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Erinnerungen

von CAMIR

II

 

II

 

Beunruhigt betrat William Riker den Turbolift. „Brücke!“ gab er den Befehl.

Auf dem Weg zu seinem Dienstantritt hatte man ihn von einer dringenden Nachricht vom Sternenflottenkommando unterrichtet. Eine dunkle Vorahnung beschlich ihn.

Das allein war schon ungewöhnlich, waren solche Nachrichten normalerweise alleine für Captain Picard bestimmt.

Hinzu kam, dass man ihm bei seiner Ankunft auf der Brücke mitgeteilt hatte, die Nachricht wäre auf den Handcomputer in Picards Bereitschaftsraum umgeleitet worden, da es sich um etwas Vertrauliches handele.

Etwas war hier im Gange, was ganz und gar nicht in Ordnung war.

Er warf Deanna Troi, die ebenfalls schon auf der Brücke anwesend war, einen bekümmerten Blick zu, bevor er sich in den Bereitschaftsraum des Captains begab.

Dort angekommen zog er sich den auf dem Tisch stehenden Handcomputer heran und betätigte die Taste zum Empfang der Nachricht. Auf dem Schirm erschien das Bild von Admiral Hayes, einem ernsthaften, vom Leben gezeichneten Mann mit undurchsichtigen Augen.

Er begann sofort zu sprechen: „Commander Riker?“

Riker nickte kurz: „Was kann ich für Sie tun, Sir?“

Es schien, als würde sich der Admiral nervös umsehen und als er sprach, flüsterte er fast.

„Ich habe diesen Zeitpunkt gewählt, weil ich weiß, dass Captain Picard seinen Dienst erst in einer Stunde antreten wird und ich befehle Ihnen, ihm nicht das Geringste über den Inhalt unseres Gespräches zu erzählen, ist das klar?“

„Aye, Sir!“

Unmerklich versteifte Riker sich. Er hatte schon lange befürchtet, dass ein solches Gespräch mit der Admiralität früher oder später unausweichlich sein würde und ihm war klar, worauf der Admiral hinaus wollte.

„Uns ist zu Ohren gekommen, dass Captain Picard nicht mehr zurechnungsfähig ist“, ließ Hayes verlauten.

„Nein, Sir, das kann man so nicht sagen. Er verrichtet nach wie vor vorbildlich seinen Dienst. Sein Privatleben geht uns nichts an, “ hielt der Commander sofort dagegen.

„Natürlich, natürlich, aber Sie können bestätigen, dass er sich immer mehr zurückzieht und niemanden mehr an sich heranlässt!“

„Auch das kann man so nicht sagen, Sir. Er kümmert sich rührend um seine kleine Tochter.“

„Seine Tochter? Ach ja richtig, man erzählte mir davon. Aber seinen Offizieren gegenüber schottet er sich ab, ist das so richtig?“

„Ja, das ist richtig!“

„Nun, Sie können sich schon den Zweck meiner Nachricht denken. Ich und ein paar andere Admiräle werden in Kürze an Bord kommen und uns ein genaues Bild der Psyche des Captains machen, immerhin befehligt er das Flaggschiff der Sternenflotte. Wir haben sein Verhalten nun über längere Zeit beobachtet und es scheint auf lange Sicht keine Besserung mehr einzutreten. Daher werden wir ihn genauestens überprüfen und sollte er bei dem Test versagen, ihn seiner Pflichten entbinden müssen. Eine Warnung Ihrerseits führt automatisch dazu, dass wir den Test als Nicht bestanden werten müssen. Hayes, Ende!“

Der Bildschirm des Handcomputers wurde schwarz.

Wütend schlug Riker mit der Handfläche auf den Tisch.

„Verdammt!“

Es stand außer Frage, dass Picard nach den Maßstäben, die angesetzt werden würden, diesen Test auf keinen Fall bestehen konnte.

Einen Moment lang war Riker deswegen versucht, ihm trotz seiner Befehle von dem Vorhaben des Admirals zu erzählen. Doch damit konnte er im Zweifelsfall mehr zerstören als gut machen.

Irgendwie musste man dem Captain helfen.

Nachdenklich kehrte er auf die Brücke zurück, und nahm auf dem Sessel des Captains Platz. Gedankenverloren tippte er auf einer Konsole neben sich herum, bis sich eine neugierige Stimme an ihn wandte.

Es war Lieutenant Commander Data.

„Sir, wieso war die Nachricht nicht für den Captain bestimmt?“

„Ich darf darüber nicht sprechen, Data.“

Riker stutzte einen Moment. Der Admiral hatte ihm nur befohlen, dem Captain nichts zu sagen, von den Führungsoffizieren war nicht die Rede gewesen. Vielleicht konnte man gemeinsam eine Lösung finden.

„Wenn ich es mir recht überlege, kann ich es doch sagen. Man will den Captain einem psychologischen Test unterziehen, weil er immer noch nicht über Beverlys Tod hinweggekommen ist. Aber wenn Sie mich fragen, ist das nichts Ungewöhnliches. Der Captain ist doch ein fühlender Mensch, wie jeder von uns. Auch wir vermissen sie sehr. Wenn man bedenkt, wie sehr er sie geliebt hat und immer noch liebt und wie lange er Angst hatte, seine Gefühle zu zeigen, ist das doch nur verständlich. Tatsache ist, dass wir keinen Anlass haben, uns über seine Arbeit zu beklagen. Trotzdem sage ich es ganz offen: Er wird diesen Test nicht bestehen, dazu sind die Anforderungen einfach zu streng. Die Prüfer kennen ihn nicht, wie wir ihn kennen. Wenn er durchfällt, wird ihm das Kommando entzogen und das möchte ich auf jeden Fall verhindern.“

Data nickte kurz.

„Ich glaube ich verstehe, Sir, aber was können wir tun? Der Captain ist jedes Mal ausgewichen, wenn wir versucht haben, ihm zu helfen und er hat sich immer mehr zurückgezogen, insofern hat der Admiral schon recht. Natürlich fehlt ihm das Wissen, das wir haben und die vertraute Zusammenarbeit über viele Jahre.“

Riker runzelte die Stirn.

„Genau darüber denke ich auch die ganze Zeit nach. Es wäre einfach gut, wenn Captain Picard sich seinen gesamten Kummer von der Seele redete, aber er hat es die ganze Zeit nicht getan, warum sollte er nun damit anfangen? Ich darf ihm leider nichts von dem Test erzählen, das ist das Problem.“

 

Jean-Luc Picard war gerade dabei die Bordschule zu verlassen, in die er Madeleine täglich zu Schichtbeginn brachte, als ihn ihre helle Stimme zurückhielt.

„Vati, warte!“

Picard drehte sich schnell um.

„Was ist, mein Schatz?“

„Ich muss dir noch etwas erzählen!“

Liebevoll lächelte er. „Du weißt doch, dass ich arbeiten gehen muss.“

„Ist es schon so spät?“

„Ja, leider."

„Dann erzähle ich es dir nachher. Bis später Papi!“

„Bis später, mach‘s gut, mein Schatz!“

Zischend schloss sich die Tür zu der Schule, als er seine Tochter zurückließ. Er seufzte leise. Es tat ihm weh, Madeleine immer alleine oder in der Aufsicht von anderen  lassen zu müssen, aber es ging leider nicht anders. Fast unmerklich schüttelte er den Kopf. Er musste lernen die Vergangenheit ruhen zu lassen, schon um seiner Tochter willen. Ohne das Mädchen hätte er sich schon längst aufgegeben.

Seit Beverlys Tod vor fünf Jahren hatte er niemandem erzählt, was genau passiert war. Er hatte so kurze und knappe Angaben wie möglich gemacht und die Geschehnisse die ganze Zeit über in sich hineingefressen ohne je wirklich darüber hinwegzukommen. Er hatte immer geglaubt, dass es niemanden etwas anginge, was passiert war. Vielleicht war das ein Irrtum, ein Fehler, wie so vieles, was er getan hatte. Madeleine war noch so jung, er erkannte, sie brauchte ihren Vater. Ihr gegenüber hatte er sich zwar nie so traurig und gebrochen gezeigt, wie er es tatsächlich war. Sicher spürte sie es, sie war immerhin recht intelligent. Wie oft hatte er dagesessen, wenn sie eingeschlafen war und darüber nachgedacht, wie sein Leben verlaufen wäre, wenn Beverly noch lebte. Immer war er zu der Erkenntnis gekommen, dass er nichts rückgängig machen konnte. So konnte es auf Dauer nicht weitergehen, das war sicher.

Langsam bewegte er sich auf den Turbolift zu und dabei fasste er einen Entschluss. Er würde seine Erinnerungen mit jemandem teilen, das war der einzige Weg nach fünf Jahren endlich von den Geistern des Vergangen loszukommen. Bekanntlich war geteiltes Leid nur halbes Leid. Es würde ihm sicher sehr schwer fallen, die komplette Geschichte in Worte zu fassen, aber das war es womöglich, was ihm die ganze Zeit über gefehlt hatte: Jemand, der ihm zuhörte und ihm Mut machte. Er hatte viel zu lange abgeschottet alles Lebendige gemieden.

 

Der Turbolift kam zum Stehen und seine Türen öffneten sich sofort, Picard den Blick auf die Brücke freigebend. Es war noch seine Kommandobrücke, auf der er so viel Zeit verbracht, so viele Missionen gelöst hatte und doch war es nicht mehr dieselbe Brücke wie vor zwölf Jahren, als er das Schiff übernommen hatte. Die gesamte Fröhlichkeit und die Bereitschaft zu einem lustigen Spruch, die es früher gegeben hatte, waren fort.

Welch eine unerträgliche Atmosphäre musste hier die ganzen letzten fünf Jahre geherrscht haben. Trotzdem waren ihm seine Offiziere treu geblieben, in der Hoffnung ihm irgendwie helfen zu können. Niemand hatte um Versetzung gebeten.

Als Commander Riker ihn erblickte, räumte er sofort den Sessel des Captains, ohne ein Wort zu sagen. Picard nickte seinem ersten Offizier zu und nahm auf dem ihm angebotenen Sessel Platz. Riker lieferte ihm noch den Bericht, aber es gab keine ungewöhnlichen Vorfälle zu melden und so versank die gesamte Brücke wieder in Schweigen, nur das regelmäßige Piepsen der Konsolen war zu hören.

Picard blickte zu Boden. Dies waren normalerweise die Momente, in denen er am traurigsten war.

Er sah auf und blickte in die großen dunklen Augen von Counselor Troi, die ihn sehr bekümmert ansah.

Er wusste, wenn er sie jetzt nicht ansprach, würde er es niemals mehr über sich bringen. „Counselor?“

Überrascht zuckte sie zusammen, als er die erdrückende Stille brach.

„Captain?“

„Ich muss mit Ihnen sprechen. Es geht um etwas, was ich schon längst hätte tun sollen. Könnten Sie bitte für ein paar Minuten mit in meinen Bereitschaftsraum kommen?“

Sie nickte kurz, aber er sah ihr deutlich eine Mischung aus Neugier und vielleicht sogar Erleichterung an, als sie von ihrem Sessel aufstand.

Sie folgte ihm schnell und kurze Zeit später waren sie beide allein in seinem Raum.

„Bitte setzen Sie sich doch!“ sagte er und deutete auf die Couch, die an der Wand stand. Sie leistete seiner Bitte sofort Folge und auch er setzte sich neben sie. Dann herrschte wieder Stille. Von weitem konnte man die Maschinen des Schiffes vernehmen und in der Nähe war der leise Atem der Counselor zu hören.

Nervös knetete er seine Finger und sah zu Boden. Wo sollte er beginnen?

Troi blickte ihn beruhigend an. Sie wollte ihn, da sie deutlich seine Zerrissenheit spürte, nicht drängen. Stattdessen legte sie ihre Hände auf die Oberschenkel und wartete ab. Es war schon ein gutes Zeichen, dass er überhaupt mit ihr sprechen wollte.

Langsam hob er nun den Kopf und sah sie an.

„Ich... ich habe Ihnen niemals die Wahrheit erzählt, über Beverlys Tod. Ich war der Meinung, es wäre meine Privatsache, aber ich mache mir immer noch Vorwürfe deswegen. Es ist alleine meine Schuld. Sie könnte noch leben, wenn ich nicht so viele Fehler begangen hätte. Ich brauche Ihre Hilfe, Counselor!“

Deanna Troi legte tröstend den Arm auf die Schulter des Captains, der wieder apathisch zu Boden starrte.

„Sie dürfen sich keine Vorwürfe machen. Sie haben es nur gut gemeint und Sie haben sie geliebt, das ist das Wichtigste. Ich kann mir nicht vorstellen, dass Sie ihren Tod wirklich verschuldet haben. Beverly war eine erwachsene Frau und konnte für sich die volle Verantwortung tragen und wenn sie hier wäre, würde sie Ihnen das auch sagen!“

„Sie ist aber nicht hier. Ich trage eine Schuld daran, Counselor. Sie wissen nicht, was wirklich passiert ist. Aber ich möchte es Ihnen erzählen, vielleicht hilft es mir, wenn jemand zuhört.“

Er seufzte.

„Es ist eine sehr lange Geschichte und sie beginnt nicht bei Beverlys Tod, sondern viel früher. Sie haben ja keine Ahnung, wie alles begann. Es hat nicht mit dem Kongress auf Pallonia IV angefangen, wie Sie alle glauben, sondern ganz anders, aber ich sollte wohl von Anfang an beginnen. Ich hoffe Sie haben Zeit mitgebracht...“

 

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