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Pain

von Olli

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T’Pol schreckte keuchend aus dem Schlaf hoch.

Mit weit aufgerissenen Augen starrte sie in die Dunkelheit ihres Quartiers an Bord der USS Enterprise. Sie presste die Handballen gegen ihre Schläfen, während sie sich auf eine Meditation zur Schmerzkontrolle konzentrierte. Langsam ließ das Pochen in ihrem Schädel nach. So unerträglich war es noch nie gewesen! Es hatte vor einigen Tagen angefangen und war von Mal zu Mal schlimmer geworden. Manchmal explodierte der Schmerz während ihres Dienstes in ihrem Kopf, dann war sie froh, dass sie an ihrer Station sitzen konnte. Sie war sich nicht sicher, ob sie diese Schmerzattacken ebenso gut hätte verbergen können, wenn sie gestanden hätte. Manchmal passierte es in ihrer Freizeit und manchmal, so wie jetzt, mitten in der Nacht. Was sie zunächst für Auswirkungen von Stress gehalten und mit Meditation unter Kontrolle zu bringen gehofft hatte, entpuppte sich nun als etwas völlig anderes. Die Symptome waren eindeutig: Kopfschmerzen, zitternde Hände und gesteigerte Libido, verbunden mit zunehmender Eifersucht, wenn sie jemanden mit Hoshi zusammen sah.

Pon Farr!

Sie schlug die Decke zurück und schwang die Beine aus dem Bett. Als sie die Füße auf den kalten Boden setzte, fuhr ein Schauer durch ihren Körper. Für einen Moment starrte die Vulkanierin auf ihre Zehen, dann stemmte sie sich mit beiden Armen mühsam von der Matratze hoch und durchquerte langsam den Raum. Sie trat ins Bad, ging zum Waschbecken, drehte den Hahn für kaltes Wasser auf und hielt den Kopf darunter. Eine volle Minute lang ertrug sie die Kälte, dann drehte sie das Wasser ab und richtete sich langsam auf. T’Pol stützte sich mit beiden Händen auf den Rand des Waschbeckens und sah ihrem Spiegelbild in die Augen. Sie verzichtete darauf sich abzutrocknen, ließ das Wasser aus ihren Haaren über ihr Gesicht laufen, in ihren Nacken und unternahm nichts dagegen, dass ihr Pyjamaoberteil durchnässt wurde.

Der Kopfschmerz war verschwunden – fürs Erste.

Was sollte sie nur tun?

Es war ein Tabu ihres Volkes, mit Außenstehenden über das Pon Farr zu sprechen! So etwas tat man nicht! Niemals!

Was also sollte sie tun?

Sich in ihrem Quartier einschließen und einen schmerzhaften, qualvollen Tod erleiden? Das würde nämlich passieren, wenn das chemische Ungleichgewicht, das während des Pon Farr in ihrem Körper entstand, nicht wieder ins Lot gebracht wurde.

Aber sterben war keine Option!

Erstens wollte sie nicht sterben und zweitens würde es nicht dazu kommen, weil man vorher in ihr Quartier eindringen und sie finden würde! Alle würden sie in diesem schandhaften Zustand sehen! Der Captain wäre da, der Doktor, vielleicht Commander Tucker und Lieutenant Reed, ein paar Techniker, Sicherheitsleute oder Sanitäter. Sie alle würden sie sehen, ohne Selbstkontrolle, mit offen zur Schau gestellten Emotionen und in einem Zustand zwischen Qual und Lust! Man würde sie mit Gewalt bändigen und auf eine Bahre schnallen, um sie quer durch das Schiff zur Krankenstation zu bringen und unterwegs würde sie nur von noch mehr Crewmitgliedern in diesem Zustand gesehen werden! Dr. Phlox würde alles tun, um sie zu retten. Er würde Anfragen an die Vulkanier senden, vielleicht auch an die medizinische Abteilung der Sternenflotte oder den Denubolanischen Medizinischen Rat. Sollte sie überleben, dann müsste sie in der unerträglichen Gewissheit weiterleben, dass sie sich vor dutzenden oder gar hunderten von Fremden selbst erniedrigt hatte, weil sie nicht fähig gewesen war, den Geist über ihren Körper triumphieren zu lassen!

Und wenn sie Captain Archer überzeugen könnte, sie nach Vulkan zu bringen? Die Enterprise würde nicht schnell genug dort sein, dazu war es zu spät! Sollte sie den Captain bitten, ein vulkanisches Schiff herbei zu rufen, das schneller war als die Enterprise? Selbst wenn sie auch mit diesem Schiff nicht schnell genug nach Vulkan kam, würde sie vielleicht an Bord einen Vulkanier finden, der ihr durch das Pon Farr hindurch half, durch geistige Stabilisierung, unterstützt von starken Beruhigungsmitteln – das wäre wenigstens eine geringe Chance zu überleben. Aber auf jeden Fall würde Captain Archer eine Erklärung verlangen. Und die konnte sie ihm unmöglich geben!

Sollte sie aber entgegen aller Wahrscheinlichkeit doch rechtzeitig nach Vulkan gelangen, würde es darauf hinauslaufen, dass sie wieder mit ihrem ehemaligen Verlobten Koss zusammenkäme, seine Familie würde es durchsetzten! Und diese Vorstellung war ihr… unerträglich! Ebenso unangenehm war ihr die Vorstellung, nicht mehr mit Hoshi zusammen sein zu können. Sie konnte ihre Geliebte nicht einfach vor den Kopf stoßen, indem sie ohne Erklärung das Schiff verließ und außerdem würde sie Hoshi betrügen, wenn sie mit jemand anderem ihr Pon Farr durchlebte.

Wenn sie also an Bord der Enterprise blieb, um ihr Pon Farr hier zu… erdulden, dann würde sie Hoshi einweihen müssen! Denn mit wem sonst würde sie ‚es’ tun können? Und darauf würde es hinauslaufen. Hoshi besaß nicht die telepathisch-geistigen Fähigkeiten der Vulkanier, um T’Pol ohne körperliche Vereinigung da hindurch zu helfen. Damit war es aber noch nicht getan, denn sie würde etwa drei Tage in diesem Zustand verbringen und das hieße, sie würde weitere Personen einweihen müssen. Sie konnte sich nicht einfach ohne jede Erklärung für drei Tage mit Hoshi in ihrem Quartier einschließen! Vielleicht den Doktor? Er war an die medizinische Schweigepflicht gebunden und wenn er dem Captain gegenüber ihre Beurlaubung aus medizinischen Gründen durchsetzte, dann würde niemand etwas erfahren. Allerdings musste dann auch Hoshi beurlaubt werden und das würde wiederum Fragen aufwerfen.

Die wichtigste Frage war natürlich, ob Hoshi überhaupt bereit war, während des Pon Farr ihre Partnerin zu sein? Und ob die junge Frau bereit war, alle Konsequenzen, die daraus entstanden, zu akzeptieren? Nicht nur den körperlichen Akt, sondern auch den geistigen.

Der Verlust der Selbstkontrolle würde dazu führen, dass T’Pol anders, gewalttätiger, agieren würde als Hoshi das gewohnt war! Hoshi verfügte nicht über die Körperkräfte eines Vulkaniers, sie wäre ihr hilflos ausgeliefert! Sie könnte Hoshi zu Dingen zwingen, die die junge Frau nicht zu tun bereit war, sie könnte Hoshi… zu hart anfassen – im wahrsten Sinne des Wortes! Und wenn Hoshi versuchte sich zur Wehr zu setzten, dann könnte T’Pol in Wut geraten… Der Verlust der Selbstkontrolle würde den Weg freimachen auch für diese Emotion und was sie Hoshi in diesem Zustand antun könnte… die Vulkanierin schloss die Augen, darüber wollte sie gar nicht nachdenken.

Und was würde Hoshi zu der Bindung sagen die sie beide dabei eingehen würden? Sofern die Verbindung zu einem Menschen überhaupt funktionieren würde! So etwas war ihrem Wissen nach noch nie gemacht worden. Aber auf alle Fälle würde es darauf hinauslaufen, dass sich T’Pol für den Rest ihres Lebens an Hoshi binden würde und die Vulkanierin war der Vorstellung nicht einmal abgeneigt. Aber wäre Hoshi ebenfalls dazu bereit, ihr Leben mit T’Pol zu verbringen? Bei aller demonstrierten Zuneigung und allen wortlosen Liebeserklärungen hatten sie nie über diese Möglichkeit gesprochen! Ebenso wenig wie über die Zeit nach der Enterprise; ob sie auf ein anderes Schiff wechseln würden oder ob sie als zivile Experten arbeiten würden. Sie hatten nicht einmal darüber gesprochen, ob sie überhaupt irgendwo zusammen leben wollten.

Sie zwang sich dazu, wieder ihr Spiegelbild anzusehen. Die nassen Haare klebten an ihrem Schädel, die Augen waren blutunterlaufen und die Wangen ein kleinwenig eingefallen. Es waren deutliche Anzeichen von Schlafmangel, Stress und ja… auch von Furcht! Furcht vor dem Tod, vor dem emotionalen Chaos, davor Hoshi zu verlieren. T’Pol hatte in den letzten Tagen immer wieder dagegen angekämpft, sie hatte alle Meditations- und Beruhigungstechniken angewandt, die sie kannte und diese Empfindungen wieder und wieder in eine dunkle Ecke ihres Bewusstseins verdrängt. Aber mit jeder Schmerzattacke, die das Näherrücken des Pon Farr ankündigte, kostete sie es mehr und mehr Mühe, ihren Zustand vor der Crew zu verheimlichen.

Langsam wandte sich die Vulkanierin von ihrem Spiegelbild ab und ging zurück in den anderen Raum. Sie ließ sich im Dunkeln auf der Matratze nieder und fuhr sich mit der Hand durch ihr nasses Haar. Wieder perlte kaltes Wasser ihren Nacken hinab.

Aber wenn sie Hoshi umfassend über das Pon Farr informierte, dann würde sie einen Tabubruch begehen, der für jeden Vulkanier undenkbar ist! Im nächsten Augenblick wurde T’Pol bewusst, dass sie schon so viele andere Tabus und Regeln ihres Volkes gebrochen hatte, dass das Pon Farr doch auch nur noch ein Punkt auf einer langen Liste wäre! Sie hatte seit acht Monaten eine heimliche Affäre mit einem Menschen! Sehr viel länger als die paar Wochen, in denen sie hatten ausprobieren wollen, ob es funktioniert. Auch wenn sie hier an Bord der Enterprise nur in aller Heimlichkeit zusammen sein konnten, hatte es tatsächlich funktioniert. Nur auf Risa hatten sie ihre Beziehung in relativer Offenheit ausleben können.

Sie hatte sich Hoshi in so vielen Dingen anvertraut, wie konnte sie ihr diesen Aspekt der vulkanischen Kultur weiterhin verschweigen?

Wenn T’Pol Hoshi bat ihr zu helfen diese Krise zu überstehen, dann würde es darauf hinaus laufen, dass sie die junge Frau bitten würde ihre Gefährtin zu werden! Selbst wenn Hoshi nicht bereit oder fähig wäre, eine so umfassende, lebenslange und untrennbare Verpflichtung einzugehen, wie sie eine Bindung während des Pon Farr bedeutete, würde Hoshi ihr doch zumindest helfen die Auswirkungen des Pon Farr durchzustehen – und wie sich ihre Beziehung danach weiterentwickelte würden sie dann sehen müssen.

T’Pol steckte die Beine unter die Decke und legte sich auf den Rücken, sie faltete die Hände über dem Laken auf dem Bauch und starrte im Dunkeln an die Decke ihres Quartiers. Sie musste versuchen, noch einige Stunden zu schlafen.

Ihr letzter bewusster Gedanke war, dass sie mit Hoshi darüber sprechen würde. Gleich morgen. Sie würde Hoshi alles berichten und dann die junge Frau entscheiden lassen, ob sie zu einem solchen Schritt bereit wäre. Es wäre ein finaler Schritt und T’Pol hoffte, dass Hoshi bereit wäre, ihn zu tun.

Und wenn nicht, dann müsste sie eine andere Lösung finden… aber welche?

Ende
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