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The Mirror has two Faces

von Aurea

The Mirror has two Faces

Wieder einmal nur drei Stunden geschlafen. Wieder einmal noch unzählige Berichte bis tief in die Nacht überarbeitet. Wieder einmal zu viel Kaffee konsumiert. Und wieder einmal war die Tagesperiode zu schnell angebrochen.

Sie war heute morgen nur schwer aus dem Bett gekommen, hatte sich mühsam ihren seidenen Morgenmantel übergeworfen und war ins Bad gegangen.

Nun stand sie vor der Wascheinheit über welcher ein Badezimmerspiegel hing, der durch das kalte Licht der Ionenröhren hell erleuchtet war. Ihre beiden Hände auf die Seiten des Waschbeckens gestützt, betrachtete sie sich eingehend in dem sich spiegelnden Glas. Kein schöner Anblick. Grau-blaue Augen blickten ihr entgegen. Durchzogen von feinen, roten Äderchen und umrahmt von tiefen Augenringeln. Der Blick trostlos. Der Ausdruck schon lange von jenem jugendlichen Enthusiasmus verlassen. Die Stirn versehen mit kleinen Fältchen. Aber nicht vom Alter, sondern von den Sorgen. Das Gesicht aschfahl. Keine Lebenskraft mehr vorhanden. Ihre Haare wirr herabhängend. Durcheinender gerüttelt wie ihr Leben.

Man merkte ihr an, dass die Nacht lang gewesen war, dass sie absolut überarbeitet und total erschöpft war. Und das nicht nur im physischen Sinne. Sie war ausgebrannt, hatte keine Energie mehr, war einfach leer. Hatte weder Ziele noch Hoffnungen. Immer noch 60.000 Lichtjahre von zu Hause entfernt und an die 150 Menschenleben zu beschützen, zu umsorgen, zu leiten! Jeder baute auf sie. Doch auf wen konnte sie bauen?

Auf niemanden. Nur auf sich selbst. Auf ihre Kraft sich selbst Stärke zu geben. Auf ihre Kraft sich selbst wieder aufzubauen. Denn keiner sollte sie so erleben. So aufgezehrt, verbraucht, so fertig.

In ihren Augen kehrte ein Funke von Willensstärke zurück. Ein Aufblitzen von Widerstand. Und dennoch war da noch Reste von Traurigkeit - Einsamkeit - Verlassenheit. Langsam löste sie ihre Hände vom Seitenrand des Waschbeckens und führte sie vor den Reflektor unter dem Wasserhahn. Sofort sprudelte klares, frisches Wasser daraus. Sie fing es mit ihren zu einer Kuhle geformten Hände auf, riss ihren Blick von ihrem Spiegelbild los und tauchte ihr Gesicht in das kühle Nass. Ihre Lider geschlossen, ließ sie das übrige Wasser abfließen und richtete sich langsam wieder vollständig auf. Sie spürte förmlich, wie ihre Lebensgeister von den Tropfen, die von ihrem Gesicht rannen, zurückgerufen wurden; wie der so hartnäckige Schlaf aus ihrem Körper getragen wurde; wie diese bösen Träume der letzten Nacht wegspült wurden. Wasser – die Essenz des Lebens. Janeway blickte sich wieder im Spiegel an, ergriff das Handtuch, das neben dem Waschtisch hing und trocknete langsam ihr Gesicht. Sie wischte nicht nur das glasklare Wasser weg, sondern auch die salzigen Tränen, die vom gestrigen Abend noch an ihren Wangen klebten. Kathryn würde es zwar nie in der Öffentlichkeit zugeben, doch auch sie weinte ab und zu. Selten, ja. Aber es half wirklich. Befreite die Seele. Verletzte jedoch gleichzeitig ihren Stolz. Sie hasste es in Tränen auszubrechen, sei es weil sie glücklich oder sei es weil sie traurig war. Sie wusste zwar, dass es manchmal ein Zeichen von Stärke war, Tränen zuzulassen, doch in ihrem Beruf war es meist ein Verhängnis. So weinte sie nicht. Nur für sich. Manchmal. In der Abgeschiedenheit ihres Quartiers.

Ihr Antliz sah schon besser aus. Es war ihr zwar immer noch eine gewisse Abgespanntheit und ein unruhiger Schlaf anzusehen, doch damit würde sie auch noch fertig werden. Zumindest sah sie jetzt nicht mehr so blass aus. Allerdings würde ein bisschen Make-up auch nicht schaden.

Die rothaarige Frau öffnete den Hängeschrank neben ihrem Spiegel und holte eine dunkelrote Schachtel heraus. Nachdenklich betrachtete sie den restlichen Inhalt ihres Badezimmerschrankes. Dort lag eine wertvolle hölzerne Bürste, die sie von ihrer Mutter zu ihrer bestandenen Abschlussprüfung auf der Akademie zusammen mit einigen weiteren mehr oder weniger nützlichen Utensilien zur Schönheitspflege bekommen hatte. Ihr Vater hatte das Ganze etwas praktischer gesehen und ihr damals einen eigenen Quantenneutralisator geschenkt. Sie erinnerte sich vage daran, dass er immer noch in Indiana auf dem Dachboden ihrer Mutter stehen musste. Oder hatte Gretchen Janeway ihn schon weggeräumt? Mit dem Hintergedanken, dass ihre Tochter wohl nie wieder auf die Erde zurückkehren würde? Kathryn konnte es nicht sagen. Sie wusste wohl, dass ihre Mutter eine ausgesprochene Optimistin war. Doch selbst Optimisten zweifeln irgendwann, wanken früher oder später. Zumindest nach nun beinahe sechs Jahren.

Mit einem leisen Seufzer setzte Kathryn die Schachtel neben dem Waschbecken ab und griff erst einmal nach ihrem energetischen Ionenzahnreiniger. Während sie ihre Zähne putzte, fiel ihr Blick auf weiter Gegenstände in ihrem Schrank. Es lagen dort wild durcheinander einige Haargummis, Bänder und Spangen. Mit einigen verband sie besondere Erinnerungen. Das eine blaue Band hatte sie bei ihrer ersten offiziellen Verabredung mit Mark in ihr Haar geflochten. Den einen schwarzen Haargummi mit den eingewebten Silberfäden hatte sie bei Justins Beisetzung um ihre widerspenstigen Haarsträhnen gebunden. Und diese eine Spange, die über all den anderen Gegenständen lag und diesen Bereich dominierte, war eine metallene Haarspange von Chakotay. Er hatte sie ihr zu ihrem 40. Geburtstag geschenkt, zusammen mit einem wunderschönen Abend auf dem Holodeck. Drei Männer, drei Gegenstände, drei Erinnerungen. Erinnerungen die langsam verblassten. Nur die Gedanken an den letzten dieser drei außergewöhnlichen Männer begleiteten sie immer noch täglich. Sah sie ihn doch im Dienst, auf der Brücke und auch bei gemeinsamen Abendessen oder Holodeckausflügen. Die Erinnerungen an ihre gemeinsamen Stunden waren so glitzernd, schillernd und greifbar, wie das Silber der Haarspange.

Sie legte ihre Zahnbürste weg und öffnete die rote Schachtel. Make-Up. Rouge. Lidschatten. Mascara. Lippenstift. Heute würde sie wohl die schweren Geschütze auffahren müssen. Sie griff noch einmal in die Box und holte einen langen, großen Pinsel hervor. Kathryn trug mit langsamen kreisenden Bewegungen das Make-up auf ihre helle Haut auf. Bewegung für Bewegung überdeckte sie die ausgetrockneten Poren ihrer Haut. Strich für Strich täuschte sie über die blasse Farbe ihres Gesichts hinweg. Pigment für Pigment vertuschte sie mit der hellen Masse die tiefen Ringel unter ihren Augen. Zufrieden mit dem Ergebnis legte sie den Pinsel wieder weg und verstrich mit ihren Fingern noch schnell die Übergänge zu den ungeschminkten Bereichen ihres Dekolletés. Die Vorarbeit war getan.

Ihre Schwester hatte ihr einmal eine Lebensweisheit an den Kopf geworfen, als sich Kathryn zu einer Verabredung bereit machte. Phoebe war der Ansicht, dass ihre Schwester ihrem Aussehen zu wenig Aufmerksamkeit schenkte. Ihrer Meinung nach war der Grundstein für ein perfektes geschminktes Gesicht und somit für einen perfekt gelungenen Abend die richtige Grundierung, also das richtige Make-up. Kathryn hatte damals nicht so gedacht und musste auch jetzt noch in dieser Hinsicht ihrer Schwester widersprechen. Sie wollte nicht um ihres Aussehens willens geliebt und geachtet werden. Natürlich war es schön, bewundert, vielleicht sogar angehimmelt zu werden. Doch im Gegensatz zu ihrer Schwester hatte sie schon ziemlich früh bemerkt, dass wenn Männer bewundern, sie verliebt sind. Doch wenn sie lernen, sich nicht mehr über ihre Frau zu wundern und die Fehler akzeptieren, sie erst richtig lieben.

Phoebe. Ja. Sie sehnte sich nach ihr. Ihren Streitereien, ihren Versöhnungen, ihren erneuten Wortgefechten. Sie waren nun beide älter geworden, reifer und erfahrener. Kathryn hoffte, dass sie sich – wenn sie sich ja wiedersehen sollten – besser verstehen würden. Sie seufzte tief und griff zu dem Mascara, der auf dem breiten Badtisch lag. Mit gekonnten Bewegungen führte sie den kleinen schwarzen Kamm so durch ihre Wimpern, dass diese voller und kräftiger erschienen. Kraft, das war es, was sie jetzt brauchte. Kraft, um gegen die feindlichen Rassen dieses Quadranten zu bestehen. Kraft, um ihre Crew nach Hause zu führen. Kraft, um sich selbst aufrecht zu halten. Kraft, um hier draußen nicht verrückt zu werden. Nachdem sie den Mascara beiseite gelegt hatte, kamen ihre Lider an die Reihe. Ein heller Lidstrich und ein passender Lidschatten akzentuierten ihre grau-blauen Augen, so dass sie nach langer Zeit wieder einmal strahlend erschienen. Noch ein wenig Rouge auf die Wangen und die Haare durchgekämmt.

So. Mission erfüllt. Kein Auftrag in den Weiten des Weltalls war wohl so anspruchsvoll wie die Haut einer ausgelaugten Frau, deren besten Jahre schon vorbei waren. Zumindest nach ihrem eigenen Ermessen zu urteilen.

Kathryn trat einen Schritt von dem Spiegel zurück und begutachtete ihr Gesicht noch einmal aus geraumer Entfernung. Sie war zufrieden. Mehr oder minder. Sie sah besser, frischer, als noch vor zehn Minuten aus, doch bei Weitem nicht glücklich. Aber das war auch nicht ihre Aufgabe hier draußen im Delta Quadranten. Ihr oberstes Ziel war das seelische und körperliche Wohl ihrer Crew und nicht ihr eigenes.

Einen Blick auf das Chronometer, welches neben der Schalldusche angebracht war, werfend, bemerkte Kathryn, dass sie knapp für ihre Schicht dran war. Zu knapp. Sie hatte für ihre morgendliche Routine heute doch etwas länger gebraucht, als normalerweise. Ein Kaffee war jetzt somit auch nicht mehr drin. Ihre Stimmung senkte sich gefährlich dem Nullpunkt entgegen.

Schnell entledigte sie sich ihres Bademantels und ihres Nachthemdes und schlüpfte in frische Unterwäsche und ihre rote Uniform, die noch vom Vorabend bereit lag.

Noch einmal rasch den Sitz ihrer Haare und ihrer Uniform überprüfend, holte sie tief Luft und trat aus ihrem Quartier auf den Korridor. Eine perfekte Maske über ihre Kraftlosigkeit hinwegtäuschend.

***

Auf der Brücke angekommen, ließ sie sich nach einem kurzen Nicken in die Runde in ihren Kommandosessel gleiten.

„Lange Nacht gehabt?“, kam es flüsternd aus dem Sessel neben ihr.

Behände tippte sie einige Kommandos in die Konsole zwischen ihren beiden Sitzen ein, während sie ihren Ersten Offizier nur mit einem forschen Kopfnicken bedachte.

Langsam beugte er sich ganz nah zu ihr herüber und sagte leise in ihr Ohr: „Wie wäre es dann, wenn wir die morgendlichen Checks einfach Tuvok überlassen, die Voyager wird in der nächsten halben Stunde schon nicht auseinanderfallen. Wir zwei genehmigen uns währenddessen einen schönen Kaffee in Ihrem Bereitschaftsraum. Sie gehen schon mal vor und ich komme in fünf Minuten nach.“

Kathryn hielt in ihrer Bewegung inne und blickte Chakotay endlich an. Ein kaum wahrnehmbares Nicken war das einzige Zeichen für ihn, dass sie ihn gehört hatte.

Zielstrebig stand sie auf und sagte laut, für alle hörbar: „Commander, Sie haben die Brücke. Ich bin in meinem Bereitschaftsraum.“

Als Kathryn sich von ihm abwendete und auf die angrenzende Tür zuging, sah er noch, wie sich langsam ein strahlendes, echtes Lächeln um ihre Mundwinkel formte.

Wie schön, wie entspannt, wie kraftvoll ein bloßes Lachen doch wirken konnte.
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