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Spurensuche

von Aurea

Kapitel 1

Akt 1 - ERDE

„Kathryn, Liebling, du wirst unruhig.“

Das sanfte Licht der nachmittäglichen Herbstsonne Indianas fiel durch die hohen Küchenfenster. Ein rotgoldener Schein umspielte die alten Eichenschränke und brach sich in den kristallenen Trinkgläser, die auf einem Regal standen. Zauberhafte Lichtspiele warfen ihre Schatte an die Wände, während Gretchen Janeway an der Arbeitsfläche stand und einen Apfelkuchen in Viertel schnitt. Der frische Duft des Gebäcks strömte durch das ganze Haus. Gretchen blickte von ihrer Arbeit auf und sah ihre Tochter mit einem leicht sorgenvollen Ausdruck an. Die um einige Jahre jüngere Frau saß regungslos am großen Esstisch und schaute durch das weite Küchenfenster gedankenverloren auf die endlos erscheinenden Kornfelder hinaus. Ihr Atem ging kontinuierlich. Doch das war das Einzige an ihr, was sich bewegte.

Gretchen seufzte tief.

„Du kannst nicht ewig hier sitzen bleiben. Das weiß ich, das weißt auch du.“ Sie legte ihr Messer unter lautem Geklapper beiseite. „Nach außen hin bist du so ruhig, wie eine Schildkröte langsam. Doch in deinem Inneren brodelt es. Wage das nicht zu leugnen, Kathryn Janeway, denn ich kenne dich nur zu gut!“

Die Sonne war mittlerweile gänzlich untergegangen. Der Schimmer der Nacht breitete sich in der Küche aus und Gretchen konnte im fahlen Licht nur noch die vagen Umrisse ihrer Tochter erkennen.

„Dein Herz ist nicht hier. Du fühlst dich nicht mehr wirklich zu Hause, oder?“ Sie seufzte wieder. Wie sie diese endlosen Monologe doch hasste! „Dein Herz und deine Gedanken sind bei diesem Mann.“ Es war keine Frage, die sie hier stellte. Sie wusste es schon seit langem. Sie hatte bei der letzten Voyager-Willkommen-Zu-Hause-Party diese Blicke gesehen. Die Spannung im Raum bemerkt. Das Leuchten in den Augen ihrer Tochter registriert. „Doch er gehört einer anderen.“ Auch das war eine Tatsache. Sie hatte auch sie, diese Blonde, auf der Feier angetroffen. Ihrer Meinung nach war sie etwas kalt und herzlos. Zu kalt und herzlos für diesen vor Lebensfreude strahlenden Indianer. Doch die ehemalige Borg hatte eindeutig Reize, die einen Mann ansprachen. Das war nicht zu übersehen. Selbst wenn man wollte. „Du bist unruhig, Kathryn. Das ist nicht gut für dich. Entweder du musst ihn finden, oder dein Leben neu beginnen. Ich an deiner Stelle würde ersteres eindeutig bevorzugen. Wenn es sein muss, dann kämpfe um Ihn! Aber du musst etwas machen, Kathryn, denn rumsitzen und nichts tun war noch nie deine Stärke.“ Gretchen konnte es nicht mit ansehen, wie ihre Tochter vor sich hinvegetierte. Es brach ihr beinahe das Herz, sie hier so tatenlos sitzen zu sehen. Natürlich war sie froh, Kathryn nach sieben langen Jahren endlich wieder in die Arme schließen zu können. Doch Gretchen wollte nicht, dass ihre Tochter unglücklich war. Sie so phlegmatisch am anderen Ende des Tisches sitzen zu sehen, machte sie auf eine kontroverse Art und Weise wütend. „Steh endlich auf und geh!“

Eine Pause trat ein. Es war einfach sinnlos, es weiter zu versuchen, sie immer und immer wieder dazu aufzufordern, endlich ihr Glück zu finden. Gretchen wollte sich schon wieder ihrer Arbeit zuwenden.

Doch dann bewegte sich die jüngere Frau plötzlich. Langsam wandte sie ihren Blick von der nun in Mondlicht getauchten Landschaft außerhalb des Fensters ab. Sie schaute zuerst auf den Boden vor sich, hob dann ihren Kopf an und sah ihrer Mutter direkt in die Augen. Ihre Finger begannen leise auf den Küchentisch zu klopfen, wurden immer schneller, bis sich das Trommeln in ein lautes Stakkato gesteigert hatte. Schließlich schlug Kathryn mit der flachen Hand auf die Holzplatte und stand ruckartig auf. Sie nickte ihrer Mutter zu.

„Du hast recht, Mum. Ich gehe.“ Sie holte tief Luft. „Aber nicht zu ihm. Nicht zu ihm!“

Mit diesen Worten schob sie ihren Stuhl geräuschvoll zurück und ging aus dem Zimmer.

„Woher hat sie nur diese Dickköpfigkeit?“ Gretchen blickte ihr kopfschüttelnd nach. „Mit Sicherheit von ihrem Vater.“

Sie blieb noch einige Augenblicke regungslos stehen und wandte sich dann wieder ihrem Apfelkuchen zu. Die grauhaarige Frau nahm das liegengeblieben Messer wieder in die Hand und machte sich daran den Kuchen nun in Sechzehntel zu schneiden.

***

Unruhig schritt er vor dem geöffneten Kommunikationsterminal auf und ab. Zum wievielten Mal hatte er nun schon seine einkommenden Nachrichten überprüft? Das kalte Licht des Monitors warf grausige Schatten auf die hochgewachsene Gestalt des fahrig wirkenden Mannes. Zum wievielten Mal hatte er nun schon bangend gehofft, dass sie im geantwortet hat? Sein Blick huschte wieder zurück zum Schreibtisch. Er ging einen Schritt darauf zu und schloss mit zittrigen Händen das Terminal. Zum wievielten Mal hatte er sich sehnlichst gewünscht, auch nur ein paar Zeilen von ihr zu erhalten? Es musste nicht viel sein. Nur ein `Wie geht es dir Chakotay? Ich habe dich auch vermisst. Komm mich besuchen.´ Er wäre dieser Aufforderung sofort nachgekommen. Doch er wartete vergebens. Waren all die Jahre, die sie zusammen verbracht hatten, vergessen? Hatte er sich die Spannung, die immer zwischen ihnen beiden in der Luft lag, nur eingebildet? Seine Hand verweilte noch geraume Zeit auf der kühlen Oberfläche des Computers.

Leise drang aus dem angrenzenden Schlafzimmer eine sanfte, verschlafene Stimme an seine Ohren. „Liebling... was machst du solange da draußen... komm wieder zurück ins Bett...“

Langsam hob er seine Hand an und bemerkte wie sie zitterte. Doch warum? Ihm war weder kalt, noch fürchtete er sich vor irgendetwas Ominösem. In diesem Moment wurde ihm bewusst, dass die blonde Frau, die nebenan auf ihn wartete, niemals solch eine Reaktion bei ihm hervorrufen könnte. Er würde sich niemals so nach ihr sehen, dass er keinen Hunger mehr hatte oder dass ihm das Herz schwer werden würde, wenn er an sie dachte. Sein seelischer und körperlicher Zustand glich einer Entzugserscheinung und er wusste genau, wie er sie zu bekämpfen hatte. Vielleicht würde der Weg nicht einfach sein, ganz sicherlich sogar nicht. Allerdings würde er dieses Mal nicht so leicht aufgeben. Dieses Mal würde er sie festhalten und sie nie wieder los lassen. Wenn sie versuchen würde ihn los zu werden, würde sie ihn erst töten müssen. Doch dann würde er mit einem Lächeln auf den Lippen sterben, denn vorher hätte er ihr zumindest noch einen einzigen Kuss geraubt.

„Liebling...“, drang es quengelnd aus dem Schlafzimmer.

Chakotay riss sich aus seiner Starre los und antwortete mit fester Stimme: „Ich komme...” Er nickte noch einmal, wie um sich selbst Mut zuzusprechen, und fügte etwas leiser dann noch „..., Kathryn.“ hinzu.

Es war ihm egal, ob Annika morgen vereinsamt aufwachen würde. Es war ihm egal, ob sie ihn suchen würde. Es war ihm auch egal, ob sie vor Verzweiflung schreien würde. Denn das einzige, das er in diesem Augenblick hörte, war sein Herz, das nach Kathryn schrie. Kurzentschlossen griff er nach der gepackten Reisetasche, die für seine morgige diplomatische Reise nach Trebus bereitstand. Sollte ein anderer Diplomat sie doch antreten! Er nicht! Er würde sich jetzt endlich um seine eigene Zukunft kümmern; damit sie so vonstattengehen würde, wie er es sich immer erträumt hatte!

Chakotay drehte sich weder um, als er sein Appartement verließ, noch als er auf die nächste öffentliche Transporterplattform stieg um nach Indiana zu gelangen.

***

Nein, sie würde ganz gewiss nicht zu ihm gehen. Nicht zu ihm, der sie so kläglich im Stich gelassen hatte. Er, der sie in der Stunde, in der sie ihn am Meisten gebraucht hätte, alleine gelassen hat. Gut, sie hatte sich die letzten sieben Jahre auch nicht gerade grandios verhalten. Sie hatte weder sich noch ihm das Glück einer gemeinsamen Zukunft gegönnt. Das Leben und Überleben von 142 anderen Besatzungsmitgliedern der Voyager waren Kathryn während ihrer Reise einfach wichtiger. Doch hätte sie nicht ihr Glück mit dem der Crew in Einklang bringen können? Doch was nützt jegliches „hätte“. Dies zu bereuen war nun zu spät. Sie konnte die Vergangenheit dieses Mal nicht ändern, würde es auch nicht noch einmal tun. Sich doppelt zu sehen ohne betrunken zu sein war etwas, was kein Mensch so leicht verkraftet. Doch was war mit der Zukunft? Kathryn könnte sie ändern. Allerdings: Was nützt auch hier „könnte“, wenn sie es nicht wirklich tun würde?

Es war zwischen ihnen beiden – Kathryn und Chakotay – oft zu Streiten gekommen, nur weil sie zu stur war, einen Fehler zuzugeben. Ja, vielleicht hatte sie einen Fehler in ihrer Beziehung zu ihrem Ersten Offizier, besten Freund und engsten Vertrauten gemacht. Na schön, sie hatte mehr als nur einen gemacht. Eventuell sogar so viele, dass es Stunden kosten würde, um alle zu extrahieren, zu analysieren und letztendlich wieder zu leugnen. Wenn sie weder die Vergangenheit, noch die Zukunft ändern konnte, was sollte sie dann tun? Sich an die Gegenwart wagen? Ein gefährliches Spiel mit hohem Einsatz. Nichtsdestoweniger würde sie jetzt nicht zu Chakotay gehen. Jetzt nicht! Dennoch, er hatte sie verletzt und sie wollte Revanche... Aber nicht in diesem Leben. Nicht in diesem Leben.

Ihre Mutter hatte Recht. Sie musste etwas tun, etwas unternehmen. Denn das, was sie gerade tat, war nicht typisch für eine Janeway. Sie machte nämlich rein gar nichts und das konnte nicht mehr so weiter gehen. Sie würde sich aufraffen! Jetzt! Sofort!

Doch zurück zur Sternenflotte konnte sie nicht. Noch nicht. Man hatte schon vor zwei Monaten – direkt nach ihrer Ankunft auf der Erde – ein Gesuche abgelehnt, indem sie um sofortige Weiterführung ihres Dienstes bat. Alle Admiräle hatten sich nämlich dafür ausgesprochen, dass sie nach ihrer anstrengenden Reise durch den Delta-Quadranten unbedingt mindestens sechs Monate Urlaub erhalten müsse. Als ob die wissen würden, was ihr gut tat! Arbeit, ja Arbeit, das würde sie aus ihrem derzeitigen Tief herausholen oder sie zumindest darüber hinwegtäuschen. Doch nein! Sie musste noch vier Monate mit unnützem Nichtstun fristen. Vier ganze Monate! Das sind 122 bittere Tage. 2928 grausame Stunden. 175680 peinigende Minuten. 10540800 qualvolle Sekunden. Wie sie es hasste, untätig herumzusitzen, nichts zu erleben und Zeit zu haben über ihre gegenwärtige Situation nachzudenken. Es führte nur dazu, dass sich ihre Gedanken verrannten, schließlich im Kreise drehten und letztendlich ungeheure Kopfschmerzen hervorriefen. Wie zum Beispiel gerade in diesem Augenblick.

Gut. Eines stand fest. Sie musste hier raus. Raus aus diesem Umfeld, weg von diesen Menschen, fort von ihrer Vergangenheit und ihrer Zukunft. Einfach mal in den Tag leben. Ohne Verantwortung, ohne Plan. Sorgenfrei und gedankenlos. Zumindest für die nächsten vier Monate.

Doch was tun?

Einfach ein Shuttle kapern und ziellos durch die Galaxis schippern?
Sich einen einsamen Planten suchen und dort in einer noch einsameren Höhle ausharren?
Freunde, Familienangehörige und Bekannte besuchen und sich zu Tode reden lassen?

Nein, nichts von dem. Sie braucht zwar Stille, aber doch etwas zu tun. Sie wollte nicht zum Denken kommen. Sie wollte wieder fühlen. Sie wollte wieder spüren, dass sie ein Mensch ist.

Ruhe.
Emotionen.
Abenteuer.

Wo könnte man das besser finden als auf Vulkan?
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