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Morgengrauen

von Meiko

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1.

Der schlanke Shuttle erzitterte kaum spürbar und entfernte sich langsam aus dem Hangardeck seines großen Mutterschiffes. Mit wenigen Handgriffen überzeugte sich Captain Scott davon, dass der Shuttle seine Position hielt und nicht zu nahe an die Dyson-Sphäre geriet.
Die Dyson-Sphäre! Scotty brummte missmutig, als die Erinnerung ihn streifte. Schon einmal hatten sie nicht aufgepasst, hatten sich zu sehr auf ihr Können und die Sicherheit ihres kleinen Schiffes verlassen – und sie hatten dafür bezahlt. Weiß Gott, sie hatten dafür bezahlt!
Die Welt war aus den Fugen geraten und er hatte ihren Himmel berührt.
Fünfundsiebzig Jahre! Seine Gedanken wanderten wieder in die Vergangenheit. Was hätte wohl Dr. McCoy mit seiner irrationalen Furcht vor Transportern zu seiner Lösung gesagt? Vermutlich hätte er ihn für ein paar Tage auf der Krankenstation eingeschlossen und seine geistige Gesundheit überprüft.
Ein schmerzhafter Stich durchzuckte ihn. Er hatte nie die Gelegenheit gehabt, sich von seinen Freunden zu verabschieden. Wann immer er die nächste Föderationsbasis erreichen mochte, es gab so viele Dinge, die er unerledigt zurückgelassen hatte.
Scotty schüttelte den Kopf und trat an das Sichtfenster der Gould heran. Ganz langsam drehte sich die Enterprise – Picards Enterprise – und signalisierte mit ihren Positionslichtern einen letzten Gruß. Scotty hob die Hand. Er wusste, dass sie ihn nicht sehen konnten, doch seine Finger schlossen sich um ein unsichtbares Whiskyglas und formten zum Abschied einen stillen Toast.
„Aye, Captain Picard“, sagte er lächelnd. „Auf unsere Zukunft.“

2.

Nacht. Schwer atmend erwachte Scotty und stützte sich mühsam auf die Ellbogen. Allmählich kehrte die neue Wirklichkeit zu ihm zurück. Nichts war mehr so, wie es für ihn hatte sein sollen, doch die Welt um ihn herum würde ihr Gleichgewicht wieder finden. So wie es jedes Mal geschah.
Stille. Er sah sich um und warf einen Blick auf das Chronometer. „Das verdammte Ding!“, knurrte er und ließ sich auf sein Kissen sinken. Er war noch immer an Bord dieses Shuttles. Natürlich, der Gedanke war einfach zu verlockend gewesen: Zu schlafen, zu träumen, und nach dem Erwachen...
Doch halt. Etwas war bei ihm, neu und doch unendlich vertraut. Wenn er behutsam den Kopf drehte, konnte er es spüren.
„Captain?“ Seine raue Stimme brach und er barg das Gesicht in den Händen. Wie hatte er nur vergessen können? Kirks Tod auf der Enterprise B, sein Kampf gegen die tosende Macht eines kosmischen Energiebandes... Und doch: Nach dem Verlassen des Transporterpuffers auf der Dyson-Sphäre hatte in seiner Erinnerung ein großes Loch geklafft und er hatte wie ein Kadett nach seinem Captain gefragt. Was war nur in ihn gefahren?
‚Lass die Vergangenheit ruhen, Scotty’, hörte er eine weit entfernte Stimme. Unsicher sah er sich um und trat schließlich an das Sichtfenster des Shuttles. Eingehend betrachtete er sein Spiegelbild, das der matte Schein der Innenbeleuchtung auf das Glas warf.
„Captain?“, fragte er noch einmal.
‚Geh voran, Scotty’, erklang die Stimme erneut. ‚Du kennst ja das Ziel: Der zweite Stern von rechts. Bis zum Morgengrauen!’
Stille. Captain Scott ließ den Kopf auf das Kissen sinken und schloss die Augen.
„Aye“, sagte er leise. Er hatte seinen Stern gefunden.

3.

Geordi LaForge kehrte müde in sein Quartier zurück und ließ sich erschöpft in den Sessel fallen. Was für ein Tag! Um ein Haar hätte er es sich auf Lebenszeit mit einer der Legenden der Föderation verscherzt, ganz zu schweigen davon, dass sie beinahe die Enterprise verloren hätten. Beinahe. Doch mit Captain Scotts Hilfe... Ein breites Grinsen wanderte über Geordis Gesicht. Genug davon. In wenigen Augenblicken würde er sich aus seiner verschwitzten Uniform schälen, in die Ultraschalldusche steigen und...
Der Türsummer machte sich bemerkbar.
„Ja, bitte“, rief er gereizt und verharrte in seiner Bewegung.
„Darf ich eintreten?“ Guinan blieb in der Tür stehen und sah sich neugierig im Zimmer des Chefingenieurs um.
„Natürlich“, antwortete er. Irgendetwas in ihrem Blick irritierte ihn, doch er war sich nicht ganz sicher, ob er die Signale seines Visors richtig interpretierte.
„Was gibt es denn?“, fragte er endlich und lud die Barkeeperin mit einer Handbewegung ein, sich zu ihm zu setzen.
Guinan sah ihn einige Augenblicke versonnen an, dann griff sie in die Falten ihres weiten Umhangs und förderte ein unförmig verpacktes Etwas zutage. „Ich bin hier, um Ihnen Grüße auszurichten.“
„Grüße, Guinan? Um diese Uhrzeit?“ Er sah sie verdutzt an und massierte seine schmerzenden Schläfen.
„Von Captain Scott“, fügte sie hinzu und musterte ihn interessiert. „Wissen Sie, Geordi, für nicht alle von uns vergeht die Zeit auf die gleiche Weise. Für den einen mag sie sich endlos dahinschleppen, während für den anderen Jahrzehnte mit einem Flügelschlag vorüberziehen.“
Für eine Sekunde kam sich Geordi sehr klein vor. Wortlos begann er, das Paket auf dem Glastisch auszupacken. Eine Flasche kam zum Vorschein – flach und bis zum Rand mit einer bernsteinfarbenen Flüssigkeit gefüllt. Eine krakelige Handschrift zog sich über das Etikett:
‚Kampfstationen!’ Natürlich, ein mentaler Rippenstoß.
„Aber... Guinan?“ Geordi sah sich um, doch die Bartenderin hatte sein Quartier bereits wieder verlassen.
Nachdenklich erhob er sich und trat ans Fenster. Sie hatten auf Warp beschleunigt, so dass die vorbeihuschenden Sterne und Sonnensysteme nur flirrende Muster in seinem Visor erzeugten.
Captain Scott war dort draußen, doch ein Teil von ihm würde immer hier bleiben, auf diesem Schiff – auf der Enterprise.
„Danke, Scotty“. Geordi hob die Flasche und prostete den Sternen zu. Er wusste nicht, wann sie sich wieder begegnen würden, doch es spielte auch keine Rolle. Jetzt nicht mehr.
„Gute Reise!“

Ende
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