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Ich bin kein Dieb!

von Juergen Baumgarten

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"Hör auf! Ich bin es langsam leid, Dein ewiges Lamentieren anhören zu müssen!"

Roxxo war dem Wahnsinn nahe. Ein ertappter Verbrecher hatte still zu sein, so wollte es die Tradition. Doch was sollte man von einem Außenweltler schon anderes erwarten? Der häßliche Alien dachte jedenfalls nicht daran, seinen Mund zu halten.

"Ich werde mich beschweren! Einen unbescholtenen Touristen einzusperren, der nur daran interessiert ist, die Kunstschätze dieser Welt ein einziges Mal zu sehen, bevor er in Kürze an dieser schrecklichen Krankheit sterben wird, das ist unglaublich! Ich werde alle hier verklagen, und wenn es das letzte ist, was ich tue!"

"Sei still, Dieb!" brüllte Roxxo den Fremden an. Die innere Gelassenheit, auf die alle Morgho so stolz waren, war dahin. Er würde mindestens drei Wochen meditieren müssen, um zu seiner alten Ruhe zurückzufinden.

"Ich bin kein Dieb", antwortete Quark und schaffte es, gleichzeitig beleidigt, kränklich und doch fest zu klingen. Diese Morgho waren so herrlich leicht aus der Ruhe zu bringen. Beeinflusse die Emotionen Deiner Gegner und Du beherrscht sie. Eigentlich sollte dies den Erwerbsregeln hinzugefügt werden, dachte der Ferengi amüsiert. "Ich bin ein freier Bürger der Vereinten Förderation der Planeten, und ich verlange, sofort einen Repräsentanten meiner -"

"RUHE!" Noch nie hatte Roxxo so laut geschrieen. Er spürte, wie ihn langsam seine Kräfte verließen.

Die Gefängnistür öffnete sich, und Scorta blickte hinein.

"Roxxo, alles in Ordnung" fragte sie besorgt.

Meine Stimme ist sogar bis ins Wachzimmer gedrungen, erkannte Roxxo entsetzt. Er blickte beschämt zu Boden.

"Bitte, Scorta, laß mich raus. Der Gefangene kommt nicht durch die Gitter, er muß nicht bewacht werden."

Quark nutzte jede Information, die er bekommen konnte. Und jemandes Namen zu kennen, war eine sehr wertvolle Information.

"Sie sind Scorta? Oh, wie bin ich erfreut! Ihr Gerechtigkeitssinn ist weithin bekannt auf diesem schönen Planeten. Sie werden bestimmt nicht zulassen, daß ich armer kranker Ferengi hier in diesem unbequemen Loch verrotte! Bitte haben Sie Mitleid! Ich habe die Maske doch nur zufällig berührt, als sie von dem Sockel gefallen ist! Ich habe sie aufgefangen! Ja, sonst wäre sie zerbrochen, ich habe sie gerettet! Lassen sie mich hier heraus!"

Scorta seufzte. "Gut, gut, ich lasse Dich heraus! Das ist unwürdig!"

"Danke, oh vielen Dank", begeisterte Quark sich. "Das werde ich Ihnen niemals vergessen!"

Scorta blickte ihn kopfschüttelnd an. "Du bleibst hier. Er geht." Sie deutete auf Roxxo.

Die beiden Morgho ließen den Ferengi alleine. Quark jammerte und fluchte weiter, sein Vokabular war scheinbar unerschöpflich. Er hatte erreicht, was er wollte, er war alleine. Und während er seine Litanei fortsetzte, fing er mit seinem Teller in dem losen Boden der Zelle zu graben an.

"Meine arme, alte Mutter wird mich niemals wieder in ihre liebevollen Arme schließen können. Und mein geliebter, hilfloser Bruder, mein lieber Neffe, werde ich sie jemals wiedersehen? Was wird mein Bruder nur ohne mich anfangen?"

"Nun, ich vermute, er wird seinen Job als Techniker aufgeben, die Bar übernehmen und jedesmal einen Lachanfall bekommen, wenn er an Sie denken muß."

Quark war bei dem Klang dieser Stimme zusammengezuckt. Er. Was machte ausgerechnet er hier? Das machte alles nur noch schlimmer!

"Jetzt wird alles gut! Odo, was bin ich froh, Sie zu sehen! Ich bin das Opfer eines fürchterlichen Justizirrtums!"

"Ich bin bereits über die Fakten informiert worden", antwortete Odo knapp. "Diese Leute haben darum gebeten, daß Sie der Förderationsjustiz überstellt werden. Man hat hier ungerne Außenweltler in den Gefängnissen. Die Morgho halten sich an die Tradition und brechen nicht aus, wenn sie eingesperrt werden." Odos Blick fiel auf den Blechteller voll Sand in der Hand des Ferengi. "Ein Fluchtversuch ist für mich ein Schuldbekenntnis."

"Oh, ich kann das erklären" rief Quark.

"Das habe ich befürchtet!"

"Das Essen hier ist für Ferengi schwer verdaulich", fuhr Quark unbeirrt fort. "Deshalb habe ich Sand gegessen, das hilft dem Magen."

Odo blickte den Ferengi zweifelnd an.

"Sie glauben mir nicht?"

"Ist das so offensichtlich", fragte Odo sarkastisch.

Quark sah nur noch eine Möglichkeit. Er bekam einen Magenkrampf.

"Ooh, da ist es wieder!" Er schaufelte etwas Sand in seinen Mund und schaffte es, erleichtert auszusehen, als er ihn herunterschluckte. "Jetzt ist mir wohler", seufzte er.

Ein dünnes Lächeln stahl sich in Odos Gesicht. "Gehörte der Käfer mit zum Rezept?"

Quarks Augen weiteten sich entsetzt und sein Blick wanderte zu seinem Bauch herunter. "Ein Käfer? Wie sah er aus?"

"Groß und irgendwie giftig" antwortete Odo mit sorgfältig verborgenem Amüsement und wandte sich Scorta zu. "Ich nehme ihn mit!"

"Wir sind Dir sehr dankbar, Odo-Constable", erwiderte die Aufseherin und sperrte die Zelle auf. Im Nebenraum erlaubte sich Roxxo einen völlig unbeherrschten Jubelschrei.

"Hören Sie, Odo, ich weiß nicht, was Ihnen diese Leute erzählt haben, aber ich bin kein Dieb!" Quark hörte nicht auf, zu lamentieren, als Odo ihn in Handschellen über den Markt zum kleinen Raumhafen des Ortes führte. "Ich wollte diese Maske nur einmal berühren, sie soll heilende Wirkung haben."

"Nun, von Ihrer Kleptomanie hat sie Sie offensichtlich nicht geheilt."

"Ich wollte diese Schlüssel nur als Andenken behalten" verteidigte Quark sich halbherzig.

"Wenn Sie von jedem Gefängnis, in dem Sie gesessen haben, einen Schlüssel behalten haben, können Sie ganz Deep Space Nine damit in ein Museum verwandeln."

"Haben eigentlich alle Gestaltwandler derart unbegründete Vorurteile", fragte Quark in einem letzten Versuch, das Wortduell für sich zu entscheiden.

"Zumindest hat dieser spezielle Gestaltwandler an Bord des Runabouts ein Sedativ, das gefangene Ferengi für die Dauer eines Raumfluges ruhigstellen kann."

Quark lächelte jovial. "Ach, Odo, alter Freund, das würden Sie doch nicht wirklich tun."

Er blickte den Constable an, der mit unbewegtem Gesicht schweigend weiterging. "Das würden Sie doch nicht, oder?" Quark erkannte, daß dies genau das war, was Odo tun würde. Der Ferengi traf eine Entscheidung. Er blieb einfach stehen. "Ich verstehe. Unter diesen Umständen bin ich nicht bereit, mit Ihnen zu gehen. Ich verlange, hier auf Kohrkha zu bleiben. Die hiesige Justiz kann nicht schlimmer sein, als in Ihren Klauen zu landen!"

Odo sah den Barbesitzer an. "Ist das tatsächlich Ihr Wunsch" fragte er freundlich.

Quark war verwirrt. Diese Reaktion hatte er von seinem alten Widersacher nicht erwartet. "Ja, ist er", antwortete er zögernd.

"Wie Sie wünschen, Quark!" Odo drehte sich um und zog den verdutzten Ferengi mit sich. "Sie müssen wissen, daß ich die hiesige Justiz bewundere."

"Warum das" fragte Quark und ahnte, daß er die Antwort lieber nicht wissen würde.

Odo antwortete nicht sofort, sondern ließ seinen Gefangenen einen Moment zappeln, bis er erklärte: "Die Morgho haben eine auf vielen sogenannten zivilisierten Welten leider vergessenen Brauch, was die Aburteilung von Dieben betrifft." Er schwieg einen Moment um Quark die Gelegenheit zu geben, sich gegen die Bezeichnung Dieb zu verwahren. Doch der Ferengi blieb still, was Odo noch mehr amüsierte. "Es gab und gibt Kulturen, die Dieben eine Hand abhacken. Die Morghu bevorzugen die Entfernung anderer, noch besser sichtbarerer Körperteile."

"Welcher Körperteile", fragte Quark besorgt.

Odo widerstand der Versuchung, stehenzubleiben, den Ferengi anzusehen und eine Kunstpause zu machen. Er wußte, daß er eine viel größere Wirkung erzielen konnte, indem er weiterging und wie beiläufig sagte: "Die Ohren!"

"Alles klar, alles klar!" Quark vollführte eine abrupte Kehrtwendung und zwang damit auch Odo zum Umdrehen. "Wissen Sie, so ein Sedativ kommt mir eigentlich gerade recht. Ich leide nämlich an furchtbaren Schlafstörungen. Ich bekomme nachts kein Auge zu. Ich weiß garnicht, woran das liegt!"

"Vielleicht ist es das schlechte Gewissen?"

Quark entschied, daß es vorerst besser für ihn war, den Mund zu halten. Er würde wieder mit Odo reden, wenn sie erst gestartet waren. Irgendwie würde er schon zu verhindern wissen, daß dieser größenwahnsinnige Gestaltwandler ihn betäubte. Als sie den Landeplatz erreicht hatten, wußte Quark schon genau, was er sagen mußte. Doch zur Verwirklichung seiner Pläne fehlte noch etwas. Etwas sehr wichtiges.

"Wo ist das Schiff?" Odo sah sich verwirrt um.

"Tja", meinte Quark, "ich schätze, jetzt haben Sie ein Problem!"

"Warten Sie, Odo, ich habe hier ein Problem!"

"Was denn nun schon wieder" seufzte der Constable und blieb stehen.

"Steine! Ich habe Steine in meinen Schuhen!" Der Ferengi setzte sich auf eine Baumwurzel und begann, seine Schuhe zu leeren.

Odo nutzte die Pause, um mit seinem Tricorder die Marschrichtung zu kontrollieren.

"Ist es noch weit", fragte Quark in Hoffnung auf eine positive Antwort.

"Noch 16,74 Kilometer - Luftlinie. Hätte ich Sie nicht dabei, könnte ich mich in einen Vogel verwandeln und schnell dorthin fliegen."

"Dann tun Sie es doch und holen mich anschließend mit dem Runabout hier ab", schlug der Ferengi müde vor.

"Ich werde keinen Gefangenen, der sich in meiner Obhut befindet, alleine lassen!"

"Ich bin ja so dankbar für Ihre Gesellschaft!"

"Außerdem brauche ich Sie vielleicht. Wer weiß, wer das Schiff gestohlen hat - und warum", ergänzte Odo fast unhörbar. Doch Ferengi hören alles. Und Quark gönnte sich ein zufriedenes Lächeln.

"Ja, wer weiß!"

Doch seine Freude währte nur bis zu dem Augenblick, als er versuchte, die verdreckten Schuhe wieder über seine geschwollenen Füße zu ziehen. Diese grüne Hölle machte ihn noch ganz verrückt. Er haßte die freie Natur. Und Urwälder haßte er noch mehr, besonders seit seinem `Ausflug´ mit Nog, Jake und Sisko vor zwei Jahren. Sicher hätte er den Schmerz ignorieren können. Doch das tat er nicht, im Gegenteil. Er ließ ihn heraus, so laut er nur konnte.

"Eine wunderbare Methode, um jedes Wesen im Umkreis auf uns aufmerksam zu machen", kommentierte Odo die Schreie des Ferengi.

"Ist das alles, was Ihnen dazu einfällt? Meine Pein interessiert Sie wohl gar nicht, was", entrüstete sich Quark.

Odo blickte ihn fragend an. "Wollen Sie eine ehrlich Antwort?"

Quark mußte nur einen Moment lang überlegen, bis er seine Antwort gab. "Lieber nicht!"

Der Gestaltwandler nickte und kam auf Quark zu. "Ich werde Sie tragen!"

"Oh, Odo, daß ist wirklich ein feiner Zug von Ihnen. Wissen Sie, daß ich Ihnen so etwas niemals zugetraut hätte -"

"Nur so kommen wir schneller voran", unterbrach Odo ihn.

"Ich will ´runter", rief Quark zum wiederholten Mal. Viel Kraft lag nicht mehr in seiner Stimme, er wußte, daß der Protest sinnlos war. Aber er war es sich selbst schuldig. Also schimpfte er weiter. Die Situation war auch wirklich erniedrigend. Zwar kamen sie sehr schnell voran dank der Greiffüße und -Hände, die Odo sich geformt hatte. Doch die Position des Ferengi war seiner nicht würdig. Odo hatte eine Art Trageschlaufe auf seinem Rücken gebildet und darin hing Quark jetzt, wie ein Baby, immer mit dem Blick nach hinten. "Und schaukeln Sie nicht so, sonst wird mir wieder übel!"

Zu Quarks Überraschung hielt der Constable tatsächlich an und entließ den Ferengi aus seinem Behältnis.

"Das wurde aber auch Zeit", legte Quark los, als er wieder die Sicherheit von festem Boden unter den Füßen fühlte.

"Still", wies Odo ihn mit einem Tonfall an, dem selbst der Ferengi gehorchte.

"Wir sind fast da", fuhr Odo leise fort. Er nahm seinen Tricorder und untersuchte die Umgebung. Dann bedeutete er Quark lautlos, ihm zu folgen.

Nach wenigen Minuten erreichte sie den Rand einer Lichtung. Vorsichtig spähten sie durch das Gebüsch. Vor ihnen lag ein kleines Dorf, aus einfachen Holzhütten errichtet. Offensichtlich gehörte es einem Morghu-Stamm, der wenig Verbindung zur Zivilisation hatte. Alles wirkte sehr urtümlich und bodenständig. Einzig das Runabout in der Dorfmitte durchbrach die scheinbare Idylle.

"Keine Lebenszeichen", meldete Odo verwundert nach einem Tricorder-Scan.

"Die sind wahrscheinlich alle zum Baden am Fluß", vermutete Quark. "Bestimmt haben wir hier heute das Äquivalent zum Samstag! Gehen wir!"

Und bevor Odo ihn zurückhalten konnte, war der Ferengi schon unterwegs.

"Dann seien Sie zumindest vorsichtig", rief Odo ihm nach, bevor er sich selbst in Bewegung setzte.

Quark war überaus vorsichtig. Er spähte in jede Hütte, an der er vorbeikam. Insbesondere legte er viel Wert darauf, an der größten Hütte vorbeizukommen. Dafür nahm er gerne auch einen Umweg in Kauf.

"Quark, was tun sie da? Kommen Sie zurück!"

Doch Quark hörte gar nicht mehr hin. Er hatte gefunden, was er gesucht hatte. Die Legenden stimmten! Jedes Dorf hatte einst eine eigene Fruchtbarkeitsmaske. Und diese Hinterwäldler hatten immer noch eine! Und keine Alarmanlagen, keine Wächter, wie bei der Maske im Museum. Dieses Ding würde ihm ein Vermögen einbringen. Es gab genug reiche Kaufleute, die an die Kräfte dieser Masken glaubten. Quark dagegen glaubte mehr an die Kraft des Geldes. Er streckt die Hände nach diesem Schatz aus. Dafür hatte es sich sogar gelohnt, von Odo so erniedrigt worden zu sein. Na ja, es hatte sich fast gelohnt. Aber die Zinsen würden ihm länger bleiben, als die unangenehmen Erinnerungen.

"Schon wieder ein Erinnerungsstück?"

Quark fuhr vor Schreck zusammen. Er hatte Odo gar nicht hereinkommen gehört.

"Ich kann das alles erklären, Odo!"

"Das müssen Sie nicht!"

Nun erschrak auch Odo. Die Stimme kam von einer Tür am anderen Ende der Hütte. Eine dunkel gekleidete Gestalt schob sich durch die Öffnung. Der Constable blickte sich schnell um, doch auch der Rückweg war jetzt versperrt.

"Wie leicht man doch Ihre Tricorder täuschen kann", fuhr der Sprecher fort. "Tja, ich fürchte, Sie haben das Ende Ihres Weges erreicht!"

Odos geschulter Blick erfaßte die Situation. Rund zwanzig eingeborene Morghu umringten sie jetzt - angeführt von drei Romulanern. Während der Sprecher von eben einen Phaser auf Odo und Quark gerichtet hielt, stellten die beiden anderen Romulaner ein merkwürdiges Gerät in der Nähe ihrer Gefangenen ab. Einer drückte auf einen Knopf und an dem Gerät öffnete sich ein Deckel.

"Wenn Sie jetzt die Güte hätten, Ihr neues Heim zu beziehen", forderte der Anführer Odo jetzt auf und deutete auf den Behälter. "Ich fürchte, es wird etwas unkomfortabel sein, aber zumindest haben Sie darin die absolute Ruhe. Niemand wird Sie stören. Was macht es da schon, wenn Sie nicht herauskönnen!"

Odo nickte. "Das war also der Grund. Sie wollten mich fangen!"

"Sehr scharfsinnig, Constable. Normalerweise hätten die primitiven Sicherungseinrichtungen der Morghu diesen Dieb nicht aufgehalten."

"Ich bin kein Dieb", behauptete Quark aus reiner Gewohnheit.

"Oh doch, das sind Sie, und das ist auch gut so. Sonst hätten wir den Constable doch nie hierher locken können."

"Die Entführung des Runabouts, unser Marsch durch den Wald - und leider sind wir nie am Ziel angekommen, sondern von den Raubtieren des Dschungels gefressen worden."

Der Romulaner nickt amüsiert. "So wird es zumindest in den offiziellen Berichten stehen. Alles sehr viel weniger verdächtig, als eine Entführung auf Deep Space Nine. Und einfacher durchzuführen."

"Und wozu das Ganze? Was wollen Sie von mir?"

Der Anführer blickte Odo fest an. "Wegen Ihrer Spezies ist fast die gesamte Romulanische Flotte zerstört worden. Ihre Leute müssen dafür bezahlen. Und der erste Schritt zum Sieg ist immer, den Gegner zu kennen, seine Schwächen herauszufinden, zu ermitteln, wo er verwundbar ist - und wie! Sie, mein lieber Odo, sind leider das einzige greifbare Studienobjekt. Trösten Sie sich doch damit, daß Ihr Tod dem Überleben der Völker des Alpha-Quadranten dienen wird. Und nun", er deutete erneut auf das Gerät, "bitte! Oder dieser Dieb wird mehr verlieren, als nur seine Ohren!" Zur Klarstellung dessen, was er meinte, zielte er genau auf Quarks Kopf.

Odo fügte sich in sein Schicksal. Er floß in das Gerät, dessen Deckel sich hinter ihm fest schloß. Er erkannte sofort, daß dies Gefängnis absolut ausbruchssicher war, solange die Energiezelle intakt war. Und die hatte eine Lebensdauer von mindestens zehn Jahren. Technischer Fortschritt konnte auch seine Nachteile haben!

Die Morghu wichen entsetzt zurück, als Odo zerfloß. So etwas hatten Sie noch nicht gesehen. Sie begannen, Beschwörungen gegen böse Geister anzustimmen. Die Romulaner versuchten, ihre Handlanger zur Ruhe zu bringen.

Quark hatte schon viele brenzlige Situationen erlebt. Die meisten davon hatte er nur deshalb überlebt, weil er das Talent besaß, den richtigen Moment zur Flucht zu erkennen. Dieser Moment war eindeutig jetzt gekommen. Er warf den Morghu die Maske zu und war blitzschnell durch eine Tür entkommen. Die Romulaner eilten ihm nach. Phaserschüsse fraßen sich durch das Halbdunkel der fortschreitenden Dämmerung und erhitzten die Luft um Quark herum. Er rettete sich schließlich in den Urwald. Hinter ihm stürzten einige Bäume um, von Phaserstrahlen gefällt. Quark hatte auch nicht erwartet, daß die Romulaner ihre Waffen ihm zuliebe auf Betäubung justierten. Er warf sich unter eine Baumwurzel und versteckte sich. Angestrengt versuchte er, in die Umgebung zu lauschen, doch das einzige, das er zunächst hörte, war sein stoßweiser Atem und das Rauschen des Bluts in seinen Ohren. Als er seine Lungen wieder unter Kontrolle hatte, bemerkte er, daß sich jemand seinem Versteck näherte. Er überlegte fieberhaft, was er tun konnte, als ein Ruf des Anführers ihn rettete.

"Shanie, Kierof, kommt zurück! Es hat keinen Zweck!"

"Recht hat er", rief ein Soldat dem anderen zu, als sie zur Lichtung zurückgingen. "In diesem Urwald wird er alleine nicht lange überleben!"

Und Quark befürchtete, daß der Romulaner recht behalten würde. Denn langsam und bedrohlich schob sich ein großes, sehr hungrig aussehendes Tier auf das Versteck des Ferengi zu.

Es herrschte eine ausgelassene Stimmung am Lagerfeuer. Den Romulanern war es nicht schwergefallen, für die Morghu ein schmackhaftes, berauschendes Getränk herzustellen. Sollten sie doch noch einmal feiern. Morgen abend würden sie alle tot sein. Shamar, der Anführerdes kleinen Romulanischen Trupps, bedauerte sie fast ein wenig. Aber das Wohl des Imperiums war wichtiger als das Leben dieser Hinterwäldler. Die Überladung des Antriebs des Runabouts würde sie alle töten. Und wenn später jemand das Computer-Logbuch fand und rekonstruierte würde er feststellen, daß einige junge Leute aus dem Dorf, die eine technische Ausbildung hatten, das kleine Schiff zu ihrem Vergnügen entführt hatten. Nichts würde auf die Beteiligung der Romulaner hindeuten. Die Tal-Shiar war gut in diesen Dingen, auch nach der großen Niederlage.

Die Romulaner ließen sich etwas von der ausgelassenen Stimmung anstecken. Ihr Ziel war erreicht, ein Erfolg auf ganzer Linie. Das bedeutete Belobigungen, Beförderungen und ein hohes Ansehen im Reich. Sie prosteten sich gegenseitig zu, doch zum Trinken kamen sie nicht. Denn plötzlich sprang eine seltsame Gestalt aus dem Dschungel und fuhr zwischen die Eingeborenen. Es sah aus, wie ein Geschöpf mit zwei Köpfen, doch die Logik sagte, daß es sich um ein Tier mit Reiter handeln mußte.

Für die Morghu aber war es die Inkarnation von KahRhaga, dem Gott der Unterwelt. Der wuchtige untere Kopf trug riesige Hörner und leuchtete in dem bedrohlichen Weiß des kalten Todes. Der häßliche obere Kopf war mit der schwarzen Krone des Unheils bedeckt und sein Gesicht von der roten Maske der Verdammnis verborgen. Nur diese Maske rettete sie vor dem sofortigen Tod. Denn wie jeder Morghu wußte, verbrannte jeder, der KahRhagas wahres Gesicht sah. In großer Panik stoben die verschreckten Morghu auseinander, als der Gott schreiend zwischen sie fuhr. Die Romulaner wurden überrannt und so fiel es dem "Gott" nicht schwer, einen Phaser zu ergattern. Mit einigen gezielten Schüssen betäubte Quark die Tal-Shiar und trieb dann die Morghu weiter auseinander. Er schrie aus Leibeskräften, um seiner imposanten Erscheinung noch mehr Wirkung zu geben. Quark war ziemlich stolz auf sich. Er war schon mit zahlungsunwilligen Klingonen zurechtgekommen, da hatte es ihm auch wenig Probleme bereitet, dieses monströse Tier zu zähmen. Zu seinem Glück handelte es sich wohl auch um einen gutmütigen Pflanzenfresser, der Quark besonders für die Entfernung diverser Dornen aus seinem Pelz dankbar war. Mit Hilfe des Allzweckmessers, das er immer im Absatz bei sich trug, war es dann für Quark ein leichtes gewesen, die Verkleidung anzufertigen. Gut, daß er so viel über die Mythen der Morghu gelernt hatte. "Stehlen bildet", sagte schon ein altes Ferengi-Sprichwort.

Als das Dorf leer war, ritt er zu der großen Hütte, wo wie erwartet Odos Gefängnis aufbewahrt wurde. Quark schaffte es, den Schalter zum Öffnen des Behälters von seinem Sattel aus zu betätigen. Odo floß aus dem Behälter, sah sich um und erblickte Quark. Der Gestaltwandler mußte wirklich erschrocken sein, denn er hatte eine Sekunde lang Probleme, seine Form zu bewahren und seine Gesichtszüge zerflossen zu einer absonderlichen Fratze.

"Das steht Ihnen nicht schlecht, es gibt Ihnen etwas Geheimnisvolles," kommentierte Quark und gab sich Mühe, nicht laut zu lachen.

"Quark?" Odo konnte es erst gar nicht fassen. Doch die Kombinationsgabe des Constables ließ ihn nach einem schnellen Blick durch die offenstehende Tür die richtigen Schlüsse ziehen. "Ich wußte gar nicht, daß auch die Ferengi den lächerlichen Brauch des Halloween kennen."

"Es ist schon bezeichnend, wenn ein Gestaltwandler es für lächerlich hält, sein Aussehen zu verändern." Quark stieg von seinem Reittier und befreite es von seiner Verkleidung. "So, Rom, Du kannst jetzt zurück in Deinen Dschungel. Ich würde zwar bestimmt einen guten Preis für Dich bekommen, aber Captain Sisko ist bei der Einfuhr von Lebewesen so furchtbar pingelig!" Er gab dem Tier noch einen Klaps auf das Hinterteil. Rom riß sein mit scharfen Zähnen bestücktes Maul auf, gab einen Knurrlaut von sich und trottete dann davon.

"Rom?" wunderte sich Odo.

"Das Tier war so dumm, da hat es mich halt an meinen Bruder erinnert!"

Odo blickte Rom nach. "Dann haben Sie das Tier entweder genauso unterschätzt, wie Ihren Bruder, oder sie sind mutiger, als ich dachte."

"Wieso," wollte Quark wissen.

"Weil es sich um ein Trukoga handelt, das gefürchteteste Raubtier von Morghu."

Quark sah, wie Rom sich über einen der betäubten Romulaner hermachte und fiel in Ohnmacht.

Odo betäubte das Tier, um alle Romulaner weitestgehen unversehrt vor Gericht stellen zu können. Dann hob er den Ferengi auf und trug ihn zum Runabout.

"Nichts da, Morn, keine Freirunde! Sei froh, daß ich nicht mehr dafür verlange, daß die Getränke hier von einem leibhaftigen Gott zubereitet werden!"

Morn lachte und akzeptierte, daß er seine Zeche zahlen mußte.

Odo kam in die Bar und steuerte auf die Theke zu.

"Ah, mein schlechtester Kunde", begrüßte Quark ihn. "Was darf ich Ihnen heute nicht geben?"

"Ich hätte gedacht, die Erfahrungen auf Kohrkha hätten Sie verändert, aber wie ich sehe, ist dem leider nicht so."

"Reden Sie nicht viel herum, Sie sehen, daß ich beschäftigt bin. Also, was wollen Sie?"

"Ich dachte, würde Sie interessieren, warum dieses Raubtier sie nicht zerfleischt hat."

Quark tat so, als würde er nur widerwillig zuhören. "Also bitte, warum hat es nicht?"

Odo wartete einen Moment, bevor er fortfuhr. Sein Verhalten zeigte Quark, daß der Constable wieder irgendeine Gemeinheit verbreiten wollte und die Situation voll auskostete. Für manche Informationen mußte man mit Latinum bezahlen, bei Odo kostete es einen nur einige Nerven. "Ich habe mit Dr. Bashir gesprochen, und er hat die Lösung gefunden." Wieder eine Kunstpause. "Sie riechen genauso wie ein Trukoga-Männchen. Und Sie hatten Glück, daß gerade Paarungszeit war und Sie an ein Weibchen geraten sind. Mehr will ich gar nicht ausführen!"

Quark konnte sich auch so seinen Teil denken. "Aber Sie haben von meinem Glück auch profitiert, vergessen Sie das nicht! Sie schulden mir etwas!"

Odo blieb gelassen. "Ich war kurz davor, die Innenwand des Behälters zu sprengen," erklärte er. "Eine halbe Stunde noch, und ich hätte mich selbst befreit gehabt."

Quark schnappte nach Luft. "Das denken Sie sich nur aus!"

Der Constable blickte den Ferengi fragend an. "Warum sollte ich? Ich bin kein Lügner. Und auch kein Dieb. Und Sie sind es dieses Mal zum Glück auch nicht gewesen. Wenn auch nicht aus freien Stücken."

Quark seufzte theatralisch. "Sie werden wohl nie aufhören, mir falsche Verdächtigungen an den Kopf zu werfen!"

"Erst, wenn Sie eingeäschert und Döschenweise an andere Ferengi verkauft worden sind", beendete Odo das Gespräch und verließ die Bar.

"Sie schätzen mich wirklich falsch ein, Constable", rief Quark ihm nach. Und als Odo draußen war, fügte er grinsend im Gedanken dazu: "Denn ich bin besser, als Sie denken!" Er griff unter den Tresen und holte die Fruchtbarkeitsmaske hervor, die er aus dem Dorf mitgenommen hatte. Der Profit würde ihn für vieles entschädigen. Heute konnte er es sich leisten, großzügig zu sein. Vielleicht würde er die Drinks etwas weniger verdünnen als sonst. Andererseits: das würde niemand honorieren. Also nicht. Schließlich war er auch nur ein armer Barkeeper. Und ein Dieb. Aber das würde er natürlich niemals zugeben.

Ende
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