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Lebensstufen

von Syrinx

Kapitel 2

Teil 2: Tag der Trennung

Mit einem Ruck erwachte Kathryn und blickte sich panisch in ihrem Quartier um, ehe sie in ihr Bett zurücksank. Gott sei Dank, dieser Horror war nur ein Traum gewesen! Sie wischte sich den Schweiß von der Stirn. Würden solche Albträume sie jetzt regelmäßig heimsuchen?

Entschlossen schlug sie die Laken zurück und betrat das Badezimmer. So konnte es nicht weitergehen. Sie starrte ihr Spiegelbild an. Sollte sie hier auf der Voyager bleiben, umgeben von Dingen, die sie ständig an ihre Pein erinnerten? Das würde sie keine Woche aushalten.

Sie zog die Wascheinheit aus der Vertiefung in der Wand und hielt ihre Hände unter den warmen Wasserstrahl. Sie musste etwas tun. Sie füllte ihre Handflächen mit Wasser und wusch sich das Gesicht. Dann griff sie in das kleine Schränkchen neben dem Waschbecken, holte eines ihrer alten Haargummis heraus und band sich die Haare zu einem straffen Pferdeschwanz. Und sie wusste auch, was.

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Neelix balancierte ein Tablett beladen mit den verschiedensten Köstlichkeiten, die diese Galaxie zu bieten hatte, die Halle hinunter zu Captain Janeways Quartier. Er wusste nicht genau, was passiert war, nur, dass der Captain unpässlich war und deshalb nicht zum Essen im Kasino erscheinen konnte. Also musste das Essen eben zu ihr kommen. Er presste die Glocke ihres Quartiers und arrangierte ein letztes Mal die Leolawurzel-Sandwiches, dann setzte er sein fröhlichstes „Guten-Morgen-Captain-wie-geht-es-Ihnen-heute“-Gesicht auf. Als sie jedoch auf sein wiederholtes Klingeln nicht reagierte, wurde er unruhig. Vielleicht ging es ihr schlechter?

„Computer, öffne die Türen zum Quartier des Captains.“

„Autorisation erforderlich.“

Der Thalaxianer seufzte und stellte das Tablett neben sich auf den Boden.

„Computer, lokalisiere Captain Janeway.“

„Captain Janeway ist nicht an Bord dieses Schiffes.“

Neelix war froh, dass Tablett bereits vorher abgestellt zu haben. Erschrocken aktivierte er seinen Kommunikator.

„Neelix an Tuvok. Der Captain hat das Schiff verlassen!“

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Die dunkle Silhouette des Vulkaniers hob sich in seinem unbeleuchteten Quartier nur undeutlich von der Finsternis des Alls ausserhalb seines Fensters ab. Er starrte nun schon seit Stunden hinaus zu den Sternen, als könnte er Kathryn Janeway mit bloßer Willenskraft zwischen ihnen entdecken.

Wo könnte sie sein? Diese Frage schwebte noch immer unbeantwortet in seinem Geist. Es gab keine logische Antwort. Er kannte den Captain besser als jeder andere auf diesem Schiff, und die Entscheidung, die Voyager zu verlassen, hatte sie wahrscheinlich spontan getroffen. Intuitiv. Was bedeutete, er würde sie allein durch logische Schlussfolgerungen nicht finden.

Er bemerkte, wie sich ein Gefühl der Frustration in seinem Geist breit machte. Automatisch dämmte er die unerwünschte Emotion ein, brachte sie unter seine Kontrolle, bis sie schließlich verebbte und er sie nicht mehr wahrnahm.

Doch lag nicht genau darin der Grund seiner Unfähigkeit, den Captain zu finden? Sie war keine Vulkanierin, sie folgte nicht den Gesetzen der Logik. Im Gegenteil, sie hatte in der Vergangenheit sehr oft bewiesen, dass sie ihn selbst nach jahrelanger Freundschaft noch überraschen konnte. Was sie betraf, hatte er lernen müssen, mit dem Unvorhergesehen zu rechnen.

Wenn er ihrer Spur folgen wollte, musste er sich in sie hineinversetzen. Doch wie versetzte man sich in jemanden hinein, dessen Handlungen in etwa so berechenbar waren wie das Auftreten von Q?

Außerdem, könnte er, Tuvok, tief verwurzelt in vulkanischen Traditionen und Dogmen, sich überhaupt in einen Menschen hineinversetzen? Menschliche Entscheidungen waren von Gefühlen, Neigungen, Launen und das plötzliche Wechseln letzterer geprägt. Was für ihn bedeutete, er müsste eben diese Emotionen zulassen, sich ihnen nicht mehr verschließen.

Dieser Gedanke beunruhigte ihn. Konnte er jahrzehntelang antrainiertes Verhalten einfach so ablegen? Und was wäre die Konsequenz? Er hatte keine Erfahrung im Umgang mit Emotionen. Er erinnerte sich nur ungern an seine Jugend zurück, als er nicht in der Lage gewesen war, seine Gefühle zu kontrollieren. Damals fühlte er sich hilflos, ausgeliefert.

Doch wenn die Logik versagte, musste man konsequenterweise andere Mittel und Wege finden. Er war schließlich kein unwissendes Kind mehr. Die diversen Methoden der Kontrolle hatte er verinnerlicht und er kannte einige Meditationstechniken. Er könnte seine Gefühle jederzeit wieder in seine Gewalt bekommen.

Doch sollte er einfach so mit Jahrhunderte alter Tradition brechen? Seine Ideale, für deren Erreichen er hart gearbeitet und so manchen Kampf gefochten hatte, aufgeben? Er konnte doch nicht von heute auf morgen seine Überzeugungen über Bord werfen.

Andererseits, was nützten seine Grundsätze, wenn Captain Janeway seine Hilfe brauchte? Denn davon war er überzeugt, niemand auf diesem Schiff kannte sie so gut wie er. Zwang ihn die Logik dann nicht dazu, sich selbst für sie zurückzustellen?

Aber wie konnte ein Glaube dem Gläubigen vorschreiben, eben diese Überzeugungen aufzugeben? Das machte keinen Sinn!

Tuvok spürte Verzweiflung in sich aufwallen. Draußen zogen noch immer stumm die Sterne vorbei, und schließlich fasste der dunkelhäutige Vulkanier einen Entschluss. Er musste sich aus seinem ewigen Gedankenkarussell befreien. Er schloss die Augen und ließ zu, dass die Emotion seinen Geist flutete, gegen seine Gedanken brandete und das logische Konstrukt seines Bewusstseins unterspülte.

~~~ *** ~~~

Zufrieden verließ Kathryn den kleinen Bekleidungsladen wieder und blickte unschlüssig den langen Gang bevölkert mit unterschiedlichsten Lebewesen hinunter. Die Station am Rande eines Nebels der Mutara-Klasse war klein und unbedeutend, es gab keine Kontrollen und niemanden, der sich für etwas anderes als das eigene Geschäft interessierte. Der ideale Ort um Güter abgabenfrei zu erwerben und Kontakte zu knüpfen. Oder um ein altes Leben hinter sich zu lassen.

Prüfend betrachtete sie noch einmal ihre Reflexion in dem Schaufenster des Ladens: Die schwarzen Haare straff nach hinten gezogen, zusammengehalten von einem cremefarbenen Haargummi, das exakt dieselbe Farbe wie ihr Overall hatte. Dieser war aus einem lederartigen Material gefertigt, dass sich ihrem Körper beinahe perfekt anpasste, an genau den richtigen Stellen Falten schlug und laut dem schleimigen Verkäufer „einfach wie für Sie gemacht“ war. Hochhackige Stiefel und schwarz geschminkte Augen komplettierten ihr neues Erscheinungsbild.

Langsam schlenderte sie die Promenade hinunter, als die Auslage eines relativ großen Geschäftes ihr Interesse weckte. Neugierig betrachtete sie die verschiedenen Handfeuerwaffen, die in dem Schaufenster zu sehen waren, täuschte jedoch sofort Desinteresse vor, als sich der Verkäufer näherte.

„Suchen Sie etwas Bestimmtes?“

„Nicht direkt.“

So einfach ließ sich der Alien jedoch nicht abschütteln.

„Das hier könnte Sie interessieren. Klein und handlich. Automatische Zielerfassung, verschiedene Stärken des Phaserstrahls, Ionen-Energiezelle. Inklusive Ladegerät. Eine elegante Damenwaffe, passt in jede Handtasche.“

Kathryn blickte in das schmierig grinsende Gesicht des Verkäufers, als sich plötzlich jemand neben sie stellte und missbilligend den Kopf schüttelte.

„Jerko, versuchst du schon wieder, nichtsahnenden Fremden deinen Weltraumschrott anzudrehen?“

Der Neuankömmling wandte sich an Kathryn.

„Glauben Sie ihm kein Wort, wahrscheinlich hat er diese Waffe vor 20 Zyklen aus einem Schiffswrack gestohlen.“

Der Alien zog sich grummelnd in seinen Laden zurück.

„Ich sehe Sie zum ersten Mal hier. Was bringt eine Frau wie Sie auf diese von den Göttern vergessene Station?“

Kathryn hatte sich abgewandt und war weiter geschlendert, doch der Fremde folgte ihr. Sie zuckte mit den Schultern.

„Eine lange Geschichte. Und was machen Sie hier?“

„Ich lebe hier.“ Der Alien neigte leicht den Kopf. „Wenn ich mich vorstellen darf: Ramtza.“

Kathryn war stehengeblieben und blickte Ramtza zum ersten Mal bewusst an. Er war einen guten Kopf größer als sie und hatte schulterlange, helle Haare, die im Nacken von einem dunklen Band zusammengehalten wurden und in seltsamen Kontrast zu seiner dunklen Haut standen. Seine gelben Augen mit den senkrechten, schwarzen Pupillen waren dunkel umrandet und Kathryn fragte sich, ob dies zu den natürlichen körperlichen Merkmalen von Ramtzas Spezies gehörte.

„Und mit wem habe ich die Ehre?“

Er blickte ihr auffordernd ins Gesicht. Kathryn riss ihren Blick von der langen Narbe los, die beinahe senkrecht von seiner Schläfe hinunter zum Kiefer lief, und blickte in seine fremdartigen Augen.

„K-... Nell.“ Kathryn lief es kalt den Rücken hinunter. Hatte er ihr Zögern bemerkt?

„Ein ungewöhnlicher Name.“

Erleichtert folgte sie Ramtza durch die dichter werdende Menschenmasse. Sie hatte sich alles zurechtgelegt, einen neuen Namen und eine Alibigeschichte, falls jemand allzu hartnäckig nach ihrem woher und wohin fragen würde. Doch sie musste vorsichtiger sein. Beinahe hätte sie sich selbst verraten, nur weil sie für einen Moment abgelenkt war!

„Sie leben hier?“

Der Alien nickte.

„Dann können Sie mir sicher helfen. Ich brauche Waffen für mein Schiff, Photonentorpedos und Phaser.“

Ramtza runzelte die Stirn.

„Waffen dieses Kalibers sind hier nicht einfach zu finden, es ist eine sehr kleine Station und im Nachbarsektor herrscht Krieg. Es wird Sie einiges kosten.“

Kathryn nickte. Ramtza entblößte zwei Reihen spitzer Zähne und lächelte ihr zu.

„Ich werde sehen, was ich für Sie tun kann. Allerdings brauche ich noch die Spezifikationen Ihres Schiffes.“

„Andockrampe 34 Alpha.“

Im Inneren des Delta Flyers erinnerte nicht mehr viel daran, dass dies einmal ein Schiff der Sternenflotte gewesen war. Die graue Verkleidung war durch schwarzes Metall ersetzt worden, welches in der düsteren roten Beleuchtung schimmerte. Das Hellblau, Rosa und Beige, charakteristisch für die Schaltflächen eines Flottenschiffes, waren durch ein kräftiges Rot ersetzt worden. Das Cockpit hatte sich nicht verändert, nur die zusätzlichen Plätze an der Taktik, OPS und der Wissenschaftsstation waren demontiert worden.

Ramtza blickte sich beeindruckt um.

„Ein ansehnliches Schiff, Nell! Wie kamen Sie daran?“

„Das ist ebenfalls eine lange Geschichte. Hier sind die Spezifikationen.“

Sie reichte dem Alien ein PADD.

„Wenn ich diese Daten hier richtig deute“, er wies auf eine der Anzeigen, „verfügt dieses Schiff bereits über ein funktionierendes Waffensystem.“

„Deshalb biete ich Ihnen ja auch einen Tausch an.“

Sein Blick schien sie zu durchbohren, doch Kathryn hielt ihm stand. Schließlich nickte Ramtza ihr zu.

„Treffen Sie mich in zwei Stunden an der Bar auf der Promenade.“

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Kathryn hatte bereits über eine halbe Stunde auf Ramtza gewartet und war drauf und dran gewesen, wieder zum Flyer zurückzugehen, als der dunkelhäutige Alien endlich erschien.

„Sie kommen spät.“

Ramtza bleckte die Zähne, was wohl ein entschuldigendes Lächeln sein sollte.

„Seien Sie mir nicht böse, Nell. Dafür habe ich Ihnen die besten Waffen für Ihr Schiff besorgt, die Sie hier kriegen können. Ich habe allerdings etwas nachgedacht. Womit verdienen Sie im Moment Ihren Lebensunterhalt?“

Kathryn zuckte unwillkürlich mit den Schultern. Auf diese Frage war sie nicht vorbereitet gewesen.

„Ich war in letzter Zeit sehr... beschäftigt.“

„Sie haben ein sehr starkes Schiff, Nell. Sicher haben Sie bereits so manchen Kampf erlebt.“

„Könnte man so sagen.“ Worauf wollte Ramtza hinaus?

„Nun, ich würde Sie gern mit einigen Freunden von mir bekannt machen. Ich könnte mir vorstellen, dass sie interessiert wären, Sie zu treffen.“

Ohne ihre Antwort abzuwarten, betrat der große Alien die Bar und Kathryn eilte ihm hinterher. Er steuerte auf einen Tisch im hinteren Teil des Lokals zu, an dem eine kleine Gruppe verschiedenster Lebewesen saß, Spezien, die sie noch nie zuvor gesehen hatte.

Ramtza stellte sie vor und die einzelnen Individuen nickten ihr misstrauisch zu. Dann ließ sie sich zusammen mit ihm an dem Tisch nieder und betrachtete die Gruppe. Stirnwülste und markante Kiefer zeichneten einige der Fremden aus, sowie eine breite Palette an Hautfarben. Ein Wesen jedoch, das in der hintersten Ecke im Halbdunkel saß, schien seinen Blick auf Kathryn ruhen zu lassen. Sie konnte sein Gesicht nicht erkennen, da es einen grünen Helm trug, der im Augenbereich schwarz gefärbt war und an dessen linker Seite eine Antenne steckte. Kathryn fragte sich, wozu sie wohl diente.

Ramtza hatte währenddessen einige Worte mit seinen Freunden gewechselt und wandte sich nun wieder an Kathryn.

„Also, Nell, von Lexo hier“, ein kahler, grünhäutiger Mann nickte ihr zu, „bekommen Sie Ihre Waffen. Was uns alle angeht: Wir sind Krieger. Wir kämpfen für jene, die uns gut bezahlen und stehen auf niemandes Seite als auf unserer eigenen. Und natürlich sind wir immer auf der Suche nach neuen Leuten mit starken Schiffen.“

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Als Lexo einige Stunden später den Delta Flyer verlassen hatte und sie mit sämtlichen Neukonfigurationen des Bordcomputers fertig war, lehnte Kathryn sich im Pilotensessel zurück und ließ ihre Gedanken wandern.

Sie war sich nicht sicher, ob es eine kluge Entscheidung gewesen war, Ramtzas Angebot anzunehmen. Doch wie hätten die Alternativen ausgesehen? Sie musste von irgendetwas leben, niemand verschenkte Antimaterie oder Rohstoffe.

Es war ihre verdammte Sternenflottenausbildung, die ihr nun im Weg stand! Wütend erhob sie sich aus ihrem Sessel und ging in den Wohnbereich hinüber. Hätten all die Admiräle und Ausbilder sie nicht mit naiven Idealen gefüttert, wäre es nie soweit gekommen, müsste sie sich nicht einer Gruppe von Söldnern anschließen, um zu überleben.

Die allmächtige Sternenflotte. Sie erwartete von ihren Kadetten, Fähnrichs, Lieutenants und Captains, dass sie an das Gute in jedem Lebewesen glaubten. Dass sich mit Verhandlungen und Verträgen alle Probleme lösen ließen. Und dennoch verfügte sie über Kriegsschiffe, über Waffen, deren Vernichtungsgrad das menschliche Vorstellungsvermögen sprengte. Wie konnte ein ganzer Quadrant das Offensichtliche nicht erkennen? Und sie hatte diese Organisation auch noch repräsentiert! Die Föderation, die den Leuten weismachen wollte, dass der Weltraum eine Schafherde war, mit den obligatorischen, aber vereinzelten Wölfen im Schafspelz.

Doch tatsächlich war der Weltraum nichts weiter als eine riesige, schmutzige Arena, in der jeder mit allen möglichen Mitteln und ohne Rücksicht auf Verluste um sein Überleben kämpfte. Und genau das würde sie nun auch tun.

Sie war unvorbereitet und voller Illusionen in den kalten Teich des Alls geworfen worden und hatte schnell festgestellt, dass nicht einmal Schwimmkünste hier halfen. So war sie tiefer und tiefer im Raum, in sich selbst versunken. Bis jetzt. Sie würde nicht mehr aus Stolz an falschen Idealen festhalten, sie würde kämpfen mit den Waffen, die ihr zu Verfügung standen.

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„Also, Leute, wir haben einen neuen Auftrag.“

Ramtza setzte sich zu Kathryn und den anderen Söldnern, welche gemütlich an ihrem Stammplatz im hintersten Eck der Bar saßen, etwas tranken und sich unterhielten.

„Was ist es diesmal, Chief?“

„Hoffentlich nicht einer dieser betagten Frachter, sonst muss Lexo hinterher wieder drei Wochen lang seine Schildmatrix reparieren.“

Der grünhäutige Alien verdrehte genervt die Augen, während der Rest der Gruppe vielsagend lachte.

„Wie oft wollt ihr das noch auftischen? Wir wussten schließlich alle nicht, dass diese verdammten Händler über rotierende Chronoton-Torpedos verfügten.“

„Ich erinnere mich da an eine ganz andere Mission. Warst nicht du es, Kinam, der auf die Flirtattacke der Krenim-Dame reingefallen ist, welche dann unsere Gruppe unterwanderte, unseren Auftraggeber ausspionierte und seine Taktik an den Feind verriet, was uns fast den Kopf gekostet hat?“

Kinam wurde hellgelb und senkte betreten den Kopf.

„Ach Nell, dass du auch immer diese alte Geschichte ausgraben musst...“

Ramtza hatte dem Geplänkel ruhig zugehört, doch nun riss er das Wort an sich.

„Also. Bei unserem Auftrag geht es diesmal um etwas Größeres als einen einfachen Frachter. Wir sollen ein fremdes Kriegsschiff kampfunfähig machen. Nähere Angaben zu den Verteidigungssystemen und der Feuerstärke sind mir nicht bekannt. Diese Sache ist wichtig für uns, der Auftraggeber ist sehr einflussreich. Wenn wir diesmal erfolgreich sind und die richtigen Leute Wind von der Sache bekommen, werden wir uns bald vor Aufträgen nicht mehr retten können.“

„Was weißt du über dieses Schiff, Ramtza?“

„Nicht sehr viel, leider. Es ist ein Kriegsschiff, allerdings laut unserem Auftraggeber keines, welches aus dieser Region des Alls stammt. Es war in eine der Schlachten im Nachbarsektor verwickelt, und die Beteiligten berichteten, dass es über starke Waffen verfügt.“

„Wenn Nell wieder so ein Ding durchzieht wie in der Krenim-Sache, dann kann gar nichts schief gehen.“

Kathryn blickte lächelnd hinüber zu der Gestalt mit dem grünen Helm. Es hatte einige Wochen gedauert, ehe sie Yore richtig kennen gelernt hatte, doch als das Eis einmal geschmolzen war, hatte sie in ihr eine gute Freundin gefunden.

„Wir müssen diesmal allerdings als ein Team arbeiten. Wir sind im Verband stärker, und Sonderaktionen sind hier nicht unbedingt wünschenswert.“ Ramtza blickte Kathryn warnend in die Augen. „Wir besprechen unsere Manöver, wir arbeiten einen Schlachtplan aus und wenn jemand während des Kampfes auf neue Ideen kommt, spricht er sie mit mir ab. Wir treffen uns morgen.“

Kathryn starrte schuldbewusst in ihr Glas. Die anderen erhoben sich und ließen sie und Ramtza allein an dem Tisch zurück. Der Gaterianer legte seine Hand auf ihre.

„Sei mir nicht böse wegen der Predigt, Nell. Dein Manöver war genial und hat uns in der Situation sicher den Hals gerettet, aber in Zukunft müssen wir zusammen arbeiten. Wenn jeder einfach während des Kampfes sein Ding durchzieht, werden wir verwundbar.“

Kathryn blickte in seine fremdartigen Augen.

„Ich bin dir nicht böse. Nur... Ich habe vor langer Zeit einmal etwas Ähnliches gesagt.“

„Immerhin hast du dich daran gewöhnt, Befehle anzunehmen.“

Kathryn lachte leise. Er hatte Recht, zu Beginn war ihr das wirklich schwer gefallen. Sie war zu sehr daran gewöhnt gewesen, in allen wichtigen Fragen immer das letzte Wort zu haben.

„Begleitest du mich zu meinem Schiff?“

Ramtza nickte, die beiden erhoben sich und verließen die Bar. Schweigend liefen sie durch die verwinkelten Gänge der Raumstation, die Kathryn zur Heimat geworden war; sie kannte inzwischen jeden Winkel der alten Konstruktion. Bei ihrem Schiff angekommen betrachtete sie es gedankenverloren. Die graue Farbe war durch ein schnittiges, spiegelndes Schwarz ersetzt worden und auf dem Rumpf prangte in roten Buchstaben der Schriftzug „Ikarus“.

Ramtza war hinter Kathryn getreten und hatte ihr die Hände auf die Schultern gelegt.

„Woran denkst du?“

Kathryn zuckte mit den Schultern.

„An nichts besonderes. Ich freue mich darauf, wieder zu kämpfen.“

„Ich kann dich verstehen. Ich habe noch nie zuvor ein so beeindruckendes Schiff wie die Ikarus gesehen.“

„Sie ist kein Vergleich zu der....“

Erschrocken brach Kathryn ab und hielt die Luft an. Sie war so in Gedanken versunken gewesen, dass sie gar nicht bemerkt hatte, dass sie ihren letzten Gedanken laut ausgesprochen hatte. Ramtza zog neugierig die Brauen zusammen.

„Kein Vergleich zu was?“

„Ach, nichts. Eine lange Geschichte. Mein erstes Schiff. Eine alte Schrottmühle, aber ich hing an ihm. Es hatte Charakter, verstehst du? Leider hat ihm die Strahlung eines Protonensterns den Todesstoß versetzt.“

Kathryn lächelte Ramtza gezwungen an und wandte ihren Blick wieder ihrem kleinen Schiff zu. Es tat ihr in der Seele weh, von der Voyager als ‚alte Schrottmühle‘ zu sprechen, doch das war die einzige Erklärung, die ihr spontan eingefallen war. Der große Alien schien sich mit ihrer Antwort jedoch nicht zufrieden zu geben.

„Warum erzählst du mir nicht ein bißchen von deinen Erlebnissen mit dieser alten Schrottmühle? Du bist nun schon seit mehr als drei Zyklen bei uns, und ich weiß noch immer praktisch nichts von dir.“

Kathryn hatte ihren Kopf gegen seine Schulter gelehnt und lächelte ihm zu, diesmal ehrlich erheitert aufgrund seiner Neugier und seiner ständigen, bohrenden Fragen.

„Der Anführer einer Gruppe Söldner sollte nie zuviel über seine Mitstreiter wissen.“

Ramtza schob sie leicht entrüstet von sich.

„Anführer? Du betrachtest mich als deinen Anführer?“

Sie blickte ihn unschuldig an.

„Du holst die Aufträge für uns ein, du triffst alle wichtigen Entscheidungen. Was bist du denn, wenn du kein Anführer bist?“

„So, ich treffe also alle wichtigen Entscheidungen. Was ist mit dieser Entscheidung: wir gehen jetzt auf der Stelle in dein Schiff und überprüfen... den Status deiner Waffen. Wir haben schließlich einen Kampf zu planen.“

Kathryn zog die Augenbrauen hoch.

„Das ist eine der besten Entscheidungen, die du je getroffen hast, seit ich hier bin.“

Die beiden betraten nacheinander das kleine Schiff und kletterten die Leiter in den Schlaf- und Essbereich hinab. Kathryn zog sich das Band aus ihren Haaren und warf es zusammen mit der Jacke, die sie über ihrem hellen Overall getragen hatte, in eine Ecke. Ramtza hatte sie nicht aus den Augen gelassen.

„Nell?“

„Hmm?“

Er war auf sie zugegangen und hatte seine Hände um ihr Gesicht gelegt.

„Ich hoffe, ich bin mehr für dich als nur dein Anführer.“

Sie strich ihm sanft über die lange Narbe, die seine Schläfe teilte. Seine linke Schläfe...

„Wie kannst du daran noch zweifeln?“

Er runzelte unsicher die Stirn und seine katzenartigen Augen verschwanden beinahe unter ihren Lidern.

„Du bist manchmal so unnahbar. Ich habe oft das Gefühl, ich würde dich gar nicht kennen.“

Kathryn schloss müde die Augen. Wie sollte er sie kennen, wenn sie sich selbst nicht kannte? War sie noch Kathryn Janeway? War sie Nell? Oder war sie keine von beiden? Sie seufzte.

„Es ist nicht immer einfach für mich gewesen, Ramtza.“

Die Worte hatten ihren Mund verlassen, ehe sie reagieren konnte, und sie biss sich auf die Lippen. Was war heute nur los mit ihr? Sie war im Begriff, Terrain zu betreten, welches sie für die letzten anderthalb Jahre gemieden hatte, und sie würde auch in Zukunft dafür sorgen, dass es fein säuberlich in ihrer Seele verrottete. Doch diesmal ließ sich Ramtza nicht so leicht abwimmeln.

„Es ist niemals einfach, Nell. Das Leben stellt einen ständig vor neue Hindernisse, und viele davon sind größer als man selbst. Aber gemeinsam lassen sie sich meist besser überwinden.“

Kathryn wandte sich ungeduldig von ihm ab.

„Ich habe im Moment keine Hindernisse zu überwinden. Ich bin zufrieden mit meinem Leben.“

Der dunkelhäutige Gaterianer packte sie an den Schultern und drehte sie zu sich herum.

„Und was ist mit den Quetschungen an deinen Handgelenken, die du hattest, als du hier ankamst? Du hast mir nie erzählt, woher sie stammten. Deine Launenhaftigkeit, dein immer wieder auftretender Unwille, Zeit mit mir zu verbringen... Verdammt, Nell, ich mache mir Sorgen um dich!“

„Nimm deine Hände von meinen Schultern.“

Aus Kathryns Augen mussten Stahlpfeile geschossen sein, denn Ramtza ließ sie los, als hätte er sich verbrannt. Plötzlich schlich sich jedoch Erkenntnis in seinen verständnislosen Blick.

„Ich glaube, ich fange an, zu verstehen. Wer war der Kerl?“

Kathryn hatte ihr Gesicht in ihren Händen vergraben. Sie bemühte sich, die alten Erinnerungen in den dunklen Abgrund hinunter zu drücken, in dem sie seit mehr als einem Jahr lagen, doch es gelang ihr nicht. Chakotay, wie er sie auf die Matratze drückte. Chakotay, lachend, mit dem Hobel die Nackenstütze für sie bearbeitend. Dunkle, verschlungene Linien auf gebräunter Haut, seine Grübchen, wenn er lachte, seine zusammengekniffenen Augen, als er in ihr kam...

Unvermittelt schluchzte sie auf und Tränen rannen ihr aus den Augen. Ramtza ging auf sie zu und nahm sie nach einigem Zögern behutsam in die Arme. Sie lehnte ihr Gesicht an seine Brust und begann, langsam und stockend zu erzählen.

~~~ *** ~~~

„Wir nähern uns den angegebenen Koordinaten. Angriffsformation Delta drei.“

Kathryn gab einige Kommandos in die Steuerkonsole der Ikarus ein und das Schiff beschleunigte, bis es mit der linken Warpgondel beinahe den rechten Flügel von Ramtzas Schiff streifte. Es war nicht ungefährlich, bei Warp acht so dicht beieinander zu fliegen, doch sie hatten dieses Manöver bereits mehrere Male durchgeführt und jeder wusste, was er zu tun hatte. Rechts von der Ikarus hatte sich inzwischen Ranims Schiff positioniert und die kleine Gruppe bildete nun eine Pfeilspitze, welche mit mörderischer Geschwindigkeit durchs All raste.

„Waffen bereithalten.“

Ramtzas Stimme klang ruhig, doch auch über die Interkom konnte Kathryn die kleine Spur an Aufregung ausmachen, die wohl jeder von ihnen vor einem Kampf verspürte, und ihr wurde wieder einmal bewusst, wieviel Glück sie alle gehabt hatten. Große Verluste musste die Söldnergruppe nie beklagen, doch dieser Kampf konnte, genauso wie jeder andere auch, für einen oder mehrere von ihnen der letzte sein. Kathryn schob diesen Gedanken beiseite, jetzt war nicht der richtige Augenblick, um zu philosophieren. Sie aktivierte die Waffenphalanx und erwartete Ramtzas weitere Kommandos.

„Ziel erfassen bei Koordinaten 12 zu 3 zu 0. Bei drei gehen wir unter Warp und feiern.“

Kathryn gab die Koordinaten in die Zielerfassung ein und der Computer bestätigte die Existenz des fremden Schiffs. Sie hatten auf jeden Fall den Überraschungsmoment auf ihrer Seite, doch ansonsten waren sie klar im Nachteil. Das Kriegsschiff war riesig und seine Verteidigung sowie die Waffen übertrafen die ihren in ihrer Wirksamkeit.

„Eins...“

Kathryn hielt ihre Hand bereit, den Warpantrieb zu deaktivieren, konnte ihren Blick jedoch nicht von den Sensoren nehmen, die ihr ständig neue Daten über das fremde Schiff lieferten. Etwa 140 Lebewesen befanden sich an Bord.

„Zwei...“

Materie-Antimaterie-Antrieb, Polyduranithülle. Genau wie die...

„Drei!“

Automatisch senkte sich Kathryns linker Zeigefinger auf die Steuerkonsole, während der rechte die Waffenphalanx aktivierte und die Ikarus aus allen Rohren feuern ließ. Dann hob sie den Blick von den Anzeigen. Die weiße Hülle des Kriegsschiffes füllte rasend schnell die gesamte Fensterfläche und sie schaffte es gerade noch, unter dessen Bauch hindurch zu fliegen. Kathryn starrte wie paralysiert auf die Umrisse der Captains Yacht, welche im unteren Bereich des Diskus eingelassen war. Dann war sie auch schon auf der anderen Seite der Voyager, und das charakteristische blaue Leuchten der Warp-Gondeln erhellte einen kleinen Teil des Weltraums. Eigentlich sah der Plan vor, dass sie von der anderen Seite angreifen sollte und die Söldnergruppe das Schiff somit in der Zange hatte, doch sie starrte einfach nur auf ihr altes Zuhause, unfähig, irgendetwas zu tun.

Kathryns Gedanken rasten. Eigentlich war die Voyager ja nicht mehr ihre Heimat, sie gehörte jetzt zu Ramtza und den anderen. Und die würden diesen Kampf ohne sie auf jeden Fall verlieren. Das konnte sie nicht zulassen, niemals. Sie konnte nicht den Mann, den sie begonnen hatte, zu lieben, eine ihrer besten Freundinnen und all die anderen, die ihr in so manchem Kampf den Rücken gedeckt hatten, nur aufgrund nostalgischer Gefühle opfern.

Entschlossen steuerte sie die Ikarus auf einen Kurs zurück zur Voyager und begann, mit voller Kraft auf sie feuern.

Das Föderationsschiff erwiderte den Beschuss durch die vielen kleinen Schiffe mit aller Kraft, doch schließlich fielen die Schilde mit einem letzten Flackern aus und das Feuer erstarb.

„Ramtza an alle. Wir transportieren auf das Schiff.“

Kathryn erhob sich von ihrem Pilotensessel, checkte die Handwaffen an ihrem Gürtel, griff nach ihrem Phasergewehr und schloss die Augen. Als sie sie wieder öffnete, fand sie sich im Korridor vor der Krankenstation wieder. Sie schluckte ihre erneut aufwallenden Zweifel hinunter und machte sich auf den Weg zum Turbolift.

Als sie um die nächste Ecke bog, traf sie auf Ramtza.

„Nell, alles klar? Du siehst blass aus.“

„Mir geht es gut. Der Korridor hier ist verlassen. Ich schlage vor, wir begeben uns zum Kommandozentrum.“

„Ich war gerade auf dem Weg dorthin.“

In diesem Moment tauchte am anderen Ende des Ganges eine junge Frau in Sternenflottenuniform auf, die ihren Phaser gezückt hatte und auf Ramtza zielte. Später konnte Kathryn nicht sagen, was in diesem Moment in ihr vorgegangen war. Sie hob reflexartig ihr Gewehr und schoss. Die Frau brach zusammen, ihr Phaser fiel ihr aus der Hand und Ramtza ging hinüber, um ihn aufzuheben. Kathryn stand noch immer stocksteif da. Clelland. Sie hatte Fähnrich Clelland erschossen.

Sie erinnerte sich kaum an sie. Eine stille, zuverlässige Frau, die ihre Aufgaben gewissenhaft erfüllt hatte. Die zu ihrer, Kathryns, Crew gehört hatte. Die ihr vertraut hatte, deren Leben über Jahre in ihren Händen gelegen hatte.

Kathryn wurde übel und sie musste sich an der Korridorwand abstützen. Der große Gaterianer kam mit besorgtem Gesichtsausdruck zu ihr zurück.

„Fühlst du dich nicht wohl? Willst du zurück auf die Ikarus transportieren?“

Kathryn schüttelte den Kopf.

„Wir brauchen jeden hier, um diesen Auftrag zu erfüllen.“

Sie schloss die Augen und versuchte, sich auf ihren Atem zu konzentrieren. Langsam fühlte sie sich besser und folgte schließlich einem immer noch zweifelnd blickenden Ramtza in den Turbolift.

Als sie die Brücke betrat, kehrte die Schwäche sofort wieder in ihre Knie zurück. Der Bildschirm, die Stationen, ihr Kommandosessel... Der Kommandosessel, korrigierte sie sich selbst. Ihrer war er schon lange nicht mehr.

Ihre Gefolgsleute waren auch soeben eingetroffen und berichteten, dass das Schiff „gesichert“ sei. Kathryn wusste, was dies bedeutete. Immerhin musste sie sich keine Sorgen machen, dass jemand aus ihrer ehemaligen Crew in irgendeinem Gefängnis verrottete.

Sie war langsam die Stufen hinunter zum Kommandozentrum der Brücke gegangen, als sie ein Geräusch aus ihrem Bereitschaftsraum wahrnahm, ein leises Stöhnen. Die anderen schienen nichts bemerkt zu haben, sie besprachen noch immer, wie nun fortzufahren war. Kurzerhand ging Kathryn auf die Türen zu, welche sich zischend vor ihr öffneten.

Im ersten Moment schien alles in Ordnung zu sein. Der Raum war noch immer genauso eingerichtet wie an dem Tag, als sie die Voyager verlassen hatte. All ihre Pflanzen, ihre Sammlerstücke... Sogar ihr Teeservice stand auf dem kleinen runden Couchtisch.

Sie hörte das Stöhnen wieder, es kam von ihrem Schreibtisch. Sie umrundete das Möbel, ließ ihr Gewehr fallen und ging in die Knie.

„Tuvok!“

Der Vulkanier lag verkrümmt unter dem Tisch, grünes Blut tropfte aus einer klaffenden Phaserwunde. Vorsichtig strich Kathryn über seine Brust, suchte seinen Puls an seinem Hals. Sie spürte das leichte Pochen, schwach, aber konstant. Der Atem des Vulkaniers kam in rasselnden Stößen, seine Lider flatterten und sie blickte in die wohlbekannten, dunkelbraunen Augen.

„Captain! Endlich! Ich habe Sie gefunden! Ich freue mich so, Sie zu sehen!“

Er hustete. Auf Kathryns Stirn hatte sich eine tiefe Falte gebildet. Das klang nicht nach dem Tuvok, den sie kannte. Doch darüber konnte sie später nachdenken, erst einmal mussten seine Verletzungen behandelt werden. Sie aktivierte Tuvoks Kommunikator.

„Janeway an Krankenstation. Doktor, antworten Sie.“

Sie erhielt keine Antwort von dem Hologramm.

„Computer, medizinisch-holografisches Notfallprogramm initialisieren.“

„Befehl nicht ausführbar. Das medizinisch-holografische Notfallprogramm wurde gelöscht.“

„Hast du vergessen, dass wir unsere Arbeit immer sehr gründlich machen?“

Kathryn fuhr herum und sah Ramtza in der Tür stehen.

„Wie lange stehst du dort schon?“

„Lange genug.“

Ramtza hatte den Raum betreten und sah sich halb interessiert, halb gelangweilt um.

„So, du warst also der Captain dieses Schiffes. Nicht schlecht, nicht schlecht, Nell. Oder doch lieber Janeway?“

Er war auf sie zugegangen und hatte sie an den Schultern gepackt. Seine Augen, welche sie sonst freundlich und mit einem humorvollen Blitzen betrachtet hatten, blickten nun kalt auf sie herunter.

„Verdammt, was sollte das, Nell? War das alles ein abgekartetes Spiel? Wer hat dich hierfür bezahlt?“

Kathryn starrte ihn verständnislos an.

„Wovon sprichst du?“

„Wovon ich spreche? Dies hätte die Zukunft der ganzen Gruppe verändern können, wir hätten endlich den Ruf gehabt, den wir schon seit Jahren verdient haben!“

„Wir haben die Voyager doch besiegt!“

„Aber zu welchem Preis? Nell, verdammt, wir hatten vorher schon kaum genug Leute für die richtig großen Sachen, aber jetzt, mit fünf Mann...“

Kathryn stützte sich auf den Tisch; ihre Gedanken rasten. Sie war während des Kampfes so sehr in ihren eigenen Gedanken verstrickt gewesen, dass sie gar nicht mehr auf die anderen geachtet hatte. Sollten sie etwa alle...? Vorsichtig blickte sie zu Ramtza.

„Wer...?“

Dieser hatte sich auf der Couch niedergelassen und das Gesicht in den Händen vergraben.

„Nur Ranim, Lexo und einer von den Neuen haben überlebt. Und wir beide.“

Kathryns Knie begannen zum wiederholten Male an diesem Tag zu zittern.

„Yore...“

Der blonde Gaterianer schüttelte den Kopf. Sie ging zu ihm hinüber und nahm seine Hände von seinem Gesicht.

„Ramtza, du musst mir glauben, ich habe nichts mit diesen Geschehnissen zu tun! Hätte ich gewusst, dass es sich bei diesem Auftrag um die Voyager handelt, hätte ich euch von vornherein davon abgeraten. Du glaubst doch nicht im Ernst, dass ich euch verraten hätte!“

„Ich weiß nicht mehr, was ich glauben soll.“

Tuvoks Stöhnen zerriss die Stille und Ramtza sprang auf, seine Waffe im Anschlag und kalten Hass in den Augen. Langsam ging er auf Kathryns alten Schreibtisch zu, um eine freie Schusslinie auf den Vulkanier zu kriegen.

„Er wird bezahlen für das, was er uns angetan hat!“

Kathryn war entsetzt aufgesprungen und stellte sich zwischen Ramtza und Tuvok.

„Du wirst ihm nichts tun.“

Ramtza hielt unbeirrt seine Waffe auf sie.

„Es sieht so aus, als hättest du nun ein Loyalitätsproblem, Nell. Eigentlich hatte ich vor, zu vergessen, dass du einmal der Captain dieses Schiffes warst und uns einen strategischen Vorteil hättest verschaffen können, doch nun hast du einen entscheidenden Fehler begangen. Stelle dich niemals zwischen mich und meine Feinde.“

Ramtza zielte und legte den Finger an den Abzug. Kathryn war für einen Moment wie gelähmt. Würde er wirklich auf sie schießen? Doch sie wollte nicht auf die definitive Antwort auf diese Frage warten. Sie schlug Ramtza die Waffe aus der Hand und der Schuss entlud sich in der Decke. Sich nach seinem Gewehr bückend, wich sie nur knapp dem Phaserstrahl aus, der den Gaterianer mitten auf der Brust traf und leblos zusammenbrechen ließ. Vollkommen überrascht blickte sie sich um. Tuvok, seine letzten Kräfte mobilisierend, lehnte mit ihrem Phasergewehr in der Hand auf seinem Ellenbogen. Ein seltsamer Ausdruck lag auf seinem Gesicht und Kathryn glaubte, ihren Augen nicht zu trauen. War Tuvok erleichtert?

~~~ *** ~~~

Einsamkeit. Erst jetzt beginne ich, die volle Bedeutung dieses Wortes zu begreifen. Meinem früheren Wesen war das Konzept des Vermissens einer Person unverständlich. Doch du hast ein Loch in meine Existenz gerissen, das wohl niemand je füllen können wird.

Ich habe dir soviel zu verdanken, Kathryn. Du hast mich auf eine Art und Weise verstanden, wie es kein Mensch vor dir geschafft hat. In deiner Gegenwart fühlte ich mich damals schon lebendiger, weniger als Vulkanier, sondern vielmehr als Person mit, wenn auch verdrängten, Gefühlen. Zu dieser Zeit war mir allerdings noch nicht bewusst, wie essentiell du tatsächlich für mein Leben warst.

Du kannst dir vorstellen, was in mir vorgegangen ist, als du verschwandest. Ich fühlte mich leer; und nur ein Gedanke, nur ein Verlangen ließ mich weitermachen. Ich musste dich finden. Dass dies die Aufgabe meiner Prinzipien bedeutete, nun, dieser Preis ist im Rückblick ein sehr geringer gewesen.

Denn ich habe dadurch soviel gewonnen. Ich habe gelernt, meine Gefühle zu verstehen, sie zu genießen und sie zu benutzen, um meine Ziele zu erreichen. Ohne dich wäre ich immer noch in dem vulkanischen Glauben gefangen, dass es, Emotionen betreffend, nur schwarz und weiß gibt. Vollkommene Kontrolle der Emotionen über den Geist oder vollkommene Kontrolle des Geistes über die Emotionen. Aber es ist nicht so einfach, es ist nie einfach. Das Universum lässt sich nicht in Gut und Böse aufteilen, sondern man findet überall noch einen weiteren Grauton, einen alternativen Weg, den man für sich wählen kann. Ich bin unendlich dankbar, dass ich durch dich meinen Weg gefunden habe.

Wie erleichtert ich war, als du mich in deinem Bereitschaftsraum gefunden hast. Du weißt, dass es mir leid tut, dass ich deinen Freund erschießen musste. Es war in dieser Situation das einzig Richtige, was ich hätte tun können. Er hat dich bedroht, uns bedroht. Er hätte zwischen uns gestanden.

Was darauf folgte war die pure Wonne. Unsere Beziehung vertiefte sich auf eine Weise, die ich nie für möglich gehalten hatte. Ich erlebte Gefühle, Zustände, die mein jungfräuliches Bewusstsein in einen wahren Glückstaumel stürzten. Geborgenheit, Hingabe und Leidenschaft in einer Intensität, dass mir die Worte fehlen, um sie zu beschreiben. Natürlich war es für dich am Anfang schwierig. Du hast um Chakotay und Ramtza getrauert und es tat mir weh, dass ausgerechnet ich dich ständig an deinen letzten schrecklichen Tag auf der Voyager erinnert habe.

Doch mit der Zeit kam das Vergessen, deine Träume waren nicht mehr von Grauen erfüllt, und ich habe erleichtert den Platz in deinem Geist eingenommen, den die beiden vor mir so zerstört verlassen hatten. Du hast mich herzlich empfangen und langsam kam dein wahres Wesen wieder zurück an das Licht der Sterne, du wurdest wieder die Frau, die ich so respektierte und zu jener Zeit schon begonnen hatte zu lieben.

Als wir das Wurmloch entdeckten, das praktisch direkt vor unsere Haustür führte, fürchtete ich schon, dass du dich wieder verlieren würdest. Du warst so zerrissen, einerseits die Freude ob der baldigen Heimkehr, andererseits die Angst, was dich dort erwarten würde. Und natürlich die Tatsache, dass es nur wir beide sein würden, die nach Hause kamen. Du hast dir einst geschworen, dass du sie alle zur Erde bringen würdest. Aber auch du konntest das Unmögliche nicht möglich machen, Kathryn. Du hattest vergessen, dass du noch ein weiteres Versprechen gegeben hast an diesem Tag. Eines, das du gehalten hast. Du hast mich zurück zu einer Familie gebracht, die nicht länger die meine ist. T’Pel hat mich nie verstanden und unsere Kinder sind inzwischen erwachsen.

Ich habe die Zeit, die uns auf der Erde geschenkt worden war, sehr genossen. Die kleinen Dinge des Alltags, unsere gemeinsamen Spaziergänge, die Abendessen in kameradschaftlichem Schweigen und all die Male, die wir uns unter der alten Eiche hinter dem Haus geliebt haben. Doch ich spürte, dass deine Kraft ihrem Ende zuging. Dein Körper wirkte müde, selbst die kleinsten Anstrengungen erschöpften dich und dein Temperament, der Funke in deinen Augen, war verloschen.

Deine Trauerfeier wurde in kleinem Kreise abgehalten. Admiral Paris hat eine sehr bewegende Rede gehalten und deine Mutter und Phoebe haben während der gesamten Zeremonie geweint. Sie haben dich alle so geliebt, Kathryn. Ich habe dich so geliebt.

Doch für mich muss das Leben weitergehen, sagt mein Counselor. Man hat mir einen Posten angeboten, taktischer Offizier auf der Troja, das neue Schiff der Sternenflotte, und es wurde erwartet, dass ich das Angebot annehme. Morgen werden wir das Spacedock verlassen und voraussichtlich erst in einem Jahr wiederkehren. Phoebe wird sich in meiner Abwesenheit um unser Haus kümmern, täglich bei dir vorbeischauen und sich um deine geliebten Kallas kümmern.

Ich weiß, dass du nicht gewollt hättest, dass ich mich in meiner Trauer selbst verlöre. Ich kann deine Stimme beinahe hören, die mich dazu drängt, in das Leben zurückzukehren. Und keine Sorge, ich werde mich selbst nicht aufgeben, auch wenn meine Gedanken ständig bei dir sind.

Bis bald, t'hy'la.

Finis
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