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Past

von Marcus Salem

Better Days

2390

Es ist Zeit.

Das signalisiert mir der Kommunikator. Er piept wie verrückt ein durchdringendes, sanftes Piepen. Es erinnert mich an das Maunzen einer hungrigen Katze - sanft und unaufdringlich aber verlangend und ausdauernd. Ich denke kurz an das weiche, graugesprenkelte Fell von Sarahs Katze Benjamin bevor ich mit Nachdruck auf den Kommunikator drücke. Als hätte ich es selbst ausgelöst, rieselt etwas Staub von der Decke und mir direkt ins Gesicht. Nur ein paar Nanosekunden später höre ich das grollende, dunkle Donnern des Orbitalbombardements, das über uns einschlägt. Die Salven dauern nur ungefähr 10 Sekunden aber jeder von uns weiß, dass die Quantentorpedos der gekaperten Föderationsschiffe im Orbit gerade Krater um Krater auf die Oberfläche stanzen. Jeder von uns weiß, dass wir auch in diesem Bunker nur noch Tage haben, ehe die Antimateriesprengköpfe der Torpedos die vierfach duraniumummantelte Myton-Hülle dieses Bunkers durchdringen werden. Wir sind gerade mal vier Dutzend Offiziere, Unteroffiziere, Köche, Kellner, Zivilisten. Die meisten können nicht mal ordentlich ein Gewehr halten und es beruhigt mich auch nicht, dass einer der Köche mir eine Notration mit etwas Salz aufgebessert hat. Seit dem Beginn der Orbitalangriffe vor zwei Tagen sind unsere Energieversorgungen ausgefallen und damit auch die Replikatoren. Zwei Teams sind unten bei den Warpkernen unterm Bunker und reparieren sie. Naja, sie versuchen es zumindest.
Ich wische mir den Staub aus dem Gesicht und blinzle verbissen, um jedes Sandkorn aus den Augen zu wischen. Die salzige Notration füllt meinen Magen ohne meine Zunge auch nur mit einem Anflug von weitergehendem Geschmack zu belästigen. So sieht eigentlich seit 48 Stunden unser Alltag aus - essen und schlafen. Manchmal krieche ich durch einen unserer Fluchttunnel um mich auf der Oberfläche mal umzusehen aber es gibt da nichts mehr zu sehen. Nur noch grau-braunes Ödland, Staubstürme und ein paar einstürzende Gebäude. Die Golden Gate Bridge ist nur noch zu erahnen. Mein Name ist Travis Chase. Und ich bin einer der letzten Bewohner der Erde.

-

2387

Der Tag für Sarah Chase begann hervorragend. Sie hatte ihrem Mann die Dusche wortwörlich vor der Nase weggeschnappt. Wie so oft hatte er sie mit einem sanften Kuss auf die Wange geweckt und eigentlich war es meistens so, dass er direkt in die Dusche ging um sich die Nacht mit einer gehörigen Ladung Schall aus den Poren zu spülen. Aber heute war Sarah vorbereitet gewesen. Sie hatte wachgelegen und nur auf den Hauch der Lippen von Travis gewartet. Sie hatte ihm die Bettdecke übergezogen und war mit einem kieksenden Lachen im kleinen Bad verschwunden. Hier konnte sie mal die Erste in der kleinen Kabine sein, die für alle Offiziere eines Schiffes die Dusche darstellte. Natürlich gesellte sich Travis dazu aber wie es mit Männern so war - sie brauchten fünf Minuten unter der Dusche und dann dann gingen sie auch schon wieder. Die Rasur fand ja schließlich vor dem Spiegel statt. Aber auch das war noch mehr als in Blick- und Hörweite. Den Führungsoffizieren auf einem Sternenflottenschiff wurde einiges an Luxus geboten aber ein übergroßes Bad hatte nicht einmal der Captain.
Der weitere Morgen verlief wie so oft - Sarah wusch ihr goldblondes, langes Haar während Travis sein markantes Kinn im Spiegel bewunderte. Sarah mochte sein Kinn sehr, sie fand es unheimlich männlich und es war wohl nur eines der vielen Dinge, die sie an Travis mehr als toll, männlich und markant fand.

"Wie geht es eigentlich Jade?", fragte Sarah, während ihr die nasen Haare auf die Schultern hingen und sie erstmal gütlich daran tat, sie etwas zu ordnen. Travis brummte kurz - er war ein Morgenmuffel - und strich sich über das Kinn um zu testen, ob seine Rasur mustergültig genug war:

"Es geht ihr gut. Sie hat den Unfall gut verkraftet und kann mittlerweile wieder laufen. Ich hab zwar erst letzte Woche auf der Krankenstation nachgesehen aber Jade sah mopsfidel aus. Sie hat mir sogar einen Scherz über diese Kröten von Risa gemacht."

"Schau heute noch mal nach ihr und richt ihr gute Besserung von mir aus.", erwiderte Sarah mit nachdenklichem Blick.

"Sie arbeitet in deiner Abteilung. Wieso soll ich als Sicherheitschef immer deine Abteilungsmitglieder grüßen? Hast du nach John gesehen, als er sich auf Pentar Vier fast das Schienbein zerschmettert hat?", konterte Travis.

"John hält sowas aus. Aber Jade ist eine dieser Krabben aus einer Jefferies-Röhre entgegengesprungen und sie ist zwei Meter nach unten gefallen.", gab Sarah zurück. Um den Schrecken anschaulich zu illustrieren, biss sie Travis sanft in den Nacken.

"Schon gut, ich habs verstanden. Ich werd heute mal bei ihr vorbeisehen. Apropos sehen ... hast du meinen zweiten Pin gesehen?", fragte Travis und wischte über das graue Kunststoff-Waschbecken um zu zeigen, dass er da offenbar nicht lag.

"Ich glaube, er liegt noch auf deinem Schreibtisch.", erklärte die Blondine wieder und strich über Travis' kurzes, nachtschwarzes Haar ehe sie zur Dusche schritt um sich das Shampoo aus den Haaren zu spülen.

Sofort eilte ihr Ehemann in den Wohnraum der beiden. Tatsächlich, da lag der Pin. Neben seiner Uniform, die Sarah gestern abend im Überschwang der Gefühle auf den Schreibtisch geworfen hatte. Er sah kurz nachdenklich ins Bad. Sie war schon umwerfend und er konnte sich glücklich schätzen, dass sie beide gerade nicht an der Front waren sondern einer Geheimoperation nachgingen, von der nur der Captain und die Führungsoffiziere wussten. Travis ließ seine Finger über den weichen, schwarzen Stoff der Uniform fahren und dachte an die vergangenen Monate. Turbulente Monate waren es gewesen. Die Nachrichten von der Zerstörung von Romulus hatten sich überschlagen. Kurz danach tauchten die Romulaner mit gewaltigen Schiffen auf und griffen Föderation wie auch Klingonen wahllos an. Die Klingonen hatten versucht, in den Raum der Romulaner einzudringen, der Nachrichtendienst hatte das bestätigt. Aber was hatte die Föderation damit zu tun? Ein Untersuchungsausschuss unter Travis' jetzigem Captain hatte vor Monaten die Ereignisse rekonstruiert: Die Evakuierungsschiffe der Föderation die Romulus hätten evakuieren sollen, trafen zu spät ein und wurden als Besatzer interpretiert. Seitdem schlug der Romulanische Adler in seinem Todeskampf um sich wie ein wildes, in die Ecke gedrängtes Tier. Die Sternenflotte hatte den neuen romulanischen Schiffen kaum etwas entgegenzusetzen und nur mit Mühen konnte man sich ihrer erwehren. Die Klingonen hatten das als Schwäche interpretiert und die Föderation ebenfalls angegriffen. Cardassianer und Tholianer sahen ihre Stunde gekommen, um sich auf die Föderation zu stürzen und taten es ihnen gleich. Die Werften spuckten fast täglich neue Schiffe aus und die Frontlinien verschoben sich täglich. Die Nachrichten überschlugen sich mit Berichten zu Kriegshelden und diplomatischen Schachzügen von Botschafter Picard, Captain Data und den Admirals Davion und Janeway.

Aber das alles war jetzt weit weg. Travis und seine Frau Sarah waren weit weg von jeder Front auf einer geheimen Mission. Wo sie waren, war jetzt nur noch weniger als Nichts. Einzig der Captain kannte Gründe dafür, warum man das sagenumwobene Artefakt von Singob Drei finden musste. Und wie jedem ordentlichen Sicherheitschef stank Travis die eigene Unwissenheit gewaltig. Unabsichtlich knetete er den Stoff während er in Gedanken versank und nur die warme Haut von Sarah, die sich an ihn schmiegte, weckte ihn wieder. Fast schon erschrocken sah er auf das Chronometer:

"Schatz! Müssten wir nicht schon längst in der Kantine sein?", fragte er etwas überrascht und sah seine Frau über die Schulter an.

"Mach schon los. Ich komm gleich nach.", verabschiedete sie ihn mit einem Kuss auf die Wange. So wie er sie sonst weckte. Travis warf sich in seine Uniform und stand auf dem Gang, ehe er es sich versehen konnte. Pünktlich war er noch nie gewesen aber dieses Frühstück sollte etwas besonderes werden. Es wurde also Zeit, sich auf dem Weg noch den Kragen zurechtzurücken und den Pin anzubringen ... es wurde Zeit.
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