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Patient auf Abwegen

von uena

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Das Geräusch war durchdringend und enervierend, und Doktor McCoy blinzelte unwillig. Es war egal, dass es viel zu früh am Morgen war, egal, dass er in der vergangenen Nacht kaum geschlafen hatte – er war Arzt und somit verpflichtet, dem „Klingeln“ – das Geräusch war eher mit dem kränklichen Auswurf eines verschnupften Digitalweckers zu vergleichen – an seiner Tür Gehör zu schenken, selbst wenn er viel lieber im Bett geblieben wäre, um noch ein wenig mit Kirk zu schmusen.

Bones gab ein überraschtes Grunzen von sich, als ihm wieder einfiel, was wenige Stunden zuvor zwischen ihm und seinem besten Freund vorgefallen war, und er hob den Kopf, um auf den nach wie vor selig schlafenden Jim in seinen Armen hinab zu blicken.

Kirk sah noch immer ein wenig mitgenommen aus, sein linkes Auge war trotz der liebevollen Bemühungen seines Doktors noch nicht abgeschwollen, aber er lächelte im Schlaf, und Bones schmunzelte in sich hinein.

Trotz seiner Beteuerungen, ihn den Rest der Nacht wach zu halten, war Kirk sang und klanglos eingeschlafen, sobald Bones ihn unter Aufbringung von sanfter Gewalt in Verbindung mit grundgeduldiger Hartnäckigkeit in sein Bett verfrachtet hatte. Ihm waren die Augen zugefallen, sobald sein Kopf das Kissen berührte – er war ein Opfer seiner eigenen Halsstarrigkeit geworden, die ihn nur so lange einigermaßen bei Bewusstsein gehalten hatte, bis sein Körper über keinerlei Energie mehr verfügte, um sich noch gegen das Sedativ zu wehren, das Bones ihm gespritzt hatte.

Bones hatte sich damit abgefunden, dass die Nacht nicht halb so aufregend werden würde, wie er sich das vorgestellt hatte, hatte sich zu ihm gelegt, und Kirk hatte sich an ihn geschmiegt und leise Laute der Zufriedenheit von sich gegeben.

Jetzt lag er mit dem Hintern zu ihm, und Kirk schien es extrem zu genießen, der kleine Löffel zu sein, hielt Bones’ linken Arm an seine nackte Brust gedrückt und umklammerte mit warmen, rauen Fingern sein Handgelenk.

Das Geräusch, das ihn geweckt hatte, ertönte ein weiteres Mal, und ein Blick auf die Uhr auf seinem Nachttisch informierte Bones darüber, dass es lange nicht so früh war, wie er angenommen hatte. Acht Uhr morgens war eine relativ humane Zeit, besonders, wenn es sich um einen medizinischen Notfall handelte, also löste er sich vorsichtig von Kirk, entrang ihm sein Handgelenk und stand auf.

Bones überlegte kurz, sich in einen Morgenmantel zu werfen, entschied sich nach kurzem Überlegen aber dagegen. Wer auch immer störte, durfte ruhig wissen, dass er ihn geweckt hatte. Er zog sich das schwarze T-Shirt zurecht, das er angezogen hatte, nachdem klar geworden war, dass Kirk sich ganz sicher nicht darüber beschweren würde, wenn er in ihrer ersten gemeinsam verbrachten Nacht mehr als nötig am Leibe trug, und ging zur Tür.

Als er drei Sekunden später selbige geöffnet hatte, wünschte er sich mit plötzlicher Intensität, nicht nur seinen Morgenmantel gesucht, sondern am besten noch geduscht und sich die Zähne geputzt zu haben, bevor er sich der Öffentlichkeit präsentierte.

Denn vor ihm stand, jedes Haar der eigenwilligen Frisur am Platz, Spock. Inklusive hochgezogener Augenbraue. Bones stellte sich unwillkürlich so hin, dass er die Sicht auf sein Bett blockierte.

„Guten Morgen, Doktor McCoy.“ Bones wusste nicht, ob er sich das einbildete, aber irgendwie klang Spock amüsiert. Das allein war Grund genug für ihn, nun selbst die Augenbraue in die Höhe zu ziehen. „Guten Morgen. Kann ich irgendwie helfen?“

„Das nehme ich an“, gab Spock ruhig zurück. „Ich suche James T. Kirk.“

Bones verschränkte unwillkürlich die Arme vor der Brust und verlagerte sein Gewicht vom rechten aufs linke Bein. „Und da kommen Sie zu mir?“

Spocks Augenbraue wanderte noch ein wenig weiter nach oben. „Ich war bereits bei seinem Quartier und, als er nicht geöffnet hat, auf der Krankenstation. Es war nur logisch, Sie als nächstes aufzusuchen.“

Bones wusste nicht ganz, wie er mit dieser Aussage umgehen sollte. „War es das?“

Spock nickte. „Sie sind eng miteinander befreundet. Mir war schon gestern nach unserer Trainingseinheit klar, dass es ihm nicht gut ging, aber er hat mir versichert, dass es nichts Ernstes sei – Nun, er ist heute nicht zum Training gekommen, und obwohl er sonst nicht sonderlich verlässlich ist, war er doch bisher zumindest zu diesen Gelegenheiten immer pünktlich. Falls ich ihn ernsthaft verletzt haben sollte, halte ich es für meine Pflicht, sicher zu stellen, dass seine Wunden versorgt werden.“

Bones musste unwillkürlich ein Grollen unterdrücken. „Seine Wunden sind versorgt worden, keine Sorge - und ja, Sie haben ihn schwerer verletzt, als Sie angenommen hatten. Ich dachte immer, ihr Vulkanier hättet euch besser unter Kontrolle. Er sah aus, als hätten Sie ihn als Sandsack benutzt.“

Spock verschränkte nun ebenfalls die Arme vor der Brust. „Ist das Ihre ärztliche Meinung, Doktor McCoy? Oder sind Sie wütend, weil ich Ihrem Freund im Kampf überlegen bin?“

Bones biss die Zähne zusammen. „Ich weiß, dass Sie ihm überlegen sind – jeder weiß das, Jim eingeschlossen. Es gibt keinen vernünftigen Grund dafür, ihn so zuzurichten – es sei denn, Sie wollten genau das.“

Spock schien gefährlich kurz davor, ihm eine entschieden emotionale Antwort auf diesen Vorwurf zu geben, als Kirks verschlafene Stimme im Hintergrund erklang. „Bones? Was’n das so laut hier?“ Bones zuckte beinahe zusammen, schaffte es jedoch, sich diese Blöße nicht ausgerechnet vor Spock zu geben, und drehte sich halb zum Bett um. „Du hast Besuch.“

Bones sah Kirk blinzeln und sich halb aufrichten, er sah außerdem, dass schon allein diese minimale Bewegung Kirk Schmerzen verursachte – und als Kirk sah, wer da vor der Tür zu Bones’ Quartier stand, setzte er sich mit einem Ruck auf, der ganz bestimmt wehgetan haben musste.

„Spock?“ Aus dem Augenwinkel konnte Bones beobachten, wie Spock nickte. „In der Tat.“

Kirk stöhnte leise und massierte sich mit der linken Hand die rechte Schulter. „Wie spät ist es?“

„Kurz nach Acht“, beantwortete Bones seine Frage, und als er Kirk aufstehen sah, wandte er sich endgültig von der Tür ab und ging auf das Bett zu. „Ich hoffe, du denkst jetzt nicht einmal darüber nach, mit ihm in die Trainingshalle zu gehen, Jim. Du bist nicht in der Verfassung, dich verprügeln zu lassen.“

Kirk begegnete dieser Einschätzung mit einem zynischen Blick. „Du hast ja eine fabelhafte Meinung von meinen Fähigkeiten.“

„Verdammt, Jim!“ Bones’ Grollen hätte einen ausgewachsenen Bären eingeschüchtert, nicht aber den Holzkopf von James T. Kirk. „Als dein Arzt kann ich dir nur raten, dich die nächsten Tage über zu schonen!“

Kirk warf ihm einen Blick zu, den Bones nicht entschlüsseln konnte, und fing an, sich etwas umständlich anzuziehen. „Als dein Patient nehme ich diesen Ratschlag zur Kenntnis“, sagte er leise, und irgendwas in seinem Ton machte Bones nervös. Kirk klang seltsam angespannt – nun gut, Spock hatte sie quasi zusammen erwischt, und das konnte einen ja nur nervös machen, aber da war außerdem noch irgendetwas anderes, wesentlich Schwerwiegenderes, das Kirk vor ihm zu verbergen versuchte. Und er machte das augenscheinlich richtig gut, Bones hatte nämlich das unangenehme Gefühl, keine Ahnung zu haben, was hier soeben vor sich ging.

Er wandte sich also zu Spock um und bedachte den größeren Mann mit einem anklagenden Blick. „Ich hoffe, Sie sind wenigstens so vernünftig und lassen das Training heute ausfallen!“

Spock ignorierte sein herausforderndes Starren; er sah direkt an ihm vorbei und Kirk dabei zu, wie er sich anzog. Bones konnte nicht sagen warum, aber diese Beobachtung ließ ihm für einen kurzen Augenblick ganz schrecklich heiß werden. „Mister Spock!“, bellte er also, um die Aufmerksamkeit des Vulkaniers auf sich und somit von Kirk abzulenken, und Spock drehte leicht den Kopf und musterte ihn abwartend. „Ja, bitte?“

„Ich untersage Ihnen, sich mit ihm zu messen, bevor es ihm besser geht!“, knurrte Bones zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor, und Spock verschränkte die Arme hinter dem Rücken und legte den Kopf schief. „Sie haben nicht die Befugnis, mir Befehle zu erteilen.“

Bones ballte die Hand zur Faust, wurde jedoch von Kirk darin unterbrochen, sich in einen Tobsuchtsanfall hinein zu steigern.

„Bones“, sagte er leise, und trat an seinen Freund heran, „kann ich kurz mit dir reden?“

Bones nickte, ließ sich von Kirk in die hinterste Ecke des Zimmers ziehen und senkte leicht den Kopf, um ihm sein Ohr zu leihen. Kirk beugte sich ebenfalls ein wenig vor, und seine Stimme war so leise, dass Bones ihn kaum verstand. Und dann wünschte er sich, er hätte ihn nicht verstanden.

„Bitte“, sagte Kirk drängend. „Das hier ist wichtig, Bones – ich muss mit ihm mitgehen.“

Bones schluckte trocken. „Du musst mit ihm mitgehen?“

In Kirks blauen Augen flackerte kurz eine Emotion auf, die Bones nicht entschlüsseln konnte, dann nickte er. „Ja, ich muss. Und du magst mein Arzt und mein Freund sein – aber das lasse ich mir nicht verbieten.“

Bones’ Kopf fühlte sich mit einem Mal merkwürdig leer an. „Ich will dir nichts verbieten, Jim. Ich will nur nicht, dass er -“ Bones unterbrach sich und zuckte mit den Schultern. „Wie auch immer. Geh. Ich kann dich sowieso nicht abhalten.“

Er trat einen Schritt von Kirk zurück und verschränkte die Arme vor der Brust. „Ich bin sowieso schon spät dran. Mach die Tür hinter dir zu, wenn du gehst. Wir sehen uns dann … nach eurem Training.“

Mit diesen Worten zog er sich noch weiter von Kirk zurück, dessen Gesichtsausdruck jetzt geradezu gequält wirkte, aber Bones konnte nicht zulassen, dass sich das auf seinen Entschluss auswirkte. Wenn Kirk unbedingt mit Spock kämpfen wollte, bis er besinnungslos zusammenbrach, dann würde er ihn nicht daran hindern – so tun, als gefalle ihm, was Jim da tat, konnte er aber auch nicht.

Doktor McCoy zog sich in sein Badezimmer zurück, und erst, als er die Tür zu seinem Quartier zugehen hörte, zog er sich aus und ging unter die Dusche. Er war übermüdet und fühlte sich zerschlagen, hatte jedoch das dringende Gefühl, dass das alles nur halb so schlimm wäre, hätte Kirk sich nicht dazu entschlossen, nichts zwischen sich und seine tägliche Tortur in Form von Spocks vulkanischen Fäusten kommen zu lassen. Und dieser Gedanke war jetzt grade irgendwie ein bisschen komisch rüber gekommen.

Bones stöhnte leise auf, legte den Kopf in den Nacken und hielt sein Gesicht unter den warmen Wasserstrahl. Irgendwie hatte er sich den Morgen nach einer mit James Kirk verbrachten Nacht anders vorgestellt – obwohl er sich, genauer betrachtet, eigentlich äußerst streng verboten hatte, eine Vorstellung von solch einem Szenario zu entwickeln.

Kirk hatte während seiner Akademiezeit einen Ruf erworben, der es Bones schwer machte, ihn sich in einer zwischenmenschlichen Beziehung vorzustellen, die auch nur entfernte Anzeichen von Treue und Monogamie aufwies, und das war in Ordnung gewesen, da er nie angenommen hatte, Kirk interessiere sich auf eine Art und Weise für ihn, die über das Platonische hinaus ging.

Vielleicht, dachte Bones flüchtig, war es ganz gut, dass in der vergangenen Nacht nicht mehr zwischen ihm und Kirk vorgefallen war – so war es durchaus möglich, ihre Beziehung so zu belassen wie sie war, und Bones kannte sich gut genug, um sich sicher sein zu können, seine Gefühle in den Griff zu bekommen. Wenn er wollte, konnte er Kirk davon überzeugen, dass die vergangene Nacht nichts als ein Ausrutscher gewesen war, der nicht das Geringste zu bedeuten hatte.

Und nach den Vorfällen an diesem Morgen war Bones relativ fest davon überzeugt, dass Kirk ihn als Freund und Arzt, nicht aber zum Liebhaber wollte. Und damit konnte er leben. Immerhin lebte er seit Jahren damit.



Seine ärztlichen Pflichten involvierten an diesem Tag nichts Aufsehenerregendes – eine Magenverstimmung, einen verstauchten Knöchel und eine leichte Gehirnerschütterung – und dementsprechend früh konnte Doktor McCoy in sein Quartier zurückkehren.

In seinem Kopf ging Bones die Pläne durch, die er während seines sterbenslangweiligen – ungeschickte Wortwahl für einen Arzt – Arbeitstages aufgestellt hatte, konnte sich nicht entscheiden, ob er das eine oder doch lieber das andere dicke Buch zu einem allein verbrachten Abendessen lesen sollte, und hoffte im Stillen, dass Kirk früher oder später bei ihm auftauchen würde, um sich von ihm zusammenpuzzeln zu lassen.

Eigentlich erwartete Bones nichts anderes von ihm – schließlich hatte er niemanden sonst, zu dem er gehen und sich versorgen lassen konnte, und dieser Gedanke machte Bones gleichzeitig traurig und froh – unter anderem froh darüber, dass er an diesem Abend etwas hatte, auf das er sich freuen konnte.

Was er nicht erwartet hatte, war Kirk, der vor seiner Tür am Boden hockte wie ein verlassener Welpe und aus unsicheren blauen Augen zu ihm hochblicke, so als zweifle er daran, dass Bones sich seiner annehmen würde.

„Du bist früh dran“, waren die ersten Worte aus Kirks Mund, während Bones mit hochgezogener Augenbraue auf ihn runter starrte, und er blieb am Boden hocken, als warte er auf die Erlaubnis, aufzustehen und sich mit Bones auf Augenhöhe zu begeben.

„Ich hatte nicht viel zu tun“, erwiderte Bones knapp, während er an Kirk vorbei seine Tür öffnete, und warf ihm schließlich einen auffordernden Blick zu. „Willst du da sitzen bleiben, oder kommst du mit rein?“

Kirk erhob sich prompt, und die kontrollierte, langsame Art, auf die er es tat, ließ Bones gefährlich die Stirn runzeln. „Hat er dir zur Feier des Tages jetzt noch ein paar Sehnen gezerrt?“

Bones hatte so ziemlich mit allem gerechnet, aber nicht damit, dass Kirk tatsächlich rot wurde. „Was ist passiert?“, polterte er also reichlich aufgebracht, und Kirk hob die rechte Hand und rieb sich den Nacken, während er ein wenig unsicher lächelte. „Nichts. Er hat sich geweigert, mit mir zu trainieren. Hat mir stattdessen einen ewig langen Vortrag über die unabdingbare Ausgeglichenheit von Körper und Geist gehalten … Und dann wollte er mir Unterricht in vulkanischem Yoga oder sowas Ähnlichem geben. Was zum Teufel hast du zu ihm gesagt, als ich noch geschlafen hab?“

Bones blinzelte verdutzt. „Nichts. Ich hätte schwören können, der hat nichts von dem gehört, was ich heute Morgen zu ihm gesagt habe!“ Die Tür schloss sich hinter Kirk, und er ging mit einem unsicheren Seitenblick auf Bones an diesem vorbei und ließ sich auf das schmale Sofa sinken, das zum Wohnbereich im Quartier des Doktors gehörte.

Bones blieb stehen, wo er war, musterte ihn ein wenig irritiert und war sich nicht ganz sicher, was von ihm erwartet wurde. „Es geht mir schon viel besser“, sagte Kirk schließlich leise, und Bones war einen Moment lang komplett sprachlos. „Was?“, sagte er dann und machte unwillkürlich einen Schritt auf Kirk zu. „Es geht mir schon viel besser“, nuschelte Kirk kaum hörbar, zog den Kopf ein und die Schultern hoch, und Bones trat noch ein wenig näher an ihn heran.

„Jim“, fragte er ernst, „bist du betrunken?“ Kirk hob den Blick und glotzte ihn überrascht an. „Was? Nein? Ich – ich dachte … du wolltest ja nicht, dass ich … also – wegen gestern – und du bist ja mein Arzt … also dachte ich …“ Kirk brach ab und kratzte sich am Hinterkopf, und Bones, der inzwischen bei ihm angelangt war, ging neben dem Sofa in die Hocke. „Ich bin froh, dass du dich geschont hast“, sagte er ernst. „Auch wenn ich dafür wohl kaum dir zu danken habe.“

Kirk biss sich auf die Unterlippe. „Ich muss mich noch dafür entschuldigen, dass ich … also … dass ich einfach eingeschlafen bin. Ich wollte wirklich … mit … mit dir …“

Kirk brach erneut ab, errötete leicht und sah zu Boden, und Bones hatte keine Ahnung, wie er darauf reagieren sollte. Kirk sah so unglaublich ernsthaft aus, dass er kaum wieder zuerkennen war, und Bones sah ein, dass er vielleicht sich selbst davon überzeugen konnte, dass Kirk nicht mehr als Freundschaft und ärztliche Betreuung von ihm wollte – nicht aber Kirk.

„Jim“, sagte er also trocken, „ich bin derjenige, der dir dieses Sedativum gespritzt hat. Wenn überhaupt, dann bin ich selber Schuld.“

Kirks Blick flatterte wieder hoch und haftete sich auf Bones’ Gesicht, und die grimmigen Linien, die sich über die Jahre dank der ewigen Grummelei ins Gesicht des Doktors gegraben hatten, lösten sich in einem vorsichtigen Lächeln auf.

„Fassen wir zusammen: Du bist nicht betrunken, stehst nicht unter Schmerzmitteln, und willst mich trotzdem küssen.“ Er erhob sich aus seiner Hocke, setzte sich neben Kirk aufs Sofa und wartete geduldig auf eine Antwort, die einfach nicht kommen wollte.

Kirk hockte neben ihm auf der Sitzfläche, hatte die Hände in den Schoß gelegt, die er in deutlich sichtbarer Nervosität knetete, und Bones, der unter anderem über eine ganz fabelhafte Menschenkenntnis verfügte, atmete tief durch. „Komm auf meinen Schoß.“

Es folgte ein Moment totaler Stille, und Bones blickte Kirk abwartend von der Seite an, bis dieser endlich begriffen hatte, wie ernst es ihm mit dieser Aufforderung war – und ihr so hastig nachkam, dass Bones ein Ächzen entwich, das von Kirks Lippen in einem gierigen Kuss erstickt wurde.

Falls Bones damit gerechnet hatte, dass es das Schmerzmittel gewesen war, das Kirks Hemmungen in der vergangenen Nacht erst aufgehoben hatte, nur um ihn kurz darauf niederzustrecken, dann hatte er sich geirrt. Kirk war auch ohne Drogen, die durch seinen Blutkreislauf zirkulierten, hemmungslos, gierig und erfreulich willig, sich ihm hinzugeben.

Manchmal ging es Bones ein wenig auf die Nerven, dass er über so eine ausgezeichnete Menschenkenntnis verfügte.

Er positionierte beide Hände an Kirks Hüften, um deren verzweifelte Stöße nach vorn ein wenig zu dämpfen, und legte den Kopf in den Nacken, öffnete leicht die Lippen und begegnete Kirks Drängen mit geduldiger Zärtlichkeit. Er würde ganz bestimmt nicht zulassen, dass Kirk – aus welchem eingebildeten Grund auch immer – die ganze Angelegenheit überstützte, nur weil er glaubte, dass Bones das so wollte … was nicht unbedingt ein eingebildeter Grund war, zugegeben.

„Bones“, keuchte Kirk gegen seine Lippen, leckte auffordernd darüber und presste seine Hüften mit verstärktem Nachdruck an die seines Doktors, und Bones kniff die Augen zu, verlagerte seinen Griff von Kirks Hüften an dessen Hintern und beanspruchte den Mund seines zukünftigen Captains so kompromisslos, dass Kirk ein überraschtes Winseln entkam, bevor er erleichtert aufstöhnte, sich an Bones’ breiten Schultern festkrallte und sich willig küssen ließ.

Die Stille in dem kleinen Quartier war ein bisschen unheimlich, gerade weil sie ab und zu von leisem Stöhnen und Keuchen unterbrochen wurde, und erst als Bones sich endlich wieder unter Kontrolle bekam und seine Lippen von Kirks löste, kam sie zu einem abrupten Ende. Kirk gab einen Laut von sich, der nicht ganz ein Knurren und nicht ganz ein Winseln war, trieb seine Hüften mit ungeduldiger Vehemenz gegen Bones’ – und dieser grollte irgendwo tief in seiner Kehle, schlug die Augen auf und sah Kirk an … und lächelte ein wenig raubtierhaft, als er den Schauer sah, der durch Kirks Körper ging.

Bones ließ seine Hände über Kirks Rücken gleiten, spürte die Hitze seines Körpers durch den dunklen Stoff seines Oberteils, blickte Kirk dabei unablässig in die Augen – und er war nicht überrascht, als Kirk selbige schloss, um seinem Blick auszuweichen, und sich nach vorn beugte, um seinen Kopf auf seine Schulter zu legen.

Kirk seufzte leise. „Ich hätte wissen sollen, dass du so stur sein würdest.“ Bones’ linker Mundwinkel hob sich um zwei Zentimeter. „Was hast du dir bitte sonst vorgestellt? Dass ich dich einfach ficke, ohne nachzudenken?“ Kirk erschauderte erneut, und Bones machte eine mentale Notiz für die Zukunft. Wer hätte gedacht, dass simples Ansprechen der Tatsachen tatsächlich Einfluss auf Kirks Libido haben würde?

„Haben bisher alle getan“, antwortete Kirk rau, drehte den Kopf so, dass er seine Stirn an Bones’ Hals pressen konnte, und Bones biss die Zähne zusammen. Die Worte schnitten, selbst wenn die Wahrheit hinter ihnen ihm seit langem bekannt war.

Er legte seine linke Hand in Kirks Nacken, kraulte selbstvergessen durch die kurzen blonden Strähnen, während die rechte weiterhin über Kirks Rücken glitt, und irgendwann entspannte Kirk sich unter seinen geduldigen Bemühungen und seufzte sogar leise. „Wie lange willst du mich eigentlich noch mit Vorspiel hinhalten?“

Bones drehte den Kopf, biss einmal sachte in Kirks entblößten Nacken und schmunzelte, als Kirk eine nicht zu übersehende Gänsehaut bekam. „Nicht mehr lange, keine Sorge. Ich muss mir nur die Behandlungsmethoden überlegen, auf die du am ehesten ansprechen wirst.“

Kirk begann unwillkürlich wieder damit, seine Hüften nach vorn zu bewegen. „Da bin ich nicht wählerisch, Bones.“ Bones hielt ihn fest. „Grade deswegen“, sagte er leise und sehr bestimmt, „wirst du tun, was dein Arzt dir verschreibt. Verstanden?“

Kirk gab so etwas wie ein Schnurren von sich. „Ja, Herr Doktor. Ich verspreche, dass ich ein vorbildlicher Patient sein werde!“ Das war eine Lüge, mit der Bones durchaus leben konnte.


ENDE
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