluk wesentlich weniger emotional und weit vorausschauender, was ihn zu einem optimalen ersten Offizier machte.

Basras Blick glitt über die weiteren Namen auf der Liste. Die Sicherheitschefin Alanya Marritza war ihm unbekannt. Sie war ihm, nach gängiger Handhabe, vom Geheimdienst zugewiesen worden. Ihrer Akte war zu entnehmen, dass sie zu Zeiten des Obsidian Order ausgebildet worden war, was einige Schlüsse auf die Qualität ihrer Arbeit zuließ. Auch wenn der neue Geheimdienst den Vorteil hatte, nicht so autonom zu arbeiten wie der Orden das getan hatte, dasselbe Qualitätsniveau erreichte er nicht.

Wie jedes mal zuvor blieb Basras Blick beim Überfliegen der Liste an einem Namen hängen. Er war nicht sicher, wie der Offizier ausgesprochen wurde, der die Kommunikationsstation besetzten sollte. Der menschliche Lieutenant war der Austauschoffizier an Bord der Station, Teil eines weiteren Projektes zur gegenseitigen Völkerverständigung. Basra schüttelte den Kopf. Insgeheim war er nicht sicher ob Frederik Hernandez dem hohen cardassianischen Standard gewachsen war. Seine Akte war zwar vorbildlich, aber wer konnte schon wissen, was bei Starfleet dem Standard cardassianischer Offiziere entsprach.

Basra seufzte leise, legte das PADD zur Seite und sah in Richtung Fenster. Deutlich konnte er einen der oberen Pylone der Station erkennen. In wenigen Minuten würde das Schiff andocken und er würde seinen neuen Posten antreten.

Gul Kotan Basra erhob sich vom Tisch und steckte das PADD in seine Reisetasche. Ohne die Benachrichtigung von der Brücke abzuwarten, machte er sich auf den Weg zur Luftschleuse.

***

Gilora Macet bestätigte die Weisung von der Ops und das kleine Frachtschiff näherte sich der ihm zugewiesenen Andockklammer.

Der junge Mann, der an der Navigationskonsole saß und den Frachter lässig positionierte warf ihr einen Blick zu. "Ich hatte gehofft, wir würden einen der Pylone zugewiesen bekommen!"

"Warum denn das?"

"Ich weiß nicht, ich finde sie ästhetisch!"

Gilora gab ein leises Lachen von sich. "Du spinnst, Anan!"

Doch dieser strich sich daraufhin nur eine Haarsträhne aus dem Gesicht und vervollständigte das Andockmanöver. Dann lehnte er sich in seinem Stuhl zurück und reckte die Arme.

"Also, ich weiß nicht, wie es bei Dir aussieht, aber ich könnte jetzt einen Kanar und ein gutes Essen vertragen!"

Gilora nickte. "Wenn Du meinst, dass wir auf Empok Nor schon ein gutes Essen bekommen? Ich habe gehört die Station war ein wenig heruntergekommen."

"Das habe ich auch gehört. Wir werden es herausfinden."

"Erst müssen wir die Ladung löschen lassen."

"Kann Rin das nicht machen?"

Gilora dachte nach. Der junge Ingenieur Rin Hoval machte zwar einen etwas unscheinbaren Eindruck, aber dumm war er nicht. Schließlich nickte sie. "Ich denke, das kann er. Es sind schließlich nur ein paar kleine Container und er muß zur Bestätigung nur seinen Daumen auf ein PADD drücken."

"Außerdem können wir ihm sagen, dass wir die Quartierszuweisung für ihn mit erledigen."

"Ich glaube, es ist eine gute Idee, sich ein festes Quartier auf Empok Nor zu haben. Stell Dir vor, wir müssten an Bord schlafen, wenn wir ein paar Tage Zeit zwischen zwei Aufträgen haben!"

"Es wäre eng!"

"Oh ja!"

Gilora erhob sich. "Also gut. Ich sage Rin Bescheid und dann können wir meinetwegen los."

Anan nickte und erhob sich ebenfalls. "Ich warte an der Luftschleuse!"

***

"Da ist er!" Der junge Offizier straffte den Rücken und warf einen Blick auf die junge Frau, die in Zivilkleidung neben ihm stand.

"Das sehe ich!" Sie versuchte distanziert und überlegen zu wirken, doch Paluk Dukat sah, dass auch sie sich unmerklich ein wenig gerader hielt. Dann schob sich das runde Schott mit einem Zischen zur Seite und ein kräftiger Mann trat aus der Luftschleuse heraus auf den Flur.

"Willkommen auf Empok Nor, Gul Basra!" begrüßte Dukat ihn mit einem leichten Nicken.

"Ich bin Glinn Dukat und das," er wies auf die junge Frau an seiner Seite, "ist Marritza, die Sicherheitschefin."

Sie nickte Basra zu. Dieser erwiderte das Nicken und wandte sich dann an seinen ersten Offizier.

"Ihr Bericht über den Status der Station?"

Dukat wies den Korridor entlang "Wenn Sie mir bitte folgen...". Während Basra der Aufforderung nachkam begann der junge Offizier mit seinem Bericht.

"Der Hauptcomputer wird zur Zeit noch überarbeitet. Es gibt Probleme mit den Transportersystemen und den Turbo-Lifts. Die übrigen Systeme arbeiten einwandfrei. Der Umbau der Aufbereitungssektionen zu Laborräumen wird voraussichtlich erst in vier Wochen abgeschlossen werden, solange habe ich einen Teil der Frachträume als Laborbereich ausgewiesen."

Die drei Offiziere blieben vor einem Lift stehen und Dukat betätigte das Operationspanel.

"Warum erst so spät?"

"Es gab Probleme mit der Lebenserhaltung, so dass in den betreffenden Sektionen nicht planmäßig mit dem Umbau begonnen werden konnte."

Der Lift hielt, ein kleines Stück zu niedrig, so dass sie eine Stufe nach unten steigen mussten. Dann setzte der Lift sich in Richtung Promenadendeck in Bewegung.

"Wie ist die Situation auf dem Promenadendeck?"

"Ein Bolianer hat bereits ein Restaurant eröffnet. Einige Händler haben sich kleinere Ladenflächen zuweisen lassen. Eine der größeren Ladenflächen wurde einem flaxianischen Ehepaar reserviert, das nur noch auf das Eintreffen eines Frachters wartet, um mit der Installation mehrerer Holosuiten zu beginnen."

Basra nickte. "Und die Quartiere?"

"Es sind ausreichend bezugsfertige Quartiere vorhanden. Ihre Quartierszuweisung habe ich in meinem vollständigen Bericht vermerkt!" Damit überreichte er Gul Basra ein PADD.

Marritza trat einen Schritt vor. "Ich habe den Sicherheitsbericht in dasselbe PADD geladen. Es gab allerdings nur ein paar kleinere Zwischenfälle mit eintreffenden Zivilisten. Die Überwachungssysteme sind operationsbereit aber noch nicht aktiviert."

"Gut!" Basra warf ihr einen strengen Blick zu. "Ich wünsche, dass das vorerst so bleibt. Sie werden sich an den Kontrakt des Geheimdienstes mit dem Interims-Rat halten und nur Verdächtige überwachen!"

Marritza nickte. "Selbstverständlich, Gul."

Dukats Blick wechselte von Marritza zu Gul Basra. "Sir, ich muß Sie darauf hinweisen, dass Sie sich umgehend bei Dr. Mera'ahl wegen Ihrer Antrittsuntersuchung melden sollen."

"Ich werde das so bald wie möglich erledigen."

"Dr. Mera'ahl bestand darauf, Sie noch heute zu untersuchen. Bitte bedenken Sie, dass der Eröffnungs-Empfang für 19 Uhr angesetzt ist. Die cardassianischen Diplomaten werden in etwa vier Stunden eintreffen."

In diesem Moment hielt der Turbo-Lift, mit einem deutlichen Rucken und ein Stück zu hoch, so dass sie erneut einen Schritt nach unten machen mussten.

"Sie wollen sagen, ich habe noch vier Stunden für meine Antrittsuntersuchung."

"Das ist korrekt."

"Dann werde ich mich besser sofort auf den Weg machen."

"Das ist nicht nötig, wir sind bereits da."

In diesem Moment traten sie aus einem kurzen Korridor hervor auf das Promenadendeck und direkt vor die Krankenstation.

Basra warf einen kurzen Blick über die Promenade. Es waren vor allem Ingenieure unterwegs, hauptsächlich Cardassianer. Doch vereinzelt waren auch Starfleet-Uniformen zu sehen. Schräg gegenüber von der Krankenstation wiesen die Schriftzeichen über der Tür das Etablissement als "Tula's Restaurant und Bar" aus - sowohl in cardassianischen als auch in terranischen Lettern wohlgemerkt. Dass traditionell ein Massage-Salon zu einem bolianischen Restaurant gehörte, musste man wohl wissen.

Mit einem leichten Nicken verabschiedete Basra sich von seinen Offizieren und betrat die Krankenstation.

Paluk Dukat sah ihm nach und blickte über das Promenadendeck. Bei dem bolianischen Restaurant blieb sein Blick hängen. Es konnte nicht schaden, Tula einen kurzen Besuch abzustatten und zu sehen, wie es mit dem Etablissement voran ging.

Als Paluk eintrat bemerkte er, dass sowohl das Restaurant, als auch der Barbereich für die Mittagszeit beinahe ausgestorben wirkte. Vermutlich zogen die meisten Besatzungsmitglieder eine kurze Mahlzeit im Replimaten einem längeren Essen im Restaurant vor. Am Abend würden sie dann aber wohl an einem der einladend wirkenden Tische Platz nehmen, um einen Drink zu bestellen, oder durch eine der mit schlichtem Perlenschmuck verzierten Türen den Massage-Salon des Bolianers betreten, um sich von einem anstrengenden Arbeitstag zu erholen. Trotzdem würden die ersten Tage auf Empok Nor für Sva'eg Tula wohl nicht sehr gewinnbringend sein. Dennoch legte der Bolianer die für sein Volk so typische freundliche Aufgeschlossenheit an den Tag, als er Dukat eintreten sah.

"Ah, Glinn Dukat. Darf ich Ihnen etwas zu trinken bringen?"

"Nein Danke, Tula." Dukat lächelte freundlich. "Leider bin ich zur Zeit im Dienst. Ich wollte nur sehen, ob bei Ihnen alles in Ordnung ist."

"Ja. Danke. Ich bin sehr zufrieden." Der Bolianer lächelte entwaffnend. "Wir haben alle Einrichtungsgegenstände planmäßig bekommen. Der cardassianische Frachterkommandant war sehr hilfsbereit. Man hat mir die Tische direkt in die Bar geliefert. Und auch das neue Personal scheint sehr zuverlässig zu sein. Sicher kommen bald auch mehr Kunden." Mitfühlend betrachtete er den Cardassianer. "Wenn erst die Energieversorgung etwas besser funktioniert, wird es leichter. Bei den Zuständen, die hier geherrscht haben müssen, als der erste Aufräumtrupp eintraf..."

Dukat nickte zu dem Redestrom des Bolianers, während er sich in der Bar umsah. Er erinnerte sich nur zu gut daran wie es hier ausgesehen hatte, bevor man damit angefangen hatte, Empok Nor in einen voll funktionsfähigen Zustand zu bringen.

"Wenn die Station während der Zeit, in der sie nicht besetzt war, nicht genutzt worden wäre, dann hätte es hier nicht so schlimm ausgesehen", fügte Paluk Dukat seinem Gedankengang schließlich hinzu.

"Wie meinen Sie das?"

"Nun, wie es scheint, hat sich eine Gruppe von fanatischen Bajoranern hier vorübergehend einquartiert. Sie haben versucht, die cardassianische Technologie auf bajoranischen Standard einzustellen und dabei in einigen Sektionen ein ziemliches Chaos angerichtet."

"Ich habe aber auch gehört," Tula sah ein wenig beunruhigt aus, "dass Technologie gestohlen wurde!"

"Das stimmt. Ein Plasma-Manafold fehlte, und ein paar weniger wichtige Komponenten des Energiesystems."

"Ich frage mich, was die Bajoraner damit wollten."

Paluk zuckte mit den Schultern. "Wer weiß. Ich vermute eher, daß vor ihnen schon jemand da war. Die Bajoraner hätten es sicher nicht geschafft, die Fallen außer Kraft zu setzten, die installiert waren, um Eindringlinge abzuhalten."

"Nun," Tula bemühte sich um einen zuversichtlichen Tonfall, "jetzt ist die Station ja wieder besetzt, und es wird sich sicher niemand mehr hertrauen, um Technologie zu stehlen!"

"Sicher nicht", Dukat musste schmunzeln, "da können Sie ganz beruhigt sein. Und wenn die Station erst einmal ihre Funktion als zentraler Raumhafen zwischen Cardassia und der Föderation aufgenommen hat, dann wird Ihr Restaurant auch Mittags voll belegt sein. Das verspreche ich Ihnen!"

"Ich nehme Sie beim Wort." Tula ließ seinen Blick durch das Etablissement gleiten. "Momentan sieht es nicht so gut aus: Bisher ist lediglich die Besatzung eines kleinen Frachters hier eingetroffen."

Dukat folgte Tulas Blick zu einer Nische der Bar des Bolianers. Dort saßen an einem Tisch zwei Cardassianer, ein Mann und eine Frau, die mit offensichtlichem Genuss ihre Mahlzeit einnahmen. Die Frau sah auf, als sie Dukats Blick spürte und nickte ihm automatisch zu. Dann breitete sich plötzlich ein erkennendes Lächeln auf ihrem Gesicht aus. Paluk erwiderte das Lächeln. Die Frau sprach den Cardassianer ihr gegenüber an, woraufhin dieser sich umdrehte und ebenfalls zu Dukat sah.

"Bekannte, wie ich sehe", warf Tula fröhlich ein. "Die Welt ist klein, wie sie auf der Erde zu sagen pflegen." Damit wandte sich der Bolianer ab und ging an seine Arbeit zurück, während Glinn Dukat zum Tisch der beiden anderen hinüber ging.

"Paluk Dukat." Die Frau schüttelte amüsiert den Kopf.

"Gilora Macet." Dukat trat an den Tisch.

"Das ist ja eine Ewigkeit her." Gilora grinste schelmisch. "Du bist groß geworden."

"Seitdem wir uns das letzte Mal gesehen haben? Bestimmt." Dukat sah zu dem jungen Mann, der Gilora gegenüber saß.

"Wenn ich Euch bekannt machen darf." Gilora machte eine Handbewegung von Dukat zu ihrem Gegenüber und zurück. "Paluk, das ist Anan Entek, mein Pilot. Anan, das ist Paluk Dukat, mein Großcousin."

"Freut mich." Entek sah zu Paluk Dukat auf. "Wollen Sie sich nicht einen Stuhl nehmen und sich zu uns setzen?"

Dukat schien abzuwägen. "Nun, ein paar Minuten könnte ich bestimmt erübrigen." Er zog einen Stuhl von einem der Nachbartische heran. "Zumal ich meine Großcousine sicher zehn Jahre nicht gesehen habe."

"Sicher." Gilora Macet musterte Dukat. "Das letzte Mal muss während eines der großen Familientreffen der Macets und Dukats gewesen sein."

"Bevor Du zum Obsidian Order gegangen bist."

"Und Du zum Militär: Ein typischer Dukat."

"Ich dachte immer, ich wäre gerade kein typischer Dukat."

"Weil es Dich nicht interessiert hat, dass mein Vater in den Landadel eingeheiratet hat, anstatt in die High Society von Prime City?"

Paluk Dukat machte eine entschuldigende Handbewegung. "Ich hatte schon immer meine eigene Meinung." Der junge Glinn sah in Richtung der Bar, hinter der Sva'eg Tula eifrig zu hantieren schien. "Tula sagte mir, Ihr seid die Besatzung eines Frachters?", wechselte er das Thema.

"Ja, so ist es."

"Bei Deiner Ausbildung, hätte ich Dich eher als meine Sicherheitsoffizierin erwartet."

"Die Zeiten ändern sich. Nach dem Untergang des Ordens hatte ich ein paar...Unstimmigkeiten mit dem neuen Geheimdienst. Also habe ich umgesattelt. Und um ehrlich zu sein ist Frachterkommandant kein so schlechter Beruf."

Paluk lächelte. "Man kommt zumindest weit herum!"

"Du sagst es."

Einen Moment sahen sich beide schweigend in die Augen.

"Und Sie sind der erste Offizier der Station", unterbrach Anan Entek die Stille am Tisch.

"So ist es."

"Ich habe gehört, dass die Station in einem ziemlich heruntergekommenen Zustand war, als die ersten Aufräumtrupps ankamen."

Dukat lachte leise. "Das scheint schnell die Runde zu machen."

"Nun, es haben sicher schon viele andere Frachter angedockt und einen ähnlichen ersten Eindruck gewonnen wie wir", meinte Gilora.

Dukat sah sie fragend an.

"Die Turbolifts zum Beispiel", führte Gilora Macet aus. "Als wir ankamen, hielt der Lift an der Andockschleuse ungefähr in Kniehöhe. Dafür blieb er eine Handbreit zu tief stehen, als wir auf dem Promenadendeck ausstiegen."

Paluk Dukat atmete hörbar aus. "Das wird unsere Chefingenieurin nicht gerne hören. Ich habe als Mann ja nicht viel Ahnung von Technik" - Selbstironie sprach aus seinen Worten - "aber irgendwie scheint gerade der Turbolift besondere Probleme zu bereiten. Dabei ist Glinn L'hrel, soviel ich gehört habe, eine ausgesprochen exzellente Ingenieurin. Besonders was Computerprogramme angeht eilt ihr der Ruf, ein Genie zu sein, voraus. Sie selbst kann Dir sicher genauer erklären, worin das Problem liegt." Dukat sah demonstrativ in Richtung Tür. Gilora folgte seinem Blick.

Eine junge Cardassianerin, die sogar in ihrer Uniform noch schlank und hochgewachsen wirkte, hatte Tulas Bar betreten und sah sich suchend um. Ihr Blick blieb an Paluk Dukat hängen, dann kam sie zu ihnen herüber.

"Glinn Dukat." Die Chefingenieurin blieb vor ihnen stehen und sah Dukat aus ihren strahlend blauen Augen bestimmt an. "Haben Sie einen Augenblick Zeit?"

"Sicher." Dukat sah zu Gilora, die den jungen Glinn scheinbar gleichmütig betrachtete. "Vielleicht sollte ich Sie vorstellen, Das ist Natima L'hrel, unsere Chefingenieurin. Solltet Ihr jemals Probleme mit Eurem Frachter haben, dann wendet Euch an Sie!" Und zu Glinn L'hrel gewandt fügte er hinzu: "Meine Großcousine, Gilora Macet, und ihr Pilot, Entek."

Natima L'hrel nickte beiden zu.

Gilora sah zu ihr hoch und sagte: "Wir werden Empok Nor regelmäßig anlaufen. Ich vermute, die meisten Wartungsarbeiten werden wir hier durchführen lassen."

Natima wandte den Blick zu Gilora und erwiderte: "Sicher. Ich werde meine Wartungstrupps darauf hinweisen, dass sie bei Ihnen besonders schnell arbeiten."

Gilora schmunzelte. Offenbar zahlte es sich aus, mit dem ersten Offizier der Station verwandt zu sein.

Die Chefingenieurin sah zu Dukat. "Aber eigentlich bin ich aus einem anderen Grund hier", wechselte sie das Thema. "Bei der Verlegung der Systemkabel für die neuen Labors in den alten Abbaubereichen bin ich auf ein paar interessante Dateien gestoßen, die ich Ihnen gerne persönlich vorführen würde, bevor ich sie umschreibe oder lösche."

Dukat nickte und erhob sich. "Dann werde ich mir das sofort ansehen." Er wandte sich noch einmal an Gilora. "Ich vermute, Ihr bleibt noch eine Weile auf der Station?"

"Noch haben wir keinen neuen Auftrag."

"Gut. Wenn es etwas ruhiger geworden ist, könnten wir uns ja auf einen Kanar treffen."

"Gute Idee." Gilora lächelte. "Wir sehen uns dann später."

Paluk Dukat nickte ihr und Entek zu, dann folgte er Natima L'hrel aus Tulas Bar auf das Promenadendeck. Gilora und Anan sahen ihnen nach.

"Macht einen netten Eindruck, Dein Großcousin", stellte Anan Entek fest.

"Ja, er war wirklich der einzige aus der Familie, mit dem man sich schon immer gut unterhalten konnte."

"Ist sein Vater...?"

Gilora nickte. "Ja."

"Gul Dukat...", murmelte Anan Entek. "Es scheint Paluks Karriere zu helfen."

"Ich würde eher sagen: es schadet ihr nicht."

Anan schmunzelte. "Wahrscheinlich hast Du Recht. Er kommt also nicht nach seinem Vater?"

Gilora schüttelte den Kopf. "Oh nein. Für seine Karriere ist er schon allein verantwortlich!"

"Was hältst Du von Glinn L'hrel?"

Gilora sah Anan ratlos an. "Was meinst Du?"

"Sie wirkte ein bisschen reserviert."

"Findest Du? Du kennst Sie doch gar nicht!"

"Ich habe fünf Schwester, ich kenne Frauen!"

"So, tust Du das?"

"Allerdings. Und eins kannst Du mir glauben: Natima L'hrel hat ein überaus gesundes Selbstwertgefühl!"

Gilora schnaubte belustigt "Und was gibt es daran auszusetzen?"

"Du wirst schon noch merken, was ich meine." Anan Entek strich sich eine lose Haarsträhne aus dem Gesicht und sah Gilora in die Augen. "Sie ist der Typ Frau, der einen Mann in den Wahnsinn treiben kann!"

Gilora schmunzelte. "Dann halte Dich lieber fern von ihr, einen wahnsinnigen Piloten kann ich nicht brauchen."

Anan erwiderte nichts sondern reckte sich und schob dann seinen leeren Teller zur Seite. "Wollen wir uns dann um die Quartiere kümmern?", wechselte er das Thema.

"Ja, ich denke es wird langsam Zeit, dass wir zurück auf die Lavok kommen." Gilora erhob sich.

"Du hast wohl Angst um die Ladung?"

"Unsinn! Rin ist beim Orden ausgebildet worden, er wird schon wissen, wie er Ladung zu löschen hat!"

"Na, dann..." Anan Entek stand ebenfalls auf, nachdem er seinen Stuhl zurückgeschoben hatte. Zusammen verließen sie Tulas Bar.

***

Dr. Mera'ahl sah von ihrem Trikorder hoch. "Sie haben leichtes Übergewicht, Gul Basra."

"Das weiß ich. Es ist kaum zu übersehen!"

"Ich meine es ernst: Sie müssen auf Ihre Ernährung achten, sie gehen sonst auf wie ein Zuckerfladen."

"Das sagt meine Frau auch immer."

"Dann hören Sie bitte auf sie." Yora Mera'ahl betrachtete den Gul, der vor ihr auf einer Krankenliege saß. Er machte einen sympathischen Eindruck, obwohl er in dem Ruf stand, ein strenger Vorgesetzter zu sein. Sie trat zu ihm und entfernte das Monitorgerät von seiner Stirn. "Ihre Hirnfunktionen sind vollkommen normal."

"Das hört man gerne."

"Bitte warten Sie einen Moment, ich muss noch eine Blutanalyse machen, es dauert nicht lange."

Gul Basra nickte. Trotz ihrer Jugend macht die Chefärztin einen sehr kompetenten Eindruck. Ihre Zeugnisse hatten nichts anderes versprochen. Insgeheim war Basra froh, eine zivile Ärztin auf der Station zu haben. Die Feldärzte des Militärs hatten bei komplizierteren Krankheitsbildern häufig Schwierigkeiten. Und auch wenn es nur ein Vorurteil war, dass Männer keinen Sinn für die Wissenschaften hatten, er zumindest fühlte sich bei einer weiblichen Ärztin besser aufgehoben.

Dr. Mera'ahl sah von ihrer Analysekonsole hoch. "Ohne Befund. Herzlichen Glückwunsch, Sie sind kerngesund!"

Basra erhob sich. "Das hat mein Hausarzt auch gesagt."

"Es tut mir leid, wenn dieser Besuch Unannehmlichkeiten für Sie bedeutet hat, aber er ist nun einmal Pflicht."

"Ich weiß, ich weiß." Gul Basra hob beschwichtigend die Hände. "Es hat ja auch nicht lange gedauert."

Mera'ahl nickte. "Bitte denken Sie daran, dass sie in drei Monaten noch eine Routine-Untersuchung haben!"

"Es wird besser sein, Sie schicken mir rechtzeitig eine Notiz."

"Also gut, Sie werden von mir hören." Yora Mera'ahl lächelte und betätigte den Türöffner. Basra nickte ihr zu und trat dann vor die Krankenstation. Einen Moment überlegte er, ob er zunächst sein Büro in Augenschein nehmen sollte, doch dann entschloss er sich, seinem Quartier einen Besuch abzustatten. Sein Gepäck sollte mittlerweile dort angekommen sein, so dass er sich zumindest ein bisschen wohnlich einrichten konnte, bevor die cardassianischen Diplomaten ankamen.

In Gedanken war er noch bei der jungen Ärztin, als er den Turbolift betrat und zu seiner Zufriedenheit bemerkte, dass die Fehlfunktionen offenbar behoben waren.

Yora Mera'ahl stammte aus der Provinz und dort hatte sie auch zuvor gearbeitet. Obwohl ihre Leistungen gut genug gewesen wären, um an einem großen Krankenhaus zu arbeiten, hatte sie es offenbar vorgezogen in der Provinz zu bleiben. Dort hatte sie sich zügig nach oben gearbeitet, zuletzt war sie angehende Chefärztin gewesen. Wahrscheinlich hätte es nicht mehr lange gedauert, bis sie den Posten bekommen hätte, wäre nicht der Angriff des Dominions gewesen. Nach der Schlacht waren alle überlebenden Ärzte aus den großen Städten auf die Provinzkrankenhäuser verteilt worden - und jemand anderes hatte Dr. Mera'ahls Posten bekommen. Um die talentierte Ärztin nicht leer ausgehen zu lassen, hatte ihre Vorgesetzte sie für den Posten auf Empok Nor vorgeschlagen. Es würde sicherlich zum Vorteil der Station sein.

Basra trat aus dem Lift und warf einen Blick auf das PADD, das Glinn Dukat ihm gegeben hatte. Dann schlug er die Richtung seines Quartiers ein. Der Gang war sauber und angenehm dunkel, die Temperatur konstant. Kein Vergleich zu Empok Nors Schwesterstation, auf der die Lichtintensität hoch und die Temperatur herunter geregelt worden war. Nun, dies war eine cardassianische Station. Daran bestand kein Zweifel.

In seinem Quartier angekommen legte Basra das PADD auf den Tisch und sah sich um. Glinn Dukat hatte ihm bereits ein Familienquartier zugewiesen, obwohl seine Frau mit den Kindern erst nachkommen würde, wenn die Situation sich als stabil erwiesen hatte. Von der großen Wohneinheit gingen mehrere Türen ab. Basra kannte die Zimmeraufteilung bereits, sie entsprach dem Standard auf Raumstationen. Er trug sein Gepäck in sein zukünftiges Schlafzimmer.

Dann setzte er sich in der Wohneinheit an den Tisch und nahm sich die Berichte seiner Offiziere vor.
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