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Tausend Lichtjahre

von Sam23

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Tom Paris öffnete die Augen. Durch das Fenster seines Quartiers drang sanft das Licht der Sterne. In der Stille des Augenblicks konnte er das sanfte, vertraute Summen des Antriebs hören. Wieder ein kleiner Schritt in Richtung Heimat, dachte Tom und drehte sich vorsichtig zur Seite, um B’Elanna nicht zu wecken und stand auf.

Er trat ans Fenster und blickte nach draußen. Heimat, über diesen Begriff hatte Tom in diesen Tagen viel nachgedacht und war von seinen eigenen Gedanken überrascht worden. Eigentlich war er in letzter Zeit gar nicht so unglücklich mit seinem Leben gewesen. Das hier war besser als alles, was er jemals in der Heimat gehabt hatte. Es hatte Zeiten gegeben, in denen er die Erde eigentlich gar nicht vermisst hatte. Alles war eigentlich perfekt. Er hatte Freunde, eine Beziehung, die schon länger gehalten hatte, als alle anderen Beziehungen davor zusammen – und seit zwei Wochen hatte er sogar seinen alten Rang wieder. Das Leben war perfekt. Beinahe.

»Tom?«

Tom drehte sich um und lächelte entschuldigend. »Hab ich dich geweckt?«

B’Elanna schüttelte den Kopf. »Nicht wirklich. Ich konnte auch nicht schlafen.«

»Ich glaube heute Nacht kann keiner hier schlafen«, schmunzelte Tom und setzte sich auf die Bettkante. B’Elanna nahm seine Hand. »Worüber denkst du nach?«

»Darüber, worüber jeder im Moment nachdenkt. Was werde ich sagen? Wie werde ich diese fünf Minuten nutzen? Was wird er sagen?«

»Und zu welchem Schluss bist du gekommen?«

»Dass ich es gar nicht wissen will. Vielleicht ist das gar keine so gute Idee. Ich meine, es gibt Leute hier auf dem Schiff, die zum ersten Mal mit ihren Kindern oder Ehepartnern sprechen können. Vielleicht sollte ich meine fünf Minuten einem von ihnen geben.«

»Tom, das ist dumm. Dir steht diese Zeit genauso zu, wie jedem anderen.«

»Ich weiß, aber was, wenn ...«

»Ich weiß, ich habe das schon mal gesagt, aber ich sage es noch einmal: Du hast dich verändert. Warum denkst du, er könnte sich nicht verändert haben. Er hat gesagt, dass er dich vermisst, dass er stolz auf dich ist. Bedeutet das nichts?«

»Das ist es ja. Ich weiß nicht, wie ich damit umgehen soll. Ich habe Angst, alles zu ruinieren. Ich werde etwas sagen und wir werden streiten und dann ...«

»Tom, alles wird gut gehen. Er vermisst dich. Er wird sich freuen, mit dir zu sprechen. Versuch ein wenig zu schlafen.«

Tom grinste schief und rutschte wieder unter die Bettdecke. »Du hast ausnahmsweise recht.«

B’Elanna runzelte die Stirn. »Ausnahmsweise?« Tom lachte, drückte ihr einen Kuss auf die Wange und schloss die Augen. Beinahe perfekt.

Das Kasino war bereits früh am Morgen zum Bersten gefüllt. Neelix hatte aufgehört zu zählen, wie viele Tassen Kaffee er bereits an diesem Morgen gefüllt hatte. Seven of Nine betrat den Raum und runzelte in milder Überraschung die Stirn. Neelix entdeckte sie und winkte sie zu sich herüber.

»Guten Morgen. Aufregend, nicht wahr?«

»Ich verstehe nicht, was an der Nahrungsaufnahme am Morgen aufregend sein soll«, gab Seven trocken zurück und Neelix lachte.

»Das meine ich nicht. Captain Janeway wird heute die neue Kommunikations-Phalanx in Betrieb nehmen. Wenn alles klappt, werden heute sehr viele Menschen mit ihren Liebsten zu Hause sprechen können.«

»Es wird klappen«, erwiderte Seven und verschränkte die Arme hinter dem Rücken. Wie ein kleiner Wirbelsturm kam Naomi Wildman durch die Türen gestürmt und klatschte begeistert in die Hände.

»Heute lerne ich meinen Dad kennen! Ich bin ja so aufgeregt. Mum hat mir so viel von ihm erzählt. Neelix, wie lange dauert es noch?«

Neelix lachte und erwiderte: »Ein wenig musst du dich noch gedulden. Captain Janeway hat ein leeres Quartier auf Deck 7 als Sprechzimmer vorgesehen.«

»Eine moderne Telefonzelle.« Tom trat an den Tresen heran und grinste. »Nichts anderes ist das als eine Telefonzelle.«

»Was ist eine Telefonzelle?«, fragte Naomi neugierig.

»Über große Teile des 20. Jahrhunderts war Audio-Kommunikation nur über Kabelverbindungen möglich. Kommunikatoren oder ähnliches gab es da noch nicht. Deshalb standen in den Städten kleine Häuschen, in denen sich Geräte befanden, mit denen mal Audio-Verbindungen herstellen konnte. Man nannte diese Häuschen Telefonzellen.«

»Nun, dann schlage ich vor, Lt. Paris, dass Sie sich schon mal auf den Weg zu Ihrer Telefon-Zelle

machen. Captain Janeway wird Sie bald in Betrieb nehmen.«

»Sind schon so gut wie weg. Seven, kommen Sie mit?«

»Nein, danke, ich habe noch zu tun.«

Tom zuckte mit den Schultern und grinste Neelix zu. »Wissen Sie, eigentlich hat sie es gut.«

»Wieso?«

»Sie hat nicht die halbe Nacht damit verbracht, sich vorzustellen, wie das erste Gespräch nach fast sieben Jahren laufen wird.«

Neelix erwiderte das Lächeln und wurde dann wieder ernst. »Werden Sie mit Ihrem Vater sprechen?«

Tom holte tief Luft und stieß sie mit einem Seufzen wieder aus. »Ja.« Ihm war auf einmal gar nicht wohl.

Captain Janeway und Commander Chakotay standen im Korridor vor dem »Sprechzimmer« und beobachteten das Geschehen. Die ersten Crew-Mitglieder hatten mit ihren Familien gesprochen und jedes Mal, wenn jemand mit feuchten Augen durch die Türen in den Korridor trat, musste Kathryn mit den eigenen Tränen kämpfen. Diesen Tag würde sie nie wieder vergessen. Es war die Arbeit wert gewesen, die zahlreichen Fehlschläge und Neuanfänge, die Nächte, die sie im Maschinenraum verbracht hatte und mit Seven und B’Elanna an der Kommunkations-Phalanx gebastelt hatte. Es war den Aufwand wert gewesen. Das wusste sie, als sie die Augen von Crewman Perry gesehen hatte, der als erster die Phalanx genutzt hatte. Er hatte mit seiner Frau gesprochen und zum ersten Mal seine Tochter gesehen, die bereits sechs Jahre alt war. Er war aus dem Quartier getreten, Tränen strömten über sein Gesicht, während er lachte und gleichzeitig schluchzend sagte: »Sie kommt in die Schule, ihre Lieblingsfarbe ist rot und sie das wunderschönste Mädchen der Welt. Danke Captain, von diesem Moment habe ich geträumt.«

Viele Crew-Mitglieder hatten sich bei ihr bedankt, dabei gebührte der größte Teil des Danks Voyagers Ehren-Mitglied, Lt. Reginald Barcley, der vor einiger Zeit das Wunder vollbracht hatte und mit Voyager Kontakt aufgenommen hatte.

»Guten Morgen, Captain.«

»Tom, guten Morgen.«

Tom hatte die Hände hinter dem Rücken verschränkt und stellte sich neben seinen Captain. Seine Augen wanderten durch die Reihen der Crewmitglieder, die sich bereits jetzt im Gang drängelten und auf ihre fünf Minuten Sprechzeit warteten.

»Nervös?«

Tom blickte Janeway fragend an. »Captain?”

Sie lächelte und schüttelte innerlich den Kopf. Er war nervös und er hatte genau gewusst, was sie meinte. Sie betrachtete den schlanken jungen Mann, der neben ihr stand. Jeder in ihrer Crew war in den letzten Jahren über sich hinausgewachsen, aber Tom war in ihren Augen etwas ganz besonderes. Als sie ihn das erste Mal getroffen hatte, hätte sie sich nie träumen lassen, dass er einmal eines der wichtigsten Mitglieder ihrer Crew werden würde. Er war nicht nur über sich hinausgewachsen, er war gewachsen, innerlich. Der Offizier neben ihr hatte nicht mehr viel von dem trotzigen Strafgefangenen, der sich durch sie vor dem Absitzen seiner Strafe drücken wollte. Admiral Paris würde seinen Sohn nicht wiedererkennen, dachte sie. Tom fuhr sich mit dem Handrücken über das Gesicht. In seinem Magen hatte sich ein dicker Knoten gebildet und er schwitzte. Was werde ich sagen? Was werde ich tun? Er wusste es nicht. Es war komisch, denn zum ersten Mal war ihm bewusst, wie viel ihm die Meinung seines Vaters bedeutete. Er hatte sich immer versucht einzureden, dass es keine Rolle spielte, aber das tat es. Eine große Rolle.

»Lt. Paris? Sie sind dran.«

Tom blinzelte und blickte Chakotay an, der eine einladende Geste in Richtung Sprechzimmer machte. Tom nickte und trat durch die Türen. Im Inneren des leeren Quartiers war es fast dunkel, das Licht war auf ein Viertel heruntergedreht worden. Tom setzte sich mit zitternden Händen an den Tisch. Auf dem Bildschirm prangte das Logo der Föderation. Tom holte tief Luft. Das war’s also. Kein zurück mehr. Er würde sich seinem Vater stellen, egal, wie dieses Gespräch ausgehen würde. Er wies den Computer an, eine Verbindung herzustellen und wartete. Es dauerte quälende zwei Minuten, ehe der Bildschirm zum Leben erwachte und das Signal von der Erde über tausende Lichtjahre auf der Voyager angekommen war. Toms Herz setzte für einen Moment aus. Da war er. Admirals Uniform, weißes Haar, und blitzende Augen. Admiral Owen Paris. Doch er hatte sich verändert, das konnte Tom durch das eigene Gefühlschaos, das beim Anblick seines Vaters in seinem Inneren zu toben begonnen hatte, sehen. Er war dünner geworden und die Falten in seinem Gesicht tiefer. Es lag eine Traurigkeit in seinen Augen, die Tom niemals zuvor dort aufgefallen war. Sekunden lang starrten sie sich nur an, ehe Admiral Paris leise sagte.

»Tom? Junge?«

»Ja, Dad, ich bin’s.«

»Wie geht es dir?«

»Gut, danke und dir?«

»Gut.« Stille trat ein und Tom ballte unter dem Tisch die Fäuste. Die Stimme seines Vaters zu hören, hatte ihm einen Stich versetzt und ein Gefühl der Verzweiflung ausgelöst, das fast zu stark war, als dass Tom dagegen ankam. Sein Vater. Er sprach mit seinem Vater. Tränen stiegen ihm in die Augen, als der Verlust, von dem er nicht wusste, dass er in den letzten Jahren gespürt hatte, mit voller Wucht auf ihn einstürzte. Aber Tom würde nicht weinen, nicht vor seinem Vater, nicht vor dem großen Admiral Paris.

»Du siehst gut aus Junge.«

»Du auch.«

Admiral Paris lachte. »Lügner. Ich sehe furchtbar aus. Ich arbeite zu viel und schlafe zu wenig und das sieht man auch.«

Tom grinste. »Das ist hier nicht anders, Dad.«

Wieder schwiegen sie für endlose Sekunden, dann beugte sich Admiral Paris plötzlich vor. »Wir haben nicht viel Zeit, Tom und deswegen lass mich sagen, was ich dir sagen möchte, bevor ich den Mut verliere oder unsere Zeit wieder um ist. - Ich habe die Logbücher, die Captain Janeway geschickt hat, ausführlich gelesen, immer und immer wieder, nur um das Gefühl zu haben, dich bei mir zu haben. Ich vermisse dich, Junge, und ich bin stolz auf das, was du dort draußen leistet. Das meine ich ehrlich. Als ich die Berichte las, ich ...«

In Tom stieg plötzlich ein altbekanntes Gefühl hoch, als er diese Worte hörte und er ballte die Fäuste stärker »Du konntest nicht glauben, dass ich das war, stimmt’s?«, unterbrach er seinen Vater wütend. Admiral Paris runzelte die Stirn und verschränkte die Hände vor der Brust. »Nun, du musst zugeben, dass es eine Überraschung war. Als wir uns das letzte Mal gesehen haben, warst du nicht gerade ein Musteroffizier.«

Tom zog die Augen zusammen. Da war es also wieder. Es hatte sich nichts geändert, rein gar nichts. Jetzt war er für seinen Vater akzeptabel, weil das verlorene Schaf in seinen Augen wieder zur Herde zurückgefunden hatte. Jetzt konnte er mit seinem Sohn angeben, der tapfere Tom, der in den tiefen des Alls verschwunden war. Das war doch besser als der missratene Sohn, der in Neuseeland im Gefängnis saß.

»Tut mir leid, dass du dich meinetwegen schämen musstet«, erwiderte Tom kalt. Admiral Paris starrte ihn aus großen Augen an und plötzlich kam sich Tom seiner Worte wegen schäbig vor.

Admiral Paris holte tief Luft und seufzte. »Das habe ich verdient, nicht wahr?«

Tom runzelte überrascht die Stirn. »Was?«

»Das habe ich verdient, nicht wahr? Tom, ich habe in den letzten Jahren immer wieder darüber nachgedacht, nächtelang. Es ist meine Schuld, dass du da draußen bist. Wenn ich mehr Verständnis gehabt hätte, wenn ich mich mehr um dich gekümmert hätte, dann ... dann wäre das alles vielleicht nicht passiert. Es ist meine Schuld, Tom, ganz allein meine Schuld.«

Tom blinzelte. Er war auf vieles gefasst gewesen, aber darauf sicher nicht. Er legte sich seine nächsten Worte genau zurecht und als er sie im Geiste durchging, erkannte er, dass sie die Wahrheit waren.

»Nein, Dad. Es ist nicht deine Schuld. Es ist meine Schuld, hörst du? Ganz allein meine Schuld. Ich hätte diese Dinge nicht zu tun brauchen, egal was ich für ein Verhältnis zu dir hatte. Und um dir die Wahrheit zu sagen: Es ist gut, dass es gekommen ist, wie es gekommen ist. Ich bin froh, hier auf der Voyager zu sein. Ehrlich.«

»Du bist froh darüber.«

»Ich bin endlich geworden, was ich immer sein wollte. Ich habe Freunde hier, Dad, echte Freunde, die mich nicht mögen, weil ich ein guter Pilot bin oder einen berühmten Dad habe, oder jeden Blödsinn mitmache, sie mögen mich, weil ich ich bin. Und was noch viel wichtiger ist«, Tom hielt kurz inne und schloss die Augen. Als er sie wieder öffnete, sah ihn sein Vater aufmerksam an.

»Ich habe jemanden gefunden. Jemand ganz besonderen. Ihr Name ist B’Elanna. B’Elanna Torres und sie ist die Chefingenieurin hier an Bord. Wir sind seit über zwei Jahren zusammen und ...« Die Worte hatten seinen Mund verlassen, ehe es ihm überhaupt bewusst war. »Ich werden sie bitten mich zu heiraten.« Sein Vater starrte Tom für einige Sekunden an und letzterer lächelte verlegen. »Na ja, irgendwann werde ich sie fragen.«

»Das ist großartig, Junge. Ich freue mich für dich.«

Ein leiser Summton erklang und erinnerte Tom schmerzlich daran, dass sie weniger als ein Minute Zeit hatten, ihr Gespräch zu beenden.

»Dad, ich muss bald Schluss machen. Pass gut auf dich auf, okay?«

»Nur, wenn du mir das gleiche versprichst, mein Junge.«

»Versprochen.«

»Ich vermisse dich, Tom.«

Tom schwieg einige Sekunden und sah seinen Vater ernst an, ehe er leicht lächelte und erwiderte: »Ich vermisse dich auch, Dad.«

Der Bildschirm wurde dunkel, die Verbindung getrennt. Zwischen Vater und Sohn lagen plötzlich wieder tausende von Lichtjahren. Doch irgendwie, fand Tom, als er aufstand und den Raum verließ, dass sich die Entfernung mit einem Mal wesentlich verringert hatte. Nicht mal tausend Lichtjahre, dachte er und lächelte. Captain Janeway stand immer noch vor dem Quartier und sah ihn fragend an. Tom lächelte. »Danke, Captain.«

»Wofür?«

»Für alles.«

Janeway erwiderte sein Lächeln und legte ihm die Hand auf die Schulter. »Danken Sie sich selbst, Tom. Sie allein haben das geschafft.«

»Da gibt es noch eine Sache, die ich tun muss«, murmelte Tom und sein Blick ging für kurze Zeit in die Ferne. Er hatte eine Entscheidung getroffen. Seine Augen blitzten auf, ein Lächeln stahl sich auf seine Züge und er trat einen Schritt in den Gang hinaus. »Entschuldigen Sie mich, Captain, ich muss B’Elanna dringend eine Frage stellen ...«

ENDE
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