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Echos

von Syrinx

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Ich hätte es in deinen Augen sehen sollen. Damals, in dieser Nacht.

Ich hätte es wissen sollen. Allein der Ausdruck in deinen Augen hätte mich warnen sollen.

Trauer stand in deinen Augen. Und Verzweiflung. Aber beides war schon lange ein Teil von dir gewesen. Und es war schließlich nicht ungewöhnlich zu trauern und zu verzweifeln, nach allem, was du durchgemacht hast. Trotzdem...

Ich hätte es merken müssen an der Art, wie du meinen Blicken ausgewichen bist. Seit dieser Nacht hast du mir nicht mehr in die Augen geschaut, sondern einen Punkt links von meinem Ohr fixiert.

Ich hätte darauf reagieren sollen. Auf dich. Ich hätte dich dazu zwingen müssen, Zeit mit mir auf dem Holodeck zu verbringen. Oder mit der Crew. Mit irgendjemandem. Du hättest nicht soviel Zeit hinter den geschlossenen Türen deines Quartiers verbracht und in die endlosen Weiten des Delta Quadranten gestarrt.

Aber vermutlich wolltest du es genau so. Wir leben alle in unserer eigenen Hölle.

Ich wende mein Gesicht der späten Herbstsonne zu. Eine einsame Ente zieht auf dem sonst spiegelglatten Wasser des holografischen Sees ihre Kreise und taucht gelegentlich ihren Kopf in das dunkle Wasser.

Ich kann die Wärme des Sonnenlichts auf meinem Gesicht spüren, während mir der kalte Atem des nahen Waldes über den Nacken streicht. Es fühlt sich seltsam an.

Du warst immer voller Widersprüche. Nach außen hoffnungsvoll, doch insgeheim verzweifelt. Freundlich zu Fremden, doch so grausam zu dir selbst. Du bist Leuten, die du nicht kanntest und die dir nichts bedeuteten, zu Hilfe geeilt, doch du hast jeden, der dir helfen wollte, abgewiesen.

Du warst weich, weiblich, manchmal sinnlich. Und dann wieder hart, unnachgiebig, gnadenlos.

Und wenn die Umstände es verlangten, hast du dich von der einsamen, ängstlichen Kathryn zu dem mutigen Sternenflottencaptain gewandelt.

Kein Wunder, dass du dich selbst verloren hast. Kein Wunder, dass du zerbrochen bist.

Doch wie ich dich liebte!

Ich wollte dir helfen. Warum hast du das nicht zugelassen?

Konntest du meine stillen Schreie nicht hören an diesem Tag, als ich dich im Bereitschaftsraum gefunden habe, in deinem eigenen Blut?

Hörtest du nicht meine verzweifelte Bitte an alle Geister und Götter, die möglicherweise existieren, dass du überleben mögest?

Konntest du das hilflose Weinen meiner Seele nicht hören, als ich mit ansehen musste, wie du auf der Brücke etwas führtest, das andere „Leben“ genannt hätten?

Doch es war hoffnungslos. Du hattest dich selbst begraben. Vielleicht hättest du in dieser Nacht sterben sollen.

Aber ich habe dich gefunden. Ich habe mir Sorgen um dich gemacht, ich wollte bloß vorbeikommen, um zu sehen, ob du in Ordnung warst. Ich begreife nun, dass das ein Fehler war. Mein schlimmster Fehler. Der Doktor konnte dich wiederbeleben. Er soll verdammt sein.

Ich hätte dir die Rückkehr in diese Welt ersparen können. Ich hätte dir vier schmerzvolle Wochen ersparen können. Es tut mir so leid.

Die Ente hat das Wasser verlassen und pickt nun Blätter von dem feuchten Boden. Die Sonne hängt direkt über dem Horizont und es wird kühl. Die eisige Brise aus dem Wald wird stärker und lässt Schauer über meinen Rücken laufen. Ich zittere.

Ich habe gezittert, als ich dich auf dem Planeten fand. Als ich deinen kostbaren, zerbrechlichen Körper sah, zerschellt an diesen scharfen Felsen, wusste ich nicht, wie mir geschah.

Ich trat gegen die Felsen, bis meine Füße bluteten. Die Felsen, die dich mir genommen hatten, die dich für sich selbst haben wollten.

Mein Blick wanderte wie unter Zwang immer wieder zu dir zurück. Deine Beine lagen in einem unmöglichen Winkel zu deinem Körper. Ich bemühte mich, sie nicht anzusehen.

Einer der Felsen hatte deinen Arm aufgerissen. Ich versuchte, auch ihn nicht anzustarren.

Stattdessen schaute ich in dein Gesicht. Dein zartes, bleiches Gesicht. Solch Schönheit, von der ich nie gedacht hätte, dass sie in einer Welt voll einsamem, bösem Hass existieren könnte.

Dein Gesicht war so friedlich. Deine Lippen waren gerötet und leicht geöffnet und ein dünner Streifen dunklen Blutes zog sich über dein kleines Kinn und deine weiße, anmutige Kehle. Deine Augen waren geschlossen, als schliefest du.

Ich hätte am liebsten geweint.

Ich wollte schreien, brüllen, die Geister verdammen, weil sie dich verlassen hatten.

Mein verzweifelter Blick fiel auf die Felswand, die uns steil überragte und den Himmel zu beenden schien.

Ein schwarzes Loch bildete sich in meinem Herzen. Verdammt, Kathryn. Warum musstest du so mutig sein?

Und doch warst du auch ein Feigling. Du bist den tödlichsten unserer Feinde ohne auch nur eine Spur von Angst entgegengetreten und du warst immer die Erste, die sich für das Schiff geopfert hätte. Aber wir haben nie über ‚uns’ gesprochen.

Ich glaubte immer, dass du mich auch liebtest. Vielleicht waren deine Gefühle nicht so stark wie meine, aber ich dachte, du hättest deine Art Liebe für mich empfunden. Vielleicht habe ich mich geirrt.

Ich erinnere mich noch immer an dein Gesicht, als du uns mitteiltest, dass du allein die seltsamen Gesteinsformationen untersuchen wolltest, die wir von der Voyager aus gescannt hatten. Du warst wie gewöhnlich die Ruhe selbst. Hattest du zu diesem Zeitpunkt schon die Entscheidung getroffen, von der Klippe zu springen?

Denn das ist es, was du getan hast. Tuvok und der Doktor haben das Gelände untersucht, ebenso deinen Fall, deine Verletzungen und die Möglichkeit, an der Kante auszurutschen... Aber du hast dort Beweise hinterlassen, dass es deine Absicht war zu fallen. Verdammt, Kathryn.

Du wirktest nicht ängstlich oder traurig. Oder reuig. Vermutlich warst du nicht ängstlich oder traurig oder du empfandest keine Reue. Oder vielleicht konntest du deine Gefühle nicht teilen. Deine Selbstkontrolle war immer perfekt. Ich wünschte, wir hätten deine Dämonen gemeinsam bekämpfen können.

Vielleicht hätte ich beharrlicher sein müssen. Vielleicht...

Es gibt so vieles, was ich hätte tun können.

Als dein Freund hätte ich es kommen sehen müssen. Aber ich war immer ein größerer Feigling als du, Kathryn. Ich habe Seskas Verrat nicht kommen sehen, und ich habe deinen ebenfalls nicht wahrgenommen. Ja, Kathryn, du hast uns verraten.

Du hast uns hier im Delta Quadranten allein gelassen, uns unserer fähigsten Anführerin beraubt. Du hast auf halber Strecke aufgeben. All die Leute, die sich auf dich verlassen haben, denen du befohlen hast, auf unser Nachhausekommen zu hoffen; du hast sie alle verraten.

Doch nicht nur sie; du hast auch dich selbst aufgegeben.

Du hattest doch wirklich geglaubt, dass du die Voyager zurück zum Dock bringen könntest, du hattest dich dieser Aufgabe mit Leib und Seele verschrieben. Was geschah mit deiner Hingabe? Wann hast du sie verloren?

Doch wie hättest du auch weiter an dich glauben können, wenn selbst ich diesen Glauben aufgeben habe?

Du hast Neelix einmal gefragt, ob du es einem Crewmitglied erlauben solltest, sich umzubringen, wenn er einen Phaser gegen seinen Kopf hielt. Ich tat genau das, und Kathryn: Ich schäme mich dafür. Ich liebte dich, und dennoch...

Ich finde keine Worte, die meine Reue angemessen ausdrücken. Es gibt keine Entschuldigung.

Die holografischen Counselor sagen, ich soll akzeptieren, was passiert ist. Und ich soll mein Leben weiter leben. Ich muss lernen, mit meiner Schuld umzugehen.

Aber das kann ich nicht. Du bist überall in diesem Schiff. Dein Echo verweilt noch immer in jeder Ecke, unter jeder Konsole, in jeder Jefferies Röhre. Ich spüre dich, wenn ich in dem Captainsessel auf der Brücke Platz nehme. Er ist nicht mein, ich gehöre auf den Platz links von ihm.

Aber das ist nichts im Vergleich zu dem Bereitschaftsraum. Ich kann noch immer dein Parfüm riechen; es strömt aus den Möbeln und Schotts. All die Kunstgegenstände, die du gesammelt hast, alles in diesem Raum strahlt deine Persönlichkeit aus, es ist beinahe unerträglich.

Die nüchterne Stimme des Computers informiert mich, dass meine Holodeckzeit vorüber ist. Ich beende das Programm und verlasse das Deck. Es ist Zeit für mein Beruhigungsmittel und ich begebe mich zur Krankenstation.

Weißt du, jeder Tag ist jetzt gleich: Schiffssysteme regeln, mit fremden Völkern verhandeln, Neelix’ Gerichte essen und schließlich in einen von Drogen induzierten Schlaf fallen. Es gibt nichts Besonderes, auf das ich mich freuen könnte. Keine gemeinsamen Abendessen, kein Hoverball auf dem Holodeck, keine flüchtigen Blicke auf der Brücke, kein „Commander, melden Sie sich in meinem Bereitschaftsraum“.

Morgen wird wieder so ein einsamer, leerer Tag werden. Morgen ist ein weiterer Tag ohne dich.

- ENDE -
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