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Versailles

von EchoTracer

Kapitel 1 - Unruhe vor dem Sturm

Captain Sisko quetschte den Baseball in der einen Hand, während er mit der anderen den Computer bediente. Desto länger er durch die Daten scrollte, desto fester schloss sein Griff sich um den Baseball. Sechs Monate waren seit der Unterzeichnung des Friedensvertrages mit dem Dominion vergangen, doch es konnte noch lange keine Rede davon sein, dass Ruhe in den Quadranten einkehrte.
Zuerst waren da einmal die personellen Änderungen, an die er sich auch jetzt noch gewöhnen musste Wann immer Sisko sich nach dem Status eingehender Schiffe erkundigte, fragte er automatisch Worf; alte Gewohnheit wider besseres Wissen. Kira hatte Worfs Pflichten kurz nach dessen Abreise nach Qo'Nos übernommen; eigentlich nur eine Übergangslösung. Doch nach dem Krieg waren die Verluste in den Reihen der Föderation so gegenwärtig wie zuvor. Kurzfristig ließ sich kein Ersatz finden und langfristig hatten andere Dinge Priorität gehabt. Kira machte den Job. Es war einfach nicht dringend genug, den Posten neu zu besetzen.

Seit Odos Rückkehr aus dem Gammaquadranten war wenigstens der Engpass im Bereich der Stationssicherheit Vergangenheit. Zwar übernahm Odo nun auch die Funktion eines Verbindungsoffiziers für das Dominion, doch das war Sisko sogar mehr als lieb. Frieden hin oder her, er zog es vor, mit einem bekannten Gesicht am Verhandlungstisch zu sitzen. So bemüht beide Quadranten auch waren, aufeinander zu zugehen, es gab nun einmal große Unterschiede in den Sichtweisen und nach all den Jahren war Odos ungeliebter Platz zwischen den Stühlen zu einem Vorteil geworden. Manchmal konnte er Sisko sogar vergessen lassen, dass er auch als Gesandter einer bis vor wenigen Monaten noch feindlichen Großmacht sprach.

Im Maschinenraum war es still geworden. Nicht, dass Sisko oft dort vorbei schaute, doch die Überwachung der Reparaturen und Installation der Upgrades führten ihn gelegentlich in das abgelegene Reich von Miles O'Brien. Wann immer Sisko zwischen den surrenden Maschinen nach dem Chief Ausschau hielt, sah er sich automatisch auch nach Rom um. Doch Rom war nicht mehr da. Er war kurz nach Siskos Rückkehr von Cardassia nach Ferenginar abgereist, um sein Amt als neuer Nagus anzutreten. Seitdem hatte er sich nur selten gemeldet; die Übernahme der Amtsgeschäfte wurde dadurch erschwert, dass Zeks Reformen in Kraft getreten waren und die zu regierende Welt sich im politischen Umbruch befand. Noch immer gab es neue Gesetze zu diskutieren, neue Regelungen bezüglich der weiblichen Bevölkerung zu finden. Sisko wusste, dass Rom um einen guten Kontakt zur Föderation - und zu ihm - bemüht war, doch er hatte auch Verständnis dafür, dass der amtierende Nagus sich von seinem Sekretär Krax vertreten ließ, wenn die Formalitäten es erlaubten.

Was Sisko jedoch am meisten vermisste, waren die Gespräche mit General Martok. Kanzler Martok. Auch daran musste Sisko sich noch gewöhnen. Gestern noch Waffenbruder im Dominionkrieg, heute Regent einer Großmacht. Der Beziehung zwischen Föderation und Klingonischem Reich tat der Machtwechsel gut, keine Frage. Trotzdem wünschte Sisko sich manchmal, dass Martok noch seinen alten Rang bekleidete; noch auf Deep Space Nine stationiert wäre. Während des Krieges hatten sie oft zusammen auf der Promenade gestanden; nachts, wenn die Station schlief. Hatten Raktajino getrunken, ins All, zum Wurmloch, gestarrt und über die ungewisse Zukunft philosophiert. Gut, Sisko hatte philosophiert. Martok hatte die teils trüben Gedanken in eine positive Richtung gelenkt; hatte selbst die aussichtsloseste Lage mit klingonischem Übermut schön geredet; aus jeder kommenden Schlacht verbal schon einen Sieg gemacht. Dieser raue Optimismus fehlte Sisko mehr als alles andere; gerade jetzt, in der Unruhe vor dem Sturm.

Die Romulaner hatten die erste Brise vor etwa zwei Monaten gemeldet. Dank des gemeinsam gewonnen Krieges hatten sich die diplomatischen Beziehungen zum Sternenimperium im Betaquadranten deutlich verbessert, und Sisko wollte lieber nicht darüber nachdenken, wie sich die Lage im Fall eines verlorenen Krieges entwickelt hätte. Selbst ohne weiteres Zutun des Dominions wäre sie eher früher als später eskaliert, hätten die Romulaner sich auf die Verliererseite gestellt und somit nicht den Hauch einer Chance gehabt, sich gegen die Großmacht aus dem Gammaquadranten zu behaupten. Sisko wusste besser als jeder andere - vor allem besser, als die Romulaner selbst - dass ihre anfängliche Haltung im Krieg nicht ganz verkehrt gewesen war. So sehr er es sich auch selbst hatte einreden wollen, es hatte nun mal keine Beweise dafür gegeben, dass das Dominion wirklich plante, Romulus anzugreifen. Möglich, dass die Romulaner tatsächlich eine Chance gehabt hätten, ihre Haut mit einer neutralen Haltung lange genug zu retten, um aufzurüsten und ein von Föderation und Klingonen geschwächtes Dominion abzuwehren, wäre es doch zu einem Krieg gekommen. Aber all das war graue Theorie; Was-wäre-wenn-Fragen, die keiner Antwort bedurften. Was zählte, war das Ergebnis. Und das war ein gemeinsam gewonnener Krieg; das war eine deutliche Verbesserung der diplomatischen Beziehungen. Das war der Vorschlag von Senator Niven, die Allianz aufrecht zu erhalten.

Angesichts dieser Entwicklung hätte das diplomatische Korps der Föderation noch vor wenigen Jahren Luftsprünge gemacht, doch Nivens Vorschlag kam nicht aus heiterem Himmel oder der Güte seines Herzens. Romulanische Langstreckensensoren hatten beunruhigende Daten übermittelt, die auf verstärkte Aktivität der Borg schließen ließen.

In nüchternen Zahlen ausgedrückt war nicht einmal bestätigt, dass es sich wirklich um die Borg handelte, und besagte Aktivitäten fanden in weiter Ferne statt. Doch in Zeiten wie diesen blieben nicht einmal die Vulkanier nüchtern, wenn es um eine potentielle Bedrohung wie diese ging. Der Quadrant war geschwächt. Die einstige Großmacht Cardassia lag in Trümmern und hatte im Grunde nicht einmal mehr den Speichel, um die Wunden zu lecken. Von der gefürchteten Schlachtflotte früherer Zeiten ganz zu schweigen. Cardassia war auf logistische Unterstützung der Föderation angewiesen, da nicht einmal die zivile Frachtflotte stark genug war, um den Wiederaufbau allein zu bewältigen.
Föderation, Klingonisches Reich und Romulanisches Sternenimperium waren geringfügig besser gestellt, doch selbst mit vereinten Mitteln hätten die Großmächte einem Angriff der Borg nur wenig entgegensetzen können. Ferenginar war mit sich selbst beschäftigt, und mit dem verzweifelten Versuch, die immense Nachfrage nach Rohstoffen zu bedienen, die aus dem Wiederaufbau Cardassias und der Aufrüstung der drei alliierten Großmächte resultierte. Die Romulaner hatten versucht, ihre Rohstoffe von den Tholianern zu beziehen, doch die hatten sich nach Kriegsende noch mehr vom Rest des Quadranten abgesondert, als man es von ihnen gewohnt war. Unabhängige kleinere Welten waren von der Nachfrage schnell überwältigt, und zudem selbst in Alarmbereitschaft bezüglich eines möglichen Borgangriffs. Die Föderation und ihre klingonischen Alliierten hatte daher versucht, einen Teil der benötigten Ressourcen aus dem Gammaquadranten zu kaufen, doch die Verhandlungen gingen schleppend voran, trotz Odos Zutun, und es bestand noch immer ein nicht zu übersehender Engpass.

Vor gut zwei Monaten, kurz nach den ersten alarmierenden Meldungen, hatten die Romulaner dann das getan, womit niemand gerechnet hatte. Sie hatten sich mit Kiroesia in Verbindung gesetzt, um ihren Bedarf an Rohstoffen zu decken. Und damit hatten sie den Stein ins Rollen gebracht, der jetzt mit brachialer Geschwindigkeit auf Deep Space Nine zusteuerte.

Kiroesia war ein vergleichsweise kleines Handelsimperium, das sich über eine Reihe von nahezu unwirtlichen Wüstenplaneten erstreckte. Die insektioden Bewohner waren für ihre generell extrem neutrale Haltung bekannt; sie handelten mit allem und jedem. Offiziell waren sie gern gesehene Lieferanten für eine ganze Reihe von Luxusgütern und Rohstoffen; sie waren einfache Verhandlungspartner und lieferten höchste Qualität. Dies war auf ihre befremdliche Gesellschaft zurückzuführen - oder besser: ihren befremdlichen Mangel an gesellschaftlicher Struktur. Kiroesier waren nur an einer einzigen Sache interessiert. Produktion. Sie hatten kein soziales Leben; keine Freizeit, keine Interessen, keine Formalitäten - und vor allem keinen Platz, um die Ergebnisse ihrer Produktion zu lagern. Nur aus diesem Grund handelten sie. Es war nicht ungewöhnlich, dass Geschäfte zustande kamen, in denen ein Kunde Rohmaterialien an sie lieferte und fertige Handelsgüter für einen Spottpreis daraus gefertigt bekam.
Inoffiziell wusste aber jeder, dass Kiroesia nicht so neutral war, wie es auf den ersten Blick schien. Mangels einer nennenswerten Regierung war es offensichtlich, dass die Handelspolitik nicht von den Insektioden selbst gemacht wurde. Wie diese Symbiose zustande gekommen war und seit wann sie bestand, wusste niemand. Aber dass es sie gab, - unbestätigt oder nicht, war jedem bekannt. Kiroesia war eine Vasallenwelt der Breen Konföderation.

Vielleicht, dachte Sisko, hatte das logisch denkende Erbe der vulkanischen Abstammung die Romulaner dazu gebracht, sich an den früheren Feind zu wenden. Die Vergangenheit einfach ruhen zu lassen; nach vorn zu sehen und tun, was getan werden musste
Nach dem Ende des Krieges hatten die Breen sich wortlos zurückgezogen. Laut Odo gab es keine weiteren Verträge oder Absprachen mit dem Dominion und auch die cardassianische Übergangsregierung hatte nichts von den ehemaligen Alliierten gehört. Sie waren so plötzlich verschwunden, wie sie aufgetaucht waren und man konnte nur davon ausgehen, dass die Konföderation den Krieg als stärkste Partei verlassen hatte. Die Verluste während der Schlachten um Cardassia waren minimal gewesen und der Krieg hatte das Territorium der Breen nie erreicht. Im Gegensatz zu den anderen Kriegsparteien hatten sie keine Schiffswerften oder militärische Einrichtungen verloren, von Kolonien ganz zu schweigen.
Bis die Romulaner die ersten Lieferverträge mit Kiroesia unterzeichnet hatten, war man davon ausgegangen, dass die Breen sich wieder in ihren Raum zurückgezogen hatten und sich, wie zuvor, aus den Belangen des Quadranten heraus halten würden. Das hatten sie für Jahrhunderte getan und nichts hatte darauf hingedeutet, dass sie dieses Verhalten nun ändern würden. Doch nur wenige Wochen nach der Kontaktaufnahme mit Kiroesia hatte der Präsident der Föderation eine Nachricht erhalten, die zweifellos von der Konföderation kam und mitteilte, man habe sich auch mit dem Klingonischen Reich und dem Romulanischen Sternenimperium in Verbindung gesetzt, um angesichts der potentiellen Bedrohung durch die Borg diplomatische Kontakte aufzunehmen.

Und jetzt, vier Monate später, saß Sisko in seinem Büro und fragte sich noch immer, was diese plötzliche Öffnung wirklich ausgelöst hatte. Drei Tage, dachte er und scrollte weiter durch die Daten auf seinem Bildschirm. Drei Tage, dann wissen wir vielleicht - hoffentlich - mehr. Sollten sich die Befürchtungen der Romulaner bestätigen; sollten die Borg die momentane Schwäche des Quadranten wirklich ausnutzen wollen, wäre ein starker Verbündeter - und das waren die Breen zweifellos - die einzige Hoffnung, echten Widerstand zu leisten. Sisko, mehr als jeder andere, war bereit, jedes Risiko einzugehen, um diese Allianz zu besiegeln. Die Borg hatten ihm Jennifer genommen. Kassidy würden sie nicht bekommen. Nicht sie, und niemanden sonst.
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