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Careless

von Tale Lara

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Die Türen schließen sich und es wird dunkel in meinem Quartier. Du bist gegangen. Ich senke meinen Kopf. Eine Träne läuft mir über die Wange. Ich würde dich so gerne zurückhalten, doch ich kann es nicht. Du hättest dich nicht einmal umgedreht. Zu oft habe ich dich verletzt, bin meinen eigenen Weg gegangen. Es war nicht immer der Menschlichste. Ich denke an die Crewmitglieder der Equinox. Etwas wie Scham regt sich in mir. Ich wusste wie Recht du hattest, Chakotay. Doch was habe ich getan? Ich enthob dich deines Postens. Weil ich es für richtig hielt.
Was ist nur aus mir geworden? Ich war doch nicht immer so. Erinnerungen kommen: Als ich das Kommando über die Voyager antrat galt ich als warmherzig, offen, streng, aber freundlich. Wann habe ich mich verändert? Nach New Earth? Ich weiß es nicht. Weiß nicht, wann es anfing. Ich weiß nur, wie es endet. Ich sehe dich im Korridor verschwinden. Was habe ich getan?
Die Stille ist so gestaltlos, die Dunkelheit hüllt mich ein. Ich sehe mich selbst, wie ich in einem Sessel sitze und versuche der Kälte, die sich in mir ausbreitet, zu entkommen. Es gelingt mir nicht. Ich habe dich weggestoßen, das letzte Mal. Denn ich habe keine Chance mehr verdient. Icelady, den Namen haben sie mir gegeben. Meine Crewmitglieder, meine Familie. Seit wann nennen sie mich so? Ich bin nicht hart, wollte es niemals sein. Ich hätte mich besser kennen sollen. Hätte die Veränderung bemerken sollen. Warum tat ich es nicht?
Ich weiß nur eines, ich werde nie wieder so sein wie vorher. Wann bin ich so hart geworden und warum? Es spielt dennoch keine Rolle mehr.
Wichtig ist nur, kann ich es schaffen, wieder Kathryn Janeway zu werden? Ich muss es versuchen. Nur so habe ich eine Chance nicht nur die Voyager nach Hause zu führen, sondern auch ihre - meine Crew und nur so kann ich dein Vertrauen wieder gewinnen. Wenn es nicht schon zu spät ist. Erst jetzt erkenne ich, was mir deine Gegenwart, deine Freundschaft bedeutete. Kann ich sie noch retten? Gib mir die eine - die letzte Chance.
Ich stehe auf, sehe zu den Sternen, doch die Scheiben spiegeln mein Ebenbild. Ich drehe mich um, ich hasse diese Person, die sie zeigen. Die Person, zu der ich geworden bin. Es wird nicht leicht, aber ich muss es versuchen. Für mich selbst, für uns und für die Crew. Doch wird es mir gelingen?

Ich würde dich so gerne um Hilfe bitten. Doch dein Blick war kalt. Einmal zu oft habe ich unmenschlich entschieden. Es tut weh zu begreifen, was ich tat. Doch die Wahrheit schmerzt. Aber wie soll ich wieder diejenige werden, die ich einmal war? Kann ich es überhaupt noch schaffen?
Ich habe meine Maske inzwischen perfektioniert, ich bin ein perfekter Captain, eine perfekte Maschine, ohne menschliche Regung - so komme ich mir manchmal vor. Doch sie schützt. Schützt mich vor den Verlusten, der Angst, der Verzweiflung denn ich weiß nicht wie ich diese Crew nach Hause bringen soll. ‚Somewhere along this journey, we'll find our way back.' Habe ich diese Worte einmal gesagt? So voll Glauben und einer Sicherheit, die ich inzwischen längst nicht mehr verspüre.
Vielleicht war es meine Art damit umzugehen, in der Fremde gestrandet zu sein. Es hat mich verändert, es hat jeden einzelnen von uns geprägt. Doch dadurch sind wir eine Familie geworden. Eine Familie zu der ich nicht mehr gehöre. Ich habe nicht nur dich weggestoßen, sondern auch meine Crew, meine Freunde und solche, die es werden wollten. Der Platz an der Spitze ist einsam. Ich habe ihn dazu gemacht.

Und heute endgültig. Es wird nie mehr so sein wie vorher. Ich hätte nachdenken sollen. Bevor ich alles auf Spiel setzte, nicht nur deine Liebe, die ich mit der Zeit zum Erlischen gebracht hatte, nein auch deine Freundschaft. Mit einer unbewussten, aber typischen Bemerkung. Niemals werde ich wieder diese Liebe in deinen Augen sehen, niemals werde ich das Lächeln darin aufblitzen sehen und die Zuneigung, die du mir entgegen gebracht hast. All das ist verloren, es wird nie wiederkehren. Nicht in dieser Form. Niemals wieder wird mich jemand so ansehen, wie du es getan hast, niemals wieder werde ich so in einem Blick versinken können, wie in deinem. Was ich verloren habe, habe ich für mein Leben lang verloren. Niemals werde ich wieder dasselbe für jemanden fühlen.

~*~

"Du bist jede Sekunde wert, die ich auf dich warten muss." Stammen diese Worte wirklich von mir? Waren sie für dich, Kathryn? Ja, ich habe es tatsächlich gedacht. Ich habe gedacht, ich könnte dich dazu bringen deine Maske abzulegen. Wie naiv ich doch war. Aber ich war mir meiner Gefühle für dich so sicher. Ich dachte, sie wären stark genug um alle Hindernisse zu überwinden. Doch du wurdest immer kälter und härter. Nichts durfte sich dir in den Weg stellen. Und wenn es jemand doch wagte, schlugst du mit allen Mitteln um dich. Immer wieder wurde mein Verständnis und meine Liebe für dich auf eine harte Probe gestellt. Irgendwann sah ich dich entsetzt an und ein Gedanke keimte in mir: "Wie konnte ich dich nur jemals lieben?" Ich habe mich in die Kathryn Janeway verliebt, die Sinn für Humor hatte, Gerechtigkeit, Menschlichkeit und Ehrlichkeit über alles schätzte. Wann hast du dich verändert? Warum habe ich nichts bemerkt, nicht entgegen gesteuert? War ich so blind? Das kann nicht sein! Ich dachte, ich würde dich kennen, doch alle gutgemeinten Ratschläge hast du in den Wind geschlagen, hast mich noch auf deinen Rang hingewiesen, und mich aus dem Raum geschickt. Ich habe es mir gefallen lassen. Warum eigentlich? Aus Respekt vor deinem Rang, dir oder deinen Entscheidungen?
Ich sehe die Tür zu meinem Quartier, trete hindurch und lasse das Licht aus. Ich sehe auf die Sterne. Vielleicht sollte ich meinen tierischen Berater fragen oder meine Ahnen. Aber ich möchte es nicht. Das ist eine Entscheidung, bei der mir niemand helfen kann. Trotz all dem, was du getan hast, glaube ich an das Gute in dir. Und ein Teil von mir liebt dich noch immer und wird es auch weiterhin tun. Doch ich werde nicht um jeden Preis zurückstecken. Ich war lange genug freundlich und unterwürfig. Das ist vorbei. Ich habe mich selbst fast aufgegeben, indem ich mich immer wieder deinen Befehlen unterwarf, ohne mit ihnen einverstanden zu sein. Zu lange habe ich meine wahren Pflichten außer Acht gelassen. In Zukunft werde ich dir ein besserer erster Offizier sein. Ungeachtet meiner Gefühle, ich kenne meine Pflichten, und ich lasse mich nicht mehr von dir an ihnen hindern. Wenn das der einzige Weg ist, den du verstehst, dann werde ich ihn gehen. Auf die Stimme deines Herzens hast du nicht gehört, auf die Stimme eines Freundes noch weniger. Nun wirst du auf die Stimme deines Ersten Offiziers hören müssen. Denn du hast einmal zu oft den Bogen überspannt, ich habe bisher immer das Gute in dir gesehen, auf es gehofft, doch du hast es immer wieder zurückgedrängt. Irgendwann ist es zu spät. Du hast systematisch alle Gefühle, die ich je für dich hatte zerstört.
Nun, nicht ganz zerstört, aber fast. Irgendwann ist es zu spät, um noch etwas zu ändern. Ich hoffe, du begreifst das.

~*~

Ich brauche Hilfe, ich finde mich selbst nicht mehr zurecht. In meinem Irrgarten aus Lügen und Masken habe ich mich selbst verloren. Ich weiß noch wie ich war, und wie ich sein sollte, doch wo ist diese Kathryn Janeway? Ist es schon zu spät für mich? Das will und kann ich nicht glauben! Doch mir bleibt nur ein Ausweg. Ich kenne nur einen, der mich fast besser kannte als ich mich selbst. Du hattest mein absolutes Vertrauen, doch dann habe ich mich verändert, dir alle deine Privilegien, die du aus unserer Freundschaft hattest, gestrichen. Doch es wird Zeit, einen Fehler wieder gutzumachen. Ich könnte es nicht ertragen, dich jeden Tag zu sehen und zu wissen, was wir einmal waren und was ich durch meine Gedankenlosigkeit zerstörte. Langsam stehe ich auf. Ich atme tief durch. Ich werde auf eine lange Reise gehen, die Reise zu mir selbst. Sie wird nicht leicht und ich werde sie vielleicht nicht schaffen. Aber es wird Zeit, wieder einmal einen Schritt in die richtige Richtung zu gehen. Wieder mehr als nur ein Captain zu werden. Aber allein kann ich es nicht schaffen. Wirst du mir helfen? Ein letztes Mal? Ich verlasse mein Quartier und schleiche durch die dunklen Korridore der Voyager. Mein Zuhause. Doch wann habe ich mich das letzte Mal zuhause gefühlt? Es ist schon viel zu lange her. Dann sehe ich die Tür zu deinem Quartier. Ich bleibe davor stehen und schlucke. Jetzt liegt es in deinen Händen. Du wirst mich nicht manipulieren, du wirst mir helfen. Wenn ich nicht schon alles zerstört habe. Langsam hebe ich meine Hand und betätige den Türmelder. Die Türen gleiten vor mir auf und ich trete in die Dunkelheit deines Quartier. Das Verlangen, meine Maske aufzusetzen, wird immer mächtiger. Ich versuche ihm zu widerstehen. Du siehst mich an. Nicht kalt, sondern eher neugierig. Ich bringe nur drei Worte über die Lippen: "Bitte hilf mir!"

~*~

Ich sehe dich an. Im ersten Moment dachte ich, ich hätte mich verhört. War das die stolze, selbstgerechte Kathryn Janeway? Du stehst vor mir und irgendetwas in deiner Haltung, deinem Blick erinnert mich an die Zeit auf New Earth. Ich merke, dass du inzwischen selbst begriffen hast, was aus dir geworden ist. Es freut mich, dass du zurück willst, aber kann ich dir überhaupt helfen? Kann ich über all die Demütigungen und die vielen harten Worte hinwegsehen? Nun, ich kann es versuchen. Wenn du versuchst aus der Icelady wieder Kathryn zu machen, kann ich es schaffen, über die Vergangenheit hinwegzusehen. Das Gute in dir, so schwach es auch war, hat sich durchgesetzt. Dein Blick wird Bange. Sorgfältig formuliere ich meine nächsten Worte: "Ich weiß nicht, ob ich dir helfen kann. Aber ich werde es versuchen." Ein leichtes Lächeln formt sich auf deinen Lippen und als ich dir in die Augen sehe, weiß ich, du kannst es schaffen. Wir können es schaffen.


-Ende-
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